Walliser Berg- und Passnamen vor dem XIX. Jahrhundert
Von A. Wäber, Bern.
I. Das XV. und XVI. Jahrhundert.
Im Jahrbuch XXVIII S.A.C. habe ich versucht, an dem Beispiel des Berner Oberlandes darzulegen, wie langsam die Nomenklatur der Alpen, die wir als etwas von alters her gegebenes anzusehen gewohnt sind, sich in Wirklichkeit entwickelt hat und wie unsicher und unvollständig sie noch in den letzten Jahrzehnten des XVIII. Jahrhunderts gewesen ist ' ).
Indem ich heute diese Studie über das erste Auftreten der Bergnamen in der geographischen Literatur auf das Wallis ausdehne, muß ich von vornherein bemerken, daß hier die Ausbeute an nachweisbar alten Bergnamen verhältnismäßig geringer ist als im Berner Oberland. Im Oberland waren z.B. am Anfang des XVII. Jahrhunderts dank der trefflichen Chorographie des Berner Stadtarztes Thomas Schöpf 2 ) und der fleißigen Registrierung der Berg- und Alpnamen durch den Thuner Pfarrherrn Joh. Rud. Rebmann 3 ) schon mehr als ein halbes Hundert Hoch- und Voralpengipfel unter ihrem jetzigen Namen oder leicht deutbaren Varian- Walliser Berg- und Paßnamen vor dem XIX. Jahrhundert.
ten verzeichnet. Im Wallis sind um dieselbe Zeit, abgesehen von den Bern und Wallis gemeinsam angehörenden Bergen der Wasserscheide zwischen Rhone und Aare 1 ), kaum ein halbes Dutzend Gipfelnamen nachgewiesen, die zweifelhaften eingerechnet.
Es mögen freilich auch andere Walliser Berge schon im XVI. Jahrhundert oder noch früher Namen besessen haben. Wenn in den Berner Alpen der Eiger ( Mons Egere ) und der Eiger-Rotstock ( Truncus Rubens ) schon 1252, das Balmhorn ( Balenhorn ) 1366 urkundlich erwähnt werden 2 ), so liegt der Schluß nahe, daß auch im Wallis einzelne als natürliche Marksteine oder durch ihre Form und Farbe merkwürdige Berggipfel schon im Mittelalter benannt waren. Nachweisen lassen sich aber solche Namen, die wohl nur im Volksmunde der Umgegend lebten, nur ausnahmsweise. Die geographische Literatur der Schweiz beginnt erst 1479 mit Albrecht von Bonstettens Beschreibung der Eidgenossenschaft, und die Urkunden des Mittelalters betreffen meist Fragen von Mein und Dein, Erbteilungen, Schenkungen, Kauf und Pacht, Weg-, Zoll- und Weiderechte u. dergl., für welche die unwirtlichen Grate und Spitzen kaum je in Betracht fielen. In Abbé Jean Gremauds trefflicher Sammlung von Walliser Urkunden von 300 bis 1457 ist das Balmhorn der einzige sicher bezeichnete Gipfel, und selbst die Pässe werden oft auch da nicht mit Namen genannt, wo die Urkunde gerade des Passes wegen ausgestellt worden ist und seinen Verkehr regeln soll. Immerhin treten die Namen der Grenzpässe, die in der Kriegs- und Verkehrsgeschichte des Wallis eine sehr wichtige Rolle spielen, sowohl in den Urkunden wie in den Chroniken, Topographien und Karten früher und zahlreicher auf als diejenigen der Gipfel.
In Albrecht von Bonstettens Landesbeschreibung der Schweiz 3 ) finden wir zwar noch keine Walliser Berg- oder Paßnamen. Der gelehrteMit den Bergen des Grenzkamms von Bern und Wallis befaßt sich die vorliegende Arbeit nicht; sie sind schon in der erwähnten Studie im Jahrbuch XXVIII behandelt worden, auf die ich für den Nachweis der einzelnen Namen und für die Literatur verweise Immerhin mag zur Vergleichung mit der Namenarmut der Walliser Alpen angeführt werden, daß bis zum Jahre 1800 schon 20 über 3000 hohe Gipfel auf oder dicht an der Grenzlinie in der geographischen Literatur erscheinen; es sind von W. nach E. gezählt die folgenden: Oldenhorn, Geltenhorn. Wildhorn, Wildstrubel, Rinderhorn, Alteis, Balmhorn, Schilt- oder Hockenhorn, Sackhorn, Birghorn, Tschingelhorn, Breithorn Jungfrau, Eiger, Fiescherhorn, Walcherhorn, Großhorn, Mittaghorn, Ebnefluh, Finsteraarhorn.
2 ) Fontes Herum Bernensiuna II, pag. 352. Gremaud, Documents relatifs à l' histoire Vallais du VI, Nr. 2535, M. D. R., I id. XXXVII, pag. 538. ( M. D. R. = Mémoires et Documents publiés par la Société d' histoire de la Suisse Romande. ) 3 ) Bonstetten, Albr. v., Der Obertütschheit Eidgnosschaft stett und lender gelegenheit. Superioris Germanise Confœdcrationis Decriptici. 1479/80. Hgg. von Dr. A. Büchi. Quellen zur Schweizergeschichte XIII, Basel 1893.
Dekan des Klosters Einsiedeln kennt zwar das „ Wallis und siner schnee-richen Alpen-Spicze " und in der lateinischen Übersetzung, die er 1480 Ludwig XI. von Frankreich widmete, spricht er von den Penninischen Alpen, aber er nennt in der ganzen Schweiz keine Berge, als Rigi und Pilatus, und keine Pässe, als Brünig und Gotthard und unter den Penninischen Alpen versteht er, wie aus dem deutschen Text von 1479 hervorgeht, nicht speziell die Walliser Alpen, sondern das Hochgebirge der Schweiz im allgemeinen.
Schon 1482 finden wir aber zwei Walliser Pässe, den Mons S. Bernardi und den Mons Brige ( Simplon ) in der Karte von Gallien verzeichnet, die ein anderer Benediktiner, Nikolaus Donis. Mönch zu Reichenbach ( Bayern ), seiner prächtigen Ptolemseus-Ausgabe beigab)1.
Die älteste Schweizerkarte, die Landtafel des Zürcher Stadtarztes Conrad Türst von 1495/7 2 ), gibt den „ S. Bernhartzberg " ebenfalls an, bezeichnet aber den Simplon nur durch die Orte Brig, Siimpelen, Daweder, ( Val di Vedrò ) und Thum ( Domodossola ). Ob der in dem Dreieck Stlmpelen, Matt ( Zermatt ), St. Vicentz stehende Name Alp Greij sich auf den Simplon bezieht oder auf das Matterjoch, das man vielleicht aus den beiden letzten Namen herauslesen darf, ist nicht sicher zu entscheiden. Außerdem führt Türst in der Gegend von Bonmatt ( Pommât ) einen Mon Jubet an und verzeichnet die „ Furgen ", die Grimsel und die Gemmi.
Die zweite Schweizerkarte ist, abgesehen von den Nachahmungen der Türstschen Karte in einigen Straßburger Ptolemœus-Ausgaben3 ), die berühmte Karte Aegidius Tschudis4 ), die Sebastian Münster 1538 zu Basel bei Michael Isingrm erscheinen ließ. Diese Karte ist im Original nicht erhalten, es unterliegt aber keinem Zweifel, daß die zweite Ausgabe, welche 1560 „ bey denen erben Michaelis Isingrinijt; herauskam, abgesehen von der Legende rechts oben und vielleicht dem reichverzierten Rande, mit denselben Holzstöcken gedruckt worden ist wie die von 1538, sonst wäre darin nicht, acht Jahre nach Münsters Tod, die Kartusche5 ) stehen geblieben, in der Münster Tschudis Werk den Walliser Berg- und Paßnamen vor dem XIX. Jahrhundert.
Liebhabern der Cosmographie empfiehlt. Man darf also unbedenklich die Karte von 1560 für diejenige von 1538 einsetzen.
Sie ist an Berg- und Paßnamen nicht viel reicher als die Türstsche; das Matterjoch wird nun als „ der Gletscher " bezeichnet und an Stelle des Simplon, oben an Vallis vechin ( Val di Vedrò ), deren Bach bei Crevola in die Tös ( Toce ) mündet, steht Alp Grow. Aus dem zugehörigen Text der „ Alpisch Rhsetiadie in demselben Jahre wie die Karte deutsch und in lateinischer Übersetzung herauskam, erfahren wir über das Wallis nicht mehr, als was in der Karte steht. Die Schrift nennt den Gletscher 2 ) als Paß aus Ober-Wallis ins Ougstal ( Valle d' Aosta ) und spricht auch vom Simplon, ohne ihm aber einen Namen zu geben, als von einer Straße „ uß Wallis in Eschental ( Valle d' Ossola ) in ein Tal Vechia, das ist Vallis Vetula genannt ". Der Alp Greij oder Grow gedenkt sie nicht.
Die Schweizerkarten in Münsters Ptolem eus-Ausgaben von 1540 und 1552 und in den Cosmographien von 1544 und 1550 bieten nichts neues. Wichtiger sind dagegen die Karten und Beschreibungen des Wallis von Johannes Stumpf, 1544 und 1548, und von Sebastian Münster. 1544, 1550 und 1552.
Wie Tschudi, der den Großen St. Bernhard, den „ Gletscher " und die Furka überschritten hat, kannten auch Stumpf und Münster das Wallis aus eigener Anschauung. Der Zürcher Pfarrer und Chronist hat es 1544 „ von oberist bis zuo underist durchwandelt ", d.h. von der Grimsel bis St. Maurice, der Basler Professor 154G von St. Maurice zur Furka mit einem Abstecher auf die Gemmi, die er „ nicht ohne Zittern der Gebeine und des Herzens " erstieg.
In Stumpfs Reisebericht 3 ), der Deutsch und Latein, praktische Reisenotizen über Wirtshauszechen, Distanzen u. s. w. und gelehrte Exkurse in ergötzlichem Durcheinander bringt, ist die Ausbeute an neuen Claronensi, V. C. apud Helvetios. faetam et erebris eiusdem disnirsilms per multos annos summa vigilantia paratam, nostro vero marte adoriiatam ex officina Michaelis Isingrinij, tibi, candide lector, exhibemus. "
Berg- und Paßnamen gering. Bei Mörelein pfar und dort'ad dextram, hat ein prugk, ligt 2 Stund under Àmen; illic pernoctavismus hospiti exponentes 3 Batzenerwähnt er die „ straß über Albrun, führt in Antigoriam vallem " und den Berg „ Anthonien ", von dem später die Rede sein wird, bei Visp den „ Mont Mart, Mons Martis ", den man für den Antronapaß oder für den Monte Moro halten kann. „ Simpillen " gibt er als Ort an ohne des Passes zu gedenken; von der Massa weiß er, daß sie „ uß Aletsch, einer Alpen ", kommt.
Sebastian Münster hat seine erste Beschreibung des Wallis zwei Jahre vor seiner Reise geschrieben. Es ist deshalb nicht zu verwundern, daß er in der Cosmographie von 1544von dem Land Valesia, zu teutsch Wallis, nid sunderlich vil zu schreiben gehapt " hätte, wenn ihm nicht auf Veranlassung des Bischofs Hadrian von Riedmatten von dem „ Landvogt " Joh. Kalbermatten Material geliefert worden wäre. Immerhin ist seine Beschreibung des Wallis, als die erste, von nicht geringem Wert. Zu den schon von Türst und Tschudi genannten Pässen fügt er hinzu: den Lötschberg, den Sanetsch, den Nufenenpaß, den Griespaß und den Saaserberg, unter dem er den Antronapaß versteht. Der Simplon heißt nun Simpelberg oder Sempronii Mons, das Matterjoch Matterberg. Außerdem deutet er den Col de Collon und den Col Ferret an, ohne sie aber zu nennen, indem er sagt, es gebe einen Paß von Sitten „ gegen Mittag durch das Urensertal ( Val d' Hérens ), VI meylen lang über ein großes schneegebirg, heißt der groß Gletscher von Aroila; da kompt man in das Thal Wapelina ( Valpellina ) ", und weiter „ von Martinacht... ist ein paß, Kumben genant, die teilt sich in bergen: eine ghet zu der linken gegen den Kleinen St. Bernhartsberg nit weyt von Tarentasia... Von Intremont gegen Mittag ghet ein straß über den Großen St. Bernhartsberg... führt ghen Ougstal ( Valle d' Aosta ). " Münster verwechselt hier links und rechts: Die Kumben, die „ in bergen sich teilt ", ist die Combe de Martigny, d.h. die unterste Stufe des Dransetals, die den gemeinsamen Zugang zum Ferret, zum Großen St. Bernhard und dem Col de Fenêtre bildet; die Straße des Col Ferret, der kürzeste Weg von Martigny zum Kleinen St. Bernhard, zweigt aber rechts, nicht links ab. Daß Münster trotz der Verwechslung den Col Ferret meint, ist um so sicherer anzunehmen, als Stumpf an einer ganz ähnlich lautenden Stelle den Irrtum Münsters korrigiert ( siehe pag. 256 ).
Nach Münster kommt nun wieder Stumpf an die Reihe, der in seiner Chronik von 15482 ) das Land Wallis im 11. Buch und der 11. Landtafel einläßlich behandelt 1 ). Da diese „ Landtafel " hier in verkleinerter Reproduktion beigegeben ist, brauche ich nur auf die wenigen neuen Namen aufmerksam zu machen, die sie enthält: auf der rechten Talseite der Rhone ist der Rawin ( Rawyl ) verzeichnet; auf der linken ist der Mons Martis, der westlich vom Antrun Mons angegeben ist, nun unzweifelhaft der Monte Moro, der Mons Silvius, den ich hier zum erstenmal finde, das Matterjoch. Andere Berge, die wir in dieser und in vielen andern Karten finden, sind nicht Gipfel, sondern Berge im alpwirtschaftlichen Sinn: Alpen, Vorsäße, oft auch nur hoch auf Terrassen oder Berglehnen gelegene Dörfer, oder endlich Pässe. Die Ausdrücke Berg, Mons, Mont bezeichnen bis ins XVIII. Jahrhundert hinein viel häufiger Pässe als Gipfel.
Der Text des 11. Buches bringt in seinem ersten Kapitel: „ von der gelegenheit des lands zu Wallis " eine Übersicht der Walliser Pässe, die mit der Karte nicht immer übereinstimmt und in den nachfolgenden Kapiteln über die einzelnen Zehnten und „ Panner " mehrfach berichtigt und ergänzt wird. So wirft das erste Kapitel die Pässe Nufenen und Gries, sowie Antrona und Monte Moro zusammen; die Beschreibungen der Zehnten Goms und Visp halten dagegen die Wege „ gegen den Gotthard auf Livinental gegen Orietz ( Airolo ) und Bellentz über den Nyfi ", und „ gegen Bonmatt ( Pommât ) „ über Grieß " richtig aus einander und ebenso die Wege über den Berg Antrun und den „ berg genannt auff Foe, heißt auch der Magganaberg... in das Thal Maggana ( Macugnaga ). " Der Mons Martis, der an derselben Stelle erwähnt wird, ist nun das hohe Gebirg „ gegen dem Fttrstenthumb Meyland 2 ), aus dem die beiden Quellen der Saaser Visp entspringen, also das Gebirge im Hintergrund des Saastals. Auf der linken Talseite erwähnt der Text ferner einen Glysberg, den man vielleicht für das Glishorn nehmen darf, bezeichnet das Matterjoch ( Mons Sylvius, Gletscher ) zum erstenmal mit dem Namen Augstalerberg und deutet den Col d' Hérens an, indem er sagt, von dem einen Ursprung der Borgne „ nit weyt von dem Augstalerberg gadt ein paß über die gletscher in das Kremertal oder Augstal ". Er faßt also, wie auch Tschudi u.a., den Col d' Hérens als einen mit dem Matterjoch direkt zusammenhängenden Paß auf. Der Berg Neinda, den Stumpf schon im Reisebericht von 1544 als „ Mons amenus " bezeichnet und dessen Lieblichkeit und Fruchtbarkeit er in der Chronik hervorhebt, ist die Bergterrasse von Haute Nendaz am Fuße der Becca de Nendaz. Spätere Topographen haben daraus einen mächtigen Bergstock der Hauptwasserscheide gemacht. Vom Bernhard und dem Col Ferret sagt er richtig: „ Von Martinach teilet sich die straaß; eine gadt auff die linck hand gegen Mittag über den Großen St. Bernhartsberg auff Äugst. Die ander gadt auff der rechten hand ein wenig gegen Nidergang gegen den Kleinen St. Bernhartsberg zu den Tarentasiern. "
Auf der rechten Talseite nennt der Text zum erstenmal das Bietschhorn „ ob Raren ", hinter dem die Luntz ( Lonza ) entspringt, die Beil-Alpen ( Bel-Alp ) und bei Gundes den „ Paß Treco ", d.h. den Pas de Cheville, dessen Pfad von Conthey durch Val Triqueut hinaufsteigt.
Nach Stumpf kommt wieder Sebastian Münster zum Wort und zwar zweimal nacheinander: das erste mal mit der lateinischen Ausgabe, 1550, der Cosmographia universalisv ), die aber weder im Text noch in der Karte neue Berg- oder Paßnamen bringt, das zweite mal in seinen „ novse tabulai " zur Ptolemseus-Ausgabe von 1552, unter denen sich eine Karte des Wallis in zwei Blättern findet2 ). Diese Karte ist insofern bemerkenswert, als sie fast das ganze von Tschudi, Stumpf und Münster selbst zusammengetragene Material verzeichnet und so einen Überblick über den Stand der Walliser Topographie um die Mitte des XVI. Jahrhunderts gewährt. Es fehlen darin aber doch nicht nur der Paß Treco, sondern auch die von Münster selbst zuerst angedeuteten Wege über den großen Gletscher von Arolla und den Col Ferret und merkwürdigerweise ist der präzise Lokalname Nyfi ( für Nufenen ) in den Karten- von 1550 und 1552 durch die allgemeine Bezeichnung „ straß gen Belletz " ersetzt. Aus den Bell-Alpen Stumpfs ist nun ein hoher Berg im Hintergrund des Aletschtals geworden; der Neinda dagegen ist deutlich als bewachsenes Plateau mit Dorf angegeben. Der Augstalerberg oder Mons Silvius ist ausnehmend kühn und scharfkantig gezeichnet, sodaß man versucht sein könnte, ihn für das Matterhorn, statt für das Matterjoch, zu halten, wenn nicht andere Pässe durch ebenso kühne Hörner repräsentiert würden.
Die nächste Karte, die das Wallis zur Darstellung bringt, ist die Schweizerkarte, die Anton Salamanca 1555 dem Hauptmann der päpstlichen Schweizergarde, Jost v. Meggen, gewidmet hat3 ). Im Gegensatz Walliser Berg- und Paßnamen ro dem XIX. Jahrhundert.
zu Tsclmdis Karte ist sie in Kupfer gestochen, hat Nord oben und latinisiert viele Namen; in der Terraindarstellung, den Umrissen der Seen, der Auswahl der Positionen und namentlich in den Fehlern stimmt sie aber so durchaus mit der Karte von 1560 überein, daß man sie für eine Kopie derselben halten müßte, wenn sie nicht von 1555 datiert wäre. Sie weicht auch, was das Wallis betrifft, nur in wenigen Punkten wesentlich von der Tschudis shen Karte ab: sie nennt den Simplon Mons Sempronius, das Matte Kleinen St. Bernhard ) Alpes Graja- und einen Ben;- südlich vom Aostatal Mons Silvius.
Auf die zweite Ausgabe der Tschndischen Karte ist es nach dem Gesagten nicht nötig einzutreten. Salamancas Mappa Helvetise von 1555 ist ein weiterer Beweis für die Identität der Karten von 1538 und 1560; dagegen finden wir einige neue Namen 0der Namenvarianten in der Karte des Herzogtums Mailand von Joh. Georg Septala. die schon in der ersten Auflage, 1570, des großen Atlas des Ort erschienen sein so111 ).
Die Karte, die West oben hat, wenigstens in der Ausgabe von 1584, ßlius „ Theatrum Orbis Terrarum "
ist, was das Wallis betrifft, sehr ungenau in der Darstellung des Terrains und der Grenzen und entstellt die Namen oft fast bis zur Unkenntlichkeit. So schreibt sie Ciro für Siders, S. Luca für Lenk, Siine für Sion. Die Furka heißt M. Gotanty; zwischen Cumes ( Goms ) und Val Premia i Formazza und Antigorio ) liegen ein M. Giacerò und ein M. Formazza, die wahrscheinlich auf G ries und Albrun zu deuten sind. Der Simplon ist durch M. Sempano und den Ort Sempione ( Simpeln ) bezeichnet. Auf den Monte Moro weist der M. Machugnago zwischen Valzosa ( Saas ) und dem Tal der Lanzft ( Anzasca ), in dem Vanzone und Anzino angegeben sind; anf den „ Gl tscher " Tsclmdis, d.h. auf das Matterjoch, oder besser auf seine östliche Variante, den Übergang vom Matterjoch über das Plateau Kosaz ( Pian Rosé ) und den oberen Col des Cimes Blanches, der M. Rosio zwischei Val di Praboma ( Zermattertal oder Hérens)2 ) und Val Challant, d; s durch die Orte Bruzon undSeptala, Job. Georg. Ducatus Mediolanensis, Nr. G7 des Theatrum Orbis Terrarum von Abr. Ortelius. Antwerpen 1534. Ich muß die Verantwortlichkeit für das Datum 1570 G. Uzielli ( Boll. C. A.., vol. XXIII, Nr. 56, pag. 114 ) überlassen. Ich habe die Karte zuerst in der Ausgabe von 1584 gefunden, die auf dem Titelblatt als dritte bezeichnet ist. Die Ausgabe von 1570 habe ich nicht gesehen; ein angebliches Exemplar derselben stellte sich bei genauer Durchsicht als eine spätere Auflage, wahrscheinlich als diejenige von 1595, heraus. In der Auflage von 1584 trägt die Karte Septalas die Nr. G7, in der von 1595 die Nr. 74 und diese Nummer hat sie auch in der angeblichen von 1570.
Tal m 2 ) Zu oberst in dieser Val di Praborna steht Impraborna ( Zermatt ); das d b b S Sht a Jahrbuch des Schweizer Alpenclub. 40. Jahrg.
17 Varezo ( Verres ) bezeichnet wird. Ich gebe zu, daß dieser M. Rosio auch ganz wohl auf den Monte Rosa bezogen werden könnte, der damit zum erstenmal unter einer Variante seines jetzigen Namens in die geographische Literatur eingeführt würde. Was dagegen spricht, ist die Lage zwischen Impraboma ( Zermatt ) und Bruzon, sowie der Umstand, daß fast alle andern mit M. ( Mons oder Monte ) bezeichneten Punkte der Karte, M. Genebre, M. Senis, M. Gales u. s. w. Pässe sind1 ).
Daß der Weg vom Matterjoch über Pian Rosé und Cimes Blanches um jene Zeit nicht nur den Anwohnern, sondern auch den Topographen bekannt war, geht aus einer Stelle in Aeg. Tschudis „ Gallia cornata"2 ) von 1571 oder 1572 hervor. Bei Besprechung des Gletschers oder Mons Silvius heißt es: „ ab dieser Berg-First theilet sich die Straß zu oberst auf aller Höche in 2 Thäler in das Augstal hinabzuziehen, das ein, Vali Tornenza genannt, ist zur rechten Hand, gehet richtig hinab zu dem Städtle Castellum ( Châtillon ), das andere Tal, Aiaza genannt, zur lincken Hand gelegen, gehet naeher Eporedia ( Livery)"3 ). Abgesehen von dieser Notiz über den oberen Col des Cimes Blanches ist die Stelle merkwürdig dadurch, daß sie die Täler Tournanche und Ayas ( Oberstufe von Val Challant ) scharf unterscheidet, während sie in den Tschudischen und Stumpfschen Karten unter dem Namen Krämertal zusammengeworfen sind; unter andern Tälern am italienischen Abfall der Walliser Alpen richtet die Gallia cornata dagegen einige Verwirrung an; sie zählt das Sesiatal zu den Seitentälern des Eschentals ( Valle d' Ossola ) und verlegt es an die Stelle des Anzascatals, das seinerseits an die des Antronatals verschoben wird. So kommt sie dazu, den Berg auf Foe oder Mons Martis ( Monte Moro ) zwischen Val Sesia und dem Saastal, den Antronapaß zwischen diesem und Macugnaga zu suchen.
Tschudi hat das Manuskript seiner Gallia cornata zwei Tage vor seinem Tode ( 28. II. 1572 ) dem berühmten Zürcher Gelehrten Josias Simler zur Einsicht geschickt, der aber von der Schrift nur für seinen Kommentar über die Alpen einigen Gebrauch gemacht zu haben scheint. In seiner Beschreibung des Wallis, die mit dem Kommentar 1574 herauskam 4 ), nennt er nur Stumpf, Münster und Thomas Plater als seineDen M. Viso ausgenommen, der aber auch auf den Colle di M. Viso oder de Traversette gedeutet werden kann.
2 ) Tschudi, Aeg., Gallia cornata ( 1571 oder 1572 vollendet; herausgegeben von J. J. Gallati unter dem Titel „ Hauptschlüssel zu zerschidenen Alterthumen oder Beschreibung Gallife comatse ". Konstanz 1758. ) 3 ) Ivrea.
4 ) Simler, Jonas, Vallesias Descriptio. De Alpibus Commentarius. Zürich 1574. ( Über Josias Simler vgl. Rew. W. A. B. Coolidges klassisches Werk: Josias Simler et les origines de l' Alpinisme, Grenoble 1904. ) Walliser Berg- und Paßnamen vor dem XIX. Jahrhundert.
Autoritäten. Obwohl Simler das Wallis nie bereist hat, ist doch seine Vallesiœ Descriptio, dank dem Bienenfleiß, mit dem er das Material gesammelt und gesichtet hat, mehr als zweihundert Jahre lang die beste Schilderung des Wallis geblieben. Noch Dr. Schiners „ Description du Département du Simplon " von 1812 stützt sich im wesentlichen überall auf die Descriptio von 1574. Neues von Belang können wir aber darin nicht zu finden erwarten: Simler verlegt den Mons Jubet, der bei Türst, Tschudi, Münster und Stumpf auf der rechten Seite des Tosatals steht, an die Quellen des Elmi- oder Gerenbachs; irriger Weise, denn Stumpf bezeichnet in der Chronik 1548 ( 9. Buch. Von den Lepontiern ) die wahre Lage des Jubet genau, indem er sagt, Pomatt liege „ gleych nebend dem gebirg Jubet ". Pomatt liegt aber am Ostfuß des Monte Giove, 3010 in ( Siegfried, Blatt Basodino ) oder der Cima Rossa ( Dufour, Blatt XVIII ), deren Identität mit dem Mons Jubet der alten Topographen Rev. W. A. B. Coolidge ( Alpine Journal XVII, pag. 141 ) in überzeugender Weise nachgewiesen hat. Auch macht Simler aufmerksam auf das eigentümliche Doppelvorkommen des Namens Alp Grajiœ, einmal als Bezeichnung für einen Oberwalliser Paß, das andere mal für den Kleinen St. Bernhard. Im „ De Alpibus Commentarius " wiederholt er diese kritische Bemerkung, und von da an verschwindet denn auch der Name an dieser Stelle aus den Karten.
Wichtiger ist im Commentarius die Stelle über den Mons Silvius: „ Bei den Sedunern ( Oberwallis ) ist ein Berg, den einige Silvius nennen; die Salasser ( Valdostaner ) haben ihm den Namen Rosa gegeben. Auf diesem Berge liegt eine ungeheure Anhäufung ewigen Eises, über die man auf einer Strecke von fast vier Meilen zu den Salassern hinübergeht, und doch überragen sie noch höhere und schroffere Gebirge. Die Walliser nennen ihn nach dem Eise den Gletscher. " Es ist dies das erste Mal, daß der Name Rosa genau in seiner heutigen Form in der geographischen Literatur vorkommt, allerdings zunächst als Bezeichnung für das Matterjoch, aber doch wohl auch für die höheren Gebirge, die es umstehen, also für das Matterhorn und die zunächst liegenden Berge des Monte Rosamassivs.
Simler sagt hier übrigens nichts anderes, als daß der Mons Silvius von den Anwohnern auf beiden Seiten gleich benannt wird; denn Gletscher heißt im Dialekt des Aostatals Rosa. In seiner Studie: Il lago di Rutor ( Bollettino C.A.I., vol. XIV, Nr. 41 ) teilt G. G. Marengo ( pag. 53-57 ) zwei Aktenstücke von 1595 mit, die dies beweisen. Das eine ist eine Bittschrift des Rats der Abgeordneten des Aostatals an den Herzog Karl Emanuel von Savoyen in betreff des Projektes, dem Lago di Rutor einen künstlichen Ablauf zu verschaffen; das andere das Gutachten des Ingenieurs Jacomo Soldati über dieses Projekt. Im französischen Text der Bittschrift wird der den See stauende Rutorgletscher1 ) kurzweg „ la rose " genannt, in dem italienischen Gutachten „ rosa ". Marengo bemerkt auch rose, roiza, roise bedeute Gletscher und ebenso schreibt A. E. Martelli in seiner Studie über die Berge und Gletscher des Val d' Ayas ( Boll. C.A.I., vol. XX, Nr. 53, pag. 31 ), im valdostanischen Dialekt bezeichne das Wort, das je nach dem lokalen Idiom roesa, roise oder ruiza ausgesprochen werde, einen Gletscher im allgemeinen, insbesondere aber ein Gletscherplateau. Der Name paßt also vorzüglich, sowohl für das Matterjoch, wie für den Pian Rosé ( Martelli: Plateau Rosaz ).
Die Etymologie des Monte Rosa scheint mir somit klar zu sein. Man braucht den Namen nicht von der sehr fragwürdigen rosenartigen Form des Monte Rosamassivs herzuleiten 2 ), noch von dem rosigen Schein, den ihm die aufgehende Sonne verleiht3 man braucht ihn auch nicht nach der roten Gesteinsfarbe als „ Montagna rossa " zu bezeichnen4 ), noch endlich auf das unvermeidliche Keltische — ros = Spitze — zurückzugreifen 5der Monte Rosa ist einfach der Gletscherberg. Das Appellativ Rosa, das ursprünglich ganz allgemein Gletscher, dann speziell das Gletschergebiet in der Nähe des Matterjochs bezeichnete, ist zuletzt als Eigenname an dem höchsten Haupte dieser Gletscher haften geblieben.
IT. Das XVII. Jahrhundert.
Nach Simler macht die Nomenklatur der Walliser Berge mehr als ein Jahrhundert lang nur geringe Fortschritte, obwohl es an neuen Karten nicht fehlt. Das letzte Viertel des XVI. und die drei ersten des XVII. Jahrhunderts sind die Blütezeit der niederländischen Kartographie. Auf die Atlanten von Abr. Ortelius und Gerhard Mercator folgen diejenigen der Hondius, Bläu, Jansson, Visscher u. s. w. In Frankreich sind die Tavernier, Tassin, Du Val, Sanson, Jaillot, Nolin zu nennen, in Italien Magini und Borgonio, in Deutschland Matthäus Merian mit seinen Topographien, die freilich mehr Bilder- als Karten-Atlanten sind, in der Schweiz der Zürcher Hans Conrad Gyger und seine Nachahmer Steiner und Muoß. Aber die meisten Kartographen sind mehr Chalkographen als Geographen, mehr darauf bedacht, saubere Kupferstiche als richtige Karten zu liefern. Das alte Material, das sie verarbeiten, wird selten verbessert und vervollständigt, häufiger mißverstanden, verzeichnet; neues scheint, wenigstens für unser Gebiet, nicht verwendet worden zu sein. Ich kann deshalb wohl mir — und dem geduldigen Leser — die Aufzählung aller der Karten der Schweiz und des Wallis, der Lombardei und Savoyens ersparen, in denen ich vergeblich nach neuen Walliser Bergnamen gesucht habe, und mich darauf beschränken, diejenigen herauszugreifen, die etwas Besonderes bieten1 ).
In G. A. Maginis Karte „ Piemonte et Monferrato " 2 ), 1620 finden wir im Hintergrund der Val d' Ayas zwischen Val Tornenchia ( Val Tournanche ) und Valesa ( Gressoney ), die richtig auseinander gehalten werden, einen breiten fächerförmigen Bergstock als M. della Roisa bezeichnet, den man der Zeichnung wegen mit mehr Wahrscheinlichkeit für das Monte Rosa-Massiv nehmen darf, als Septalas M. Rosio; aber jedenfalls steht er am unrechten Ort, denn nördlich von den drei Tälern zieht sich langgestreckt das Tal der Sesia von Val Pelline an nach Osten und scheidet so den M. della Roisa von den Walliser Alpen, die mit dem San Bernardo grande beginnen. Wir finden diesen M. della Roisa in derselben Lage auch in den Karten von Piémont und Montferrat im Appendix des Atlas Jansson-Hondius 1641 und in Joh. Blaus Atlas Major oder Geographia Blaviana, Bd. VIII, 1662, die uns aber ebensowenig Aufschluß über die Bedeutung des Namens geben wie Maginis Karte von 1620.
G. Mercators Karte der westlichen Lombardei 1630 3 ) kennt weder einen M. Rosio, noch einen M. della Roisa, macht aber aus dem M.
Silvio einen Bergstock, an dem vier Flüsse: die Borgne, die Gorner Visp, die Tournanche und die Anzasca entspringen, der also offenbar nicht nur den Mons Silvius der altern Topographen, d.h. das Matterjoch, sondern das ganze Gebiet des Gletschers, namentlich das Monte Rosa-Massiv bezeichnet. Die Sesia entspringt nicht am M. Silvio/sondern ist weit nach Süden gerückt; ebenso ist das Tal der Toce soweit südlich verschoben, daß Val Formazza sich an das Binnental, Val di Vedrò mit den italienischen Orten der Simplonstraße Impaini ( Paglino ), Varzo und Crevola an das Saastal zu schließen scheint.
Dieselbe Verschiebung finden wir in J. C. Gygers Schweizer Karte von 1635: Aus dem Saastal, das durch Visp, Stalden, Saas bezeichnet wird, scheint man über den M. Moro nach Crevola zu gelangen, die Route des Simplon wird durch Brig, Simpile, Cavergno, Bignasco angedeutet, führt also aus dem Wallis direkt ins Maggiatal.
Auch in der „ Carte du Pais de Vallais " von Pierre du Val 1644 2 ), stößt das Oberwallis an das Maggiagebiet; die Oberstufen der Valle d' Ossola, Formazza und Antigorio, sind verkümmert. Der „ M. Gries, iter Comma-tumu ( für Pomatt ), der „ AL Albrunius, iter in Val Antigoriam ", der „ M. Sempronio aut Scipione, iter in Ocelam ", gehen sämtlich ins Maintal; beim Simplon hat Du Val aus den von Stumpf und Simler angeführten Alpen Im Ganter ( Gantertal ) und St. Jakob einen M. Gantri und einen M. S. Jacobj gemacht!
Im Nikolaital verzeichnet die Karte Matta ( Zermatt ), aber in Hérens auch ein Impraborna ( Praborgne = Zermatt)ssüdlich von Matta steht M. Silvio und daneben eine Paßlinie „ Iter in Val Aiazzam, germ. Tremer-tal ( für Krämertal ), und südlich von Impraborna ein zweiter Mons Silvio dicht neben dem andern. Mit dem ersten ist unzweifelhaft der Mons Silvius oder Gletscher Stumpfs und Simlers gemeint, mit dem zweiten wahrscheinlich das Matterhorn ( Cervin ), das hier zuerst neben dem Matterjoch als Gipfel erscheint. Im untern Rhonetal ist der Mons Neinda an richtiger Stelle mit einer Ortschaft eingezeichnet. Westlich vom Brangeria ( Sembranchier an der Straße des St. Bernhard ) finden wir auf der Grenze einen M. Malay, der wohl, obschon nach Norden verschoben, als zur Mont Blanc-Gruppe gehörig zu betrachten ist 1 ). Auf der Nordseite des Rhonetals liegen am linken Ufer der Massa der M. Antonio, Stumpfs und Simlers Anthonienberg, und zu hinterst im Massatal, schon auf Berner Boden, der Mons Aletschian, den man vielleicht für das Aletschhorn nehmen kann, der aber wahrscheinlich nichts anderes ist, als die Übersetzung des Simlerschen Satzes: „ Massa fluvius ex Aletschianis montibus oritur ", aus dem Text in die Karte.
Wie der M. Antonio oder Anthonienberg ist auch die Coupeline eine Crux interpretum. Da, wo der Name zuerst erscheint, in N. Sansons Karte der Lombardei 1647/482 ) steht er auf der Wasserscheide östlich vom Bernhard, nördlich vom Pellinefluß, d.h. dem Buthier, südlich von der Borgne und kann vielleicht einen Col Pelline, d.h. den Col de Fenêtre oder den Col de Collon bezeichnen. In Sansons Karte des Dauphiné von 16528 ) steht er als Synonym von Valpelline und bezeichnet also das Tal oder den gleichnamigen Ort. In späteren Karten erscheint er als Bergname: Mont Coupeline, Montagne de la Coupeline oder Copeline, M. Compeline, M. Coupelin, nicht immer an derselben Stelle, aber immer in der Nähe der Valpelline und östlich vom St. Bernhard. Rev. W. A. B. Coolidge 4 ) hat es wahrscheinlich gemacht, daß die letzten dieser Namensformen auf den M. Combin hinweisen, der unter seinen jetzigen Namen erst auffallend spät in der Literatur auftritt.
In N. Visschers Karte von Savoyen etc.5 ), um 1660, finden wir südöstlich vom M. Coupelin, der ganz im Hintergrund von Val Pelline steht, einen M. Servino auf italienischem Gebiet, oben an Val Tournache ( Tournanche ), nahe dabei, auf der Grenze, einen M. Silvio, von dem sich die Glacières bis gegen M. Rosa erstrecken. Der M. Silvio mit seinen Glacières ist jedenfalls das Matterjoch, der M. Servino, trotz seiner exzentrischen Lage, der M. Cervin ( Matterhorn ). Der M. Rosa, der hier zum erstenmal unzweifelhaft in einer Karte erscheint, ist ebenfalls etwas verschoben; statt auf der Grenze von Wallis, Aosta und Mailand, steht er ganz im Mailändischen. Noch weiter nach Ost verschoben scheint der Name M. Moro zu sein, der hier auch zuerst in dieser Form erscheint; er gehört aber gar nicht zum Paß Monte Moro, den die alten Topographen Mons Martis, Auf Fœ-Berg oder Magganaberg nennen, sondern zum Pizzo del Moro in der Kette zwischen Val Mastallone und Val Olocchia, denn er steht südlich von Anzino ( bei Bannio, Val Anzasca ).
Im Gebiet westlich vom M. Coupeline finden wir wieder „ Glacières ", diesmal als Bezeichnung des Mont Blanc-Massivs zwischen „ Chammuny " und dem Wallis, und weiter nördlich steht an der Grenze von Chablais und " Wallis zwischen Monteich ( Monthey ) und N. D. d' Abondance die Croix des Limites, d.h. der Col de Croix.
Die nächsten zwei Jahrzehnte bringen wohl neue Karten, aber für unser Gebiet keine neuen Namen; selbst die prächtige große Karte der savoyischen Länder von Tomrtiaso Borgonio1 ), 16S0 von Giov. Maria Belgrano gestochen, aber erst 1683 publiziert, enthält für unsern Zweck nichts von Belang; immerhin mag erwähnt werden, daß sie einen M. Servino, unzweifelhaft als Berg, südwestlich vom l'raboraa verzeigt, daß aber dies Praborna weder im Nikolaital noch in Hérens liegt, sondern an der Quelle der Sesia, die von hier bis Varallo nach Osten fließt. Auch Borgonios Savoyer Karte2 ), 1682, zeigt im Wallis nur einen neuen Namen, den Mont de Coux, d.h. den Col de Coux bei Champéry.
In demselben Jahre macht aber die Topographie des Wallis einen mächtigen Schritt vorwärts dank der Karte, die der Landschreiber Antoni Lambien3 ) aus Brig 1682 dem Bischof, dem Landeshauptmann und den Sprechern der sieben Zehnten der Republik Wallis gewidmet hat. Dieselbe ist zwar immer noch eine Karte „ à renseignements, d.h. sie beruht nicht auf Vermessungen und regelrechten Aufnahmen, sondern auf Erkundigungen, mit denen der Autor seine eigenen Beobachtungen ergänzte. Da aber der Autor selbst ein Walliser war, seine Heimat offenbar, wenigstens was das Oberwallis betrifft, gut kannte und auch leicht zuverlässige Erkundigungen einziehen konnte, ist seine Karte für ihre Zeit sehr reich an Details und überraschend genau.
Neue Paßnamen bringt sie nur wenige: Die Fenestre ist der Col de Fenêtre ( de Bagues ), Pontimil im Zwischbergental am Simplon der Pontimiapaim Binnental nennt sie den Geisfad und bezeichnet den Albrun als Alberberg. Mont Mora h. und Monbeier h., südlich vom Saasersee = Mattmarksee, weisen auf den Monte Moro und den Mondellipaß hin, obwohl die Abkürzung h. = Horn wohl zunächst auf Höhenpunkte neben den Pässen, M. Moro und St. Joderhorn, zu beziehen ist.
Die Ausbeute an Gipfelnamen ist beträchtlich ergiebiger; aber es hält oft schwer, zu erkennen, ob ein Berg oder eine Alp gemeint ist, besonders da Lambien nicht alle Gipfel mit M. oder H. bezeichnet. unter ihrem jetzigen Namen oder leicht erkennbaren Varianten erscheinen auf der rechten Seite des Rhonetals das Balmenhorn, das Hockenhorn und das Aletzhorn, das nun sicher das Aletschhorn ist, endlich der Berg Wan, d.h. wohl das Wannehorn. Auch Nest für Bietschhorn und Roothorn für Finsteraarhorn sind nicht schwer zu deuten: Nach Studer hieß das Bietschhorn früher auch Nesthorn, wie denn auch sein nördlicher Vorberg heute noch als Klein-Nesthorn bezeichnet wird; dem Finsteraarhorn ist noch im Blatt X, 17972 ), des Meyerschen Atlas Rothorn als Synonym beigefügt. Das Faulhorn an der Gemmi kann man vielleicht als Rinderhorn ansprechen, das Morehorn, südlich von einem kleinen See, der nur der Märjelensee sein kann, als das Eggishorn oder auch als das Bettmerhorn, das früher in der Gegend als Mörelstein bekannt war und bei Wyß i ) 1816 Moriierhorn heißt. Was aber unter dem Stockhorn westlich und dem BergRied östlich vom Aletschhorn gemeint ist, getraue ich mich nicht zu bestimmen. Über „ Alpen-Stockt: dagegen braucht man sich nicht den Kopf zu zerbrechen: es sind die Alpen Stock und Hohstock am Fieschergletscher.
Auf der linken Seite des Rhonetals finden wir westlich von Vionnaz die Chaux longe, d.h. die gleichnamige Alp am Fuß der Tour 286A. Waber.
de Don ( Siegfried, Blatt Pas de Morgins ); zu beiden Seiten des Hérémence-Tals stehen die Berge de la Sala und M. Colombin und nördlich von diesem der Mons Mandelon. Unter dem ersten ist die Salle beim M. Pleureur zu verstehen, unter dem letzten die Alp und vielleicht auch die Pointe de Mandalon nördlich vom Pic d' Arzinol; den M. Colombin möchte ich für den M. Collon halten, der bei seinem ersten sicheren Auftreten in der Literatur Mont Colomb heißt; er ist aber soweit nach Nordwest verschoben, daß die Hypothese gewagt erscheint, besonders da zwischen dem Colombin Lambiens und dem Punkt, wo der Collon stehen sollte, ein anderer Berg, Arola Epi = Pigno d' Arolla, eingeschoben ist. Diesem gegenüber steht an der Quelle der Borne ( Borgne ) das Wyßzehnhorn ( eigentlich Weißzahnhorn = Dent Blanche. In der Kette, die von dieser zwischen der Borgne und der Navigense zur Rhone ausläuft, ist der Cournior du Midi durch eine Gemse als Berg angedeutet: spätere Karten, bis ins XIX. Jahrhundert hinein, machen daraus einen Gipfel, der nicht immer an derselben Stelle, aber doch immer irgendwo zwischen Hérens und Nikolai steht; wahrscheinlich ist es der Grand Cornier ( vgl. pag. 271 ).
In der Kette, die vom Wyßzehnhorn längs des Nikolaitals ausläuft, brauchen die Namen Triffthorn und Metelhorn keine Erläuterung, für das Ettischhorn weiß ich keine; das Wyßgebirg südlich von St. Nikiaus ist die Weißhorngruppe, die noch im XIX. Jahrhundert öfters als Weißes Gebirge bezeichnet wird. Dem Matterhorn, das hier zum erstenmal unter seinem deutschen Namen als Gipfel erscheint, ist das Wort Dioldin beigefügt, in dem ein St. Theodul stecken mag. Der Monte Rosa fehlt, dafür steht ein Findelhorn da, das wohl die Cima di Jazzi, und ein Seiwilehorn, welches das Seewinen Rothorn bedeutet. Im Saasgrat finden wir ein Roothorn, das dem Ober Rothorn entspricht, ein Schwarzhorn, das wahrscheinlich den Grat der „ Türme ': oberhalb der Alp Schwarzenberg oder das Strahlhorn, und ein Festhorn, das die Festi am Dom, möglicherweise den Dom selbst, bezeichnet. Das Mittaghorn ist im Gegensatz zu späteren Karten, die es in den Hauptkamm des Saasgrates verlegen, hier richtig als Endpunkt eines Ausläufers angegeben. Spen-horn, Fletzhorn und Hipshorn entsprechen dem Spahnhorn, dem Fletschhorn und dem Hübschhorn, Klonenhorn und Saffnetzhorn dem Klenen-horn und wahrscheinlich dem Bettlihorn, an dessen Fuß das Saflischtal seinen Anfang nimmt, Kriegshorren südlich und Galenhorn nördlich vom Binnental dem Kriegalpstock und dem Gandhorn mit der Galenalp. Blinden Felsen und Brodelhorn bedürfen keine Erläuterung.
Die Karten der Sanson, Jaillot, Nolin u.a. bis Ende des XVII. Jahrhunderts bieten nichts Bemerkenswertes. Viel Neues und Wichtiges über Wallis erfahren wir dagegen aus dem militär-geographischen Bericht über die Pässe des Aostatals, das Philibert Amédée Arnod l ), „ juge au bailliat d' Aoste ", 1691/94, für den Herzog Viktor Amadeus II. von Savoyen geschrieben hat. Von Walliser Pässen nennt Arnod einen Pfad aus Faucigny nach Ville d' Issert ( Val Ferret ) „ par des lieux fort estroits et par des précipices appelles SalliayniaFenêtre de Saleinaz, ferner den Col de la Seigne von Grand Ferrex = Col Ferret und die Nebenpässe des Großen St. Bernhard, Chantonet = Petit Ferret, Paß von Belle Combe — Col du Ban d' Arrey, Fenestre de Ferré oder chemin des Cavalles — Col de Fenêtre ( Ferret ), endlich die Passages Barracon = Col de Barasson, und Monove — Col de Menouve.Von den weiter östlich gelegenen Gletscherpässen erwähnt er zwischen Bagnes und Val Pelline die Fenêtre de Durant = Col de Fenêtre ( Bagnes ), die Creta Seche = Col de Crète sèche, zwischen Overana ( Evolène ) und Val Pelline die Sommité d' Orein — Col de Collon, und zwischen Praborna ( Zermatt ) und Val Tournanche die Sommité Mon Servin ( Matterjoch ), auf deren Höhe die Valdostaner, wie auch auf dem Collon und der Crête sèche Verschanzungen, die Walliser eine grob in Holz geschnitzte Statue des heiligen Theodul errichtet hätten, und er weiß auch, daß man von der Höhe des Matterjochs über die Gletscher der Cimes Blanches nach Val d' Ayas gelangen könne.
Mag nun Arnod einen Einfall der Truppen seiner allerchristlichsten Majestät von Frankreich befürchtet haben, mit der Savoyen damals im Kriege stand, oder einen Streifzug der ketzerischen Waldenser, die wenige Jahre zuvor, 1689, ihre „ glorieuse rentrée " in die heimatlichen Täler erzwungen hatten, sicher ist, daß die Kriegsgefahr die Kenntnis der Topographie der Walliser Pässe wesentlich gefördert hat: von den dreizehn Pässen, die Arnod anführt, sind acht neu, d.h. bis dahin in der geographischen Literatur nicht bekannt, und von den fünf übrigen erscheinen zwei zum erstenmal unter ihrem jetzigen Namen.
III. Das XVIII. Jahrhundert.
Nach diesen gewaltigen Fortschritten geht die Entwicklung der Walliser Bergtopographie wieder in sehr gemächlichem Tempo weiter. Von dem Namenreichtum der Lambienschen Karte und der Relation des Richters von Aosta ist bis zu den Sechzigerjahren des XVIII. Jahrhunderts in den Karten wenig zu verspüren. Die Kartographen und Topographen beschäftigen sich zwar noch immer mit dem Wallis und seinen Nachbarländern, besonders zur Zeit des spanischen Erbfolgekrieges 1701—1714, in dem die Lombardei zeitweise Kriegsschauplatz war, und im österreichischen Erbfolgekrieg 1741—1748. In Frankreich treten neben den Kartographendynastien der Sanson d' Abbeville und der Jaillot, die De Fer, de l' Isle, Tillemon, Dheulland, Robert de Vaugondy u. s. w. auf; in Deutschland die Nürnberger und Augsburger Kartographen J. B. Homann, Matthäus Seutter, deren Atlanten die niederländischen verdrängen. In der Schweiz ist der bedeutendste Topograph und Kartograph der Zürcher Professor J. J. Scheuchzer. Neue Karten gibt es also genug, manchmal erweisen sie sich jedoch bei näherer Betrachtung als gute alte Bekannte, denen wir schon öfters begegnet sind. Aber auch da, wo sich die Karten nicht als bloße Neudrücke von alten Platten, vielleicht unter neuer Firma, erweisen, ist der Karteninhalt gewöhnlich der alte geblieben; das wenige Neue, das sie enthalten, ist bald aufgezählt:
In Guillaume de l' Isle, Karte von Piémont, 1707] ), steht an der Quelle der Sesia an Stelle des Rosa der Doppelname M. Boso Rosa, der auf die alteinheimische Bezeichnung des Rosa in Val Sesia — Boso, Bioso, Biosson — hindeutet.
Scheuchzers Schweizerkarte von 1712 2 ) ist im Wallis sehr dürftig. Wenn sie nicht aus Lanibiens Karte die Namen Fenestra, De la Sala und Cournior du Midi aufgenommen hätte, so böte sie den altern Beschreibungen gegenüber nichts Neues. Ich hätte sie deshalb hier gar nicht erwähnt, wenn sie nicht für ihre Zeit und bis zum Ende des XVIII. Jahrhunderts die beste gewesen wäre und deshalb als Maßstab des topographischen Wissens von der Schweiz gelten müßte. Es ging, was das Wallis betrifft wenigstens bei den Gelehrten außerhalb der Walliser Grenzpfähle, nicht wesentlich über das hinaus, was schon die Humanisten des XVI. Jahrhunderts gewußt hatten.
Auch in den Schriften Scheuchzers ist die Ausbeute gering; immerhin weist seine Stoicheiographia von 1716 an neuen Bergnamen auf die „ Dent de Midyu, die „ Dent de Morcle " und den „ Diableret ", Und statt des Pas de Cheville nennt sie die Alpen, zwischen denen er liegt: Zeveillie oder Cheville auf der Walliser-, Anzeinde auf der Waadtländer Seite.
. ' ) De l' Isle, G., Carte du Piémont et de Montferrat. Paris 1707. Der Name Biosson für M. Rosa kommt schon in einer Urkunde von 1414 vor, die Giov. Giordani ( La Colonia Tedesca di Alagna, Torino 1891, pag. 33 ) zitiert. In Gilles Robert de Yaugondys Carte de la République des Suisses ( Paris 1756 ) steht kurzweg Boso für Rosa.
2 ) Scheuchzer, .T. J., Xova Helvetise Tabula Geographica. Zürich 1712.
Derselbe. Helvetise Stoicheiographia, Orographia et Oreographia. Zürich 1716.
Von Scheuchzers Stoicheiographia 1716 bis zu Gruners Eisgebirgen 176O1 ) ist ein langer Schritt; wir dürfen ihn aber unbedenklich tun, weil wir damit nichts für unsern Zweck Wichtiges übergehen. Nicht einmal Scheuchzers berühmte Itinera Alpina 1723 bringen etwas von Belang. Erst Gottlieb Sigmund Grüner, „ Fürsprech vor den Zweyhunderten des Frey-staates Bern ", gibt in seiner Schilderung der Hochalpen der Schweiz wieder einige neue Walliser Bergnamen. Er nennt von den Bergen an der Nordgrenze den großen und den kleinen Moveran, unterscheidet richtig vier Diablerets, erwähnt ein Steinbockhorn, das so heißt: „ weil es nur den Gemsen ersteiglich ist " 2 ), von dem wir aber nicht sicher wissen, ob er nach dem Text zum Wildhorn-, oder nach der Karte zum Wildstrubelgebiet zu rechnen ist, und sagt von „ Viescherhorn und Bellalp ", sie seien „ beyde mit einem tieffen Schnee beständig bedeckt ". An der Ostseite kennt er den Galen — Galenstock; an der Südgrenze neben einigen andern „ Bergen ", die aber als Pässe oder Alpen zu betrachten sind, den Ar- bora = Punta d' Arbola oder Ofenhorn und den Eisen = Helsenhorn. Das sind die Punkte, die wir bei ihm in der Karte oder im Text mit einiger Sicherheit identifizieren können; es gibt aber noch viele, bei denen das nicht möglich ist. So nennt er einen Rothberg, der aber nicht wie Lambiens Roothorn auf das Finsteraarhorn gedeutet werden kann, da dies unter seinem Namen erscheint, sondern eher auf das Finsteraar-Rothorn; den Anthonienberg erwähnt er zweimal, einmal am Fieschergletscher, das andere im Hintergrund des Aletschtals, durch welches sich „ der Massabach mit vielem Gebriiel " hinunterstürzt. Der Rosa steht nach dem Text richtig an den Quellen der Sesia, nach der Karte zwischen denjenigen der Usenz ( Navigense ) und der Brone ( Borgne ). Es ist aber nicht zu verwundern, daß Grüner im Gebiet des Monte Rosa nicht Bescheid weiß, denn in seinen „ Reisen " 1778 nennt er die Berge im Hintergrund der Vispertäler das „ schweizerische Grönland"3 ) und „ die schäußlichste Wildniß der Schweiz "... „ Ungeheure Säze von den höchsten Gebirgen stehen fürchterlich übereinandergehäuft, mit Lasten von ewigem Schnee bedeckt. Klumpen von unschmelzbarem Eise drängen sich zwischen den Gebirgen in gräßlichen Massen, gleichsam mit Gewalt hervor, steigen Berghinan und stürzen sich wieder in Abgründe. Schrecken ist auf Schrecken gehäuft, und die Abgründe brüllen einander Ent-sezen zu !"
Auf Gruners Karte, die das Wallis als breite Talebene darstellt, die auf beiden Seiten von langen ungegliederten Eeihen spitzhöckeriger Berge eingeschlossen wird, folgt acht Jahre später wieder eine brauchbare Walliskarte, diejenige des Pfarrers Gabriel Walser zu Bernegg im st. gallischen Rheintal' ). Sie ist eine Nachahmung der Lambienschen Karte von 1G82, jedoch mit einigen Abänderungen, die nicht alle Verbesserungen sind. So läßt er das Blindenhorn weg, macht aus dem Geisfad ein Geisfeld und setzt an die Stelle des Aletzi Aletscli)horns den Antonierberg u. s. w. Von neuen unzweifelhaften Berg- oder Paßnamen finden wir an der Route Martigny-Chamonix die Forcia und die Tita nigra, die zwar als Ort bezeichnet ist, aber der Lage nach die Tête noire bedeutet, einen Pierra Uva Mons, in dem man trotz der seltsamen Schreibweise und der Verschiebung der Lage die Pierre à voir erkennt. Der Cournier du Midi heißt nun Cornier und steht richtig bei der Alp Moiry. Aus dem Wyßgebirg Lambiens ist ein Wyßhorn geworden, das, da das Turtmanntal weit nach Süden verlängert ist, nicht zwischen Anniviers und Nikolai, sondern zwischen Anniviers und Turtmann steht. Der Monte Mora mit seiner Paßlinie ist nun sicher der Monte Moro. Zwischen ihm und dem Findelenhorn ist ein großes Gletschergebiet verzeichnet, das nördlich zwischen dem Nikolai- und dem Saastal verläuft und an seinem Südende die Namen Mons Maggiana und Au Foe zeigt. Bei Stumpf und Tschudi wird mit diesen Namen der Monte Moro belegt, der hier aber ausgeschlossen ist. Möglicherweise liegt in der Bezeichnung „ Foe " ( Fee ) eine Andeutung des Saasgrates, in welchem spätere Karten, so 1835 das Blatt Biella des Wörlschen Atlas, einen Mont Foe oder Fee angeben. Das Hips- oder Hübschhorn wird nun Schönhorn genannt, ein Name, der sich bis in die Dufourkarte erhalten hat. Im Binnental finden wir neben dem Kriegshorn die Kriegalp mit Paßlinie, neben dem Albera Mons das Ofihorn = Ofenhorn oder Punta d' Arbola, neben dem Galen den Schafberg = Schafgalen. Andere als Berge dargestellte Punkte sind augenscheinlich Alpweiden und kommen deshalb hier ebensowenig in Betracht, als die verschiedenen nur durch Paßlinien, nicht durch Namen bezeichneten Pässe.
In den letzten drei Jahrzehnten des XVIII. Jahrhunderts beginnt sich in der Entwickelung der Walliser Topographie der Einfluß der Genfer geltend zu machen, die sich bis dahin hauptsächlich mit dem Mont Blanc und seinem Hofstaat beschäftigt hatten. Die speziell das Gebiet des Mont Blanc, des Buet u. s. w. betreffenden Schriften der De Luc, Bordier, Dentand u.a. fallen für uns außer Betracht, einerseits, weil sie das Wallis gar nicht oder kaum berühren, anderseits, weil unser Clubgenosse Rev. W. A. B. Coolidge J ) die topographische Geschichte dieses Gebietes im Jahrbuch bereits bearbeitet und das Feld so gründlich abgeerntet hat, daß nicht einmal für den Ährenleser etwas Nennenswertes übrig bleibt.
Von Walliser Bergen finden wir in Marc Theodor Bourrits2 ) Aspects du Mont Blanc, 1776, drei erwähnt: den Mont Vélan, das Pain de Sucre und die Tour des Foux, alle in der Gegend des St. Bernhard, und in der ersten Auflage seiner Beschreibung der Alpen, 1781, fügt er hinzu die Dents des Roches — Dents d' Oche, die „ PleureuseM. Pleureur, den M. Avril und den M. Gelé. Was er unter der Corne du Midi im Oberwallis versteht, die noch 25 Toisen ( zirka 50 m .) höher sein soll als der Vélan, bleibe dahingestellt; man kann an den Grand Cornier denken oder an den Monte Rosa, der bei Ebel ( Anleitung, Ausgabe 1804/05 ) auch Mittagshorn heißt. Daß der nächste Nachbar, der Grand Combin, den Vélan noch um beträchtlich mehr als 25 Toisen überragt, hat Bourrit offenbar nicht bemerkt. Er kennt den Combin überhaupt nicht, so wenig wie ihn merkwürdigerweise P. Laurent Joseph Murith, der erste Besteiger des Vélan, 1779, und Horace-Benedict de Saussure beachtet zu haben scheinen!
Auch in Zurlaubens 3 ) Tableaux de la Suisse, die zeitlich zwischen den beiden erwähnten Schriften Bourrits liegen, betreffen die wenigen neuen Bergnamen nur untergeordnete Punkte: an der Bernhardstraße finden wir den Mont Mort, die Aiguille du Drona = Pic Dronaz oder Pointe des Lacérandes, die Pointe de Barasson und weiter unten bei Liddes die TourTour de Bavon, am Lauffen = Nufenen 4 ) das Beitel-mathorn, in dem man nicht ohne Mühe das Bettelmatthorn am Griespaß erkennt, den Zurlauben mit dem Nufenenpaß verwechselt.
. ' ) Coolidge, W. A. B., La Chaîne du Mont Blanc à travers les siècles. Jahrbuch S.A.C. XXXVII, pag. 244 ff, XXXVIII, pag. 244 ff.
2Bourrit, M. T., Description des Aspects du Mont Blanc du côté de la Val d' Aost. Lausanne 1776.
Bourrit, M. T., Description des Alpes Pennines et Rhétiennes. 2 vol. Genève 1781. ( 2. Ausg. 1783, 3. 1787. ) Von Salissures Reisenx ) kommeu für unsern Zweck nur der 2. und der 4. Band in Betracht. In dem ersteren finden wir den Col de Balme an der Route Chamonix-Martigny und am Wege über die Tête Noire den Gros Perron und den Beloiseau, in der Mont Blanc-Gruppe den Grenzgipfel M. Dolent, der allerdings nur als Gletscher bezeichnet ist und die vorgeschobenen Gipfel Aiguille du Tour und Pointe d' Orni ( Orny ), in der Gegend des St. Bernhard die Chenalette und neben dem Vélan den Mont Noir = Mont de la Gouille. Im 4. Band, der Saussures Reisen zum Monte Rosa, 1789, und zum Mont Cervin, 1792, enthält, den Weißen Grat oder Porte Blanche = Schwarzberg Weißtor, den Col des Cimes Blanches mit seinem zweiten Namen Fenêtre d' Aventine, das Zermatter Breithorn und die Cime Brune du Breithorn = Klein Matterhorn. Das Matterhorn kennt er unter beiden Namen, dem deutschen und dem französischen, und charakterisiert es treffend als „ Obélisque triangulaire d' un roc vif et qui semble taillé au ciseau ". Beim Monte Moro hebt er hervor, daß er kein Gipfel, sondern ein Paß sei; beim Weißtor, das hier zuerst sicher erwähnt wird, scheint er über die Lage nicht ganz klar zu sein: in der Tafel „ Le Mont Rose vu des environs de Macugnaga " ist ein „ Passage en Vallais " in der Gegend der Fillarhörner eingezeichnet, im Text dagegen sagt Saussure, die Porte Blanche liege 55° Nord gegen West von Macugnaga, womit nur das Schwarzberg Weißtor gemeint sein kann 2 ).
In das Jahrzehnt, das zwischen dem 2. und 4. Bande der Alpenreisen Saussures liegt, fallen zwei kleine, aber für die Nomenklatur der Walliser Berge nicht uninteressante Reisehandbücher: Berthoud van Ber-chems3 ) „ Itinéraire " von 1790 verzeichnet in der perspektivischen Karte des Chamonixtales einen Glacier du. Mont Ruan, der selbstverständlich nicht so heißen könnte, wenn der Mont Ruan nicht schon bekannt gewesen wäre, und im Text eine Aiguille d' Argentière, von der es freilich fraglich ist, ob sie nicht die Aiguille Verte bedeuten soll. Im Guide des Voyageurs4 ), 1790/91, der L. Reynier zugeschrieben wird, finden wir als erste sichere Erwähnung des Combin einen Combentz, „ montagne énorme couverte de glace ".
In demselben Jahr, in dem die beiden letzten Bände von Saussures Alpenreisen enschienen, gab der bekannte Kartograph J. H. Weiss i ) quasi als Probeblatt des Meyerschen Atlas eine Karte heraus, die Teile des Berner Oberlandes und des Wallis und darin ein paar neue Namen enthält: an der Berner Grenze den Valcher b. M. Walcherhorn im Fieschergrat, im Aletschgebiet das Ettischhorn — Eggishorn, in der Gegend des Simplon das Erizhorn im Hintergrund das Nesseltals und das Mäderhorn am Kaltwassergletscher.
Das Hauptwerk des Kartographen Weiß ist der Meyersche Atlas der Schweiz 2 ), der als Gesamtwerk erst in den Anfang des XIX. Jahrhunderts fällt, von dem aber die das Wallis betreffenden Blätter die Jahrzahlen 1797, 1798 und 1800 tragen. Im Blatt X, 1797, das den nördlichen Teil des Wallis vom Muveran bis zum Finsteraarhorn enthält, sind ( abgesehen von der Grenzkette gegen Bern ) neu nur die vier Namen Ontenhorn — Olmenhorn am Aletschgletscher, Nesthorn Groß Nesthorn, Ädlischhorn ( statt EttischhornEggishorn, und Walliser Fiescherhörner, welch'letztere hier zum erstenmal von den Grindelwaldner Fiescherhörnern scharf unterschieden werden; das Blatt XI, 1800, verzeichnet das Seidelhorn Sidelhorn, das hier zuerst in einer Karte erscheint, während es Ebel ( Anleitung, 1. Aufl. ), auf Weiß gestützt, schon 1793 unter dem Stichwort Grimsel anführt, sowie das Mutthorn an der Furka.
Das Blatt XIII ( 1800 ) enthält nichts Neues. Das wichtigste Blatt, aber auch das ungenaueste der drei ist das Blatt XIV, 1798. Wir finden darin den M. Catogne, den M. Combin, der hier zum erstenmal genau unter seinem jetzigen Namen in einer Karte auftritt, die Pierre à voie ( Walsers Pierra Uva ) an richtiger Stelle, den La Role M. ( Lambiens Arola EpiPigno d' Arolla, und den M. Noble M. Nuoble. Der Col de Collon und das Matterjoch sind nicht benannt; der erstere wird als „ Passage dangereux " bezeichnet und führt nach Val Tournanche; bei dem letzteren heißt es: „ Passage quelquefois praticable dans le mois d' Août " und, statt nach Val Tournanche, führt es durch ein Seitentälchen nach Vallaise Val Lesa oder Gressoney, also in das wahre Krämertal.
Die bekannten Namen Weiszehhorn, Matterhorn ou Mont Cervin, Mont Rose stehen sämtlich an unrichtiger Stelle. Das Weiszehhorn Dent Blanche, liegt im Hintergrund des Turtmanntals, das bis zur Grenze und Wasserscheide verlängert ist; das Matterhorn ist sowohl nach der ) Weiß, J. .ff., Carte d' une partie très intéressante de la Suisse, à l' usage des voyageurs. Aarau 1796.
2 ) Weiß, J. K., Atlas général de la Suisse, en 16 feuilles, levé et dessiné par J. H. Weiß, aux fraix de J. H. Meyer à Aarau dans les années 1786 à 1802.
Terrainzeichnung, wie nach der Gradation das Weißhorn, der Mont Rose entspricht ungefähr dem Dom. Es ist das Verdienst des Topographen E. H. Michaelis, darauf aufmerksam gemacht zu haben, daß die Gradeinteilung bei Weiß mit der Bergbezeichnung nicht stimmtund daß das wirkliche Matterhorn da liegt, wo Weiß, weit südlich von der Grenze und Wasserscheide, einen Punkt A verzeichnet, sowie daß der Punkt B östlich vom Weiszehhorn das Gabelhorn ist.
Die Verschiebung der Grenze nach Norden beginnt schon beim Combin, der auf der Wasserscheide gezeichnet ist und von dem die Grenze statt nach E. S. E., bis über den 46° nördlicher Breite hinaus nach N. E. verläuft. Weiß bemerkt in der Legende zu Blatt XIV, er habe die Berge außerhalb der Schweizergrenzen nicht an Ort und Stelle aufgenommen. Er scheint aber auch die Matterhorn-Weißhorngruppe nur von weitem aufgenommen zu haben, wahrscheinlich von der Gemmi aus, wo Dent Blanche, Weißhorn und Mischabel sich imposant präsentieren, während der Monte Rosa bescheiden zurücktritt. Man darf es ihm kaum verargen, daß er sich nicht an Ort und Stelle begeben hat, denn er hatte bei frühern Aufnahmen im Wallis betrübliche Erfahrungen gemacht: Die Bauern hatten ihn ergriffen, geplündert und ihm seine Zeichnungen zerrissen !2 ) Mit den Karten des Meyerschen Atlas ist unser Thema so zu sagen erschöpft. Die wenigen Karten der Schweiz und des anstoßenden piemontesischen Gebietes die 1798—-1800 erschienen, geben nur geringe Ausbeute: In Mallets Schweizerkarte von 1798 3 ) finden wir keinen Gipfel im Wallis benannt, als das „ Matterhorn ou Mont Silvain ", eine Namensform, die das Mittelglied zwischen Mont Silvius und Mont Cervin bildet.
Rizzi-Zannonis ebenso sauber gestochene, wie unzuverlässige Karte von Ober-Italien 1799 4 ) gibt einige z.T. recht merkwürdige Namen. Aus den Bell Alpen der alten Topographen macht sie Les Belles Alpes, aus dem Anthonienberg die Alpi Antoniane und verlegt beide in das Berner Oberland. Der Mont Servino steht wie bei Borgonio ( Ausg. 1772 ) und bei Escher ( 1797 ) 5 ) östlich vom Col de la Balme = Col de Fenêtre. Aus dem Wyßhorn Walsers macht Rizzi ein Corno Bianco, verschiebt es aber soweit nach Norden zwischen die Mündungen der Täler Anniviers und Turtmann, daß man es schlechterdings nicht mehr mit dem Weißhorn zwischen Anniviers und Nikolai in Verbindung bringen kann, und was unter dem Corno Mozzo südlich vom Corno Bianco zu verstehen ist, das weiß ich ebensowenig, wie es wahrscheinlich Sgr Rizzi-Zannoni selbst gewußt hat.
Martinets Karte von Piémont ) desselben Jahres verzeichnet östlich vom Col de Fenêtre einen Mont Colomb, den man wohl für den M. Collon ansehen darf, da dieser noch 1824 in Weldens „ Monte Rosa " unter jenem Namen erscheint. Cristoph de Mechels Schweizer Karte, ebenfalls von 1799 2 ), nennt das Weißhorn wie Weiß, Matterhorn, verlegt den Monte Rosa östlich von Mattmark und nennt neu den Mont Cornettes Cornettes de Bise.
Die letzte Karte, die in Betracht fällt, ist die prächtige Karte des italienischen Kriegsschauplatzes von Bacler Dalbe. 1799 oder 18003 ), deren Blätter VI, VII und XI das Wallis berühren. Sie zeigen nicht nur was die Schönheit, sondern auch was die Richtigkeit der Terrainzeichnung betrifft, manche Vorzüge vor der Weißschen Karte, die für die schweizerischen Gebietsteile als Grundlage gedient zu haben scheint. Namentlich sind die von der Hauptwasserscheide auslaufenden Täler, wahrscheinlich nach italienischen Quellen, richtiger dargestellt als im Blatt XIV des Meyerschen Atlas. In der Nomenklatur dagegen bieten die drei Blätter nichts von Belang, als ein paar Namensverschiebungen.
Aus den zwei Namen des Matterhorns macht Bacler Dalbe zwei verschiedene Berge: den M. Cervino an richtiger Stelle und das Matterhorn am Platz des Weißhorns. Sein Weißhorn ist die Dent Blanche; sein Mäderhorn entspricht der Lage nach dem Bortelhorn ( Punta del Rebbio ). Von diesen Fehlern abgesehen bietet die Karte für unsern Zweck nichts Neues. Sie hätte füglich beiseite gelassen werden können, wenn nicht gerade die Dürftigkeit und Unsicherheit der Bergnomenklatur in einer so reich ausgestatteten, von einem berühmten Kartographen ausgeführten offiziellen Karte recht deutlich bewiese, wie schlecht es noch um die Wende des XVIII. und XIX. Jahrhunderts mit der Kenntnis der Walliser Berge bestellt war.
IV. Die Pässe.
Ziehen wir das Fazit aus dieser Statistik der Walliser Berg- und Paßnamen vom Ende des XV. bis zum Anfang des XIX. Jahrhunderts, so ergibt sich, daß 34 Pässe und nahezu dreimal soviel Gipfel sich in der geographischen Literatur vor 1801 mit einiger Sicherheit nachweisen lassen, sei es unter ihren jetzigen Namen oder Varianten derselben, sei es unter andern leicht erklärlichen Bezeichnungen, sei es endlich ohne Namensangabe, aber mit deutlicher Charakterisierung.
Die benannten Pässe liegen alle auf der Grenze des Wallis. Von den vielen Pässen, die unzweifelhaft von alters her den Verkehr im Innern des Landes von Tal zu Tal vermittelten, ist keiner benannt und selbst der Col d' Hérens wird nur angedeutet, obwohl er von Stumpf und Tschudi als die direkte Fortsetzung des Weges über den Gletscher oder Augstalerberg erwähnt wird und einer glaubwürdigen Überlieferung nach als Prozessionsweg von Zermatt nach Sitten diente ' ).
Unter den Pässen ist der .Große St. Bernhard der älteste. Zur Römerzeit, in der er der wichtigste Paß zwischen Italien, Helvetien, dem östlichen Gallien und dem westlichen Germanien war, hieß er Mons Poeninus oder Penninus; im Itinerar des Antonin und der Peutingerschen Tafel wird die Paßhöhe, auf der ein Tempel des Jupiter Penninus stand, mit „ in summo Pennino " bezeichnet. Im Mittelalter war der St. Bernhard bis ins XIII. Jahrhundert unstreitig der wichtigste Heer-, Handels-und Pilgerweg der Westalpen und besaß schon im IX. Jahrhundert ein Hospiz. Damals hieß er nach dem alten Jupitertempel Mons Jovis. Nachdem aber der heilige Bernhard von Menthon im XI. Jahrhundert das Kloster auf der Paßhöhe gestiftet, wurde der Name des heidnischen Gottes allmählich durch den des christlichen Heiligen verdrängt. Die erste Urkunde, in der schlechtweg vom Mons Bernardi, statt vom Mons Jovis oder der „ Ecclesia St. Nicolai et St. Bernardi in monte Jovis " die Rede ist, datiert von 1268. Am Ende des XV. Jahrhunderts war der Name St. Bernhard, wie dies aus den Karten Nikolaus Donis'und Konrad Türsts hervorgeht, schon allgemein üblich 2 ).
Walliser Berg- und Paßnamen vor dem XIX. Jahrhundert.
Im XIII. Jahrhundert tritt der Simplon in Wettbewerb mit dem St. Bernhard. Daß er ebenfalls schon zur Römerzeit als Paß bekannt gewesen sei, ist wohl möglich, sogar wahrscheinlich, aber nicht sicher erwiesen. Die römische Inschrift zu Vogogna und der Leugenstein zu Sitten, welche für die Existenz eines Paßweges im Altertum angeführt werden, sind beide zu weit vom Simplon entfernt, um eine Straße über denselben zu beweisen und ein Leugenstein ist in dieser Gegend, Karte des Mons Jovis1 ).
Aus dem Kodex „ Liber Floridi Lamberti " von 1120, in der Bibliothek zu Gent.
wo sonst Meilensteine üblich waren, überhaupt kein unverdächtiger Zeuge.
Auch gelegentliche Münzfunde beweisen nicht viel, da römisches Geld im frühen Mittelalter noch vielfach im Umlauf war; endlich kann auch die alte Straße, die nach der interessanten Schrift des Herrn Pfarrer D. Imesch2 ) die Schlucht von Gondo über Alpien umging, gerade so gut ein mittelalterliches wie ein römisches Werk gewesen sein, denn die Straßenbaumeister des Mittelalters gingen den engen Felsschluchten mit ihren für die damalige Technik fast unüberwindlichen Schwierigkeiten ebenso gern aus dem Wege wie diejenigen des Altertums.
Wenn der Simplon einen Römerweg hatte, so war es jedenfalls eine Straße untergeordneten Ranges, denn sie wird nirgends erwähnt8die erste Nennung des Passes findet sich erst in einer Urkunde von 1235, die von einer „ Domus hospitalis de Semplon " spricht, einem Johanniter Haus, dem heiligen Jakob gewidmet, das unterhalb der Paßhöhe auf der Spittelmatt unter dem alten Spital lag. Der Paß muß also damals schon einen lebhaften Verkehr besessen haben, da Hospize nur an vielbegangenen Straßen errichtet werden. Als Handelsstraße war der Simplon vom XIII. Jahrhundert an sogar wichtiger als der St. Bernhard, aber erst der Bau der Napoleonischen Militärstraße von Brig nach Domo d' Ossola, 1801 —1805, hat den großen Verkehr ganz vom St. Bernhard abgelenkt und dem Simplon zugewendet. Und dieser wird ihn nun, wenigstens auf absehbare Zeit hinaus, behalten; aber die Straße über die Höhe wird den Verkehr der Simplonbahn überlassen müssen, deren Tunnel den Fuß des Berges durchbricht und im Herbst 1905, gerade hundert Jahre nach der Eröffnung der Straße, dem Betrieb übergeben werden soll.
Der Simplon hatte noch viele andere Namen: Semplun, Sempione, Sempano, Simpelberg, Sümpeler, Sempronius, Scipionis Mons, Brigerberg oder Mons Briga? etc., und Scheuchzer ( Stoicheiographia, pag. 212 macht sogar einen Heiligen daraus, S. Plomb! Von diesen Namen sind Semplon und Mons Brigse die ältesten. Sempronius und Scipionis Mons sind Ge-lehrtennamen, die sich in den Urkunden des Mittelalters nicht nachweisen lassen und im Volke jedenfalls nie üblich waren.
Von den übrigen Grenzpässen sind die wichtigsten: Furka, Grimsel, Lötschberg, Gemmi, Rawil, Sanetsch, und auf der Südseite Nufenen, Gries, Albrun, Antrona, Monte Moro, Col de Fenêtre ( Bagnes ) und Col de Balme schon im Mittelalter als Verkehrswege gebraucht worden. Unter ihrem heutigen Namen werden in Urkunden genannt der Antronapaß 1217, die Furka 1269, der Col de Balme 1292, die Grimsel 1393; auch die Gemmi und der Sanetsch lassen sich in den urkundlichen Formen Curmilz und Senenz, 1252, noch inischwierig erkennen: der Lötschberg dagegen heißt 13G6 Gandegg und der Rawil 1418 in Justingers Chronik Rote Furgge. Nufenen, Gries, Albrun und Monto Moro habe ich in den Walliser Urkunden Gremauds, in Justingers Chronik u. s. w. nicht namentlich erwähnt2 ), wohl aber so deutlich charakterisiert gefunden, daß sie unverkennbar sind. Wenn z.B. in einer Urkunde von 1397 die Boten von Bern, Goms, Bomatt ( Formazza ) etc. zu Münster einen Vertrag über den Unterhalt und die Sicherung der Kaufmannsstraße aus Lamparten schließen8 ), so kann keine andere Straße gemeint sein als der Griespaß, und wenn die Berner im November 1425 auf dem Zug nach Timm ( Domo d' Ossola ) am achten Tag ihrer „ Reise " von Bün ( Binn ) nach Betsch ( Baceno ) gelangt sind 1 ), so müssen sie den Albrun überschritten haben.
Es läßt sich nicht direkt nachweisen, ist aber sehr wahrscheinlich, daß auch das Matterjoch schon im Mittelalter als Paß benutzt wurde. Jedenfalls war es in der ersten Hälfte des XVI. Jahrhunderts ein viel begangener Paß. Über den Col des Cimes Blanches und das Matterjoch ging der Weg der Krämer aus Gressoney: sie gelangten aus ihrem Tal über den Colle della Ranzola oder die Betta Furka nach Val d' Ayas und von diesem über die Gletscher nach Zermatt. Gressoney ist das eigentliche Krämertal; von dort kamen die „ Grischeneyer ", über die sich das Berner Landvolk 1531 beschwerte und denen der Rat 1548 das Aufschlagen von Krambuden untersagte. Tschudis Karte verlegt das Krämertal allerdings an die Südseite des Gletschers und läßt es bei Chatillon münden; er verwechselt es also mit Val Tournanche. Aber er verzeichnet darin als einzige Ortschaft „ Aiaczo ", wirft es also mit Val d' Ayas zusammen. In der Gallia cornata korrigiert er sich und hält Val Tornenza und Val Aiazza auseinander 2 ), faßt aber dafür dieses mit Gressoney zusammen, in dem er sagt, das Aiazzertal habe „ viele Krämer, begeben sich fast in teutschen Landen mit ihrem Kram ". Daß er Ayas und Gressoney als ein Tal betrachtet, geht auch daraus hervor, daß er das Wasser von Aiazza, den „ Lèventonius " unterhalb der „ Clus zum Bart " in die Duria ( Dora Baltea ) münden läßt; unterhalb des Fort Bard mündet aber nicht der Evançon aus Val d' Ayas oder Challant, sondern die Lesa ( Lysbach ) aus Gressoney.
Daß auch Münster, Stumpf, der die Grischeneyer merkwürdigerweise im Antronatal sucht, Salamanca und Simler das Matterjoch ins Krämertal führen lassen, hat wenig zu bedeuten, da sie einerseits sich alle auf Tschudis Karte stützen, und anderseits das Matterjoch den gemeinsamen Zugang zu allen drei Tälern bildet: man steigt von ihm direkt nach Val Tournanche ab, oder links über den oberen Col des Cimes Blanches nach Val d' Ayas, aus dem man über die Betta Furka in das obere, über den Colle della Ranzola in das untere Lystal oder Gressoney gelangt. Nach Giordani ( a. a. O. pag. 28 ) 3 ) war dieser Weg noch im XIX. Jahrhundert so bekannt und begangen, daß dann und wann Hirten aus Gressoney ihr Vieh über die Gletscher oberhalb Ayas auf die Walliser Märkte trieben.
Man darf übrigens den alten Topographen ihre Verwechslungen der Täler am Südabfall der Walliser Alpen nicht übel nehmen, denn es stand um die Kenntnis dieser Gegenden noch am Ende des XVIII. Jahrhunderts 1 ) Justingers Bernerchronik. Ausgabe 1871. Nr. 456.
selbst bei einem so berühmten Kartographen wie J. H. Weiß nicht besser. Anderseits aber darf man auch ihren topographischen Angaben nicht allzuviel Beweiskraft in Fragen des Alters der nach diesen Tälern führenden Pässe beimessen.
Eine solche Frage ist die, ob das Weißtor schon im XVI. Jahrhundert ein begangener Paß gewesen sei. Mr. Coolidge, der die Frage bejaht * ), führt dafür eine Stelle in Münsters Cosmographie und eine andere in Simlers Commentarius an, die mit den späteren Nachrichten von einer Wallfahrt von Zermatt nach Varallo zusammengehalten, das Alter des Weißtors beweisen sollen. Die erste Stelle ist unklar; sie lautet, aus der besten Ausgabe der Cosmographie 1550 ( pag. 333 ) wörtlich übersetzt: Von Visp erstreckt sich der Weg über den Saaserberg und auf der andern Seite über den Matterberg zu gewissen Städten des mailändischen Gebietes, ebenso zum Krämertal, das dem Grafen von Challant gehört.
Mr. Coolidge faßt das auf, als ob Münster den Matterberg zugleich als Paß ins Mailändische und ins Krämertal bezeichnen wolle; direkt von Matt oder Zermatt in das damals mailändische Gebiet führt aber allerdings außer den schwierigen Hochpässen Sesia- und Piodejoch, die selbstverständlich nicht in Frage kommen, nur das Weißtor. Ich dagegen bin der Ansicht, die Stelle von den mailändischen Städten beziehe sich nur auf den Saaserberg ( Antrona oder Monte Moro ), die vom Krämertal nur auf den Matterberg und vom Weißtor sei hier nicht die Rede.
Etwas mehr Beweiskraft scheint der Passus in Simlers Commentarius, Ausg. 1574. pag. 99, zu haben: „ In den Bergen der Seduner, da wohin einige, wie gesagt, die Alpes Grajae verlegen, über die Höhen des Mons Silvius, der bei uns Gletscher heißt, führen zwei Wege, der eine zu den Salassern, der andere in das Tal der Sesia nach Varallo, von wo man dann nach Novara hinabgelangt. " Diese Stelle könnte man allerdings auf das Weißtor beziehen; aber in seiner Beschreibung des Wallis bezeichnet Simler ausdrücklich den Monte Moro als Paß in das Sesiatal im Bistum Novara, während das Weißtor weder erwähnt, noch auch nur angedeutet wird. Beide Pässe führen freilich nicht direkt ins Sesiatal, sondern nach Macugnaga im Anzascatal, und um von da nach Varallo hinüber zu gelangen, muß man noch ein, auf dem Wallfahrtsweg der Überlieferung sogar zwei Joche überschreiten. Simler begeht hier, wie Tsclmdi in der Gallia cornata, den Fehler, das Sesiatal, in dem Varallo liegt, an die Stelle des Anzascatals und dieses an die Stelle des Antronatals zu verlegen. Da er aber im Commentarius und in der Des-criptio2 ) denselben Fehler macht und an beiden Stellen dasselbe Tal nennt, so hat er wohl auch hier wie dort denselben Paß gemeint, den Monte Moro. Daß auch dieser noch zu den „ Juga Montis Silvii " gerechnet wurde, geht sowohl aus Stumpfs Chronik, wie aus Tschudis Gallia cornata hervor, die beide das Macugnagatal an den „ Gletscher " stoßen lassen. Es wäre höchst merkwürdig, wenn Simler in dem allgemeinen Kommentar über die Alpen auf einen Paß hinweisen wollte, den er in der Vallesise Descriptio bei der Aufzählung der Walliser Pässe vollständig ignoriert. Auch die Wallfahrt nach Varallo kann nicht als Beweis für die Existenz des Weißtors im XVI. Jahrhundert gelten, denn ihre erste Erwähnung datiert erst von 1829 und rührt von Dr. Sam. Brunner aus Bern her, der vom Wirte zu Macugnaga vernahm, vor wenigen Jahren sei ein Wallfahrtszug von gegen 25 Personen, Männer und Weiber, durch das Weißtor nach Varallo gepilgert. Nach einer Mitteilung, die der Führer Joseph Brantschen 1852 dem bekannten Gletscherforscher Chr. M. Engelhardt gemacht hat, hatte diese Wallfahrt vor 27 Jahren, also 1825, stattgefunden. Von einer alljährlichen Wallfahrt über das Weißtor ist nirgends die Rede, und es lassen sich auch keine frühern nachweisenImmerhin ist das Weißtor ein alter Paß und wurde sicher im XVIII. Jahrhundert und wahrscheinlich auch schon früher begangen. Sicher erwähnt wird es aber erst 179C>.
V. Die Berge.
Mit Einschluß der früher behandelten Berge an der Berner Grenze, aber mit Ausschluß aller nicht sicher bestimmbaren Punkte, zähle ich im Wallis 96 vor 1801 bekannte und benannte Gipfel. Trüge man ihre Namen in einer stummen Karte des Wallis ein, so erzeigte sich eine sehr ungleichmäßige Verteilung. Vor 1796, d.h. bis zu der „ Carte d' une partie très intéressante de la Suisse " von J. H. Weiß ( vgl. pag. 273 ), die wie der ganze Meyersche Atlas auf einer allerdings mangelhaften Triangulation beruht, sind sämtliche das Wallis berührenden Karten „ Cartes à renseignements ". Nur da, wo die Nachrichten reichlich und aus guter Quelle flössen, sind die Karten verhältnismäßig reich an Bergnamen.
Am dichtesten gedrängt erscheinen diese in der nördlichen Grenzkette des Wallis, für welche sich die Kartographen auf Thomas Schopfs Karte und Chorographia, J. R. Rebmanns Gespräch zweyer Bergen, Sam.
Antrun oberhalb Almagell liegt, die andere am Mons Martis, den die Seduner Foe, die Italiener Magganaberg nennen. Bei diesen beiden Quellen stehen zwei Wege offen zum Langensee durch das Magginiacatal, ebenso durch das Sesiatal im Bistum Novara, » ) Vgl. Jahrbuch S.A.C. XXVII, pag. 164, und Studer, Über Eis und Schnee. 2. Aufl. Bern 1896-1899. Band II, pag. 424 ff.
Bodmers Marchbuch und die Arbeiten G. S. Gruners, J. S. Wyttenbachs und G. S. Studers stützen konnten. Im Vergleich dazu ist die Bergnomenklatur in dem weit größeren südlich von der Khone gelegenen Teil des Wallis, in der Grenzkette gegen Savoyen, Italien und Tessin und ihren nördlichen Ausläufern, recht dürftig und unsicher.
An der St. Bernhardstraße und ebenso in den aneinanderstoßenden Gebieten des Simplon und des Albrun stehen die Bergnamen ziemlich dicht, aber sie betreffen meist untergeordnete Punkte. Der Combin im Gebiet des St. Bernhard wird erst spät sicher benannt, der Monte Leone am Simplon vor 1801 gar nicht * ). Niedrigere, aber augenfällige, direkt am Wege aufsteigende Berge werden früher beachtet und in Karten. Reisebeschreibungen u. dgl. notiert, als die höchsten und mächtigsten, aber abseits gelegenen Erhebungen einer Berggruppe.
Im übrigen verteilen sich die Bergnamen in kleinen Gruppen zu zwei bis vier, selten mehr, je nach dem gerade dieses oder jenes Gebiet den Kartographen und ihren Gewährsmännern besser bekannt war. Dem Simplongebiet und dem Binnental, sowie auch dem Gries- und dem Aletschgebiet, kommt es zu gut, daß der Landschreiber Antoni Lambien als geborener Briger die oberen Zehnten des Wallis gut kannte. Im Unterwallis macht sich das steigende Interesse für Chamonix und den Mont Blanc geltend. Auffallend arm an Bergnamen ist dagegen das weite Gebiet zwischen dem Val de Bagnes und dem Saastal, das Gebiet des großen „ Gletschers, den einige Mons Silvius nennen ", samt seinem nördlichen Vorlande, d.h. gerade der Teil des Wallis, der die stolzesten Berge aufweist. Erst in den Zwanziger-, Dreißiger- und Vierzigerjahren des XIX. Jahrhunderts wurden die Lücken der Nomenklatur im Saasgrat und der Dent Blanche-Weißhorn Gruppe, in den Bergen von Hérens, Anniviers und Turtmann durch L. v. Weiden, Hirzel-Escher, E. H. Michaelis, Ch. M. Engelhardt, Jul. Fröbel u.a. einigermaßen ausgefüllt, zum größten Teil mit alteinheimischen Namen, die sie von Sennen und Führern erfuhren, z.T. aber auch durch neue frei erfundene Bezeichnungen, da wo keine alten ausfindig gemacht werden konnten2 ). Das meiste zur Vervollständigung der Walliser Bergnomenklatur hat aber der Domherr A. Berchthold zu Sitten beigetragen, dessen Triangulation des Wallis, 1831-1844, der Dufourkarte zu Grunde liegt.
Auf eine Rekapitulation der vor 1801 bekannten Walliser Bergnamen darf ich wohl im Hinblick auf die drei ersten Abschnitte dieser Studie verzichten, muß mich aber noch bei ein paar Namen etwas aufhalten, die in den alten Karten eine große Rolle spielen, in den neueren aber nicht mehr oder in anderer, verminderter Bedeutung vorkommen.
Der Mons Silvius war ursprünglich wie wir gesehen haben zunächst das Gletschergebiet des Matterjochs oder Augstalerbergs, im weiteren Sinne bezeichnet der Name aber auch das ganze Gebiet „ von dem großen Gletscher von Arolla " bis zum Monte Moro, vielleicht sogar vom St. Bernhard bis zum Simplon, zwischen denen ja kein Paß über die Hauptwasserscheide führt, der nicht einen Gletscher überschritte. Ich habe nachzuweisen versucht ( pag. 260 ), daß aus dem valdostanischen Wort für Gletscher Rosa, allmählich der Eigenname Monte Rosa = Gletscherberg, auskristallisiert ist. Aus dem Mons Silvius sind vielleicht die Bezeichnungen Monte Servino, Mont Silvain, Mont Cervin entstanden.
Mons Silvius ist zwar wohl ein Gelehrtenname. Welcher Silvier dem Berg den Namen gegeben haben soll, ist ebensowenig bekannt, wie welcher Sempronier oder Scipione sich im Simplon verewigt hat. Wenn nicht ein entstellter einheimischer Name zu Grunde liegt, möchte ich am ersten an St. Silvius denken, der um die Mitte des V. Jahrhunderts Bischof des Wallis war. G. Uzielli hat freilich in seiner interessanten, aber wenig kritischen Studie „ Leonardo da Vinci e le Alpi " eine andere Etymologie bei der Hand der Name Mons Silvius kommt von Monte Rosa her: dieser hieß und heißt im Sesiatal Bioson, Bozo, Boso 1die Kartographen und Geographen zur Zeit des Humanismus hielten das Wort Boso für das spätlateinische boscus = Wald, und übersetzten es als gute Lateiner in SilviusAuf diesem sehr wackeligen Fundament erbaut er dann ein stolzes alpinhistorisches Luftschloß: Leonardo da Vinci hat um 1500 einen Monboso erstiegen, der nach seiner Schilderung ein Firngipfel der Alpen an der Grenze von Italien und Frankreich ist, einigen Stunden, im Matter-, Sesia- und Anzascatal erkundigte, hieß der Monte Rosa. Weiden war jedenfalls s. Z. der beste Kenner des Rosa-Massivs, aber er kannte es doch nicht genau genug, um es von der Nordseite zu erkennen und sich in seiner Topographie zurecht zu finden. In seiner „ Ansicht des Monte Rosa von der Gemmi " verschiebt er die ganze Nomenklatur: Das Matterhorn hält er für das Kleine Matterhorn, das Zinalrothorn für den Lyskamm, das Schallihorn für die Parrotspitze, das Weißhorn für das Nordend, das Bieshorn für die Cima di Jazzi, die Mischabel für die Berge am Antronapaß, den Illgraben für das Turtmanntal und dieses für das Saastal!
und an dem vier Flüsse entspringen, die in verschiedenen Richtungen ganz Europa durchfließen. Dieser Monboso ist der Monte Rosa oder wenigstens einer seiner Vorberge und der Monte Rosa ist auch der erste in der Literatur benannte Gipfel der Penninischen Alpen, denn schon in der „ Italia Illustrata " des Flavius Blondus, Rom 1474, ist ein Monboso genannt. Quod erat demonstrandum!
Welchen Gipfel der Alpen zwischen Frankreich und Italien Leonardo da Vinci erstiegen und Monboso genannt hat, bleibe dahingestellt. Mr. D. W. Freshfield nimmt die Ehre für den Monte Viso in Anspruch, auf den Leonardos Beschreibung zwar kaum weniger schlecht paßt als auf den Monte Rosa. Der Monboso, den Blondus erwähnt, ist aber jedenfalls nicht der Monte Rosa, sondern höchstens einer seiner Vorberge im allerweitesten Sinn, der Monte Bo, südlich vom Sesiatal, nördlich von Biella. Ich habe zwar die Ausgabe der „ Italia Illustrata " von 1474 nicht gesehen, wohl aber diejenige von Verona 1482, in der Blondus ( Regio septima, Lombardia ) wirklich einen BergBosus als den höchsten Berg Italiens, mit ewigem Schnee bedeckt und durchaus unersteiglich, erwähnt, aber hinzufügt, er hänge mit einem andern, wenig niedrigeren Berge zusammen, der seit der Begebenheit mit Fra Dolcino Gazarone heiße.1 ) Der mit dem Mons Bosus zusammenhängende Berg, auf dem 1307 Fra Dolcino mit dem letzten Häuflein der Apostelbrüder überwunden und gefangen wurde, ist aber der jetzige M. S. Bernardo di Trivero, der nach Leander Alberti2 ) früher M. Gazarone ( Ketzerberg ) hieß. Zum Mons Silvius hat jedenfalls weder der Monboso Leonardo da Vinci, noch der „ Mons bosus nomine " des Flavius Blondus gehört.
Daß der Name Silvius nicht nur für den großen Gletscher und seine Pässe, sondern auch für das Matterhorn und den Monte Rosa gebraucht wurde, geht aus der Karte P. du Vais von 1644 hervor, in welcher der eine M. Silvio an der Stelle des Matterhorns steht, und aus der Karte G. Mercatore3 ) von 1630, die den M. Silvius als Bergstock am Platz des Monte Rosamassivs verzeichnet. Dieses Massiv ist auch in den Karten gemeint, die wie Hubert Jaillots Schweizerkarten von 1703 4 ) und 1717 den M. Silvio zwischen dem Monte Moro und dem Matten M. angeben4 ). Die letzte Karte, in der ich den Mons Silvius ( Sylvius ) ge- funden habe, als Synonym von Monte Rosa, ist das Blatt Biella, 1835, der Wörlschen Karte der Schweiz.
Auf der rechten Seite des Rhonetals ist der Berg Anthonien ( Antoniusberg, Antonierberg ), ein viel genannter, aber nicht sicher bestimmbarer Punkt. Der erste, der ihn erwähnt, ist Joh. Stumpf, der sich in seinem Reisebericht von 1544 ganz bescheiden ausdrückt: „ Gobgisberg, Betten sind alpen und dörfer; der berg darhinder heyßt Anthonien. " In Stumpfs Chronik von 1548 heißt er „ der hoch berg Anthonien genannt ", in Simlers, Vallesise Descriptio 1574, schon „ altissimus monsin J. R. Rebmanns Gespräch 1G06 ist er aber offenbar ein bewachsener, quellenreicher Vorberg; „ Antonienberg hat Güter, Wiesen, von guten brunnen wirt er priesen. " Scheuchzers Karte von 1712 verzeichnet ihn zwischen der Massa und dem Kelchbach in der Gegend des Sparrhorns; in der Stoicheiographia 1716 liegt er aber wieder oberhalb Mörel, also auf dem linken Ufer der Massa. Er nimmt nun allmählich an Höhe und Ausdehnung gewaltig zu und erwirbt auch festen Wohnsitz an der Stelle des Aletschhorns, so in Walsers Karte von 1768 und in der Beschreibung der Schweiz von 1782 1 ), wo es heißt: „ Antonienberg, einer der höchsten Berge unter den Schweizer Alpen, liegt in dem Land Wallis und erstreckt sich bis nahe an das bernische Amt Interlaken. Er ist seiner majestätischen Gletscher wegen, welche man auf der Reise über den Simplon gegenüber sieht, der Aufmerksamkeit der Naturforscher würdig. "
Diese Stelle macht es höchst wahrscheinlich, daß unter dem Antoniusberg das Aletschhorn und die Aletschgruppe zu verstehen sind, denn diese hat man beim Abstieg vom Simplon nach Brig vor Augen.
Der Name taucht noch im XIX. Jahrhundert mehrmals auf, so inBridels Statistik des Wallis 1820 und in Lutz'Handlexikon, Ausg. 1827, ohne daß man aus diesen erführe, wo der Antoniusberg zu suchen sei. Die letzte Karte, in der ich ihn gefunden habe, ist das Blatt Locarno der Wörlschen Karte der Schweiz, in dem er als Vorsprung des Riedergrates bei Greich oberhalb Mörel erscheint. In der Gegend selbst ist kein Anthonien- oder Antoniusberg bekannt und es gibt auch an dem Kamm der Riederalp und des Eggishorns zwischen dem Aletschgletscher und dem Rhonetal keine St. Antoniuskapelle, von der man den Namen herleiten könnte. Woher Stumpf ihn hat, muß dahingestellt bleiben. Vielleicht findet ein anderer einmal eine Erklärung!
Wie der Anthonienberg hat auch die Belalp die Vergrößerungssucht der alten Kartographen erfahren müssen, die, wo sie eines Namens habhaft wurden, so viel als möglich daraus zu machen suchten. In Stumpfs Chronik 1548, wo sie zuerst erwähnt wird, heißt es nur: „ Das Wässer-lin, so durch Naters lauf ft, kompt aus Beil-Alpen herfür. " In Münsters Walliskarte.von 1552 ( 1. Blatt ) erscheinen die Beil-Alpen schon als hoher Berg; bei Scheuchzer 1712 steht die Bell-Alp als gleichwertiger Gipfel zwischen dem Bietschhorn und dem Anthonienberge. Grüner macht 1760 einen Schneeberg daraus und Rizzi-Zannoni 1799 gar eine ganze Berggruppe!
Daß die Coupeline und der Mons Neinda ähnliche Umwandlungen erlitten haben, ist oben erwähnt worden. Beide spielen in den Karten des XVII. und des XVIII. Jahrhunderts eine große Rolle, und da wo ich sie zuletzt benannt finde, in Bourcets Memoiren 1801 ' ), ist aus dem Mont Neinda ein sehr ausgiebiges Hochgebirge geworden, denn es erstreckt sich, wie der alte Mons Silvius, von den Quellen der Brone ( Borgne bis zu denen der Sesia. Die Coupeline ist wahrscheinlich im Comb in aufgegangen und der Neinda Mons ist wieder das, als was ihn Stumpf schon 1544 bezeichnet haf, der „ Mons amenus " von Nendaz. Er ist also wie die Beialp vom Range eines Hochgebirges degradiert, aber doch am Leben gelassen worden, während der Anthonienberg, die Alp Greïj und sogar der vielgenannte Mons Silvius der alten Kartographen längst tot und begraben sind. Dafür sind neue Namen in den Karten aufgetaucht, in immer steigender Zahl.
So lückenhaft die Berg-Nomenklatur des Wallis, insbesondere im Gebiet seiner höchsten und mächtigsten Bergstöcke, des Combin und des Matterhorns, der Dent Blanche und des Weißhorns, des Monte Rosa und des Mischabel bis tief in das XIX. Jahrhundert geblieben ist, so sind doch aus den zwei Dutzend Berg- und Paßnamen die am Ende des XVI. Jahrhunderts mehr oder weniger sicher bekannt waren, bis zum Ende des XVIII. fünfmal soviel geworden und der alte Kosmograph Sebastian Münster hätte schon Anno 1800, geschweige denn 1900, mit viel besserem Grunde als Anno 1544 vom Wallis sagen können:
„ Die berg, so gerings umb das land gan, haben zu unsern zeyten viel andere namen, weder sie bey den Alten gehabt haben. "
III.
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