Vita semplice (Pizzo Ricuca)
Von Max Koenig ( Zollikon )
« Eins glaub ich überall zu beobachten: Je weiter man von der Landstrasse und dem grösseren Gewerbe der Menschen abkommt, je mehr in den Gebirgen die Menschen beschränkt, abgeschnitten und auf die allerersten Bedürfnisse des Lebens zurück gewiesen sind, je mehr sie sich von einem einfachen, langsamen, unveränderlichen Erwerbe nähren: desto besser, willfähriger, freundlicher, uneigennütziger, gastfreier bei ihrer Armut hab ich sie gefunden. » Goethe aus seiner zweiten Schweizerreise 1779.
I.
Als ich vom Bahnhof Biasca weg auf der Strasse über die flache Talsohle gegen mein schlussendliches Ziel, den P. Ricuca, 2281 m, schreite, ist im schwindenden Licht des Tages die Schwere der Trockenheit eben noch sichtbar. Selbst die zähe Rebe und der anspruchslose Mais wollen den Kampf aufgeben und welkend zum dürren Gras sinken. Es ist der 20. August 1949.
Unmittelbar nach der Tessinbrücke setzt der Berg an. Leider wird nach himmlischem Stundenplan der Mond seinen Beleuchtungsdienst erst gegen Morgen aufnehmen. Ich bin auf die Karte, auf die kleine, zuckende « Philips » und auf mich selbst angewiesen. Es ist dunkel geworden. Der Pfad ist mir aber gegenwärtig; in Gedanken der Musse bin ich ihn schon gegangen, als ich hinter und in den Siegfriedkurven sehnend sehend die Landschaft vorerlebte. Ich bin auch ohne Schlafsack, er war in der Eile des plötzlichen Reiseent-schlusses nicht zur Hand. Aber es ist ja Sommer, und im ca. 1100 m hoch gelegenen Weiler Pozzo werde ich schon irgendwo im Fieno oder doch in einem Stalle schlafen können. Ein plattiger Aufschwung führt auf eine Terrasse, das Weglein verliert sich auf ihr, und ich bin froh, vor den Umrissen eines Hauses Stimmen zu hören. Für heute ist es die letzte Auskunftsmöglichkeit. Ich rufe den Gruss des Abends. Gedankenlang folgt Überraschungsstille, dann schwillt es aber wieder an zum Kontrapunkt dieser erdverbundenen Gemeinschaften. Alle sind sie gleichzeitig zu hören und zu erraten, die Nonna, die Mamma, der Babbo, die zwitschernden Bambini und die unter dem gleichen Dache wohnenden vierbeinigen Genossen, die bimmelnden Capre, die Mucche mit dem sanfteren Glockenton. Auch das Maiali, das ja bald Salami wird, macht sich in Unterhaltung und Atmosphäre bemerkbar und stört die guten Galline beim Einschlafen. Primitiv edle Anteilnahme umgibt mich. Was in aller Welt will der Straniero? Sicher ist er aus Versehen von der Strasse nach Iragna abgekommen. Ich verstehe ihren Dialekt nur halb. Aber als sie sich mit der merkwürdigen Tatsache abgefunden haben, dass ich in der Nacht ausgerechnet nach Pozzo hinauf will, kann mir der junge Alpigiano doch klar machen, dass dieser Weg seit Jahren nicht mehr benützt werde und weiter oben durch die Felsen führe. Ich war bereits etwas zu hoch geraten. Guido geht mit mir in der Dunkelheit auf die andere Seite des trockenen Bachbettes; da ist auch in der Tat so etwas wie ein Weglein. Guido sagt noch einiges; sicher gute Ratschläge und Ermahnungen. Dann schütteln wir uns in Sympathie kräftig die Hände zum Abschied. Ich freue mich, ihn vielleicht einmal bei Tag von Angesicht zu Angesicht wieder zu sehen und ihm dann auch zu erzählen.
Die brave « Philips » zeigt nicht viel mehr als einen Meter Wegspur vor dunklem Hintergrund, und die Fehlermöglichkeit, daraus den Weg in seinem weiteren Verlauf zu bestimmen, ist gross. Es ist nicht wie bei Tage, wo das geübte und erfahrene Auge aus Bruchstücken und aus der näheren und ferneren Geländeformation und aus Richtpunkten den Weg doch oft in seiner Ganzheit erkennt. Ohne diese « Fernsteuerung » des Tages kann in der Nacht eine geringe Abweichung den Weg ganz verfehlen lassen.
Mit vorgebeugtem Oberkörper, Kopf und Sinne der Spur im Lichtkegel zugewendet, steige ich hinauf. Leiser Zweifel, ob ich Pozzo erreiche, will sich regen; aber ich habe ja wenigstens Zeit und kann es in Ruhe und Gründlichkeit versuchen. Schon bald muss ich Wegstücklein zusammensetzen und nach etwa einer halben Stunde will mir eine offenbar längere verwachsene und ausgelöschte Partie den Anschluss verwehren. Wieder und wieder gehe ich zurück und dränge dann suchend weiter hinauf. Es wird hoffnungslos. Ich bin in unangenehmer Steilheit in mannshohen Farren, die sich zwischen Felsen, Bäumen und Strauchgruppen hinziehen. Ich schaue zurück zu den Lichtern von Biasca und den Lichtketten, die gegen Norden und Süden und hinein ins Val Blenio strahlen. Für einen Moment scheint auch etwas nicht tief unter mir zu irrlichtern und zu flackern. Das Weitergehen muss ich jetzt aufgeben. Aber, sonderbar, das stört mich nicht, fast im Gegenteil. Nun da die Spannung der Konzentration auf den Weg von mir abfällt, wird es ein beglückender Gedanke, hier in der warmen Hochsommernacht zu ruhen. Mit einem Halbdutzend Probeliegen ertaste ich mir ein Plätzchen, auf dem ich nicht gleich abrutsche und auf dem wenigstens der eine Fuss Gegenhalt findet. Bei fast völliger Dunkelheit bereite ich mir das Lager. Wie gewohnt, wird die ganze mitgeführte Garderobe angezogen. Es ist diesmal mit dem sommerlichen Jumper wenig genug. Immerhin da ist auch die treue Regenpelerine; wenn ich die Beine gehörig in Hockerstellung nehme, deckt sie mich fast ganz und trennt mich von den neugierigen Freunden des Erdreichs, die sich vor der Zeit für meine Haut interessieren könnten. Den Hut, gefüllt mit den Siebensachen aller Taschen, und den Pickel lege ich säuberlich neben den Rucksack. Es ist schon gerade genug, wie ich in diese scheue einsame Natur einbreche und mich breit mache. In meine wildähnliche Geborgenheit ( Bambi hätte sich gewundert ) flimmern durch das Filigran der hohen Farren nur die Lichtlein des Weltalls. Wie gut man auch auf einem Rucksack als Kopfkissen schlafen kann, wenn man müde der Erde hingegeben sich in der Sorge des Schöpfers weiss!
Nach einigen Stunden erwache ich und richte mich auf. Drüben an den Hängen der Cima di Biasca leuchtet brennender Wald wie fernes Höhenfeuer. Ich fröstle jetzt in meiner leichten Bekleidung. Die dichten Farren haben ihrem Grunde, trotz des Sommers Glut, Kühle bewahren können. Ich will etwas nützliche Arbeit anlegen, um meinem Wärmemangel abzuhelfen! Z. B. wieder den Weg suchen; wer weiss, vielleicht finde ich ihn dann doch noch. Bald kriechend, den Rucksack durchzwängend, bald mit Armen und Füssen mich hinaufziehend und stossend, kämpfe ich mit frischer Kraft gegen Dunkelheit, Steile, Farren, Strauch, Gehölz und Fels. Die Umgebung ändert sich fühlbar, die Farren verschwinden, Gerölle und Platten und Wände sind da, auf dem Boden raschelt Laub. Ich fasse Zweige, Äste, Stämme und turne tastend über grosse Blöcke. Mehr und mehr dominieren kleine und dann höhere Wände. Ich bin wieder fertig. Wenigstens habe ich jetzt sehr warm. Mit der bereits bewährten Probiermethode finde ich diesmal ein ebeneres Lager. Boden, Gras, Moos und Laub fühlen sich warm an. Die Sonne ist während des Tages besser durchgedrungen als im Farrenbiwak Nr. 1.
Wie ich regungslos liege und durch die Blätter des Niederholzes zum Himmel blicke, höre ich leises näherkommendes Bewegen. Das wird ein Füchslein sein; es hat mich wohl längst gehört und mein aufblitzendes Licht gesehen. Nun schleicht es sich gwundrig und lüstern an. Wieder knackt ein dürres Zweiglein und raschelt ganz nahe Laub. Fast schauert ein kleines Gänsehäutchen über mich hin, und instinktiv, aber sicher um mir Mut zu machen, drehe ich mich mit lautem Schrei herum und funke mit dem Licht in die Dunkelheit. Nun ist Ruhe. Ich habe den Frechling erschreckt und verjagt, und jetzt schlafe ich auch wieder ein.
Glühende Augen müssen durch meinen Schlummer gedrungen sein, plötzlich fahre ich auf, und richtig, da trippelt der Geselle durch das Laub davon. Er kam also doch wieder zurück. Der Proviant im Rucksack war zu stark in seine Nase gestiegen und liess ihm keine Ruhe. Witternd und beobachtend war er direkt neben mir. Ich finde das jetzt aber schon in Ordnung und durchaus im natürlichen Einklang mit meiner Umgebung. Keine Spur mehr von Angst oder Zorn; er benahm sich ja ganz wie ein Füchslein und spielte nichts vor. Wie sollte ich es ihm verargen oder nachtragen? Ich war ja selbst ein Teil dieser Natur.
Ich bleibe geruhsam liegen, bis das erste matte Licht des Tages in meinen Busch dringt und mir die Umgebung langsam enthüllt. Dornen, Gestrüpp, Unterholz, Gerölle, Felsen und Wände, das reinste Maquis, es könnte nicht schöner sein. Doch das ist nicht schlimm. Eine halbe Stunde bringe ich mit Retablieren zu. Die Pelerine wird nach alter Väter Sitte gerollt, der Rucksack neu gepackt. Tschau, mein kleiner Fuchs!
Ich war zuviel rechts geblieben. Einiges lavierendes Klettern bringt mich wieder auf manierlicheres Gelände und auch bald auf Wegspuren nach Pozzo. Noch um 2 Uhr schienen die Sterne, nun ist der Himmel bedeckt. Pozzo liegt schweigsam und leer; ich gehe zwischen den engen Ställen und hinaus auf die nahe Kuppe, welche den Blick über die Leventina und das Blenio schweifen lässt. Unter mir liegt der Aufstieg; gleichnishaft erscheint mir mein steiler Gang durch Nacht und Gewirr zum befreienden Licht der Höhe.
II.
Gegen die Monti Tori hin höre ich das Rauschen eines Bergbaches. Da, wo er meinen Pfad kreuzt und sich in felsiger Schale zu neuem Sprung und Fall sammelt, ist mein Frühstücksplatz. Ein Schleier feiner Tröpfchen schwebt über der Schlucht, und wie leichte Musik streicht Wind durch die Tannenwipfel zur Höhe. Frisches Bergwasser geht gut mit Ovo, sie und der Schüttelbecher sind grosse Erfindungen!
Über knirschendes Geröll kommt jemand vom Berg herab. Es ist ein junger Senne, der von Pianazzora nach Iragna geht, um von dort Mais und Nötigstes zurückzubringen. Seine selbstgeschnittenen Holzsandalen sitzen fest am Fusse, wohl wie vor Jahrhunderten seinen Vorfahren, als sie, ob Biasca, den piatto della libertà schritten. Zum Ricuca sei es besser, nicht über Canisera, sondern von Malsegro auf gutem Wege nach Pianazzora zu gehen. Dort seien auch Gente und Mucche und übrigens kurz vorher noch eine Quelle. Ich bin seinem Rate gefolgt. Dunkle Tannen umgeben das verträumte Malsegro, das segantinische Gelblichgrün seiner dürftigen Weide mischt sich mit dem Grau der Felsenbuckel und der Ställe.Von hier führt lichter Bergwald fast eben hin gegen Pianazzora, und siehe, da ist ja die Quelle! Wie wundervoll sie sprudelt! Ich muss ihr Ehre antun und leiste mir einen geschüttelten Nescafé allererster Güte. Seit einer Weile habe ich auch Begleitung. Von einer Schar Geissen, die mir in Malsegro entgegenkam, scheine ich alter Knabe einer besonders in die Augen gestochen zu haben. Ich bringe sie fast nicht mehr los, erst nach handgreiflichem Schelten holpert sie, sichtlich beleidigt, schliesslich holzig und meckernd davon.
Nun steige ich hinan zu den Hütten von Pianazzora. Es ist Sonntagmorgen. Dünner Rauch quillt aus Steindächern und verliert sich im Himmel. Ich werde mich hier nicht lange aufhalten, mein Berg ist noch fern. Doch nehme ich die Einladung Rodolfo Tarinis, in seiner geräumigen Cascina eine Tasse Milch zu trinken, gerne an. Er will natürlich nichts dafür und ist betrübt, dass ich Kaffee und Zucker ausschlage. Er kennt auch die Eile nicht, die so tief in uns Stadtmenschen steckt, und lässt mich nur ungern ziehen.
Doch so leicht gibt Pianazzora seine Besucher — sie sind sicher selten genug — nicht frei. Als ich mit allseitigen Grüssen und... in gamba... glücklich durch den Häuserkern hindurch und hinaus bin, stellen mich Lullo und Giacomo. Giacomo sitzt vor seinem etwas oberhalb der Siedelung gelegenen Steinhäuschen, seine drei oder vier Kühe weiden um ihn und sind für das bisschen dürre Gras um die Kraft ihrer rauhen Zunge froh. Lullo, der kleine Spitzer, wedelt nun freundlich. Wie schade, sagt Giacomo, dass ich gestern abend nicht bis zu ihm herauf gekommen sei, er hätte mir nur zu gern Unterkunft und Unterhaltung geboten. Seine Frau sei über den Sonntag ins Tal, und er habe dann bis 11 Uhr nachts mit seinem Radio einem Fussballmatsch aus Turin zugehört. Es sei grossartig gewesen. Dies ist das erstemal, dass ich in einer dieser kleinen, weltverlorenen Tessiner Alpen dem Radio begegnet bin. So entgehst auch du, hehre Alpenruh, diesem Virus menschlichen Geistes, der sich wie der Schall über alles schwingt, nicht! Doch nun, das ist kein Unglück! Auch wieviel Schönes und Wertvolles kann es diesen für Monate einsamen und doch so aufgeschlossenen Alpigiani bringen... Caro amico, jetzt muss ich gehen!
Aber schau, da ist mir Rodolfo nachgekommen und steht, auf mich wartend, weiter oben bei seinen Geissen. Er habe erst nachträglich überlegt, mir den Weg etwas zeigen zu sollen. Wie er da in lieber Gelassenheit, einen Arm um seinen prachtvollen Geissbock gelegt und doch ohne jede Pose, steht, muss ich ihn photographieren, das Bildchen wird ihn freuen. Das gute Weglein, zu dem er mich dann geleitet, ist auf der Karte überhaupt nicht angegeben. Es führt von Pianazzora nach Osten um die Bastion von Perronco herum.
Nun setze ich Schritt für Schritt und verweile nicht mehr bis zur Gipfelstunde auf breitem, begrastem Rücken. Eine Zitrone mit immer neu auf-gestreutem Traubenzucker erweist sich als eine besondere, von Wasser unabhängige Erfrischung und Stärkung; man hat nie ausgelernt! Das Wetter ist unsichtig geblieben, nur ab und zu Tiefblicke freigebend. Und doch sehe ich sie vor mir, die nahe hinter den Wolken, in weiter Runde, in Erhabenheit stehen und sind. Dort der kühne Punta del Rosso, der mich so elend und klein und doch so glücklich auf seinem Gipfel sah. Neben ihm senkt es sich zur Fuorcla Grarescio, von der Pierrino und ich zur Alpe Fiumegna jauchzten. In edlem Schwung schliesst die Cima di Bri an, ihre wunderbaren Edelweisse hütend. Zackiger geht nun der Kamm hinüber zur Cima Lunga; auch sie hat mir Mühe gemacht und sich um so nachhaltiger in der Erinnerung verankert. Und wie müsste bei klarer Sicht die von Leben erfüllte Leventina sich unter mir ausbreiten und hinziehen!
Doch für den, den die Berge in ihren Bann genommen haben, für ihre Macht über ihn, sind Wetter und Zeit nur wenig. Wie gross und vielfältig ist ihre Schönheit zu jeder Stunde, jeder Sekunde, immer! Wie unzertrennlich ist für solchen inneres und äusseres Schauen, und wie oft liegt im ersteren grösserer Gewinn! Die Berge schenken dir die Herrlichkeit des Weiten und Fernen, das Hochgefühl der freien Horizonte. Dem Fernen ebenbürtig aber sind ihre Wunder des Nahen und Nächsten, etwa wenn im Nebel dir Blumen und Fels entgegentreten und sich offenbaren.
Die ursprüngliche Absicht, dem Grate zur Cima di Bri hin zu folgen, muss ich aufgeben. Die Wirklichkeit ist nämlich wesentlich anders als in der freundlichen Darstellung der Karte. So steige ich steil, aber unschwierig, zur Alpe Matero colmo ab; sie wird von Pianazzora aus bestossen. Dort sind die beiden jungen Brüder Soldini, ihre kleine Schwester Pierrina und deren Tante. Sie weiden Vieh und dunkle, fast schwarze Geissen, halten Hühner und ziehen ein paar Säue auf. Wieder dieselbe Freude am Besuch und dieselbe liebe Gastfreundschaft. Diesmal schlage ich den schwarzen Kaffee mit Zucker nicht aus und auch den Grappa nicht, den mir die alte Frau aus einem Apothekergütterli offeriert. Man sitzt jetzt gerne zum Plaudern in den Schatten und die Kühle der Hütte. Aus dem Woher und Wie ergibt sich das lustige Zusammentreffen, dass die beiden Jungen am Vorabend Biasca etwa abends 10 Uhr verlassen und etwas später oben im Hang und Fels mein flackerndes Licht beobachtet haben. Andererseits fand in ihrem Taschenlampenschein mein Irrlicht seine Erklärung. Wie nahe hatte ich einer wegkundigen Führung gestanden!
Später begleitete mich Giuseppe bis zum Anfang des kümmerlichen Wegleins nach Costa und Repiano, das sichtlich seit Jahren nicht mehr begangen wird und entsprechend verwachsen ist. Der Gang zum kleinen, wie verwunschen im hohen Gras versinkenden Costa ist nicht einfach, die Wegspuren bei unsichtigem Wetter zu verlieren, wäre direkt gefährlich. Von Costa geht es dann besser und offener nach Repiano. Die grosse Cascina, in der ich vor vier Jahren, am 20./21. Juli 1945, geschlafen habe, ist wieder leer. Es ist mir wie gestern, dass ich damals, schon fast im Dunkel, noch zur jungen Iragna hinunterging und badete. Und wieder tue ich das gleiche im einladenden Felsenbassin des Baches, denn noch liegt die Schwüle des Sommertages zwischen den Bergwänden. Dann wandere ich gemächlich das Tal hinaus. Seit ich durchzog, müssen Boscuaioli hier gewesen sein, noch stehen einzelne Stangen und liegen verrostete Seile. Es ist aber bereits wieder stumm geworden um diese Zeugen moderner Menschen Geschäftigkeit und Technik. Gerölle fängt sachte an, sie zuzudecken, und Blumen und Sträucher wuchern über sie. Nur eine kurze Weile im Zeitmass der Ewigkeit, und sie werden eingegangen sein in die Herbheit des kleinen Tales.
Da kommt eine alte Frau des Weges, sie trägt eine grosse, volle Gerla zur Alpe Legrina hinauf. Zu den zwei Stunden von Iragna her wird die schwere Last ihr noch gute drei Stunden Mühe machen. Aber welch unfassliche Froh-heit strahlt auf dem faltigen Gesicht. Meine Resten von Ovo, Brot, Nescafé, Schokolade usw. nimmt sie dankbar entgegen und will mir Kastanien dafür