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Von den Freibergen im Glarnerland

Remarque : Cet article est disponible dans une langue uniquement. Auparavant, les bulletins annuels n'étaient pas traduits.

Mit 1 Bild.Von Mathias Jenni.

Seit Jahrhunderten fand der Wildschutz im Kanton Glarus bei Behörden und Volk grosses Interesse, wurden doch schon im Jahre 1448 die ersten gesetzlichen Bestimmungen für einen gewissen Schutz des Wildes erlassen.

Im Jahre 1548 verbot der Rat im heute noch bestehenden Bannbezirk Kärpfstock jegliche Jagd; die Landsgemeinde 1569 hat diesen Ratsbeschluss zum Gesetz erhoben, und seither ist das Kärpfgebiet immer Banngebiet ge- blieben bis auf den heutigen Tag. Dieses Gebiet hat denn auch den Namen « Freiberg » erhalten, weil das Wild dort frei, d.h. vor Verfolgung geschützt ist. Ebenfalls sehr früh wurde in den übrigen Teilen des Landes die Jagd auf Gemsen, Rotwild und Steinwild zeitlich stark eingeschränkt.

Mit diesen Jagdschutzbestimmungen stand wohl der Kanton Glarus seinerzeit einzig da, und es ist daher verständlich, wenn die Freiberge auch heute noch im Volke stark beliebt sind. Wenn auch diese Bestimmungen wohl weniger aus naturschützlerischen Erwägungen erlassen wurden, sondern eher aus dem Grund, stets ein gewisses « Fleischreservoir » zur Verfügung zu haben, lagen sie aber ganz im Sinn und Geist der heutigen Natur- und Jagdschutz-bestrebungen.

Verschiedentlich wurde versucht, den Freiberg für die Jagd zu öffnen, namentlich in Notzeiten und als die Jagdgebiete fast ausgeschossen waren, doch wies die Landsgemeinde stets alle dahingehenden Anträge ab.

Wenn auch der Freiberg im Laufe der Jahrhunderte oftmals nur auf dem Papier bestanden hat, so war er doch für das Wild eine Zufluchtsstätte, indem die Jäger sich angesichts der hohen Bussen doch gewissen Hemmungen zu unterziehen hatten. Ferner übte der Rat, allerdings im Namen des Volkes, dort gewisse Jagdrechte aus. Sogenannte Freibergschützen hatten die Gemsen zu schiessen, die der Rat bei Festlichkeiten seinen Gästen als Leckerbissen vorsetzte oder die er an hochgestellte Persönlichkeiten, wie den Bürgermeister von Zürich oder den Abt von St. Gallen, verschenkte. Ferner hatte jeder Landmann ( Kantonsbürger ), der zwischen Jakobi und Martini Hochzeit hielt, das Recht auf zwei Gemsen aus dem Freiberg. Dieser Brauch hielt sich bis zum Ende des 18. Jahrhunderts.

Die Grenzen des Bannbezirks, der zwischen Linth und Sernft und der Grenze gen Graubünden liegt, blieben Jahrhunderte lang unverändert; im Herzen dieses Bannbezirks liegt der 2797 m hohe Kärpfstock. Erst im Jahre 1926 wurden zwei Gebiete darin, dasjenige des Kilchenstocks bei Linthal und der Erbsalp bei Elm, für die Jagd geöffnet, als Kompensation für neugeschaffene Bannbezirke im Schilt- und Glärnischgebiet.

Im Jahre 1912 wurde als Folge eines unvernünftigen Jagdbetriebes ein weiterer Bannbezirk, das Wildasyl Rauti-Tros in der Wiggiskette geschaffen. Mit diesem kleinen, gut übersichtlichen Gebiet, das in den Alpen Rauti und Tros liegt, machte man ausgezeichnete Erfahrungen. Das Wild vermehrte sich dort ausserordentlich rasch, und der Überschuss wandert in die umliegenden offenen Gebiete aus und kommt so den Jägern zugute.

Im Jahre 1926, mit der Inkraftsetzung des neuen eidgenössischen Jagdgesetzes, wurden nach dem Erfolg von Rauti-Tros zwei neue Wildasyle geschaffen, eines im Schiltgebiet, Gemeinde Ennenda, und eines im Glärnischgebiet im Klöntal, dessen Zentrum der Milchblankenstock bildet. In ganz kurzer Zeit hat sich der Wildbestand in diesen beiden fast ganz ausgeschossenen Gebieten überraschend gut entwickelt, namentlich das Gemswild und die Murmeltiere.

Unsere Bannbezirke werden von 6 Wildhütern beaufsichtigt, die alle erfahrene Wildkenner und gute Berggänger sind. Diese scharfe Aufsicht hat sich gut bewährt, indem nicht nur der Wildfrevel, wenn auch nicht ganz verschwunden, so doch erheblich zurückgegangen ist, sondern durch sie konnte allgemein der Wildbestand im ganzen Kanton gehoben werden.

Im ca. 114 km2 grossen Bannbezirk Kärpfstock stehen nebst viel Kleinwild 1000-1200 Gemsen; im Rauti-Tros, ca. 9 km2, wurden an einem Tage über 400 Gemsen gezählt; in den ungefähr gleich grossen jüngsten Bannbezirken Schilt und Glärnisch ist die Zahl der Gemsen auf 140 und 180 Stück angewachsen. Im Glärnischgebiet zieht in jüngster Zeit auch der Rothirsch seine Fährte, und zwar nicht nur in den Wäldern im Klöntal, sondern weit hinauf in die stotzige Nordwand.

Der Besuch eines Bannbezirkes ist für den Wanderer und Naturfreund sehr reizvoll, ja er kann geradezu ein Erlebnis werden. Bei einigermassen günstigen Verhältnissen ist ihm Gelegenheit geboten, Gemsrudel oder vereinzelte Tiere aus nächster Nähe zu sehen. Er vernimmt den Pfiff der drolligen Murmeltiere, die sich in Grashalden und Steingändern aufhalten, dort spielen oder das Männchen machen. In den Bannbezirken zieht auch der Adler, nach Beute umherspähend, seine Kreise, oder er blockt auf Bäume oder Steine auf, von denen er gute Sicht hat. Ich hatte mehrmals Gelegenheit, auf meinen Touren den mächtigen Vogel in nächster Nähe zu sehen, so einmal im Rauti-Tros, wo ein solcher auf einer Tanne, unter der ich stand, auf blockte. Aber auch die Beobachtung des Kleinwildes ist sehr kurzweilig. Schneehase und Schneehuhn, die auf dem Neuschnee fast nicht zu erkennen sind, drücken sich, bis man in nächster Nähe ist, um erst dann flüchtig zu werden oder abzustreichen. Interessant ist ferner, den Fuchs zu beobachten, wenn er Kleinwild anschleicht oder dem Mäusefang obliegt. Ich beobachtete einmal einen Fuchs, der so eifrig Mäuse fing, dass er uns erst wahrnahm, als wir nur wenige Meter von ihm entfernt waren.

Freilich braucht es für alle diese Beobachtungen etwelche Übung und vor allem ein gut geschultes Auge. Es sind mir Fälle bekannt, wo Touristen auf der Rautialp ganz nahe bei Gemsen vorbeigingen und dann nachher kühn behaupteten, es gebe in diesem Wildasyl kein Wild. Man muss wissen, wo sich die einzelnen Tiergattungen mit Vorliebe aufhalten; man darf beim Gehen keinen Lärm machen, und vor allem hat man sich nach dem Wind zu richten. Alles Wild, mit Ausnahme der Vögel, hat ausgezeichnete Geruchsorgane, mit denen es seine Feinde aus grosser Entfernung wahrnimmt, lange bevor sie in Sicht sind. Wir befanden uns einmal in nächster Nähe einiger Gemsen, die uns unverwandt anblickten, ohne zu fliehen. Erst als sie von uns Luft bekamen, wurden sie flüchtig.

Massenwanderungen eignen sich für die Beobachtung des Wildes nicht. Am besten geht man allein oder nur in ganz kleinen Gruppen. Steht einem noch ein kundiger Begleiter zur Verfügung, so kann man eines guten Anblicks sicher sein. Die geeignetste Zeit für den Besuch eines Bannbezirkes ist entweder der Spätfrühling, kurz nach der Setzzeit, oder dann der Herbst, nach der Hochwildjagd. Das Wild steht dann « draussen » und ist sehr rege, während es im Hochsommer mit dem Erscheinen der ersten Sonnenstrahlen sich in seine Schlupfwinkel zurückzieht und tagsüber ruht.

Ganz besonders interessant ist das Leben und Treiben im Bannbezirk während der Brunstzeit, wenn die starken Böcke ihre Einsiedlerposten verlassen und um den Besitz der Rudel kämpfen. Da herrscht Betrieb im Gebirge; keuchend jagen die Böcke umher, schütteln das inzwischen glänzend schwarz gewordene zottige Fell und rücken dem Nebenbuhler auf den Leib, während die Geissen in mehr oder weniger starken Rudeln « lebhaft » herumstehen. Schaurigschön ertönt in kühlen September- oder Oktobernächten der Brunftschrei des Hirsches. Auch hier finden zuweilen Kämpfe auf Leben und Tod statt, wie im Jahre 1936 im Klöntal, wo ein Zehnender einen Zwölfender-hirsch forkelte.

Die meisten Gebiete unserer Bannbezirke sind auch für weniger geübte und ältere Touristen sehr gut erreichbar; aber auch dem anspruchsvolleren Bergsteiger bieten die Bannbezirke schöne Touren. Ich erwähne nur das Berglihorn im Kärpfgebiet oder eine Besteigung des grossen Kärpfs von Norden, eine zwar kurze, aber immerhin recht saftige Kletterei. Im Schiltgebiet sind das Gitzifad oder das Lauben recht schöne Routen; auch im Glärnischgebiet, wo der schönste Teil des Wildasyls in der Nordwand liegt, finden sich « rassige » Aufstiege. Eine Begehung des « Fryfades » in der Glär-nisch-Nordwand darf jeder Hochtour zur Seite gestellt werden. Wer im Bannbezirk Rauti-Tros etwas Besonderes unternehmen will, klettere vom Trosälpli über die Nordwand auf den Rautispitz.

Wie interessant und kurzweilig ist eine Bergtour in wildreichem Gebiet; auch der gewiegteste Kletterer und Gletschermann hat gewiss grosse Freude an einem flüchtenden Grattier oder einem drolligen Munggen. So wollen wir auch seitens des S.A.C. dafür sorgen, dass unserem Alpenwild überall eine Heimstätte in unsern Bergen erhalten bleibt.

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