Eine Rundtour im Berner Oberland | Club Alpino Svizzero CAS
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Eine Rundtour im Berner Oberland

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Mit 2 Bildern ( 154, 155Von Robert Schönbächler

( Zürich ) Einige recht komische Einlagen standen diesmal an der Spitze unserer Ferienerlebnisse im August 1954. In Grindelwald fuhr das Züglein der Wengernalp-Bahn, das wir eigentlich besteigen wollten, vor unseren Augen weg, als wir neben ihm mit dem bergtüchtigen Stationsvorstand einige Gedanken betreffend den wieder neu verschneiten Mittellegigrat tauschten, und am folgenden Morgen wies uns der Kondukteur vom grossen Fenster des leerstehenden Zweitklassabteils desselben Zügleins weg, da wir uns erlaubt hatten, auf der Fahrt nach der Kleinen Scheidegg schnell ungehindert in die berühmte Eigernordwand zu blicken. Das nächste Missgeschick ereignete sich im Jungfraujoch, woselbst in dessen warm geheizter Aufenthaltshalle eine schön, aber wohl auch nur attraktiv mit « SAC-Zimmer » angeschrie-bene Türe uns dazu hinreissen liess, sie aufzustossen. Das zog wiederum den Blick einer Aufsichtsperson auf uns. In Gestalt der dortigen Kioskverkäuferin pfeilte eine Frau mit bösem Blick zwischen den zahlreichen herumstehenden Engländern hindurch auf uns zu, rief etwas wie « das gehe uns nichts an » und « SAC-Mitglieder hätten hier kein Recht », riss ungeachtet unserer Nasen die Türe ins Schloss zurück, drehte aufgeregt den Schlüssel und kehrte ebensoschnell an ihren Stand zurück, wieder Postkarten mit den abgebildeten « Polar-Hunden », die ihren mit Jochfahrern schwer beladenen Schlitten ziehen, verkaufend.

Diese unfreundlichen menschlichen Zwischenfälle nahmen dann aber ein Ende, als wir mit dem prächtigen Kameraden und jungen Hüttenwart Schlunegger von der Finsteraarhornhütte den Eistunnel beim Sphinxs tollen verliessen und mit unsern Sommerski nach Konkordia abfuhren. Wohl erwischte uns noch das regnerische Wetter, doch tat dies unserer Freude keinen Abbruch, als wir beim Hüttenwart Rubi unseren lieben Hans Kohler mit seinen Bergführerkameraden von der Kletterschule Rosenlaui, die mit einer Hochgebirgs-klasse anwesend waren, trafen. Ein prächtiger Hüttenabend, ausgefüllt mit frohen Liedern, stimmungmachenden Walliser Tropfen und Erzählungen der tüchtigen Führer von Freud und Leid, war uns in der verrauchten Stube bei Rubi beschieden. Anderntags trennten sich unsere Wege. Die Führer zogen mit ihren Touristen noch in dunkler Nacht den Aletschgletscher abwärts, um gleichentags noch an den Fuss des Monte Rosa zu gelangen, und wir bestiegen über den vergwächteten Süd-Westgrat das Grünegghorn, traversierten zum Gross Grünhorn, kehrten auf der gleichen Route zu Ski- und Sackdepot zurück und landeten abends in der Finsteraarhornhütte bei Peter Schlunegger, der von der Konkordiahütte mit den Rubibuben auf dem direkten Weg vorausgeeilt war und uns herzlich willkommen hiess.

Die letzte Seilschaft einer währschaften Sektionstour verliess am folgenden frühen Morgen eben die Hütte, als wir uns aus dem Lager mühten. Draussen beherrschten sternklare Nacht und bissige Kälte die wundervolle Szenerie. Ein wundervoller Morgen stieg mit uns aus der Dämmerung dem verheissungsvollen Tag entgegen, und scharf begann die Silhouette des dutzendfach gezackten Südgrates des Finsteraarhorns auf den darüber gleissenden Fieschergletscher seine Schatten zu werfen, derweil das Aletschhorn majestätisch über der Grünhornlücke emporwuchs. Und als wir drei Stunden später vom Gipfel des Finsteraarhorns über die im Gegenlicht glänzenden Nebelfelder nach Osten und Süden, dann ins klare Wallis und sogar bis in die Westalpen mit dem dominierenden Mont Blanc schauen durften, da fühlten wir, dass wir uns wiedereinmal nicht nur auf einem Gipfel unserer lieben Bergwelt befanden, sondern auch ein wunderbares Erleben hatten. Voll Freude ob der prächtigen Fahrt standen wir bald nachher im Hugisattel in die Bindungen unserer nur 1.40 m langen, doppelrilligen Ski und kosteten die herrlichen Firnverhältnisse bis hinunter zum Frühstücksplatz. Dann fuhren wir in der grossen Kehle bis unter die Hütte, woselbst wir mit den Kameraden von der Sektionstour wieder einkehrten.

Der folgende Tag führte uns über den Fieschergletscher mit seinem wie ein Figurenspiel aufgerissenen, steilen Abbruch auf das Gross Fiescherhorn, wobei wir erfurchtsvoll unseres vor Jahren auf dem grossen Plateau von einer heimtückischen Spalte verschlungenen und erst nach schwerer Bergungsarbeit wieder freigegebenen Berufskameraden gedachten. Vom Fieschersattel stiegen wir hinunter zum Ewigschneefeld und von letzterem über das Obere Mönchjoch zum Sphinxstollen und Jungfraujoch. Wohl hatten wir vor, das Gross Fiescherhorn nach Norden zu überschreiten, doch riet uns der aussergewöhnliche Weststurm von dieser exponierteren Route, auf welcher unsere im Rucksack steckenden Sommerski eigentliche « Segelflächen » gebildet hätten, ab. Einen heftigen Kampf hatten wir schon im Aufstieg zum Mönchjoch und auf der Fahrt zum Sphinxstollen gegen den Schneesturm auszufechten. Buchstäblich vornüberhängend mussten wir uns gegen den Sturm wehren, um nicht rückwärts geworfen zu werden, und einmal mehr zeigten sich Kompass und Seil im heulenden Wind als unentbehrliche Stützen. Am andern Morgen sahen wir uns mit den ersten Sonnenstrahlen im Rottalsattel und nach nicht einmal zweistündiger Aufstiegszeit, vom Joch aus, genossen wir alsbald neben dem vereisten, hölzernen Gipfelsignal der Jungfrau die einzigartige Aussicht bei Windstille und Sonnenschein. Welcher Gegensatz zur Umwelt von Gross Grünhorn und Finsteraarhorn! Umgab uns dort nach allen Seiten ausschliesslich die imposante Hochgebirgslandschaft, so blickten wir hier auch hinaus auf die grünen und besonnten oder noch im Schatten liegenden Matten, auf die Wanderwege der Kleinen Scheidegg, Wengen und Mürren, auf Interlaken und den ruhig in der Landschaft liegenden Thuner See. Ein Prachtstag war das und ein Feiertag für meinen Gefährten, der Geburtstag hatte. Nach einer guten halben Stunde setzten wir unsere 10-Zacker wieder in die herrliche Stufenleiter, die uns an einer entgegenkommenden Führerpartie vorbei ins Joch zurückführte. Noch kein Züglein der Jungfraubahn hatte an jenem Morgen seine erwartungsfrohe Pilgerschar heraufgebracht, als wir bereits wieder durch den Sphinxstollen hinausmarschierten und bald darauf beim Oberen Mönchjoch, den Spuren einer deutschen Führerpartie folgend, in die Normalroute zum Mönch einstiegen. Ein feingeschwungenes Gwächtengrätchen leitete zuoberst auf sein Gipfelplateau, dessen grosse Ausdehnung wohl ihresgleichen in den Alpen suchen kann. Wieder öffnete sich unsern Blicken und Gedanken die umliegende Bergwelt.

Unter aufmerksamer Assistenz einer nicht zu vermeidenden Schar sonntäglich gekleideter Jochfahrer schnallten wir dann am frühen Nachmittag beim Sphinxstollen unsere Ski an die Schuhe und drehten im fast etwas zu weich gewordenen Sulzschnee hinunter in die flacheren Partien des Jungfraufirns. Im schwarzen Moränenfeld des Konkordiaplatzes, bei P. 2799, schwenkten wir nach rechts Richtung Lötschenlücke ab, dabei in ein aufkommendes Gewitter über dem Lötschental blickend. Immer näher kamen die grauen Nebelschwaden mit dem gelblichen Hintergrund, bis dass wir kaum mehr weiter als über unsere Seillänge hinaussehen konnten. Bald mussten wir denn auch Kompass und Höhenmesser zu Rate ziehen, bis dass wir abends 5 Uhr trotz der hart aufschlagenden Hagelkörner die wie auf einem Horst sitzende Lötschenhütte erreichten. Am letzten Ferientag nahm das Wetter wieder die dem Sommer-durchschnitt entsprechende, leidliche Gestalt an: alles tief verhängt, starker Westwind, dazwischen dann und wann ein Sonnenstrahl. In Kippel während der Postautofahrt nach Goppenstein wieder ausgiebiger Regen, und in Kandersteg wieder Sonne. Glücklich kehrten aber zwei Bergsteiger nach Hause zurück, die wieder einmal das Glück gemeinsamer Freude und Kameradschaft erlebt hatten.

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