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Klettereien in den Walliser- und Bernerbergen : I. Das Weisshorn

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Von Dr. H. Bubi.

Klettereien in den Walliser- und Bernerbergen Das Weisshorn.

Nach einer Reihe von in den Gruppen des Lauter-brunnen- und Lötschthales gemachten, an alpinen Mühen und Genüssen reichen Fahrten waren Freund Wyss und ich Freitag den 21. Juli 1876 Mittags in dem vortrefflich gehaltenen kleinen Hotel Dom des Herrn Brunner in Randa eingetroffen, in der Absicht, das Weisshorn zu besteigen. Denn so manche Spitze wir auch schon zusammen erklettert, so manchen Pass wir beschritten hatten, bei keiner der riesigen Rundsichten hatte in uns irgend eine Gestalt grössere Begeisterung wachgerufen und den leidenschaftlichen Wunsch eines Angriffs immer und immer mehr genährt, als die blendende Firnkuppe des Weisshorns, wie sie sich von Norden her präsentirt. Und nun, wo unser Sturm auf den Feind vom vorigen Jahre her, das Lauter- brunner Mittaghorn, wiederum an den dies Jahr merkwürdig ungünstigen Schneeverhältnissen gescheitert war, stand unser Entschluss fest, den Versuch zu wagen, am Weisshorn die erlittene Schlappe auszutilgen. Dazu kam, dass uns in Randa gesagt wurde, dass mehrere Engländer, darunter Fred. Gardiner, eines der thätigsten Mitglieder des A. C, dessen liebenswürdige Bekanntschaft ich 14 Tage früher in Guttannen gemacht hatte, gestern nach der Hütte am Hohlicht aufgebrochen seien und heute Abend vom Weisshorn zurückerwartet würden. So waren wir gleich darüber einig, den Vortheil eines theilweise vorgezeichneten Weges und der Belehrung durch fachkundige Gänger und Führer uns nicht entgehen zu lassen, sondern ohne längere Rast diesen Nachmittag noch weiter zu gehen, obschon wir heute schon von Visp heraufgekommen waren und die unausgesetzten Anstrengungen der letzten Tage unsre Kräfte etwas mitgenommen hatten. Dass die eleganteste aller Berggestalten des Wallis eine sehr rauhe, so zu sagen borstige Rückseite habe, wussten wir vom Sehen und die Schwierigkeiten einer Weisshornbesteigung kannten wir vom Hörensagen. Noch mehr Respekt davor zeigten unsre Führer, Fritz Fuchs und Adolf Graf von Lauterbrunnen, die das Weisshorn freilich nie bestiegen hatten, aber aus dem Munde anderer Mannen wussten, dass dasselbe unter Umständen böser sei als selbst das Matterhorn. Sie verlangten daher, dass noch ein Träger mitgenommen werde, der Kochgeschirr und Decken bis zur Hohlichthütte trage und uns am Morgen wenigstens eine Strecke weit begleite, um sie zu orientiren. Wir willigten in dies billige Begehren gerne ein und engagirten den einzigen in Randa zur Verfügung stehenden Mann, der gestern schon die Engländer bis zur Hütte begleitet hatte und auch schon auf der Spitze gewesen sein wollte. Unsre Wahl war keine gute, und hatten wir es zu bereuen, dem Geschwätze des langweiligen Gesellen, dessen Name mir entfallen ist, während ich die leidige Erinnerung an seine Leistungen nicht los werde, in einem wichtigen Punkte geglaubt zu haben. Gleich seine Behauptung, unser Nachtquartier sei 4-5 Stunden entfernt, schien mir nach einem Blick auf die Karte Aufschneiderei, um seine Forderung von 25 Fr. besser zu motiviren. Um nur fortzukommen, sagten wir Ja und Amen zu Allem, und von Hrn. Brunner mit allem Nöthigen wohl versehen und mit den besten Wünschen entlassen, brachen wir um 3 Uhr auf, verliessen bei der Sägemühle das Fahrsträsschen nach Zermatt, überschritten die Visp und stiegen am andern Ufer durch Wiesen und Wald steil aufwärts. Das Klappern von Eisen auf den Steinen und einzelne Laute verriethen uns das Nahen der Engländerkolonne, und bei einer Biegung des Weges standen sie vor uns.

Wir machten Halt und wechselten einige Worte über ihren Erfolg und unsre Absicht. Es waren die Herren Gardiner und Coolidge vom A. C. mit Peter und Joh. Knubel von St. Niklaus und Joh. von Bergen von Meyringen, der noch einen jungen Burschen aus seinem Heimatort bei sich hatte, den er in löblicher Weise auf eigene Kosten mitnimmt, um ihn zum Führer heranzubilden. Die Herren sahen über ihre Besteigung erfreut und noch ganz munter aus, während ein anderer Engländer, den wir einige Minuten später oberhalb des Waldes mit Almer und einem Träger antrafen,, mit allen Zeichen der Ermüdung marschirte. Mit Interesse sah ich in das verwetterte Gesicht und auf die Glieder « von löthigem Stahl » Almers, der gestern mit Herrn Coolidge über das Schallenjoch gekommen war, heute das Weisshorn miterstiegen hatte und sich nun weniger auf die Ruhe im Thal als auf 's Trinken freute.

Wir aber stiegen auf ordentlichem Pfade über steile Grashalden an elenden Hütten vorbei weiter, bis wir in kaum 3 Stunden von Randa weg bei der neuen und verhältnissmässig sauber gehaltenen Hütte am Hohlicht anlangten. Es war noch früh, so dass wir den zauberisch schönen Abend ganz auskosten konnten. Die Lage war aber auch wundervoll.

Den Hintergrund füllt der Hohlichtgletscher, flankirt vom Rothhorn- und Schallenberggletscher, mit weissen Massen aus, durchzogen von 5 mächtigen Moränen, um weiter aussen in die dämmernde Spalte-des Schallenbaches auszulaufen. Drüben erfreuten vereinzelte grüne « Läger » das Auge, darüber aber stieg eine imposante Mauer auf, Zinne an Zinne, das Mettelhorn, die Blattenhörner, die Blaufluh, der Eseltschuggen, und noch höher und gewaltiger im Westen das spitzige Gabelhorn, das Trifthorn, das furchtbar zerrissene Rothhorn oder Moming und das langgestreckte Schalihorn. Der Blick auf das Weisshorn ist leider verdeckt durch die Höhenzüge, die vom Schwarzhörnli zum Schallengletscher streichen. Mit Hülfe der Karte suchte ich die Uebergänge zu bestimmen, die von Zinal her über die Einsenkungen dieses Gipfelkammes führen, Triftjoch, Weisshorn.2 !) Mômmgpass und Schallenjoch, und erregte das vèra bluffte Staunen unsrer gastlichen Hirten durch die Sicherheit meiner Nomenklatur. Auch nach Osten ist der Blick auf die Mischabelhörner von ergreifender " Wirkung. Dieser leicht zu erreichende Standpunkt würde den Gang eines Zeichners und Malers reichlich lohnen; mein Stift ist leider solchen Aufgaben nicht gewachsen. Erst als das letzte Rosenroth am Dom verglommen war, zogen wir uns in die Hütte zurück, um uns nach kräftigem Abendmahl zur oft gestörten Ruhe auszustrecken. Aber endlich wirkte die Ermüdung der letzten Tage doch, und als wir aus schwerem Schlaf geweckt auftaumelten, war es 1 Uhr vorbei. Hastig wurde der Aufbruch vorbereitet, aber es war 2 Uhr, als wir in die stille, dunkle Nacht hinaustraten.

Gleich hinter der Hütte wurde unter der Leitung unsres Trägers in nördlicher Richtung die steile Schafalp hinaufgestiegen. Oben kamen ein paar Felsentritte, die wir mit Hülfe unsrer elenden Laterne doch überwanden. Es dämmerte, als wir uns dem Schallenberggletscher näherten. Der Schnee war hart und gut zu begehen und der Tag schlug an, als wir, den Spuren der Engländer folgend, durch den Sérac hackten, um an den Fuss des Horns zu gelangen. Hier entliessen wir unsern Träger, da unsre Mannen ihrer Erfahrung mehr trauten als seinen unsichern Belehrungen.

Das Weisshorn, das in einem weiten, hochgespannten Bogen zwischen dem Schallenberg-, Bies- und Weisshorngletscher sich ausdehnt, entsendet eine Felskante südwestlich zum Schallenjoch hinunter und zwei durch eine zerrissene Mulde getrennte zum Schallengletscher.

Au der östlichem derselben begann der Anstieg zuerst in festem Gestein ohne bedeutendere Schwierigkeit. Je höher wir aber kamen, desto gebrochener wurden die Felsen und desto anstrengender die Turnerei von Klippe zu Klippe. Bald erwies es sich, dass ein Beibehalten der Richtung uns vielleicht auf den wüst zerrissenen Gipfelgrat, aber in zu grosser Entfernung von der Spitze bringen würde und eingedenk der Anweisungen von Knubel bogen unsre Führer links ab, um in westlicher Richtung den Berg flankirend die zweite Kante zu gewinnen. Spuren, die wir bald im Schnee fanden, zeigten, dass wir auf dem rechten Wege seien. Dieses Stück gehört zu den schlimmsten der nicht leichten Besteigung. Die Mulde ist fächerförmig von einzelnen Felsrippen durchzogen, die schräg einfallenden Schichten bieten Hand und Fuss wenig Halt und das halbe Dutzend oder mehr von Couloirs, die man zu passiren hat, war mit einer dünnen Schicht Schnee von der allerbösten Beschaffenheit belegt, der uns schon jetzt viel zu schaffen machte und für den Nachmittag nichts Gutes versprach. Wir waren froh, als wir die Felsen der nächsten Kante in der Hand hatten, und machten unsern Frühstückshalt. Die Führer waren mit unserm Vorwärtskommen nicht recht zufrieden. Ihrer Meinung nach sollten wir eigentlich schon höher sein, aber es ging eben nicht, wie wir gern wollten. Bald wurde wieder aufgebrochen. Manchmal musste, da uns jetzt die Wegleitung der Engländer wieder fehlte, hin und her gesucht werden, im, ganzen aber bewährten unsre Lauterbrunner ihre findige Nase wie gewohnt. Endlich erreichten wir, von dem angestrengten Steigen stark hergenommen, den Gipfelgrat, aber die Mühsal hatte damit noch lange kein Ende. Erst kam eine Eeihe von abscheulichen Felsköpfen aus faulem Schiefer, hierauf wol 20 Minuten lang eine « ganz infame » G'wächte, selten von festem Felsboden unterbrochen, mit sehr steilem Gehänge zu beiden Seiten und ganz unzuverlässig. Bevor man zum eigentlichen Gipfel kommt, nimmt einen noch eine flache Schneemulde auf, « inladend zu kurzer Rast vor dem letzten Sturm. Das Gepäck wurde abgeworfen, eine zweite Mahlzeit gehalten und dann, obschon mir wenigstens die Knie fast einbrachen vor Müdigkeit, noch einmal zum Marsche angetreten. Langsam, sehr langsam gings die Anfangs nicht übermässig steilen Halden des nördlichen Abfalls empor und unterhalb der Schneide, die wir zur linken Hand liessen, aufwärts. Steiler und steiler wurde es, immer schwerer ging der Athem des hackenden Graf und die wellenförmige Gestalt des Gipfels täuschte mehrmals unsre sehnliche Erwartung. Da an der Spitze eines vereisten Hügels blieb er plötzlich stehen und bog, den Körper auf den Pickel gestützt, den Kopf vorwärts. « Bist Du obe? » fragte Fuchs von hinten. « Emel gsehn i wit und breit nüt so hoch wie mir. » Ein Hurrah und in der nächsten Minute bildeten wir mit verschlungenen Armen Gruppe 4512 m über Meer. Der plötzliche Uebergang vom starren Hinsehen auf die im blendenden Schnee eingehauenen Tritte zu dem trunkenen Erfassen der weitesten Grenzen des Vaterlandes wirkte fast betäubend, und sinnverwirrend auch für feste Nerven das senkrechte Herunterstürzen des Blicks in die grauenvollen Abgründe des Bies- und Weisshottïgletschers. Drum reisse dich los, mein Auge, von dem Dämon, der aus der Tiefe lockt und schau in die Runde. Da liegen sie alle, die Eis- und Winter-riesen des Wallis, wenige höher als wir, aber viele gewaltig zu uns aufstrebend, Haupt an Haupt, gegen deren gigantische Züge die entfernten Berner- und Lötschthalerlieblinge sowenig und die in unenträthseltem Wirrwarr liegenden Gipfel der Central- und Ostschweiz fast gar nichts mehr sagen zu wollen scheinen, verbunden durch ungezählte zerrissene Gletscher und schimmernde Firnfelder unter einem in wolkenloser Bläue strahlenden Himmel. Ich will es nicht wagen, einzelne Ketten oder Punkte näher darzustellen, weder die in Schnee und Felsen wunderbar wechselnde Gestalt der Dent Blanche, noch die einfach schwarze Nadel des Matterhorns, nicht die an Formen so üppige Gruppe; des Monte Rosa, noch die rein geschwungenen Linien des Dom. Nur den Gesammteindruck möchte ich mit einem Worte zu kennzeichnen versuchen. Was man in .Reisebeschreibungen des vorigen Jahrhunderts etwa von der Scenerie des Gotthard oder der Grimsel liest, das gilt mit voller Wahrheit von der Aussicht des Weisshorns: sie ist fürchterlich. Und dieser Eindruck des Gesammtbildes wird nur gehoben durch die schmalen grünen Streifen, die man wie durch die Ritze eines-Fernrohrs in der Tiefe der Thäler von St. Niklaus und Zinal erspäht. Im Geiste liess ich den Genuss der Jungfraurundschau wieder aufleben. Wie ganz anders! Dort vermittelt bei aller Grossartigkeit der Gebirgsscenen in Südost und West der Anblick der Häuschen und Hüttchen auf Wengernalp und in Lauter- brunnen, auf die Vorberge, die Seen, die neblige Ebene und den in blauer Ferne schwimmenden Jura das Gefühl des rein Menschlichen, ohne welches wir doch nicht lange wohl sind. Hier aber ist nichts als unendliche Wildniss, Zerstörung von Anbeginn und deren Ende wir nicht denken können. Mir lief ein Schauder über den Leib und es'war als ob durch die graun-volle Stille die Stimme des Erdgeistes zu dem Staub-gebornen spräche: « Du gleichst dem Geist, den du begreifst, nicht mir ».

Auch Freund Wyss war stille geworden und die Führer drängten zum Rückzug, den wir 11 Uhr 30 Min. nach fast li/4 stündigem Aufenthalt antraten. Die Temperatur war ganz erträglich gewesen, nur die Füsse litten im kalten Schnee. Der Abstieg erfolgte erst rückwärts und langsam, da das letzte Gehänge sehr steil ist, und unter dem Schnee Eis lag. Weiter unten ging's dann besser und bald konnten wir unser Gepäck " wieder zur Hand nehmen, nachdem wir es durch eine dritte Mahlzeit wieder erleichtert hatten. Die Schnee-g'wächte war jetzt von der Mittagssonne ganz durchweicht, so dass die Pickel durch und durch gingen und die stützenden Hände grosse Stücke von der Krone abbrachen. So vorsichtig, aber auch so schnell als möglich gingen oder krochen wir unter dem Gefühl einer beständigen unausweichlichen Gefahr über die bösen Stellen; diese einmal hinter uns, wurden die Felsköpfe verhältnissmässig leicht überklettert oder umgangen und bald hatten wir die Stelle des Gipfelgrats erreicht, wo ein als Merkzeichen zurückgelassenes Taschentuch bergabwärts wies. Die steilen Felsen erforderten aber mindestens ebenso viel Zeit als beim Aufstieg und als wir in die Mulde einbogen, hatte die Gluth des Julinachmittags so auf den Schnee gewirkt, dass das Passiren der Couloirs gefährlich wurde. Etwa im dritten derselben — Graf war voran, ich folgte, hinter mir Wyss und zuletzt Fuchs — stiess der letzte plötzlich einen Schreckensschrei aus. Ich sprang vorwärts und bekam am nächsten Felsen festen Griff und Stand, während Wyss, unter dessen Fussen der Schnee abgeglitten war, auf dem Rücken liegend im Seil zappelte. Er war rasch wieder auf den Fussen, während sein Hut in wilden Sätzen bergab rollte. An einer steileren Stelle hätte der Unfall leicht üble Folgen für Alle haben können und das veranlasste wohl Fuchs, in unglücklicher Erinnerung an eine Bemerkung unsres albernen Trägers, das Weisshorn werde vom Schallengletscher her auch direkt bestiegen, den Vorschlag zu machen, die Mulde hinunter einen Ausweg nach dem Gletscher zu suchen. Graf schien nicht ganz zufrieden, aber er machte keine laute Opposition und mein Freund und ich waren nachgerade etwas stumpf geworden. Ohne viel zu denken, stiegen und rutschten wir die eisigen, mit lockerem Geröll erfüllten Gräben hinunter; kein Tritt war fest und doch konnte man sich nicht gehen lassen. Wir kamen nur langsam hinab und hatten nirgends einen Ueberblick über den Fuss der Mulde. Bei einigen grössern Felsen liess Fuchs halten und band sich los, um zu recognosciren. Wir sahen ihn bald links, bald rechts unten herumsuchen, offenbar ohne befriedigendes Resultat. Wyss war unwohl, ich todmüd und Graf sass an einem Felsen, ohne sich viel zu regen. Da plötzlich pfiff mir ein Stein wie eine Büchsenkugel dicht über das Haupt hinweg und in den nächsten Augenblicken kam wohl eine Wagenladung von Blöcken jeder Grösse und Schwere den Hauptgraben herunter gedonnert und über und neben uns, die regungslos vor Ueberraschung standen, hinweg. Ein furchtbarer Gedanke durchzuckte uns: wenn Fuchs sich nicht rechtzeitig decken kann, so reisst ihn die Steinlawine über den Fuss der Wand hinunter. Kaum war der Lärm etwas verhallt, so eilte auch Graf von uns fort, um nach dem Kameraden zu sehen, und überliess uns unsern Gedanken, die nicht die er-baulichsten waren, wie man sich denken kann. Wir hatten uns unüberlegt in eine unmögliche Situation verrannt, das Bombardement konnte sich wiederholen und wer wusste, ob wir das zweite Mal wieder mehr Glück als Verstand haben würden. Zum Glück blieb 's bei dem einmaligen groben Feuer, und an die kleinen Geschosse, die hie und da in unsrer Nähe aufschlugen und dann in einem grossen Bogen weiter flogen, gewöhnten wir uns. Auch sahen wir beide Führer anscheinend unversehrt wieder zum Vorschein kommen. Die Lage war nichts desto weniger eine verzweifelte. Die kostbarsten Stunden waren ungenutzt verstrichen, der Abend nahte mit Riesenschritten, was auch die Ursache war, warum die Steinschläge, in deren Schusslinie wir uns befanden, aufhörten, und es war fast sicher, dass wir die Nacht ohne Decken, mit sehr wenig Proviant und durchnässt von Schweiss und Schnee irgendwo in den Weisshornfelsen würden zubringen müssen. Auf unser ungeduldiges Lärmen kamen die beiden endlich wieder herauf, und bestätigten, was uns durch ihr langes Ausbleiben schon zur Gewissheit geworden war, dass sich unten absolut kein Abstieg über den senkrechten Fuss der Mulde, noch ein Ausweg rechts oder links zeige, dass wir vollständig « lätz » seien und wieder hinauf müssten. Mit einigen kräftigen Redensarten machten wir unserm Aerger gegenseitig Luft, zwängten in aller Hast einige Bissen und Schlucke hinunter und « nun vorwärts, so rasch als die Kräfte irgend erlauben ». Fuchs, der seine ganze Energie wieder gewonnen hatte, versicherte, er werde uns lieber am Seil hinter sich herschleifen, als zugeben, dass wir nicht vor Nacht in 's « abere » kommen. Und siehe da, es ging merkwürdig gut. Wie sehr auch Fuchs voran-strebte, ich trat ihm fast die Hacken ab und Wyss folgte Graf im gleichen Tempo. In weit kürzerer Zeit, als wir zu der Descente gebraucht hatten, standen wir wieder auf uusrer verlassenen Route; die Couloirs, die uns so geängstigt hatten, wurden nun, da der Schnee fest geworden war, im Sprung genommen, und einmal auf dem festen Gestein der östlichen Kante angekommen, dünkten wir uns geborgen, aber es war hohe Zeit. Die Nacht war nahe, darum glitten wir eilig die Felsen hinunter, wanden uns ohne Schwierigkeiten, unsern am Morgen gemachten Stufen folgend, durch den Sérac, trabten über den flachen Gletscher und erreichten mit Einbruch der Nacht Moräne und Schafalp, über deren steile Halden wir im Finstern tappten und stolperten, bis wir durch das Geläut zurecht gewiesen gegen 9 Uhr die Hütte am Hohlicht erreichten, von wo die Sennen, über unser Ausbleiben höchlich beunruhigt, schon einen Geishuhen als Boten nach Randa gesendet hatten.

Trotzdem konnte ich mich nicht entschliessen, ermüdet und in meinen durch die Nässe fast unbrauchbar gewordenen Schuhen den dunklen und holprigen Weg nach Randa unter die Füsse zu nehmen, und meine Gefährten bestanden auch nicht darauf. Die Hirten thaten mit Feuer, Milch und Decken für uns, was in ihrer Macht stand, und nach einer nicht gut und nicht schlecht verbrachten Nacht trafen wir Sonntags früh in Randa ein, wo der treffliche Herr Brunner mit Spannung auf uns wartete und eine Recognoscirungs-patrouille schon organisirt hatte. Einige Stunden faul-lenzen und ein köstliches Diner, gewürzt durch das Geplauder mit den Herren Gardiner und Whitehouse, von der Sektion der Diablerets, gaben uns alle Lebensgeister wieder, so dass wir Nachmittags noch nach Zermatt fuhren, Abends zum Riffelhaus hinaufstiegen, und Montags früh i Uhr schon wieder gegen den Monte Rosa ausrückten. Leider zwang uns ein starker Schneesturm in ziemlicher Höhe zum Rückzug. Einigen Trost für diesen Schmerz gewährte die Bewunderung, mit welchem die sprödesten Engländerinnen im Riffelhaus und im Hotel Mont Cervin den jungen und noch mehr den alten Weisshornbezwinger betrachteten und ausfragten. So endete unsre diesjährige Sommercampagne.

Unsre Führer, die erst mich allein, dann uns beide während 14 Tagen begleiteten und die stärksten Zumuthungen an ihre Ausdauer willig trugen, verdienen alles Lob. Das augenblickliche « Verspringen » am Weisshorn war Folge einer übertriebenen Vorsicht, 3 nicht des Leichtsinns. Ich empfehle daher die schlichten und zuverlässigen Mannen bestens.

Das Weisshorn aber bleibe uns gesegnet, trotz seiner Unfreundlichkeit; denn von so grossen Herren nur nicht zurückgewiesen zu werden, ist schon viel Ehre.

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