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Vom Gestein im Tessin

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Der Einfluss, den der Felsengrund des Erdbodens auf dessen Bewohner ausübt, die Rolle, die er spielt im Leben der Menschen, ist in hohem Grade abhängig von dem natürlichen Charakter des Landes.

Auf den ebenen Flächen der Tiefländer schreitet der Bewohner zumeist achtlos über das Felsgerüste der Erde dahin. Ganz anders im Gebirge, wo die emporgetürmten Felsmassen zwischen die Wohnstätten der Menschen und die Gestirne sich stellen, wo die am Firmament abgezeichneten Gestalten der erdentstiegenen Bergesgipfel den Sinnen sich einprägen, die Phantasie erregen und den Drang nach Erkennen im Reiche der Naturgebilde wecken.

Wohl kaum ein Land ist in höherem Grade, als das Tessin, von der Natur begabt, das Interesse für die Geschichte der Erde zu wecken und ihre Kenntnis zu fördern. In der Gestaltung jedes Landes finden wir Beziehungen zu den erdgeschichtlichen Problemen. Aber ein Land von solchem Reichtum in der Mannigfaltigkeit der Gebirgsformationen, wie das Tessin, führt uns doch ganz besonders eindrücklich die Ereignisse der vergangenen Erdperioden vor Augen. Gar manche der grossen Fragen, die im Laufe der Entwicklung der geologischen Wissenschaft die Gemüter bewegten, hat im Tessin ihren Widerhall gefunden. Von nah und fern, von dies- und jenseits des Alpengebirges sind je und je Geologen und Mineralogen ins Tessin gewandert, um in seinen herrlichen Bergen Einblick in den Aufbau und die Entstehung der Erdkruste zu finden.

Der geologischen Wissenschaft liegt die Aufgabe ob, zu ergründen, in welchem Sinne die Stoffe der Erde ihre Anordnung erfahren haben im Raum und in der Zeit. Aus dieser Aufgabe erwächst dem Geologen ein dreifacher Antrieb zur Forschung:

Die Mineralien, die dem Schoss der Erde entstammen, ihre Form und ihr stofflicher Bestand wecken seine Neugier, sowie auch die Art, in der sich die Mineralien assoziieren zu Gesteinskörpern, den eigentlichen Bausteinen der festen Erdrinde. Dies ist die Domäne der Mineralogie und Pétrographie.

Des weitern wird das Interesse des geologischen Forschers gefesselt durch die Gestalt und die Anordnung im Raum, welche die verschiedenartigen Gesteinsmassen zeigen, und durch ihre Beziehung zueinander, worin er Hinweise findet auf die Entstehung, die Bewegung und die Umbildung der Gesteine. Dies führt ins Reich der Lehre vom Gebirgsbau, der Tektonik.

Und endlich findet der Forschende das Bedürfnis, die Entstehung und die Bewegung der Gesteine einzuordnen in den alles umspannenden Begriff der Zeit und die Dauer der Veränderungen im Erdgerüste zu messen an der periodischen Bewegung der Gestirne. Zwar sind wir heute noch nicht in der Lage, Zeilmasse von astronomischer Genauigkeit auf die geologischen Vorgänge anzuwenden. Doch leiht uns die Paläontologie in der Entwicklungsgeschichte der Lebewesen einen Massstab, die Zeiten der Entstehung und Bewegung der Gesteinsmassen der Erde nach relativen Altersstufen zu gliedern.

31 Die Vertiefung in die genannten drei Aufgaben der Geologie führt schliesslich zum hohen Endziel der geologischen Forschung, zur Möglichkeit, hinein-zuleuchten in die dunkle Entwicklungsgeschichte unseres Planeten. Die Verfolgung dieses Pfades führt uns unendlich weit zurück zur Gestaltung der Himmelskörper und zu den Uranfängen der Schöpfung.

Vereinzelte Blicke in dieses gewaltige erdgeschichtliche Geschehen versuchen die folgenden Blätter zu vermitteln.

Gesteinsformationen.

Während in den ebenen Talböden und an sanftem Gehänge der Gesteinsuntergrund meist mit Schutt und Humus bedeckt ist, der fast überall im Tessin Kulturland trägt, treten dagegen in steilen Schluchten, an den Berghängen und auf den Gipfeln die Gesteine nackt zutage, so dass ihre Zusammensetzung und Struktur studiert werden kann. Die im Tessin auftretenden Gesteine sind in zwei Gruppen zu trennen, die ihrem Wesen und ihrer Entstehung nach grundverschieden sind. Nach ihrer ursprünglichen äussern Erscheinungsform können sie als Massengesteine und als Schichtgesteine bezeichnet werden.

Die Massengesteine sind in der Regel aus kristallisierten Mineralien regelmässig zusammengesetzt, derart, dass jedes einzelne Gesteinsstück des ganzen Gesteinskörpers die gleiche chemische Zusammensetzung und die gleiche Anordnung der Gemengteile aufweist. Es sind kristalline Gesteine, denen echte Schichtung fehlt. Ihre Beschaffenheit weist auf Entstehung durch einen Kristallisationsprozess hin. Die Bildung von Kristallen kann im allgemeinen durch Ausscheidung aus Lösungen erfolgen, oder aber durch Erstarren geschmolzener Massen. Die Bildung der Massengesteine ist eine Art Kombination der Erstarrung einer Schmelze mit der Ausscheidung aus wasserhaltiger Lösung. Die hier in Rede stehenden Schmelzen sind feuerflüssige, gasdurch-tränkte Silikatschmelzen, welche Bestandteile der tiefern Erdrinde bilden und als « Magma » bezeichnet werden. Die Massengesteine oder Eruptivgesteine sind nichts anderes als durch Abkühlung erstarrtes Magma. Korngrösse und Struktur der Kristallisationsprodukte sind verschieden je nach der Art des Temperaturgefälles und der Bewegungsverhältnisse in der erstarrenden Gesteinsschmelze. Reichtum an flüchtigen Substanzen in der Schmelze begünstigt die Ausbildung von grobem Korn des Gesteins. Die im Tessin auftretenden Massengesteine zeigen deutlich die hierdurch bedingte Verschiedenheit in der Korngrösse. Gesteine von mittlerem Korn sind die Granite. Grosses Korn zeigen die im mittlern Tessin so zahlreichen sogenannten Pegmatite. Die Granite sind unter der Erdoberfläche erstarrtes siliziumreiches Magma. Sie gehören meist sehr umfangreichen Gesteinskörpern an. Die Pegmatite haben ähnliche Zusammensetzung, bilden jedoch meist plattenförmige Körper, sogenannte Gänge ( Filoni ), die das Nebengestein durchschneiden.

Granite und Granitgneise.

Ungeheure Massen granitischer Gesteine treten in den Tessi neralpen zutage. Doch sind normale Granite, die mit den ausseralpinen Vorkommen verglichen werden könnten, recht selten. Meist sind die Tessiner Granite geschiefert oder gestreckt und werden dann als Gneise bezeichnet. Nur im Granitstock des Pizzo Rotondo im Gotthardmassiv, sowie im « Verzasca-granit » finden sich normale, echte Granittypen.

Als einen der schönsten Granite nicht nur im Gotthardmassiv, sondern in den ganzen Schweizeralpen darf man füglich den Rolondogranü bezeichnen. Leider ist dieses Gestein schwer zugänglich, da es nur die Gipfelregion der Rotondogruppe bildet und in seinen tiefst gelegenen Aufschlüssen kaum unter die Höhe von 2000 Meter ü. M. hinabreicht. Dagegen bringen die Wildbäche gewaltige Blockmassen von Rotondogranit bis zum Tessin herab. Bei Selva, etwas oberhalb Ronco im Bedrettotal, hat sich ein mächtiger Schultkegel ganz aus Rotondogranitblöcken aufgebaut. Hier hat auch zeitweise eine lebhafte Ausbeutung und Bearbeitung des schönen Materials stattgefunden. Das Gestein wirkt angenehm aufs Auge als ein zartfarbiges Gemenge von leicht braunvioletten, schneewcissen, grünlichweissen und schwarzgrünen Körnern. Den violetten Ton zeigen die glasglänzenden Quarzkörner. Weiss sind die Feldspate mit ihren im Licht aufblitzenden Spaltebenen. Reinweiss erscheint der Kalifeldspat ( Orthoklas ), oft etwas grünlichwciss der Kalknatron-feldspat ( Plagioklas ). Die dunkelgrünen Körner bestehen aus glänzend grünschwarzen Blättchen von Magnesium-Eisenglimmer ( Biotit ) und einem blassgrünen Glimmermineral. Da und dort verstreut im Gestein sieht man winzige, rotbraune Körnchen von Granat.

Die Hauptmasse des Rotondogranites bildet die gletscherbedeckte, schroffe Felsenkette: Pone, di Monigolo, Kühbodenhorn, Pizzo Rotondo, Pizzo di Pesciora. Das Bild 1 ( Tiefdruck ) zeigt diese hochragende Granitkette. Die kompakte Granitmasse hat von allen Gotthardgesteinen der Zerstörung durch Erosion am erfolgreichsten getrotzt und trägt daher im Pizzo Rotondo ( 3197 m ) den topographischen Kulminationspunkt des Gotthardmassives ( im geologischen Sinn ).

Die eigentlichen « Gollhardgranile » von der Gotthardpasshöhe und von der Fibbia sind dem Rotondogranit überaus nahe verwandt. Jedoch zeigen ihre Gemengteile eine ausgeprägtere Anordnung in Lagen als Folge der Gebirgsbewegung. Häufig sind einzelne Feldspate in grossen Kristallen ausgebildet, die augenartig hervortreten und dem Gestein den Charakter von « Augengneisen » geben. Horace Benedict de Saussure, einer der ersten Sterne aus dem heroischen Zeitalter der Alpenforschung, hat schon Anno 1775 bei einer Besteigung der Fibbia den Übergang von massigem Granit in schichtigen Granit ( Gneis ) beobachtet und deren gemeinsamen Ursprung erkannt.

Die einzige Stelle in den Tessineralpen zwischen dem Monte Ceneri und dem St. Gotthard, an der auf der geologischen Dufourkarte Granit angegeben ist, liegt im Verzascatal an der Strasse Vogorno-Lavertezzo gegenüber von Gorippo. Hier wird ein schönes granitisches Gestein in Brüchen ausgebeutet. Jedoch sind solche Granite durchaus nicht auf diesen Punkt beschränkt. Sie finden sich im Verzascatale recht verbreitet. Vom technischen Standpunkt besonders bemerkenswert ist ein Vorkommen bei der Häusergruppe « Motta » zwischen Lavertezzo und Brione. Östlich über den Häusern liegt ein ge- waltiger Block aus prachtvollem « Verzascagranü » von mehreren 1000 m3 Inhalt, der von der steilen Felswand zwischen Foebbia und Pone. d' Alnasca, wo dieses Material in unerschöpflichen Quantitäten ansteht, vor langer Zeit abgestürzt ist. Dieser Block bei Motta hat das Material geliefert für die schönen homogenen Steinhauerarbeiten, die das Geländer der mittleren Rheinbrücke in Basel zieren. Im Vergleich mit dem Rotondogranit fehlen dem Ver-zascagranit die grünlichen Farbtöne. Die Glimmer des Verzascagranites sind entweder rein schwarz ( Biotit ) oder silberweiss ( Muskovit ). Das Gestein erhält dadurch ein weissgraues, silberfunkelndes Aussehen und unterscheidet sich schon dadurch vom Rotondogranit. Ein wesentlicher Unterschied liegt in dem hohen Natriumgehalt des Verzascagranites. Gewisse Arten des Verzascagranites wetteifern an wo Ingrani tischer Ausbildung mit dem Rotondogranit. Indessen finden sich zwischen Verzascagranit und geschiefertem resp. gebanktem oder gestrecktem Verzascagneis alle möglichen Übergänge, die alle einer gewaltigen, stofflich und mineralisch gleichförmigen und auch ihrer Entstehung nach einheitlichen Verzascagranit- resp. Verzasca-gneismasse angehören. Diese Masse bildet eine mächtige Tafel, die in flacher Lagerung durch den Hauptteil des Verzascagebietes sich dehnt, eine riesenhafte Decke darstellend. Gegen Süden biegt dieselbe unter dem Pizzo Vogorno zur Tiefe ab. Ostwärts, im Grenzkamm zwischen Verzascatal und Tessintal, trägt sie in flacher Quermulde die Gneise der Cima Lunga und erscheint wieder im Tessintal ( Bild 3 ). Hier im untern Teil der Riviera, in der Gegend von Osogna-Claro, ist der Verzascagranit vereinigt mit dem tiefer liegenden tfHaupttessincrgneis » oder « Leventinergneis » zu einer Granitmasse von mehreren Kilometer Mächtigkeit. Diese bildet vermutlich den tiefsten Teil der aufgefalteten Erdrinde in den Tessineralpen, die « Wurzelregion » der Gesteinsdecken. Prächtiges Gesteinsmaterial liegt hier zutage und wird in grossen Mengen gewonnen. Unser Bild gibt eine Vorstellung von der Homogenität der mächtigen, flach gelagerten Granitgneisbänke. Das Gestein von Osogna hat den Charakter eines gneisartigen Verzascagranites. Es besitzt eine ausgeprägte Teilbarkeit in der Ebene der Bankung ( Bild 4 ).

Während die obern und südlichen Teile der Granitmasse der Riviera mit der Verzascagranittafel und ostwärts mit der Granitgneisdecke des Simano verbunden sind, finden ihre tiefern Teile in der Region von Osogna ihre Fortsetzung nach Norden im eigentlichen « Tessiner- oder Leventinergneis ». Dieser bildet von der Riviera bis zum Dazio Grande ob Faido die Talwände des Tessin bis hoch hinauf in Form einer dem Tessin nach langgestreckten, allseits zur Tiefe tauchenden Kuppel. Besonders in Bodio und bei Lavorgo wird der Leventinergneis ausgebeutet. Die Leventinergneise unterscheiden sich von denen der « Wurzelregion » von Claro-Osogna meist durch etwas dunklere graue Farbe, durch gröberes unregelmässigeres Korn, häufig durch das porphyrartige Hervortreten von Feldspatkristallen und von Glimmerhäuten, die diese Feldspatkristalle umschmiegen. Es sind zum grossen Teil « Augengneise ». Die obersten Lagen der Leventinergneiskuppel sind stellenweise als Quarzite ausgebildet, die ihres hohen Kieselsäuregehaltes wegen im Val Nadro und an andern Orten ausgebeutet worden sind.

VOM GESTEIN IM TESSIN.

Wohl kaum an einem andern Orte tritt uns so gewaltig wie in den schroffen Wänden des Bavonatales eine kompakte Masse von Granitgneis vor Augen. Von Someo im Maggiatale bis an den Fuss des Basodino und vom Pecciatale bis an die Grenzen von Italien im Campotale wölbt sich als riesige Kuppel der « Bavonagneis ». Er ist jedoch nur das östliche Endstück des noch umfangreichern Antigoriogranitgneises, der durchs Ossola bis zum Simplon hinzieht.

Schwere Massengesteine, Lavelzsteine.

Bei der Erstarrung grösserer Magmenmassen und der damit eintretenden Eruptivgestcinsbildung findet in der Regel eine gewisse Trennung der Stoffe statt nach bestimmten Differentiationsgesetzen. Z. B. scheiden sich kiesel-säurereichere « sauren Bestandteile des Magmas von den kieselsäureärmeren « basischen » Bestandteilen ab. Dabei reichem sich im basischen Teil die Grund-stoffe Kalzium, Eisen und besonders Magnesium an auf Kosten von Silizium, Kalium, Natrium und auch von Aluminium. Diesem Vorgang entspricht mineralisch ein Zunehmen der dunkeln, spezifisch schweren Gemengteile: Glimmer, Hornblende, Angit, Magnetit und des Magnesiumsilikates Olivin. Die Kalknatronfeldspäte ( Plagioklase ) werden mit sinkendem Siliziumgehalt des Gesteins kalkreicher, während Orthoklas und Quarz verschwinden.

Die Feldspat führenden basischen Bestandteile der Tessiner Massengesteine bilden die schönen weiss und schwarzgrün gesprengelten Diorit- und Gabbrogesteine. Manche davon eignen sich als Ornamentsteine. Über den Plattenbrüchen von Brione z.B. werden solche verarbeitet.

Beim Zurücktreten und Fehlen des Feldspates bilden sich die Perido-tite, die durch ihre Verknüpfung mit Topfsteinen und Ofensteinen technisches Interesse besitzen. Es sind meist dunkelgrüne Gesteine, die im primären Zustand Olivin führen und durchweg einen sehr hohen Magnesiumgehalt besitzen. Ihr spezifisches Gewicht ist hoch. Es übersteigt oft 3, während das Durchschnittsgewicht der übrigen kristallinen Tessinergesteine etwa 2,7o beträgt ( Granitgneise 2,68, Sedimentgneise 2,75 ). Die Dislokationsmetamorphose wandelt die Peridotite zu Wasser und Kohlensäure führenden Produkten um, zu Serpentin oder zu talk-, chlorit- und karbonatreichen Gesteinen ( sogenannte pietre oliare ). Diese finden vielenorts als Topfsteine und Ofensteine Verwendung.

Die Peridotite bilden als basische Bestandteile der granitischen Magmen meist vereinzelt im Granit schwimmende Komplexe, und zwar treten sie gerne an den Rändern der Granitmassen auf. Fast jedes Granitgneismassiv hat seine Peridotite und damit auch seine Ofensteine. Die Ofensteine sind sehr wetterbeständig. Sie werden daher weit transportiert. Gewaltige Blöcke sind von den diluvialen Gletschern von Bosco bis ins unterste Maggiatal bei Dunzio verfrachtet worden. Ganz besonders geschätzt waren im Tessin seit alters die « Lavetzstein » genannten Topfsteine aus dem Pecciatal. Der waldige Felsgrat hoch über Al Piano birgt dieses weiche grüne Gestein, aus dem seit alter Zeit vortreffliche Kochgeschirre und andere Gefässe für den Hausgebrauch angefertigt wurden. Ähnliche Gefässe hat man nach Lavizzaris Bericht auch in Cimalmotto im Campotale hergestellt. Auch das Bedrettotal und die Lavizzara hatten ihre Lavetzsteingruben. Soll doch der Name « Lavizzara » davon herstammen. Die Namen « Gulia », « pietre oliare », « Giltstein » bezeichnen dieselbe Sache.

Die Kunst der Steintopfherstellung, die auch in andern Alpentälern blühte, besonders im Veltlin, wo sie heute noch geübt wird, reicht weit zurück in römische und vorrömische Zeit. Zahlreiche Gräberfunde geben Kunde davon. Ja selbst bis in die Zeit der Pfahlbauer zurück wiesen einzelne, neuerdings wieder fraglich gewordene Spuren. Bernhard Studer berichtet, dass in den Pfahlbauten am Bielersee Gefässe aus Topfstein gefunden wurden, welche mit denjenigen übereinstimmen, die im Veltlin und Tessin gedrechselt worden sind. Über die Gewinnung und Verarbeitung der Topfsteine hat J. Scheuchzer in den « Itinera per Helvcüae alpinas regiones » genaue Angaben gemacht. Lavizzari weiss zu berichten, dass an der schweizerischen Landesausstellung von 1857 in Bern Steingefässe aus dem Pecciatale ausgestellt und prämiiert worden sind. Den letzten Spuren dieses Gewerbes im Tessin hat L. Rütimeyer mit Erfolg nachgeforscht. Heute ist diese Kunstfertigkeit im Tessin erloschen. Der letzte Steintopf ist im Pecciatale im Jahre 1900 von Herrn Giovanettina gedreht worden.

Junge Massengesleine.

Besondere Bedeutung für das Verständnis der Mechanik der Alpenbildung haben jene Gesteine, die uns davon Kunde geben, dass noch im letzten Stadium der Alpenfaltung, in der Zeit der geologisch jungen Terliärfornialion, Magmamassen in die gefaltete Erdkruste emporgedrungen sind und in deren Spalten und Hohlräumen zu Gesteinen erstarrten. Solche Massengesteine zeigen eine deutlich durchgreifende Lagerung durch die altern Formationen, die sie durchbrechen. Diese Rolle spielen im südlichen Mitteltessin da und dort jene grosskörnigen granitischen Ganggesteine, die man als « Périmante » bezeichnet. Sie sind oft von feinkörnigen « Aplitgängen » begleitet. Solche Gesteine durchschneiden z.B. als prächtig weisse Gänge die dunkleren Gneise im Strombette der Verzasca unweit des Kirchhofes von Lavertezzo.

Die Pegmatite im Steinbruch von Sementina sind ausgezeichnet durch grosse Granaten mit guter Kristallform. Auch andere schöne Mineralien findet man gelegentlich darin.

Leicht zugänglich sind die Pegmatitgänge im Vallone nahe beim Rangier-bahnhof von Bellinzona, an denen man besonders schön die durchgreifende Lagerung der weissen, flachliegenden Gänge durch die steilstehenden Lagen der dunklen Amphibolite und Biotitgneise sehen kann.

Das maximale Alter dieser Pegmatitgänge wird bestimmt durch das jüngste von ihnen durchbrochene Nebengestein. In dieser Beziehung sind die Aufschlüsse in den Marmorbrüchen von Castione wichtig. Die Marmore gelten für mesozoisch. Die Pegmatite durchsetzen sie und sind daher jünger als mesozoisch. Unvergleichlich schöne Aufschlüsse für das Studium dieser Verhältnisse findet man auf der Alp Drosina sura im Val Drosina ( ob Lodrino ) sowohl westlich über den Alphütten als auch in den Bachrinnen unterhalb des Weges zur Alp Pianazza. Die mesozoischen Marmorschichten liegen hier ganz flach und sind von den sleilstehenden pegma ti tischen Eruptivgängen an mehreren Orten durchbrochen. Am Kontakt mit den Gängen sind die Marmorschicliten oft in auffälliger Weise emporgebogen. Dies demonstriert, dass die pegmatitische Gangmasse vor ihrer Erstarrung aus der Tiefe aufgestiegen ist, und man erkennt daran deutlich den eruptiven Charakter der Pegma li te.

Bei Doledo ob Aurigeno im Maggiatale, am Wege nach Garina, findet man einen schönen frischen Pegmatitgang mit grossen rosafarbenen Feldspaten. Der Gang folgt hier einer Zertrümmerungsebene des Gneises und umschliesst selbst Trümmer desselben, während er selbst in keiner Weise von der Zertrümmerung ergriffen ist. Die Gangmasse war offenbar während der Zertrümmerung der Gneise noch in geschmolzenem Zustande und mag wohl die Bewegung der festen Gesteine auf diese Weise begünstigt haben. Derartige Vorgänge haben zweifellos unter der Bedeckung erheblicher Gebirgsmassen stattgefunden, die heute durch die rasch wirkende Erosion entfernt sind.

Gleichaltrig oder noch jünger als die Pegmatite sind die vielen Quarzgänge, die die Klüfte der alpinen Gesteine füllen. Durch Gehalt an Feldspat zeigen manche Verwandtschaft mit den Pegmatiten. Reine Quarzgänge werden im Tessin zur Gewinnung von Kieselsäure abgebaut. Einige sind Träger von gold- und silberhaltenden Mineralien.

Auch die berühmten alpinen Minerallagerstätten, die eine grosse Zierde speziell derTessiner Berge bilden, gehören zu diesen jüngsten, kristallinen Ausscheidungen und stehen in enger Beziehung zur Bildung der Quarzgänge.

Ergussgesleine ( Vulkanite ).

Gelangt das feuerflüssige Magma bis an die Erdoberfläche, so entstehen bei der Erstarrung Gesteinskörper, sogenannte Laven, die in ihrer Gestalt nur auf ihrer Unterseite durch die Form des Nebengesteins bestimmt sind. An ihrer Überfläche dagegen zeigen sie frei sich entfaltende Ergussformen, die wesentlich durch den Viskuositätsgrad des emporgedrungenen Magmas bedingt sind. Die Gesteine solcher lavaartigen Ergüsse heissen Ergussgesteine oder Vulkanite. Ausgezeichnete Vertreter dieser Gesteinsklasse haben wir in den berühmten Porphyren der Umgebung von Lugano.

Die Ergussgesteine zeigen indessen nicht nur durch die äussere Form ihrer Gesteinskörper, dass sie an der Erdoberfläche erstarrtes Magma sind, sondern auch in ihrer Struktur, namentlich in der Korngrösse ihrer kristallinen Ge-mengteile. Bei der Erstarrung des Magmas an der Oberfläche wird durch die rasche Abkühlung eine gute Kristallausbildung der mineralischen Gemeng-teile verhindert. Im Gegensatz zu Tiefengesteinen, wie z.B. die Granite es sind, die gleichmässig grobes Korn haben, enthalten daher die Ergussgesteine neben wohlkristallisierten, schon im Erdinnern gebildeten « Einsprengungen » auch solche Bestandteile, die so feinkörnig sind, dass sie dem blossen Auge als dicht erscheinen. Sie zeigen eine sogenannte « dichte Grundmasse ». In besonderen Fällen kann sogar die Kristallisation ganz unterbleiben. Das Magma erstarrt dann als Gesteinsglas. Auch dafür bietet die Luganer Porphyr-region ein berühmtes Beispiel im « Pechstein » von Grantola.

Die gewaltige Kuppel vulkanischer Gesteine, in die der Ceresio am Radial-punkte seiner bizarren, an ein rechtsläufiges Triquetrum erinnernden Gestalt tief eingegraben ist, hat schon lange die Aufmerksamkeit der Geologen gefesselt. Als der Vulkanismus seinen Siegeszug gegen den Neptunismus vollendete, d.h. die Ansicht von einer Bildung der Massengesteine aus Feuer-fluss die Annahme einer Entstehung durch Absatz aus Wasser verdrängte, da entbrannte auch der Streit um die Südtessiner Porphyrmassen unter den Gelehrten. Carlo Amoretti hat uns darüber recht anmutig Bericht erstattet. Fleuriau de Bellevue, ein Schüler Dolomieu's, war es, der diesen Feldzug eröffnete.

Die Porphyre des Luganersees setzen nach Westen über die Schweizergrenze ins Valgana fort und sind nach Unterbrechung durch Trias auch weiter nordwärts bei Grantola aufgeschlossen. Hier haben die Gesteine eine besonders merkwürdige Ausbildung. Es zeigen sich darin Blasenräume, die oft in die Länge gezogen sind, Banderung mit Fliessstrukturen und Schlacken-bildung, Anzeichen einer einst geschmolzenen Materie.Vor allem aber werden dort schwarze obsidianartige Gesteinsgläser gefunden: der « Pech-stein » von Grantola. Fleuriau de Bellevue erkannte aus diesen Merkmalen, dass die Porphyrgesteine hier den Charakter von vulkanischen Oberflächen-ergüssen tragen. Er sah daher auch die runden, rötlichen und fast kahlen Hügel zwischen Grantola und Cunardo für junge erloschene Vulkane an und glaubte, auch den alten Krater bei Fabiasco gefunden zu haben.

Spätere Forscher haben die Entdeckung de Bellevues insofern bestätigt, als sie die sogenannten « Braunen Porphyre », wie sie in der Nähe von Grantola und andern Orten anstehen, mit ihrer feinkörnigen bis dichten Grundmasse, ihren fluidalen und sphärolithischen Strukturen, mit ihren Blasenbildungen, ihrer glasreichen Grundmasse und ihren Übergängen zu Gesteinsgläsern in der Tat als Oberflächenfazies der roten Porphyre anerkannten. Auch die vulkanischen Tuffe, die besonders an der Basis der roten Porphyre sich ausbreiten, sind Dokumente des explosiven Charakters dieser Eruptionen. B. G. Escher hat unweit Morcote in den Tufschichten sogenannte vitro-klastische Strukturen aufgefunden. Diese rühren von sichelförmigen Glasscherben her, die durch Zerspratzen von heissem, in die Luft geschleudertem Magma entstanden sind.

Im Alter der Eruptionen jedoch hatte de Bellevue sich getäuscht. In der Tat haben wir es mit Laven der Permzeit zu tun. Die äusseren Apparate der gewaltigen permischen Vulkantätigkeit sind zum grossen Teil bald nach ihrem Aufbau durch Erosion wieder zerstört worden. Ihre Trümmer liegen aufbewahrt in den roten Konglomeratschichten der untern Triasformation. Die mächtigen Porphyrlavendecken blieben erhalten und wurden später versenkt und eingedeckt von den Meeresablagerungen der folgenden Erdperioden: den Dolomitmassen der Trias und dem lombardischen Liaskalk.

Später, bei der allgemeinen Alpenfaltung, haben dann die Luganer Porphyre als Glied der Permformation mit den liegenden und hangenden For- VOM GESTEIN IM TESSIN.

mationen gemeinsam passiv die Faltung mitgemacht, wobei sie relativ wenig bewegt worden sind. Auf keinen Fall spielten sie die aktive Rolle bei der Gebirgsbewegung, die der feurige Vulkanist Leopold von Buch dem schwarzen Porphyrit von Lugano zugedacht hatte.

Sedimentgesleine.

Die Schichtgesteine oder Sedimente als Ablagerungen von Sinkstoffen am Grunde von stehenden Gewässern sind ausgezeichnet durch das Vorhandensein echter Schichtung. Wechsel im stofflichen Bestand findet schichtenweise statt, das heisst so, dass die stofflich differierenden Gesteinsteile durch Schichtebenen parallel der Ablagerungsbasis getrennt sind. Parallel den Schichten ändert sich der stoffliche Bestand in der Regel nur sehr langsam durch sogenannte Fazieswechsel, senkrecht dazu dagegen viel rascher. Das relative Alter der Sedimentschichten bestimmt sich so, dass bei normaler Lagerung, d.h. bei Neigungen bis zu 90°, die untern Schichten die altern, die obern die Jüngern sind. Das absolute Alter im geologischen Sinne ergibt sich aus der Art der tierischen und pflanzlichen Einschlüsse, die gleichzeitig mit den mineralischen Bestandteilen des Sedimentes zur Ablagerung gelangt sind. Die Bestimmung geschieht nach den Methoden der Paläontologie.

Für Massengesteine gibt es eine derartige Altersbestimmung nicht. Der Zeitpunkt ihrer Entstehung kann nur aus ihrem Verhalten gegenüber Schichtgesteinen ermittelt werden, deren Alter paläontologisch, d.h. nach den darin eingeschlossenen Leitfossilien, bestimmt ist.

Im Tessin finden sich normale Sedimente, in denen die Altersbestimmung nach dem Fossilinhalt in zuverlässiger Weise möglich ist, nur in der Region des Luganersees. Im alpinen Gebiet dagegen sind nur sehr spärliche Fossilreste am Nufenenpass und am Scopi gefunden worden. Um so grösser ist hier die Bedeutung der einzelnen Funde für die Altersbestimmung der inneralpinen Sedimente und der sie begleitenden Eruptivgesteine. Das Bild 5 zeigt den einzigen Ammoniten, der im Sopraceneri gefunden worden ist. Der Fund wurde von Heidelberger Studenten 1907 gemacht.

Die Bildungszeit der Sedimente im Tessin, deren Alter bestimmbar ist, erstreckt sich vom Paläozoikum bis zur Jetztzeit. Die ältesten bestimmbaren Sedimente gehören der Steinkohlenformation, dem « Karbon » an. Ältere paläozoische und archäische Gesteine lassen sich nicht nachweisen. Doch ist ihr Vorhandensein wahrscheinlich. Die im Tessin festgestellten Hauptformationen sind folgende:

paläozoisch

Karbon. Konglomerate von Manno

Perm.

. Tuffe und Ergüsse der Porphyre am Luganersee

I

Trias.

. Dolomit des Monte Salvatore mesozoisch Jura..

. Kalk des Monte Generoso ( Lombardischer Liaskalk )

1

Kreide.

. Biancone und bunte Mergel der Breggiaschlucht

1

Eozän.

. Flysch von Coldreriotertiär Miozän.

. Nagelfluh von Pedrinate und Monte Olimpino

1

Pliozän. Marine Tone von Pontegana

( Diluvium. Gletscherablagerungen ( Moränen ) der Eiszeit, besonders bei Lugano und im Mendrisiotto Alluvium.. Rezente Gletscherablagerungen, Gehängeschutt, Schuttkegel, Bergstürze, Flussablagerungen in den Talböden, Sedimente der Seen.

Diese Altersfolge der Formationen können wir gebrauchen, um auch die Entstehung der Massenge¾teine im Tessin der Zeit nach zu gliedern. Als Bildungszeit der meisten Granitmassive wird das Karbon angesehen. Auch ältere Massengesteine mögen vorhanden sein. Die Luganer Porphyre gehören dem Perm an. Auf Spuren vulkanischer Tätigkeit in der Trias deuten möglicherweise tuffartige Sandsteine ( pietra verde ), die den untern Dolomit zwischen Capolago und Melide überlagern. Tertiären Alters sind die mitteltessinischen Pegmatitgänge.

Erst von der obern Sleinkohlenformalion an wird im Tessin eine Altersbestimmung der Gesteine mit Hilfe von Fossilien möglich. Negri und Spreafico haben zuerst die Karbonablagerungen von Manno, NW von Lugano, namhaft gemacht, die seither viel genannt worden sind und auch heute noch diskutiert werden wegen ihrer grossen Bedeutung für die Entstehungsgeschichte der Alpen. Die aus groben Konglomeraten, glimmerreichen Sandsteinen und wenig grauen Schiefertonen bestehenden Ablagerungen von Manno enthalten Schmitzen von Steinkohle und zahlreiche versteinerte Pflanzenreste, nach deren Alter man die Ablagerung ins Oberkarbon stellt. Zu den kristallinen Schiefern, die ihre Unterlage bilden, stehen sie in unkon-former Lagerung ( Diskordanz ). Vor der Sedimentation der karbonischen Ablagerungen waren die kristallinen Schiefer bereits aufgerichtet. Die Karbonschichten von Manno geben klare Beweise für eine vor Oberkarbon eingetretene Gebirgsbildung. Von allen Karbonablagerungen der Schweizeralpen haben diejenigen von Manno ihren ursprünglichen Sedimentcharakter am besten bewahrt, was sich auch in der Beschaffenheit ihrer Kohle zeigt. Sie sind demnach von der Alpenfaltung nur wenig in Mitleidenschaft gezogen worden.

In ähnlicher Ausbildung wie bei Manno finden sich Karbonablagerungen im Valle di Colla. Auch hier findet sich noch normale Steinkohle, die nicht, wie die übrigen Karbonkohlen der Schweizeralpen, in Anthrazit umgewandelt worden ist.

Auf die nachkarbonische Erdoberfläche, die teils aus steilgestellten kristallinen Schiefern, teils aus konglomeratischen und sandigen Ablagerungen des Karbon und Perm bestand, ergossen sich zur Permzeit die gewaltigen Porphyrmassen des Luganersees. Rings um das dreigablige Zentrum des Sees bilden diese Gesteine, meist mit Buschwald bedeckt, jene rundlichen Bergformen, die scharf mit den Steilabstürzen der sie bedeckenden Dolomit- und Kalkformationen kontrastieren. Die sanften Porphyrkuppen des Monte Arbustora im Westen, des Borgnone von Arogno im Osten und der Alpe di Brusino im Süden werden von den schroffen Kalk- und Dolomitkronen des S. Salvatore, des Sighignola und des S. Giorgio überragt ( Bild 6 ). Die Mächtigkeit der gesamten Porphyrmasse, die plattenförmig zwischen den kristallinen Schiefern und der Triasformation lagert, beträgt stellenweise über 600 Meter. Sie besteht aus mehreren Ergüssen. Es sind teils Porphyrite, die sog. « Schwarzen Porphyre », teils Quarzporphyre, die sog. « Roten » und « Brauneu Porphyre ».

Gänge von rotem Porphyr durchbrechen in Scharen die kristallinen Schiefer der Halbinsel von Morcote, sowie auch die schwarzen Porphyre. Berühmt sind die Gänge in der Bachschlucht hinter Melano und diejenigen ob Moroggia, an welchen Bernhard Studer das jüngere Alter des roten Porphyrs erkannt hat. Südlich vom S. Salvatore, unweit Carona, findet man prächtige Gesteinsmuster mit Einschlüssen von zertrümmertem schwarzem Porphyr, die in rotem Porphyr eingeschmolzen sind. Daraus ergeben sich dieselben Altersbeziehungen zwischen den beiden Gesteinen.

Einige der das Grundgebirge durchbrechenden Quarzporphyrgänge bilden wohl die Zufuhrkanäle der Ergussdecke des roten Porphyrs. Aus ihrer radialen Anordnung glaubt Frauenfelder einen zentralen Eruptions-herd unweit Porto Ceresio zu erkennen.

Nach den Festlandsperioden und unruhigen Zeiten der Transgiession und der Porphyrergüsse in Karbon und Perm setzte im Mesozoikum eine allgemeine Überflutung durch das Meer ein mit ausgedehnter Sedimentbildung. In der Triaszeil zeigen diese Sedimente einen auffallenden Reichtum an Dolomit. Dem verdanken manche Berge der Luganer Gegend ihr schroffes, an die Dolomiten des Südtirols erinnerndes Aussehen. So der S. Salvatore und die Denti della Vecchia.

Die untersten Schichten der Triassedimente kamen zur Ablagerung während des Vordringens ( Transgression ) des Meeres über das Festland und haben demgemäss einen besondern, wesentlich terrigenen Charakter. Das heisst, sie führen reichlich grobe Trümmer der altern Formationen, besonders von Porphyren. Rote Sandsteine und Tone begleiten sie. Die Geologen nennen diese Ablagerungen « Servino ». Ein berühmter, leicht zugänglicher Aufschluss im « Servino » findet sich an der Uferstrasse Lugano-Melide bei S. Martino. Die steil aufgerichteten, groben roten Konglomeratschichten tauchen hier, sich nach unten verflachend, in mächtigem Bogen unter den Dolomitklotz des S. Salvatore hinab.

Die marinen Ablagerungen der Trias sind im Südtessin durch vier Dolomitformationen verschiedenen AHers ausgezeichnet. Der gewaltige Dolomitklotz des Monte S. Salvatore umfasst die zwei untersten Dolomitformationen, den Mendoladolomit und den Schierndolomit ( nach dem Schiern im Südtirol benannt ) und vereinigt sie zu dem reichlich 1000 m mächtigen Salvatore-dolomit. Diese Dolomitmasse ist teils plattig, teils massig riffartig. Die Bildung der Riffe wird mit dem Auftreten von Korallen in Zusammenhang gebracht. Korallenreste finden sich in der Tat in der Gipfelzone des Salvatore.Vor allem aber kommt den Diploporen, die massenhaft auftreten, eine wesentliche Bedeutung für den Aufbau des Salvatoredolomites zu.

Auf der San Giorgio-Halbinsel zeigen die dem Salvatoredolomit entsprechenden Ablagerungen eine andere Ausbildung oder « Fazies ». Zwischen den dolomitischen Gesteinsschichten tritt dort eine etwa 5 m mächtige, überaus bitumenreiche Schichtserie auf, die bei Tre Fontane auf der Alp Serpiano westlich vom San Giorgio-Gipfel zur Gewinnung von Saurol, einem dem Ichthyol von Seefeld analogen Produkt, ausgebeutet wird. Die Serie besteht aus plattigen, schwarzen Dolomiten, wechselnd mitbitumreichen, z.T. brennbaren Tonen. Leitfossil der Schicht ist der ceratites trinodosus. Eine Daonellenbank markiert die Basis der abbauwürdigen Zone. Berühmt sind die Funde von Fischen und Sauriern ( Mixosaurus Cornalianus ), die in den Schichten von Tre Fontane und auch in höheren Horizonten gemacht worden sind.

Dem obern Salvatoredolomit entsprechen am S. Giorgio die mächtigen « Meridekalke », aufweiche rote Mergel die Raiblermergel folgen, in denen bei Meride ein Gipslager ausgebeutet worden ist.

Die bisher betrachteten Triasablagerungen zeigen raschen Gesteins-wechselgleichaltriger Sedimente — sogenannten Fazieswechsel —, Einschwem-mung terrigener Sande, Bitumenreichtum und Nachklänge vulkanischer Tätigkeit. Alles sind Zeichen einer unruhigen Sedimentation, die wohl durch Nähe des Festlandes und schwankende, im allgemeinen geringe Meerestiefe bedingt war. Dagegen setzt nun mit dem Hauptdolomit eine universeller verbreitete, über grosse Gebiete der Ostalpen gleichmässig entwickelte Meeres-bildung ein. Die karrigen, massig dickbankigen, zuckerkörnigen Haupt-dolomite bilden kahle, schroffe Abstürze. Die Pone. d' Arzo in der S. Giorgio-Halbinsel und die Denti della Vecchia sind die charakteristischen Haupt-dolomitgipfel der Tessiner Berge.

Gegen Ende der Triasperiode tauchte der Hauptdolomit wieder aus den Fluten des Meeres empor. Seine Oberfläche wurde durch die Erosion zerschnitten und gefurcht, ähnlich den alpinen Karrenfeldern. Solche alten Landesoberflächen sind aufs schönste am Südabhang der Pone. d' Arzo zu beobachten.

Mit Beginn der Juraformation gewinnt das Meer die verlorenen Landstriche im Westen wieder zurück. Es erfüllt zunächst die Rinnen und Kessel der Hauptdolomitoberfläche und setzt seine ersten Sedimente darin ab. Später überflutet es die ganze Triasregion und überdeckt sie mit einer Jüngern Stufe von Liassedimenten. Diese « Transgression » schreitet von Osten nach Westen vor. Vorgänge, wie sie sich damals am Meeresgrunde abspielten, sind in schöner Weise zu erkennen in den Marmorbrüchen von Arzo, Saltrio und Tremona, die seit langer Zeit ein beliebtes Ziel der Geologen sind. Der bekannte « Brocatello d' Arzo » besonders ist ein Produkt dieser eigenartigen geologischen Verhältnisse: Der rote Verwitterungslehm, die « Terra Rossa » der Liaszeit, welche die Rinnen der Dolomitfelsen füllte, mischte sich in der Brandungszone des Meeres mit den hellen Dolomitbruchstücken zu dem schönen rot-weissen Trümmergestein, das durch die Verfestigung zu Breccien-marmor wurde, der allgemein als « Brocatello » bezeichnet wird.

Als die Meeresküste bei Arzo überflutet wurde, lag das Generosogebiet schon tief im Meere, und ruhig lagerten sich die Sedimente des grauen « Lombardischen Liaskalkes » ab, von deren gewaltigen Mächtigkeit die Felsabstürze des Generoso und des Sighignola eindrücklich reden.

Noch jüngere Formationen begrenzen und bedecken den Liaskalk im Süden, in weitem Bogen durchs Mendrisiotto ziehend und unter die italienische Tiefebene abtauchend ( vgl. Bild 6 ). Einige besonders markante Glieder mögen genannt werden.

Einen Schmuck des südalpinen Sedimentgebirges bildet der « rote Am-monitenkalk » ( calcare ammoni tico rosso ). Besonders schön sind diese Schichten an der Breggia bei Castello S. Pietro aufgeschlossen, wo sie Reichtümer von Fossilien, besonders Ainmoniten, geliefert haben.

Im obersten Jura stellen sich Radiolarienhornsteine ein.

Einen markanten Abschluss erhalten die Jurasedimente nach oben durch einen blendendweissen, dichten, massigen, foraminiferenreichen reinen Kalkstein, « Majolica » oder ('Biancone » genannt. Sein feines Korn gab Veranlassung zu Versuchen für lithographische Verwendung.

Die bunten Mergel der Kreideformation und die glimmerreichen Mergel und Sandsteine des Eozän treten im Landschaftsbilde wegen ihrer geringen Festigkeit kaum hervor.

Erst im äussersten Süden des Landes, an der italienischen Grenze, erhebt sich wieder eine namhafte Hügelkette mit dem aussichtsreichen Monte Olimpino. Sie besteht aus Konglomeraten ( Nagelfluh ) und Sandstein der Miozänzeit. Die oft groben Gerolle müssen von stosskräftigen Bergströmen aus der Gegend des Veltlin und des Bergell hergebracht worden sein. Diese Ablagerungen demonstrieren, dass eine Aufrichtung der Alpen und teilweise Zerstörung vor der Bildung der ( miozänen ) Nagelfluh stattgefunden hat und dass die Ge birgsei hebung auch nach deren Ablagerung noch andauerte, wie aus der geneigten Schichtlage hervorgeht.

Nach dem Ausklingen der Alpenfaltung sind in Meeresarmen, die fjordartig ins Gebirge einschneiden, marine Tone der Pliozänzeil abgelagert worden. Südlich von Baierna und bei Pontegana sind dieselben aufgeschlossen. Ihre Bildung ging unmittelbar der Glazialperiode voran.

Umgestaltung der Gesteine.

Gebirgsbildung.

Massengesteine und Schichtgesteine sind in ihrer Lagerung, in ihrer Form und auch in ihrer innern Beschaffenheit weitgehend umgestaltet worden durch die gewaltigen Bewegungen, die die Erdrinde im Verlauf der Aufrichtung des Alpengebirges ergriffen haben.

Der Effekt der gebirgsbildenden Kräfte auf die Gesteinskörper ist zunächst der, dass sie Dislokationen und Deformationen erleiden. Sie werden gehoben oder gesenkt, durch Verwerfungen und Überschiebungen gegenseitig verschoben und häufig in Falten gelegt. Zu Deformationen in Gestalt von Verbiegungen und Falten eignen sich besonders die weniger resistenten Schichtgesteine. Doch kommen sie im Tessin besonders häufig auch bei den sonst starren Massengesteinen vor ( vgl. Bild 9 ). Die Bewegungen gingen hier unter ungeheurer Belastung darüber lagernder Gesteinsmassen vor sich.

VOM GESTEIN IM TESSIN.

Alle vorpliozänen Formationen, mit Einschluss der jüngsten davon, den Geröllschichten des Monte Olimpino, haben an der Aufrichtung der Alpen teilgenommen. Die altern Formationen haben mehrere Dislokationsperioden durchgemacht. Die Formen, die heute den geologischen Bau des Tessins beherrschen, sind hauptsächlich der Effekt der letzten, jungtertiären Alpenfaltung. Es sind die Formen von Falten in mannigfaltigster Ausbildung mit Übergängen zu Deckenüberschiebungen.

Zwischen dem Südrand der Alpen und einer SW—NO durch Lugano gezogenen Linie liegen die Luyaner Kalkalpen, ein wechselreiches Bergland vom Charakter eines durch Brüche modifizierten Faltengebirges ( siehe die Text-Figur ). Die Umgestaltung der Gesteinsformationen, die wesentlich aus Sedimenten bestehen, hält sich in massigen Grenzen, entsprechend dem mehr oberflächlichen Charakter der Faltenbildung und der am Alpenrand noch geringen Belastung. Während am Monte Olimpino die Schichten nur eine leichte Aufrichtung erfahren haben, stellt die Masse des lombardischen Liaskalkes ein ausgesprochenes Faltengebirge dar. Der Generosogipfel selbst entspricht einem antiklinalen Gewölbe, resp. Schichtensattel. Vergleicht man die Formen des Gebirgsbaues im Porphyr- und Dolomitgebiet mit denen im Liasgebiet des Generoso, so überrascht der starke Unterschied. Bei den starren Massen der Porphyre und Dolomite haben die Bewegungen der Erdrinde mehr horstartige Hebungen und grabenförmige Senkungen verursacht mit bruchreichen Zonen an den Grenzen beider. Die wohl-gebankten Liaskalke des Generoso dagegen waren ausgesprochener Faltung fähig.

Zeigen uns die Luganeralpen nur die äussern Hüllen der im Alpengebirge zusammengefalteten Massen der Erdkruste, so führt uns ein Gang ins zentrale Tessin mitten in den Kern dieser Auftürmung. Die De- VOM GESTEIN IM TESSIN.

formation der Gesteinskörper durch die Gebirgsbewegung ist am intensivsten im Hauptstamm der Tessineralpen zwischen Ceneri und Gotthard. Es sind uns hier die Faltungszustände sehr tiefer Teile der Erdrinde aufgedeckt. Die theoretische Konstruktion der geologischen Alpendurchschnitte hat ergeben, dass in einer W—O streichenden Zone nördlich von Bellinzona die Emporfaltung der alpinen Formationen die höchste Höhe erreicht hat. Die Dicke der Gesteinsdecken, die hier der rasch wirkenden Erosion zum Opfer gefallen sind, ist auf zirka 20 Kilometer geschätzt worden. Bei so starker Belastung und hoher Temperatur wurden die Gesteinskörper gezwungen, jede durch Bewegungs-und Raumverhältnisse gebotene Form anzunehmen und ihre primäre Gestalt völlig aufzugeben.

Cavagnoligletscher vom Pizzo Cristallina aus.

( Vgl. dazu Bild 2. Tiefdruck. ) Steilgestellte kristalline Decken, getrennt durch mesozoische Kalkschichten.

Gl = Glimmerschiefer; L = Knollengneise der Ltbendundecke; M = Marmor; SK = Kalkphyllite ( Jura ).

Wir haben hier die Erscheinungen einer Tektonik mit hochplastischem Material vor uns. Wohl kaum ein anderer Ort der Erde ist so wie die Tessiner Gneisberge imstande, diese grotesken, phantastisch anmutenden Bildungen zu zeigen, kennen und verstehen zu lernen.

Will man in das Verständnis der zentraltessinischen Gneiswirrnis eindringen, so kann man zunächst vom Faltenbau ausgehen. Die Falten bestehen im primitiven Stadium aus den nach oben gekehrten Gewölben, den Sätteln oder Antiklinalen, aus den nach unten gekehrten Biegungen, den Mulden oder Synklinalen, und den steilstehenden Zwischenstücken, den Schenkeln. Solche Sättel und Mulden sind in modifizierter Lagerungsform auch in den Tessiner Gneisalpen zu sehen. Bei Abendbeleuchtung erkennt man von Dalpe aus am Pizzo di Molare ob Faido eine prächtige Synklinale. Schneeweisse Dolomitschichten zeichnen scharf die unten nach Süden ausgezogene Mulde. Dunkle Kalkschiefer des Molaregipfels bilden den Muldenkern.

Eine nach Nord gerichtete antiklinale Umbiegung gewahrt der Geologe leicht am Eingang der Val Soja, unweit Torre im Bleniotal. Der Kern des Gewölbes ist Gneis der Simanodecke, die Umhüllung bilden Dolomite der Trias.

Die meist anormale Ausbildung der Falten im Mitteltessin erkennt man oft daran, dass die Gewölbe ( Sättel ) statt nach oben nach der Seite oder gar nach unten gewendet sind, die Mulden sich oft nach oben kehren. Die Falten-schenke ) sind grösstenteils ganz flach gelagert, dissymmetrisch geworden oder zu Decken umgewandelt.

Die Gegend des Campolungopasses bietet prächtige Beispiele anormaler Faltenbildungen ( Bild 7 ).

Die meisten Gesteinskörper im Mitteltessin sind ausgedehnte flache Platten, sogenannte Decken oder Deckfalten, auch Massivlappen genannt ( vgl. Bild 3 ). Ihr Kern besteht zumeist aus gewaltigen Granitgneismassen, die Hüllen aus Sedimentgneisen und mesozoischen Schichten. Ihre Stirnen resp. Faltenköpfe schauen gegen das Gotthardmassiv und sind oft an diesem steil emporgepresst. So im Cavagnoligebiet, das die Skizze auf Seite 455 darstellt. Südwärts finden sich die Verbindungsstücke der Faltenkerne mit dem Erdinnern, die sogenannten « Wurzeln ». In diesen Wurzelzonen stellen sich die Schichten steil. Bei Claro im Tessintal und nördlich von Vogorno im Ver-zascatale findet eine allgemeine Umbiegung der Gesteinsschichten statt, die in der Landschaft das Bild einer imposanten Flexur gibt. Zwischen Claro-Castione und dem Monte Ceneri liegt eine mächtige Zone steilgestellter Wurzeln, der Ausgangsort ungeheurer Deckenschübe, die einst das Mittel-tessin und noch andere Teile der Alpen überlagerten.

Metamorphose.

Die Umgestaltung der Gesteine durch die bei der Gebirgsbildung wirksam werdenden Agentien äussert sich nicht allein in der Veränderung der äussern Gestalt der Gesteinskörper. Diese wird vielmehr begleitet und oft erst ermöglicht von einer gleichzeitigen Umgestaltung der innern Struktur, ja selbst der mineralischen Zusammensetzung. In manchen Fällen handelt es sich lediglich um die Zertrümmerung der Gesteine. Alle Stadien von Zerbrechung in grobe Bruchstücke bis zur völligen Zerreibung zu feinen, dicht erscheinenden Massen werden beobachtet. Solche Trümmergesteine bezeichnet man als « Mylonite ». Im untern Maggiatal durchschneiden Mylonitzonen auf weite Strecken den Gneis. Das zerriebene Gesteinsmaterial fällt durch seine helle Farbe oft schon von weitem auf. Es wird von der Bevölkerung an manchen Orten als « Creta » bezeichnet.

In andern Fällen ist die Gesteinszertrümmerung nur mikroskopisch erkennbar. Die Petrographen heissen sie dann « Kataklase ».

Eine sehr viel grössere Bedeutung als die Zertrümmerungsprodukte haben im Tessin die aus Ummineralisation und Neubildung von Mineralien hervorgegangenen Gesteine, die Produkte der eigentlichen Gesteinsmeta-morphose.

Die Sedimentgesteine, die primär relativ arm an wohlkristallisierten Mineralien sind, neigen viel mehr als die Massengesteine zur Neubildung von Mineralien durch die Metamorphose. Diese Mineralneubildungen sind gerade im Tessin eine sehr auffallende Erscheinung und haben vielfach zu form- und farbenprächtigen Gesteinsbildungen geführt.

Zum Studium solcher Wirkungen der Metamorphose sind im Tessin besonders die Ablagerungen der Juraformation geeignet. Das Aussehen der Juragesteine im Nord- und Südtessin ist ein völlig verschiedenes. Die Mergel des alpinen Jura sind durch die Metamorphose zu glimmerreichen, silberglänzenden Phylliten, den sogenannten « Bündnerschiefern », geworden. Die Ummineralisation hat körnigen Kalkspat und eine grosse Zahl von Silikat-neubildungen hervorgebracht. Einige der wichtigsten sind: Glimmer, Granat, Plagioklas, Zoisit, Staurolith, Disthen, Hornblende usw.

Oft geben die Neubildungen durch knotenartiges Hervortreten dem Gestein ein eigenes Gepräge. Berühmt sind die Knotenschiefer des Nufenenpasses, auf deren angewitterter Oberfläche Zoisitstengel und runde Plagioklas-knoten drastisch hervortreten. Diese Knotenschiefer des Nufenen ( Bild 8 ) und ihre Begleitsteine sind es, welche Liasfossilien führen. Häufig trifft man in körnigen Kalk umgewandelte Belemniten und Kardinien. Der bereits genannte einzige Ammonit ( Bild 5 ) zeigt in seiner elliptischen Gestalt deutlich die Verzerrung durch den Gebirgsdruck.

Auch die Triasgesteine der alpinen Zone unterscheiden sich von denen der Luganeralpen wesentlich durch die hohe Kristallinität, derzufolge alle erkennbaren Formen fossiler Tierreste zerstört worden sind, ferner auch durch die reichliche Neubildung von Silikaten. Insbesondere magnesia- und kalk-reiche Silikate, wie Phlogopit, Chlorit, Talk, Tremolit und Strahlstein, geben diesen Gesteinen ein eigenes Gepräge der Metamorphose. Phlogopitdolomit, Tremolitdolomit, Glimmer kalk und Glimmergipse sind charakteristische Gesteine der alpinen Trias im Tessin. An einzelnen Orten, so am Campolungo, ist die Neubildung von Mineralien im Dolomit eine besonders mannigfaltige. Der « zuckerkörnige » Triasdolomit am Campolungo bildet eine der bemerkenswertesten Minerallagerstätten der Welt. Über 20 verschiedene, zum Teil seltene und wertvolle Mineralarten sind dort gefunden worden.

Auch in den altern Formationen der inneralpinen Sedimente erwecken manche Gesteine durch ihre besondere mineralische Ausbildung Interesse. In schönste kristalline Entwicklung gelangen vortriasische Sedimente in der sogenannten « Tremolasene », welche die Gotthardstrasse zwischen Airolo und Val Tremola durchschneidet. Es sind ursprünglich sandig-mergelige Schichtgesteine, die umgewandelt worden sind zu « Hornblendegarbenschiefer », Amphibolit, Granitglimmerschiefer, Gneis, Quarzit usw. Eines der dekora-tivsten Gesteine der Tessineralpen sind die Hornblendegarbenschiefer, die auf hellem Grunde dunkelgrüne Büschel von Hornblende ( Chenopodit ) und grosse rotbraune Granaten zeigen. Schöne Proben dieses Gesteins findet man besonders im Riale di Berri im Canariatale.

Metamorphe tonreiche Sedimente, die sich in den altern Formationen der Tessineralpen in grossen Massen finden, sind häufig durch die Minerale 35 Disthen, Staurolith und Granat ausgezeichnet. Solche Gesteine bilden den grössten Teil der Campo Tencia-Masse. Prächtig ausgebildet sind die einzelnen Mineralien dieser Gesteine besonders am Südhang des Pizzo Forno oberhalb Alpe Sponda. Hier findet man die weltberühmten, bis Dezimeter langen, himmelblauen Disthenprismen, die mit den braunroten Kreuzsteinen ( Staurolith ) zusammen in schneeweissem Glimmer eingebettet liegen. Wohl in allen grössern Sammlungen der Welt sind diese einzigartigen Mineralstufen vertreten.

Neben der Bildung neuer kristallisierter Mineralien ist eine weitere auffallende Erscheinung der Metamorphose die besondere Anordnung dieser Mineralien. Durch die Bewegung der Gesteinsmassen unter hohem Druck ordnen sich die Kristalle in bestimmter Weise an. Besonders häufig legen sie sich mit ihrer grössten Ausdehnung parallel einer Ebene. Dadurch entsteht die Kristallisationsschieferung, dieimTessin ungemein verbreitet ist. Besonders die blättrigen Glimmer und die stengeligen Hornblenden fügen sich leicht der Schieferungsebene an. Es sind « schieferholde » Gemengteile. Statt der ebenen Schieferung kann bei besondern Druck- und Bewegungsverhältnissen auch Fältelung des Gesteins oder Streckung nach einer Richtung erfolgen.

Schöne Beispiele derartiger Fältelung finden wir im Tessinergneis der Dazio Grande-Schlucht. Schon de Saussure hat sie dort bemerkt, beschrieben und als Kristallisationseffekt gedeutet.

So entstanden durch Gesteinsumbildung die mannigfaltigen Arten der kristallinen Schiefer und Gneise im Tessin. Dabei wurden die metamorphen Sedimente durch hohe Kristallinität den Massengesteinen ähnlich, anderseits erlangten die Massengesteine durch Schieferung eine Teilbarkeit, die sie den Sedimenten ähnlich macht.

Die Art der mechanischen Umwandlung der Gesteine kann auch Aufschluss geben über die Bewegungsrichtungen, die bei der Gebirgsbildung massgebend waren. Bild 9 zeigt uns Walzenbildungen im Gneis, die auf Fliess-und Walzbewegungen in der Streichrichtung der Alpen hinweisen, durchweiche die zum Alpenstreichen senkrecht gerichteten Scharniere entstanden. Diese Erscheinung steht im Zusammenhang mit der Grosstektonik, nämlich einer ausgedehnten Einsenkung und Einfaltung der höhern Decken zwischen und unter die tiefern, wodurch Querfaltungen und Querüberschiebungen in der Region des Maggialaufes sich bildeten.

Orographie.

Schon zur Miozänzeit ragte im zentralen Tessin nördlich von der Linie Bellinzona-Locarno-Centovalli der Hauptkamm der Alpen wohl viele tausend Meter hoch empor. Es setzte eine gewaltige Arbeit der Zerstörung und Abtragung durch Wasser ein, welcher der steile Abfall des Gebirges nach Süden grosse Kraft verlieh. Bis heute blieb diese intensive Erosionsläligkeil ein massgebender Faktor für die Gestaltung der Reliefformen des Landes.

Durch Schwankungen im Niveau der Erosionsbasis trat zeitweilig ein Stagnieren der Erosion ein. Solche Perioden haben im ganzen Tessin ihre Spuren hinterlassen in Form ausgedehnter Gesimse mit einem schwach talauswärts gerichteten Gefälle. Diese Gesimse, welche die Reste aller Tal- böden sind, dehnen sich stellenweise zu breiten Terrassen aus. Sie tragen viel zur Schönheit der Tessiner Alpentäler bei und sind für die Besiedelung von grosser Bedeutung. Eine der auffälligsten dieser Terrassen ragt zwischen der Dazio Grande-Schlucht oberhalb Faido und dem Pizzo Pettano, in etwa 2000 m Höhe einen ebenen Boden bildend, weit übers Talgehänge hinaus. Bemerkenswert sind auch die schönen Terrassen der Bergdörfer Anzonico, Cavagnago und Sobrio auf etwa 1000 m Höhe oberhalb Giornico. Im Bedrettotale ist auf beiden Seiten ein ausgezeichnetes Terrassensystem ausgebildet, das einem alten Talboden etwa 500 m über dem jetzigen Talgrund entspricht ( Bild 1, Tiefdruck ).

Auch im Sottoceneri bilden diese alten, hochgelegenen, jetzt von den Flüssen verlassenen Talböden ein wichtiges Moment in den Landschaftsformen. Das schönste Beispiel bildet das Malcantone. Der herrliche Kranz der Dörfer von Arosio bis Novaggio liegt wohl in den Bergen oben, aber gleichzeitig in einer sanft südwärts geneigten Ebene eines alten breiten Talbodens. Ihn hat die Magliasina längst verlassen und in der Tiefe ihr neues Bett gegraben.

Die frühe Anlage der Täler, welche in Gesteinsbildungen stattfand, die weit über dem jetzigen Niveau der Oberfläche lagen, sowie die lange anhaltende starke Erosion brachten es mit sich, dass die Gestalt der heutigen Oberflächenformen eine weitgehende Unabhängigkeit zeigt von der Form der geologischen Körper. Trotzdem haben aber da und dort bestimmte Gesteinsarten das Landschaftsbild durch ihren besondern Charakter bestimmt, und es sind auch ausnahmsweise gewisse Formen der geologischen Körper im heuligen Relief erhalten geblieben. Der weitgeschwungene, nach Süden offene Bogen des obern Tessinlaufes folgt vom Nufenen bis nach Rodi strikte dem Nordrand der Kalkschieferzone und umzirkelt das kugelförmige Nordende des kristallinen Maggialappen-Massives. Auch geben sich bestimmte Gesteinsarten bisweilen im Charakter der Berggipfel kund. Die schroffsten Gipfel des Gotthardmassivs bestehen aus Rotondogranit. Südlich vom Ceneri sind es die Dolomitgesteine, die besonders markante, dem Wetter trotzende Gipfel bilden. Der schroffe Klotz des San Salvatore und die weit das Land überragende Säge der Denti della Vecchia sind aus diesem Material geschnitten. Nahe schon der lombardischen Tiefebene schwingen sich noch der S. Giorgio und die Pone. d' Arzo zu kühnen Gipfelformen auf, die sie gleichfalls dem Dolomit verdanken. In der edel geformten Doppelkuppe des Generoso treten noch die Reste einer alpinen Gesteinsfalte in Erscheinung.

Viele Landschaftsformen des Tessin würden unverständlich bleiben, wenn man einen wichtigen Faktor, der daran mitgearbeitet hat, nämlich die Gletscher, unberücksichtigt liesse.

Zur Zeit der letzten Vergletscherung, in der sogenannten « Würmeiszeit », war das ganze Tessin mit Gletschereis bedeckt, mit Ausnahme schmaler Gipfelkämme zwischen den Haupttälern und eines Teiles des Generosomassivs. Diese überragten die gewaltige, allmählich nach Süden sich senkende Eisfläche. Die Eisströme des Tessingebietes erhielten an einigen Stellen Zufluss aus dem Rheingebiet. Es strömte Eis über den Gotthardpass, den Lukmanier und den Bernhardin in südlicher Richtung ( vgl. die eiszeitliche Gletscherkarte auf Seite 459 ).

Die einstige Höhe des Eises lässt sich aus den Felsformen ermitteln, die die Eisbedeckung zurückgelassen hat. Danach erreichten die Gletscher der Tessiner Haupttäler stellenweise eine Eistiefe von gegen 1500 m.

Der Tessingletscher vereinigte sich mit den Gletschern der Mesolcina, der Verzasca und der Maggia zu einem grossen Eisbassin in der Senke zwischen Bellinzona und dem Centovalli. Vermutlich lag hier die Eisoberfläche noch zirka 1500 m über Meer. Die Eismasse diffluierte in 2 mächtige Arme, von denen der eine dem Lago Maggiore folgte und zum Tosagletscher floss, der andere direkt südwärts die Ceneri-Passhöhe überströmte, sich ins Agnotal und das Tal des Cassarate ergoss und in der Nähe von Lugano mit einem westlichen Arm des Addagletschers sich vereinigte ( Bild 10 ). Die Oberfläche des Eises, die bei Lugano noch den 916 m hohen S. Salvatore überdeckte, senkte sich südlich vom Luganersee rasch zum Südrand der diluvialen Eismasse hinunter, die hier in mehreren steilen Gletscherzungen endigte. Die zwei mächtigen Eisströme von Agno und von Lugano gabelten sich beim Eintritt in die Zone intensiver Abschmelzung. Den Agno-Arm teilte der Monte Caslano als « Nunataker » in zwei Arme. Die bei Lugano eben vereinigten Gletscher « Cassarate » und « Porlezza » spalteten sich schon wieder am Monte S. Giorgio in zwei Zungen.

Gewaltige Stirnmoränen, die westlich von Chiasso und nordöstlich von Varese sich ausdehnen, bilden die Rückstände der abgeschmolzenen Eisströme der Gletscherzeit. Diese Moränen sind es, die die zwei südwärts gerichteten Talläufe des Luganersees bei Capolago und bei Porto Ceresio absperren und ein westliches Abfliessen des Luganersees durch die Tresa in den Lago Maggiore erzwingen.

Die Gletscher sind ein sehr leistungsfähiges Transportmittel und haben viel zur Abtragung der Tessinerberge und Ausräumung der Täler beigetragen.

Viele Tessinertäler haben auffallend gleichmässig geformte, hohe Talwände, die besonders nahe dem Talboden oft fast vertikale Felsabstürze bilden, so dass das Tal die Form eines im Querschnitt U-förmigen Troges erhält. Manche Forscher schreiben diese Form speziell der Arbeit der Gletscher zu. Geradezu klassische Beispiele hierfür sind das Bavonatal, sowie das Tessintal zwischen Biasca und Bellinzona. Auch das Luganer Seebecken weist ähnliche « Trogformen » auf.

Bei der Einmündung der Seitentäler verursachen die Trogwände in der Regel hohe iiMündungsstujen ». Die mächtigen Wasserfälle von Foroglio im Bavonatal und von Soladino im Maggiatale sowie viele andere überspringen solche Mündungsstufen von mehreren hundert Meter Höhe und bilden einen unvergleichlichen Schmuck des Tessinerlandes.Heinrich Preiswerk.

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