Zum Panorama des Weißenstein
Der Weißenstein, jener 853 m. über Solothurn und 1282 m. über Meer gelegene, bekannte Aussichtspunkt des Jura, genießt schon seit Jahren als Aussichtspunkt und Kurort eines guten Rufes. Der Berg wird schon in einer Urkunde vom Jahre 1350 als im Besitze der Stadt Solothurn erwähnt. Die einzelnen Sennhöfe wurden verpachtet, und im Jahre 1494 eine Fahrstraße über den Berg angelegt, von der auch der Chronikschreiber Hafner berichtet. Unter anderem wurde der Berg auch auf Kriegszügen überschritten, so 1460, in welchem Jahre eine Schar Solothumer von einem siegreichen Zuge gegen die Pfirter von Courendlin über den Weißenstein in die Heimat zurückkehrte und in Oberdorf am Fuße des Berges von ihren Mitbürgern festlich empfangen wurde.
Anno 1798 machten die Franzosen dem Berge auch einen Besuch. Darüber heißt es im Protokoll der Gemeindekammer folgendes: „ Der Weißenstein hat unendlich durch den Durchzug der Franken gelitten. Alles ist in den dasigen Gebäuden zerstört, und bis aufs Dach und Gemäuer muß alles erneuert und dem Senn das nöthigste Geschirr wieder angeschafft werden; selbst der allda befindlich geweßte Heuvorrath befindet sich auf dasiger Weide zerstreut und ist unbrauchbar geworden. "
Seine volle Bedeutung gewann der Berg aber erst im 19. Jahrhundert. Im Sennhause, das damals auf der Höhe des Berges gelegenJahrbuch des S.A.C. XXXV und XXXVII.
war, wo jetzt das Kurhaus steht, wurde ein Saal und einige Stübchen eingerichtet für die Fremden und dem Senn das Recht zum Wirten und Beherbergen eingeräumt. 1817 entstand das erste noch vorhandene Panorama des Weißenstein, durch Heinrich Keller aus Zürich aufgenommen. Diese Arbeit, für die damalige Zeit ein Meisterwerk, trug sehr viel dazu bei, den Berg einem weiteren Publikum bekannt zu machen und den Besuch desselben zu steigern. Die größere Frequenz veranlaßte die Stadt schließlich zur Anlage eines eigenen Kurhauses im Jahre 1825. Die Eröffnung fand drei Jahre später statt. Zu gleicher Zeit wurden die Fahrstraße sowie der Fußweg verbessert und damit der Berg sowohl von der Nord- als Südseite besser zugänglich gemacht.
Eine Schrift des Solothurner Arztes J. Kottmann ( 1828 ) machte auf den Berg als Kurort aufmerksam und empfahl den Aufenthalt daselbst zu Milch- und Molkenkuren. Dr. Kottmann war damit einer der ersten, der die leidende Menschheit aufmerksam machte auf die Bedeutung und die Vorzüge des Gebirgsklimas zum Zwecke der Heilung von Krankheiten.
Der gute Ruf, den der Berg schon damals als Aussichtspunkt besaß, ist ihm geblieben, und kaum dürfte es eine zweite Warte in der gesamten Jurakette geben, von welcher aus unser schöner Alpenkranz in freierer und herrlicherer Entfaltung geschaut werden könnte, als vom Weißenstein oder den ihm benachbarten Anhöhen der Röte oder Hasen-matte.Von Magglingen ob Biel aus erscheinen z.B. die Berner Alpen weniger vorteilhaft, weil sie einen kleinern Bogen des Horizonts einnehmen; dies fällt vor allem auf bei der herrlichen Front vom Eiger bis zur Jungfrau, die zu sehr verkürzt ist. Zudem sind von stärker westlich des Weißenstein gelegenen Juragipfeln die schönen Massive des Glärnisch und Tödi weniger markant. Auch das Panorama von der Fridau, zirka 4 Stunden östlich vom Weißenstein, kann sich mit dem letzteren meines Erachtens nicht messen. Es zeigt sich eben auch von hier die Kette der Berner Alpen vom Wetterhorn bis zur Jungfrau in nicht so breiter Entfaltung wie vom Weißenstein, und dies ist von Bedeutung. Denn eben dieses Gebiet bildet, wie auf dem Panorama deutlich zu erkennen ist, das am meisten Auffallende im Blickfeld des Weißenstein, indem diese gewaltigen Riesen des Berner Oberlandes auf dem Weißenstein von allen Schneegipfeln dem Beschauer am nächsten stehen, während die etwas niedrigere Triftgruppe z.B., sowie auch die gleichfalls niedrigere Blümlisalp schon etwas weiter abstehen und darum weniger bedeutend erscheinen, als sie in Wirklichkeit sind. Auf der Fridau befindet man sich eher der Triftgruppe gerade gegenüber, und auf Magglingen sind Doldenhorn, Balmhorn xmd das Wildstrubelgebiet am nächsten, Jungfrau, Eiger etc. etwas weiter entfernt. Am klarsten und eindrucksvollsten wirkt das Panorama des Weißenstein an schönen Herbst- und Wintertagen, besonders dann, wenn bei hohem Barometerstand eine dicke und ruhige Nebelschicht die schweizerische Hochebene einhüllt bis zu 800 oder 1000 m. Höhe und darüber die Berge im Sonnenlichte fluten, oder an gewissen Wintertagen des Morgens früh vor und nach Sonnenaufgang, wenn eine dunkle Wolkenschicht den Himmel bedeckt und nur der Süden klar ist. Die Berge lieben sich dann, scheinbar dem Auge ganz nahe, in ungemein scharfer Zeichnung ganz schwarz vom schon ganz hellen Himmel ab und stehen in herrlichem Kontrast zu ihm. Dann sind auch die scharfen Silhouetten einiger Walliser Berge, die über den Kamm der Berner Alpen hervorgucken, so des Weißhorns und des Zinalrothorns am deutlichsten sichtbar. Aber auch zu andern Zeiten ist bei klarer Fernsicht der Anblick des Alpenkranzes ein majestätischer. Es ist deshalb nicht zu verwundern, daß die Aussicht vom Weißenstein schon die begeistertsten Lobredner gefunden hat. Unter ihnen sind zu nennen: Strohmeier in seinem „ Gemälde der Schweiz ", dann Ebel 1805, der sagt: „ Die Aussicht ist außerordentlich, so daß ich jeden Freund der Natur einladen muß, die kleine Reise auf den Weißenstein zu machen ", Ger. Meyer von Knonau in der Schweizerischen Erdkunde, Dr. Schneider in seiner Erdbeschreibung 1857, dann Salomon Hirzel in Eugem'as Briefen.
Als Juraberg ist der Weißenstein natürlich leicht zu erklimmen, sowohl von der Nord- als der Südseite.Von Solothurn führt die Fahrstraße in zirka 3 Stunden hinauf, der kürzere und weit lohnendere Fußweg über die sogenannte Risi ( rot markiert ) in etwa 21/« Stunden. Wer einen kleinen Umweg nicht scheut, geht zum Dörfchen Balm, steigt von dort in :i/4 Stunden zum neuen Kurhaus Balmberg, von wo der Weißenstein auf drei verschiedenen Wegen gewonnen werden kann, am lohnendsten in zirka 1 Stunde über die sogenannte Röte, eine plateauförmige Erhebung, die nach Osten in einer steilen, auch dem Kletterer schöne Aufgaben stellenden Felswand abfällt und von der man auf den Weißenstein niederschaut. Die nordwärts vom Berge ( dem Weißenstein ) hinabführende Fahrstraße endet in Münster, einer Station der Eisenbahnlinie Biel-Basel.
Mit der Erstellung der Weißensteinbahn wird die Bahnlinie noch näher an den Fuß des Berges führen als bisher, und wer weiß, ob es nicht einmal einer späteren Generation einfallen wird, vom nördlichen oder südlichen Portal des Weißensteintunnels oder dessen Nähe eine Drahtseilbahn nach der Höhe des Berges zu erstellen.
Möge das neue Weißensteinpanorama, das dem vorliegenden Bande des Jahrbuchs beigegebenund von Meister Imfeids kundiger Hand geschaffen worden ist, das Seinige dazu beitragen, dem vielgerühmten Aussichtspunkte neue Freunde zu erwerben.
Dr. Aug. Walker ( Sektion Weißenstein ).
. ' ) Anm. der Red. Technische Gründe haben uns, nach verschiedenen Versuchen, veranlaßt, das in sechs Streifen gedruckte Panorama in zwei Streifen untereinander zu bringen, um die Ansatzstellen der Streifen, wo die Schrift gelegentlich undeutlich oder entstellt wurde, tunlichst zu verringern. Auch so blieb leider eine Stelle in der Blümlisalpgruppe in der Schrift unklar, was wir als nicht uns, auch nicht dem Buchbinder, zur Last fallend zu entschuldigen bitten. Wer sein Panorama in einem ( allerdings langen und schmalen ) Streifen zu haben vorzieht, kann das durch seinen Buchbinder leicht ändern lassen.
Jahrtmch des Schweizer Alpenclub. 39. Jahrg.24