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Antike Kletterei

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VON HERMANN KORNACHER, MÜNCHEN

Schon im Altertum, bei den Griechen und Römern, gab es Bergsteiger und sogar Kletterer! Man glaubt es nichtUnd doch berichten die antiken Geschichtsschreiber mehr als einmal von alpinen Unternehmungen grossen Stils, die keineswegs in das Reich der Fabel zu verweisen sind. Da hören wir von einer winterlichen Überschreitung des Hindukusch über tief verschneite Pässe von mehr als 4000 Meter Höhe, die der junge Welteroberer Alexander der Grosse durchführte. Oder wir erfahren, dass er den steil aus einer Ebene aufragenden « sogdianischen Felsen » mit Hilfe von Seil und Haken bezwang, um die schöne Roxane, seine spätere Gemahlin, zu erobern. Wir wissen von Hannibals grandiosem Alpenübergang und von der kühnen Expedition des Königs Philipp von Mazedonien auf den fast 3000 Meter hohen Rilo Dagh im Balkangebirge. Allerdings, die heute gerne gebrauchte Definition dessen, was man unter Bergsteigen zu verstehen hat, nämlich: zweckfreies Tun in zweckfreier Landschaft die wird man auf die Unternehmungen dieser Zeit wohl kaum anwenden dürfen. Aber seien wir doch ehrlich, ist denn unser Bergsteigen im Sommer und das Skifahren im Winter wirklich immer und überall so ohne jeden Zweck, ohne jede Absicht?

Einen militärischen Zweck hatte auch eine bergsteigerische Unternehmung, von der uns der Historiker Sallust in seinem Buch über den Krieg der Römer gegen den Numiderkönig Jugurtha erzählt. Es ist dies zugleich noch der erste alpine Kletterkurs, von dem wir wissen. Das heisst, alpin war er gar nicht, denn die ganze Sache spielte sich ja in Marokko, am Nordfusse des Hohen Atlas ab.

Es galt, eine der heute dort noch existierenden Burgen zu erobern. Auf einem unzugänglichen Felsen ragte sie auf, uneinnehmbar. Aber das dort angeblich in Massen aufgehäufte Gold lockte die Römer doch; sie probierten alles Mögliche, kamen aber nicht zum Ziel. Doch eines Tages geriet ein Ligurer, ein junger Mann aus den italienischen Seealpen, auf der Suche nach Wasser und leckeren Weinbergschnecken zufällig auf die Rückseite dieses Felsens und kam beim Suchen unversehens immer höher. Bis ihn dann angesichts der einmal erreichten Höhe die Lust ankam, ein schwieriges Abenteuer zu bestehen, « wie es nun einmal dem menschlichen Geiste eigen ist » ( so sagt Sallust ).

Hier schon stossen wir auf das Urmotiv allen Bergsteigens und Kletterns, das uns treibt, an Wänden, Kanten und Graten der Berge unser Leben zu wagen: die Lust am Abenteuer, die Freude an der Gefahr.

Der junge Ligurer also kletterte, wie er es von daheim wohl gewohnt war, rasch und gewandt im schweren Fels immer höher, bis er plötzlich im Rücken der Feinde auf der Hochfläche der Burg stand. Das ist die Lösung! dachte er, stieg eiligst wieder ab und bewog seinen Feldherrn, ihm ein paar gewandte Soldaten mitzugeben, mit denen er so die Feinde unversehens im Rücken angreifen wolle.

Gesagt, getan! Beim Morgengrauen zogen sie los. Barfuss kletterten sie, und nur leichtbewaffnet, ohne Bedeckung, damit es um so leichter ginge. Der berggewohnte Ligurer ging als erster, und da seine Kameraden offenbar noch nicht so sicher waren im Fels, half er ihnen, indem er an Felszacken und alten Wurzeln - die Kletterhaken Alexanders kannte er nicht - fixe Seile anbrachte, an denen sich die andern hochziehen konnten. Ja, er hatte es schwer mit seinen Schützlingen, dem einen wurde es schwindlig, da musste er ihn stützen und ihm gut zureden, dem andern stellte er die Fusse an den rechten Platz, andere wieder zog er mit der Hand höher. Überall sollte er zu gleicher Zeit sein, da helfen und dort zugreifen. Erschien den anderen das Emporklettern gar zu gefährlich, dann machte er als erster den Versuch und kletterte wie ein Wiesel sogar mehrere Male an einer Stelle hinauf und wieder hinunter, um den andern die Griffe zu zeigen und ihnen Mut zu machen. Das ging so lange, bis er sie endlich alle, vom Feinde unbemerkt, droben hatte und die Burg leicht genommen werden konnte.

Den Rückweg allerdings werden sie wohl kaum mehr über die bei dieser Gelegenheit sicher das erste Mal begangene Felswand genommen haben. Denn wie hätten sie da die vielen Zentner des erbeuteten Goldes hinunterschaffen sollen? Und um das ging es ja letzten Endes! Denn, wie gesagt, zweckfreies Tun in zweckfreier Landschaft, das ist eine höchst moderne Errungenschaft der Bergsteigerei, und auch mit der scheint 's nicht immer allzu weit her zu sein.

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