Zweiundzwanzigster Jahresbericht des Centralcomité des S. A. C
des
Zweiundzwanzigster Jahresbericht des
Centralcomité des Schweizer Alpenclub.
1885.
Der nachfolgende, vom Centralpräsidenten in Villars - sur - Ollon verlesene Jahresbericht umfaßt die Thätigkeit des S.A.C. bis Ende August 1885. Was von da an bis zum Jahresschlüsse geschah, ist am Schlüsse der einzelnen Capitel in Klammernnach-getragen.
Hochgeehrte Clubgenossen!
Sie haben an unserer letzten Generalversammlung in Altorf im August 1884, welche, Dank dem freundlichen, herzlichen Entgegenkommen der Section Gotthard, einen so schönen Verlauf genommen hat, die Centralleitung der Geschäfte des S.A.C. für die Amtsperiode von 1885/87 vertrauensvoll in die Hände der Section Uto gelegt. Wenn nun das von dieser Section bestellte Centralcomite und in seinem Namen der von Ihnen auf den Vorschlag der Section zum Vorsitzenden Berufene sich anschickt, zum ersten Male vor Sie hinzutreten, um Ihnen über unsere Amtsführung Rechenschaft abzulegen, so geschieht es nicht Chronik.54$ ohne das Gefühl einer gewissen Beklemmung und nicht, ohne sans phrase Ihre freundliche Nachsicht in Anspruch zu nehmen. Wir waren uns dessen wohl bewußt, daß man uns zumuthete, in die Fußstapfen einer langen Reihe von Centralvorständen einzutreten,, die sich jeweilen aus den hervorragendsten und tüchtigsten Mitgliedern des S.A.C. componirt hatten.
Speciell unser unmittelbare Amtsvorgänger, das Centralcomite von Lausanne 1882 84, hatte sich der ihm übertragenen Aufgaben, insonderheit auch anläßlich der schweizerischen Landesausstellung von 1883 in Zürich, in einer würdigen Vertretung des A. C. an derselben, mit ebenso viel Einsicht als Hingebung, mit ebenso großer Energie als Ausdauer entledigt, so daß wir nicht ohne ernste Bedenken dem an uns ergehenden Rufe, an seine Stelle zu treten^ Folge leisteten. Wenn wir auch an dieser Stelle dem abgetretenen Centralcomite und der Section, aus der es bestellt war, und die nun ihren Leistungen für den Gesammtverein dadurch die Krone aufsetzt, daß sie uns in ebenso origineller als liebenswürdiger Weise zu sich zu Gaste geladen hat — ich sage, wenn wir hier sowohl dem. letzten Centralcomite als der Section Diablerets warmen Dank und Anerkennung bezeugen,, so handeln wir ohne Zweifel in Ihrer Aller Sinn und Namen.
Die Spanne Zeit, über welche wir Ihnen zu referiren haben, war freilich eine relativ kurze. Denn nachdem das abtretende Centralcomite sich in einem von Ende Dezember 1884 datirten Circular noch einmal Rechenschaft gebend und Abschied nehmend an die Sectionen gewandt hatte, konnte die Geschäfts-libergabe des alten Centralcomite an das neue erst am 25. Januar laufenden Jahres in Bern stattfinden.
Die seit diesem Zeitpunkte verstrichenen 7V2 Monate haben kaum hingereicht, es uns zu ermöglichen, in den unser wartenden Geschäftskreis einen tiefern und klarem Einblick zu gewinnen und uns über die Situation gehörig zu orientiren. Immerhin constatiren wir gerne, daß wir uns von Anfang an und selbst bei hie und da obwaltenden Meinungsdifferenzen eines freundlichen und zutrauensvollen Entgegenkommens seitens der Sectionen zu erfreuen hatten, und wir geben uns mit Vergnügen der Hoffnung hin, daß dem auch ferner so sein werde. Dürfen wir Sie doch versichern, daß bei all' unsern Beschlüssen und Maßnahmen kein anderer Gedanke uns leitet und kein anderes Ziel uns vorschwebt, als die Wohlfahrt, das Blühen und Gedeihen unseres theuern Schweizer-Alpen-clubs und des über Alles geliebten Vaterlandes, dem wir ja auch in demselben und durch denselben zu dienen uns bestreben.
Sehen wir nun etwas näher zu, wie es zur Zeit um den S.A.C. und die wichtigsten ihn bewegenden Fragen und Interessen bestellt sei.
2 ) Ueber den Personalbestand des Vereins geben folgende Ziffern den wünschbaren Aufschluß: Der S A. C. zählt 29 Sectionen mit 2607 Mitgliedern, von denen seit 1. Januar 181 neu eingetreten sind, gegenüber 114 im gleichen Zeitraum des vorigen Jahres. Die Periode des Rückgangs in der Zahl unserer Mitglieder scheint daher glücklich überstanden zu sein. Wenn es aber unserer Verbindung zur Freude gereicht, frischen Nachwuchs zu bekommen, so wissen wir auch gar wohl, wie sehr wir desselben bedürfen; denn Leiden und Freuden, Leben und Tod wechseln wie Morgen- und Abendroth, und es pflegt der unerbittliche Tod je und je auch in unsere Reihen schmerzliche Lücken zu schlagen. Gedenken wir pietätvoll unserer Heimgegangenen!
Zunächst ist zu erwähnen der im Berichtjahr erfolgte Hinschied eines Ehrenmitglieds des S.A.C., des Herrn Anthony Adams-Reilly, geb. 1836, gest. 15. April 1885. Wenn ich nicht irre, hat er sich besondere Verdienste erworben um die Topographie der Montblancgruppe. Seine Tüchtigkeit war so allgemein anerkannt, daß ihn der E. A. C. zu seinem Präsidenten wählte, welche Ehre er indeß mit der ihn charakterisirenden Bescheidenheit ablehnte. Ehrenmitglied unserer Gesellschaft war er seit 22. September 1867.
Und wie könnte ich Dessen vergessen, den unsere Section Uto speciell und mit Stolz den Ihrigen genannt hat, des Mannes, dessen mächtiger Geist sich wagte an die Erforschung und Durchdringung der tiefsten Geheimnisse, welche die Menschenbrust bewegen, des Verhältnisses zwischen dem Ewigen und dem Vergänglichen, zwischen Gott und Mensch, und der dabei in einem kräftigen, durch Uebung gestählten Körper eine Seele trug, die mit der Naivetät eines Kindes der Herrlichkeit der Gotteswelt, wie sie uns namentlich im Hochgebirge entgegentritt, froh wurde — ich meine Prof. Biedermann, der eine Reihe von Jahren als allgeehrtes und allbeliebtes Haupt der Section Uto vorgestanden hat. Sein forschender, ahnender Geist ist nun hinangestiegen zu noch lichteren Höhen, als die waren, auf denen sein Fuß hienieden so gerne gewandelt.
Und auch Dessen muß ich mit einem Worte gedenken, der im engern Sinne der Unsern Einer war, auch der tapfersten und kühnsten Alpinisten einer, auch in unsern Alpen heimisch, und der vor wenigen Wochen dort im Dauphiné drüben als Mitglied der Section St. Gallen am Pic de la Grande Meje eine vielleicht doch bis an die Grenze des Erlaubten getriebene Verwegenheit mit einem jähen, frühen Tode gesühnt hat, nachdem er noch kurz zuvor den Freunden der Hochgebirgswelt ein trefflich geschriebenes Vademecum in den Schoß gelegt: Dr. Emil Zsigrnondy.
Und wenn hin und her in den Sectionen im Laufe dieses Jahres noch Andere, deren Namen mir unbekannt geblieben, geschätzt und betrauert von ihren Clubgenossen, auf immer geschieden sein sollten — wir schließen sie Alle ein in unser „ Requiescant in pace !" Ihr Gedächtniß bleibe unter uns im Segen! Da nur einzelne größere Sectionen regelmäßig auch den erfolgten Austritt von Mitgliedern anzeigen,. so möchten wir die Sectionsvorstände ersuchen, in Zukunft wenigstens alle Halbjahre hierüber dem Centralcassier Mittheilung zu machen.
3 ) Die Beziehungen des S.A.C. zu den fremden Alpenvereinen sind fortwährend sehr freundliche gewesen. Zwar konnten wir dies Jahr zum Feste des deutschen und österreichischen Alpenvereins, das in Villach stattfand, keinen Delegirten entsenden, haben aber durch ein Begrüßungstelegramm unsern Sympathien für die große Schwesterverbindung Ausdruck gegeben; im Fernern ersuchten wir Herrn Pfarrer Freundler und Herrn Architect Bourrit, Mitglieder der Section Genf, unsern Club an dem auf dies Jahr verschobenen fünften internationalen alpinen Congreß und dem 22. Congreß des italienischen Alpenclubs in Turin zu vertreten. Da Herr Freundler leider in letzter Stunde durch Krankheit abgehalten wurde, seine Reise auszuführen, so übernahm es Herr Pictet, Redactor des „ Echo des Alpes ", an seiner Stelle den S.A.C. in Turin zu vertreten.
Der C.A.F. setzte uns in Kenntniß, daß mit Rücksicht auf die für die französischen Seehäfen des Mittelmeeres angeordneten Quarantainen der Congreß in Algier auf unbestimmte Zeit vertagt worden sei.
4 ) Unter den neuen Aufgaben, welche dem S.A.C. für die nächste Zukunft gestellt sind, steht die Publikation der Arbeiten am Rhonegletscher obenan. Am 26. Mai versammelte sich in Bern eine Conferenz, bestehend aus zwei Delegirten des Centralcomite, Centralpräsident Grob und Vicepräsident Prof. Heim, den Mitgliedern des Gletschercollegiums des S.A.C.
( HH. Prof. Rütimeyer, Hagenbach und' Forel — Hr. Coaz entschuldigt abwesend ) und den Vertretern des eidgenössischen topographischen Büreau(HH. Oberst Lochmann und Ingenieur Held ). Nachdem der Bericht über die Vermessungen von 1884 vorgelegt und genehmigt worden war, stellte die Conferenz zunächst das Arbeitsprogramm für 1885 fest und beschäftigte sich dann, nach der später zu berührenden Frage der Fortsetzung der Arbeiten, mit der Publikation. Es wurde beschlossen, mit der Dalp'schen Buchhandlung ( K. Schmid ) in Bern in Unterhandlung zu treten und einen Vertrag zwischen ihr und dem S.A.C. zu entwerfen, in'welchem über die beidseitigen Verpflichtungen und Garantien u. s. f. die nöthigen Vereinbarungen getroffen würden. Der Beschluß der Conferenz wurde sogleich ausgeführt und zwischen dem Centralcomite des S.A.C. und der Dalp'schen Buchhandlung ( K. Schmid ) in Bern ein Vertrag vereinbart, den wir in seinen Grundzügen der Delegirtenversammlung in Villars zur Discussion, resp. Annahme unterbreitet haben. Dieselbe hat einmüthig dem Antrag des Centralcomite ihre Zustimmung ertheilt.
5 ) Sämmtliche Mitglieder der oberwähnten Conferenz vom 26. Mai waren darin einig, daß die Fortsetzung der Controlmessungen am Rhonegletscher in hohem Grade wünschenswerth sei, besonders da wir demnächst wahrscheinlich in die Periode eines neuen Wachsthums des Gletschers eintreten; zugleich aber wurde allseitig betont, daß durch vorherige Festsetzung eines bindenden Budgets die finanziellen Grenzen des Unternehmens ganz genau festgestellt sein müssen. Infolge dieses Beschlusses kündigte das eidgenössische topographische Bureau unterm 27. Juni den Vertrag vom 16. August 1880 und legte zugleich den Entwurf eines neuen Vertrages vor, den das Centralcomite nach den Vorschlägen des Gletschercollegiums in unwesentlichen Punkten modificirte und, 5-18Chronik.
nachdem die Abänderungsanträge vom eidgenössischen topographischen Bureau gutgeheißen waren, seinem Circular von Ende Juli beilegte, um den Sectionen ausreichende Gelegenheit zu geben, zu der Frage Stellung zu nehmen.
[Die Delegirtenversammlung in Villars-sur-Ollon nahm nach reiflicher Discussion den projectirten Vertrag an, setzte aber statt des ursprünglich vorgeschlagenen Art. 9 auf Antrag der Section Winterthur folgenden Passus: „ Es wird jetzt schon ausdrücklich bestimmt, daß mit dem, was unter 1 und 2 festgesetzt ist, die Leistungen des S.A.C. für die Vermessung des Rhonegletschers ihr Ende finden sollen. " Da aber das eidgenössische topographische Bureau mit dieser Fassung nicht einverstanden war, so setzte das Centralcomite in den Vertrag einfach den Passus: „ Der gegenwärtige Vertrag erlischt mit dem 31. Dezember 1888 ", und beschloß, den Beschluß der Delegirten als Protocollsache, d.h. als für den S.A.C. bindend zu betrachten 1).] Damit dürfte die Rhonegletscherfrage, die den S.A.C. so oft und viel beschäftigt hat, wenigstens als Gegenstand der Controverse für immer von unserer Tractandenliste abgesetzt sein, wobei wir uns der Hoffnung hingeben dürfen, daß die ganze Angelegenheit einer allseitig befriedigenden Erledigung entgegengeführt wird.
6 ) Das Gletschercollegium, welches behufs Ueberwachung der Arbeiten am Rhonegletscher gewählt worden war, hat nach Ablauf der vertragsmäßigen drei Jahre seine Functionen erfüllt, und es gebührt ihm seitens des gesammten S.A.C. der wärmste und herzlichste Dank für seine großen und treuen Bemühungen um das wichtige Werk. Es ist aber wohlGenaueres im Protocoll der Delegirtenversammlung und im Circular des Centralcomite vom Dezember 1885.
selbstverständlich, daß nach Annahme der Anträge betreffend die Rhonegletscherpublication und des neuen Vertrags der S.A.C. der Unterstützung von Seiten des Gletschercollegiums keineswegs entrathen kann, und auf den Antrag des Centralcomite hat die Delegirtenversammlung mit Einmuth die Mitglieder des Gletschercollegiums für die Periode des neuen Vertrages in ihrer Stellung bestätigt.
7Während durch den Vertrag die Casse des S.A.C. für eine Zeit von drei Jahren mit einer jährlichen Ausgabe von Fr. 1500 im Maximum belastet bleiben wird, ist ihr auf einer andern Seite eine Bürde abgenommen worden. Die meteorologische Station auf dem Säntis ist nach Ablauf des bestehenden Vertrages durch Bundesbeschluß an die Eidgenossenschaft übergegangen, welche den gesammten Unterhalt derselben übernimmt, wodurch unser Jahres-büdget inskünftig um Fr. 1000 entlastet wird.
8 ) Besonderes Interesse hat, seit dem Auftauchen der Frage, der S.A.C. dem Unternehmen der Führerversicherung entgegengebracht. Für das Berichtsjahr ergibt sich, daß die Centralcasse für 110 Führer Fr. 906 bezahlte, gleich 3 °loo der Versicherungssumme von Fr. 302,000. Das von der Versicherungsgesellschaft „ Zürich " gewünschte Minimum von 100 Theilnehmern ist also überschritten. Die Versicherten vertheilen sich auf folgende Kantone: Bern 88, Wallis 12, St. Gallen ( durch die Bemühungen der Section Alvier, die 1 °/oo den Führern aus der Sectionscasse bezahlt ) 8, Uri 1, Unterwaiden 1. Glarus, Graubünden und Appenzell fehlen gänzlich. Und doch ist es im höchsten Grade wünschenswerth, daß auch hier von den Gebirgssectionen Alles gethan wird, um die Führer für das segensreiche Werk zu interessiren.
Von den 110 Führern haben dieses Jahr nur 4 ihre Policen nicht eingelöst gegenüber 13 im Vorjahre. Für diese haben wir also Fr. 30 Prämien umsonst bezahlt.
9 ) Von Führercursen haben wir dieses Jahr nur einen zu notiren, den die Section Säntis vom 22. Februar bis zum 1. März in Urnäsch abhalten ließ. Es wurden im Ganzen 53 Unterrichtsstunden ertheilt und nach Ablauf des Curses eine Prüfung veranstaltet, welche von sämmtlichen zehn Theilnehmern bestanden wurde. An die Kosten, welche sich auf circa Fr. 500 beliefen, leistete die Centralcasse einen Beitrag von Fr. 150. Es ist uns besonders erfreulich constatiren zu können, daß auch im Gebiete des Alpsteins, dessen Führerverhältnisse bisher etwas ungeregelt waren, eine festere Ordnung Platz greifen soll, und daß der Clubist in Zukunft auch dort sicher ist, erfahrene und ausgebildete Führer zu finden.
10 ) Auch im Berichtsjahr hat die Erstellung, resp. Ausbesserung, der Clubhütten die Centralcasse in verschiedener Hinsicht in Anspruch genommen. Obenan steht die an neuem Standort von Grund aus neu aufgebaute Dossenhütte. An die Kosten des Wiederaufbaues bezahlte die Centralcasse Fr. 300, für die Inspection der Hütte Fr. 70, für die von den Sachverständigen für nothwendig erachtete Verankerung circa Fr. 70.
Außerdem wurden die vier Arbeiter für die Zeit des Aufbaues von der Centralcasse versichert, so daß sich die ganze Ausgabe der letztern auf circa Fr. 500 beläuft. Die Inspection der Hütte besorgten Herr Pfarrer Baumgartner von Brienz und der von der Section St. Gallen bezeichnete Herr Bezirksingenieur Aebi.
Nach Beschluß des früheren Centralcomite haben wir ferner an den Neubau der Glärnischhütte Fr. 1500 zu bezahlen; ferner hat das Centralcomite den Sectionen Säntis und Toggenburg an die Reparatur der Säntishütte einen Beitrag von Fr. 250 bewilligt, und Fr. 185 für Erstellung eines neuen Daches der Lischannahütte. Dagegen wurde ein Gesuch um einen Beitrag für Reparaturen an der Alvierhütte abgewiesen, da für diese secundäre Hütte erst letztes Jahr Fr. 200 bezahlt worden sind.
11 ) Das letzte Centralcomite hat in seinem Circular vom Juli 1884 ( Rapport spécial III ) den Vorschlag gemacht, eine besondere Hüttencommission einzusetzen, welche die Oberaufsicht über die Hütten zu führen, die Pläne neuer Bauten zu prüfen, mindestens alle vier Jahre durch ein Mitglied jede Hütte zu inspiciren und dem Centralcomite darüber Bericht zu erstatten hätte.
Gewiß ist eine genaue Aufsicht über die sämmtlichen vom S.A.C. erstellten Hütten eine unbedingte Nothwendigkeit, wenn diese wohlthätigen Einrichtungen der Erwartung, die man davon hegt, entsprechen sollen. Aber es läßt sich doch fragen, ob es gerathen sei, die Beamtungen des S.A.C. um eine weitere zu vermehren. Es ist, vom allgemeinen Standpunkt aus betrachtet, nicht gut, die Befugnisse des Centralcomite gerade in demjenigen Punkte zu verringern, in dem ein gedeihlicher, unmittelbarer Contact mit den eigentlichen clubistischen Kreisen möglich ist. Die Vielheit der Beamtungen gibt außerdem noch keine Gewähr für bessere Instandhaltung der Angelegenheiten; im Gegentheil könnte man die Befürchtung aussprechen, daß dadurch nur Weitläufigkeiten entstehen möohten, welche der Sache, die man zu bessern strebt, nicht förderlich sind.
Ein Mitglied des letzten Centralcomite, Herr de Constant, hat sich während der letzten drei Jahre um die Inspection der Clubhütten im höchsten Grade verdient gemacht. Es läßt sich denken, daß gerade er auf den Gedanken kommen mußte, eine solche periodische Ueberwachung sämmtlicher Hütten müsse nachgerade für das Centralcomite eine immer schwerer drückende Last bilden. Wenn wir nun auch offen zugeben, daß nicht jedes Centralcomite einen Mann in seiner Mitte haben wird, der seine Kraft und Zeit in solchem Umfange der Sache des S.A.C. zur Verfügung zu stellen im Stande ist: so läßt sich doch die Möglichkeit nicht läugnen, auch ohne besondere Hüttencommiäsion zum gleichen Ziele zu gelangen.
Um diese Möglichkeit zu verwirklichen, muß es die erste Sorge derjenigen Section sein, welche das Centralcomite zu stellen hat, daß mindestens ein Mitglied des letzteren ein passionirter Berggänger sei, der auf seinen Touren viele Clubhütten zu Gesichte bekommt. Derselbe könnte ja seine Excursionen leicht so einrichten, daß er jedes Jahr eine andere Serie von Hütten besichtigen würde. Außerdem bedarf es wohl nur einer Bitte an die wirklichen Berggänger unter den Clubisten, um dem Centralcomite ein großes und schätzenswerthes Material von Beobachtungen über den Stand der Hütten zu verschaffen. Und endlich hat ja das Centralcomite jederzeit das Recht, in dringenden Fällen einen Abgeordneten mit der Inspection einer Hütte zu beauftragen.
Das Centralcomite glaubt also, daß eine Nothwendigkeit, ein neues Comite zu creiren, nicht vorliegt, sondern daß die vorhandenen Mittel genügen, um eine vollständige und gründliche Ueberwachung der Clubhütten durchzuführen.
12 ) Jahrbuchfrage. Jahrbuch, Band XX. Die Herstellungskosten beliefen sich auf. Fr. 11,998. 85 davon ab die Uebernahms - Summe von Schmid, Francke & Co... „ 11,500. bleiben zu unsern Lasten... Fr. 498. 85 Wir hatten diesem Bande zur bessern artistischen Ausstattung den Gewinn auf dem letzten Bande von Fr. 348, sowie einen weitern Extracredit von Fr 400 zugesprochen, und sind daher von diesem letztern nur Fr. 150. 85 in Anspruch genommen worden.
Bestellungen von fremden Alpenvereinen sind eingegangen: vom D. u. Oe. A. V. 50 Ex. und vom C.A.I. 4 Ex.
Das abtretende C.C. hat uns in seinem Abschieds-circular, Dezember 1884, im Jahrbuche p. 600, eine Aufgabe zugewiesen, welche uns des Lebhaftesten beschäftigt hat: die Wünschbarkeit einer Umgestaltung unserer Publikationen. Wir haben diese Frage, zu der die erste Anregung vom Kedaktor des Jahrbuches ausging, mit demselben des Einläßlichsten geprüft^ sind aber, fast wider unsern Willen, zu einem negativen Resultate gelangt.
Die eigenthümliche Zusammensetzung des S.A.C.^. die aus circa 2/s deutsch sprechenden und circa 1/s französisch sprechenden Mitgliedern besteht, verunmöglicht jede Aenderung, welche hinzielt einerseits-auf eine engere Verknüpfung der deutschen und französischen Sectionen durch das Mittel eines sprachlich gemischten Jahrbuches oder eines öfter erscheinenden^ gemeinsamen Bulletin, anderseits auf eine billigere Erstellung unserer Publicationen in Folge stärkerer Auflagen.
Das Jahrbuch ist nur für die deutschen Sektionen und zwar zum Preise von Fr. 7 obligatorisch und es geht nicht wohl an, dieselben ökonomisch stärker zu belasten, was unvermeidlich wäre, wenn dem Wunsche nach einem kleinen, häufig erscheinenden Organ neben dem Jahrbuche entsprochen werden sollte.
Die welschen Sectionen sind zur Haltung des „ Echo des Alpes " zum Preise von Fr. 2. 50 per Jahr verpflichtet. Sie hängen mit so großer Liebe daran und es scheint nach allen Informationen dasselbe der Lesebegierde der Mehrzahl ihrer Mitglieder so vollkommen Genüge zu leisten, daß sie sich nicht leicht dazu verstehen würden, das „ Echo " in einem sprachlich gemischten Jahrbuch aufgehen zu lassen und die Aenderung mit einer höhern Contribution zu bezahlen..
Nur durch eine wesentliche Vergrößerung der Auflage könnten die Erstellungskosten des Jahrbuches vermindert und diese Vergrößerung nur dadurch er- reicht werden, daß alle Schweiz. Clubisten ohne Ausnahme zum Bezüge des Jahrbuches verpflichtet würden. Da nun aus den oben angeführten, sowie verschiedenen andern Gründen sich dies als unerreichbar herausstellt, so müssen wir leider von derjenigen Lösung abstrahiren, die uns — absolut genommen — als die beste und wünschenswerteste erschienen: ein gemeinsames Jahrbuch und daneben öfter erscheinende kleinere Mittheilungen, beide sprachlich gemischt und für alle Clubgenossen obligatorisch.
Wir erörterten im Weitern die allerdings neben-sächlichere Frage, ob nicht das Format des Jahrbuches zu verändern resp. zu vergrößern sei. Wenn wir auch hier vorschlagen, beim bisherigen zu verbleiben, so geschieht es, weil uns von vielen Seiten der Wunsch geäußert wurde, daran Nichts zu ändern, und weil sich die finanzielle Ersparniß, auf die wir hofften, als « ine ganz minime herausstellte.
Dagegen werden wir uns bestreben, der artistischen Ausstattung des Jahrbuches in Zukunft noch mehr Sorgfalt zu widmen und soviel darauf zu verwenden, als unsere Mittel uns immer erlauben.
Das Gesuch einer Sektion, sie vom obligatorischen Bezüge des Jahrbuchs zu dispensimi, mußten wir abweisen, schon weil außer unserer Competenz liegend. Wir hätten dies auch ohnehin gethan, da eine würdige Fortführung des Jahrbuches nur möglich ist, wenn zum Mindesten sämmtliche deutsche Mitglieder daran contribuirei! und die Auflage allerwenigstens auf der gegenwärtigen Höhe gehalten werden kann. Wir betrachten dies geradezu als eine Lebensfrage für das Jahrbuch und werden daher fortfahren, dem Wortlaute der Statuten strikte Nachachtung zu verschaffen.
13 ) Wenden wir uns nunmehr zu den litterarischen Unternehmungen des S.A.C. und zwar zunächst zu der Publikation der gekrönten Preisschrift „ Ueber die Gefahren im Hochgebirge ". Der Verfasser der- selben, Herr Pfarrer Baumgartner in Brienz, zeigte dem Centralcomite im Mai an, daß die Preisschrift in der vom früheren Centralcomite unterm 12. Dezember 1884 gewünschten Fassung vollendet sei. Auf unsere Weisung hin sandte Hr. Baumgartner die Arbeit zunächst an Hrn. Lindt in Bern, der dieselbe prüfte und mit seinen Anmerkungen versehen dem Centralcomite zusandte, bei dessen Mitgliedern sie darauf circulirte. Die Delegirtenversammlung ertheilte dem Centralcomite die Vollmacht, für eine passende Publication zu sorgen.
[Die Preisschrift ist Ende Dezember 1885 bei Fr. Schultheß in Zürich gedruckt und den deutsch sprechenden Mitgliedern des S.A.C. gratis zugestellt worden. Die Uebersetzung in 's Französische herzustellen, hat die Sektion Diablerets freundlichst über-nommen.] 14Das Itinerar des Clubgebietes für 1885/86 konnte dies Jahr noch nicht ausgegeben werden. Der Verfasser desselben, Herr von Fellenberg in Bern, theilte unterm 27. Mai dem Centralcomite mit, daß bei dem Reichthum des Stoffes und der Wichtigkeit der zu behandelnden Gebirgsgruppe die Schrift einen weit größeren Umfang erhalten werde, als von vornherein angenommen gewesen sei, und daß er über das Finsteraarhorngebiet eine Arbeit unternehme, die mit dem letzten Itinerar zusammen eine Monographie einer einzelnen Gebirgsgruppe bilden werde, wie sie über eine einzelne Abtheilung des schweizerischen Hochgebirges noch nicht existire. Es wurde daher beschlossen, Herrn von Fellenberg die gewünschte Verlängerung seiner Arbeitszeit zu gewähren, so daß das Itinerar, das nicht dem Augenblicke dienen, sondern eine Arbeit von bleibendem Werthe werden soll, im Jahre 1886 an die Mitglieder vertheilt werden wird.
15Einer seit einigen Jahren aufgekommenen Uebung gemäß wurde auch die Excursionskarte nicht dem diesjährigen Jahrbuch beigegeben, sondern es-wurden vorerst nur eine Anzahl von Abzügen hergestellt, die an diejenigen Mitglieder, welche sich darum bewarben, vertheilt werden sollte. Dankend nahm das Centralcomite das Anerbieten des Herrn Prof. Heim an, für die Clubausgabe, der Karte einen Tondruck herzustellen.
Ich bin am Schlüsse meiner Berichterstattung angelangt. Gestatten Sie mir noch einige kurze Betrachtungen, wie sich mir dieselben aufgedrängt haben,. seit ich, Ihrem Kufe folgend, in einen intimeren Contact mit dem S.A.C. und seinem innern Leben getreten bin und wie ich sie auch am Clubfest in Villars-sur-Ollon bestätigt gefunden zu haben glaube.
Es machen sich im Schooße des Schweiz. Alpenclubs zwei Strömungen geltend, die, gegen einander fließend, darum zu ringen scheinen, welcher von beiden die Präponderanz zukomme. Die eine dieser Richtungen wird durch diejenigen repräsentirt, die in unsern Vereinsangelegenheiten sich mehr oder ausschließlich auf den Standpunkt des praktischen Bedürfnisses der in die Erscheinung tretenden Leistung, mit einem Worte, der nüchternen Realität stellen; die andere Strömung ist vertreten von denen, die unserm Verbände auch höhere wissenschaftliche Aufgaben zur Lösung zuweisen wollen,, die im S.A.C. nicht bloß einen Verein kühner und ausdauernder Bergsteiger sehen, sondern eine Verbindung, bestimmt, an den idealen Aufgaben unserer Zeit und unseres Landes mitzuarbeiten.
Aber nicht in einer Verschärfung dieses Antagonismus, nicht in rücksichtsloser gegenseitiger Bekämpfung der verschiedenen Standpunkte liegt das Heil, vielmehr in ihrer Versöhnung, in der gegenseitigen Durchdringung und Einigung derselben.
Wohlan denn! Hegen und pflegen wir practische Zwecke und Bestrebungen unserer Gesellschaft mit allem Fleiß!
Machen wir das Hochgebirge unserer Schweiz den Clubisten und immer weitern Kreisen nach Möglichkeit zugänglich dadurch, daß wir ein gutgeschultes Fuhrercorps creiren und erhalten, daß wir auch in den rauhesten Partien der Alpen deren Besucher ein schützendes Obdach und einen wohnlichen Raum finden lassen; daß wir die Kenntniß unserer Berge verbreiten durch treffliche Karten, wie uns das — wir wollen es nicht vergessen — bislang ohne empfindliche Belastung unserer Finanzen ermöglicht wurde durch die zuvorkommende und freundliche Mitwirkung des eidgenössischen topographischen Bureau's; durch von Meisterhand verfaßte und eifrig zu Rathe gezogene Itinerarien; ja, suchen wir, wenn es möglich ist, noch neue Wege und Mittel zur Erreichung der practischen Ziele unseres Vereins!
Aber möge dabei dem S.A.C. auch niemals jener Idealismus verloren gehen, der — ich bin auf 's In-timste davon überzeugt — sein eigentlicher Lebensnerv ist, jener Idealismus, der da weiß: es gibt noch höhere geistige Interessen, an deren Befriedigung mitzuarbeiten auch wir berufen sind; es gibt ein Wirken und Thun, dessen Resultate nicht alsobald in die Augen springen, die aber trotz alledem unseres Schweißes und unserer Opfer werth sind.
Realismus und Idealismus in legitimer Verbindung, in trautem Verein — das, verehrte Herren und Clubgenossen, ist das gesunde, normale Leben und Gedeihen unseres theuren S.A.C. Mögen aus dieser Ehe Kinder geboren werden, wie der Thau aus der Morgenröthe! Gott wait 's!
/. E. Grob.