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Mount Everest 1963

Remarque : Cet article est disponible dans une langue uniquement. Auparavant, les bulletins annuels n'étaient pas traduits.

VON NORMAN G. DYHRENFURTH, SANTA MONICA ( CALIFORNIA )

Mit 7 Bildern ( 126-132 ) Viermal war ich bereits im Himalaya gewesen: im Herbst 1952 mit der Everest-Expedition der SSAF, 1955 als Leiter der Internationalen Expedition am Lhotse, 1958 bei der amerikanischen Yeti-Suche und 1960 wieder mit den Schweizern am Dhaulagiri. Im Juni hatte ich bei der Regierung von Nepal beantragt, 1961 eine amerikanische Everest-Expedition führen zu dürfen, aber die Entscheidung zog sich hin, bis es für 1961 zu spät geworden war, und 1962 war der « Zweiten Indischen Everest-Expedition » vorbehalten. Darum wiederholte ich mein Gesuch in Kathmandu für 1963, und endlich mit Erfolg: Am 10. Mai 1961 wurde die « Amerikanische Mount-Everest-Expedition 1963 » ( abgekürzt « AMEE 1963 » ) bewilligt. Jetzt hatte ich « nur noch » Finanzierung, Organisation des Unternehmens, Auswahl der Teilnehmer, Ausrüstung und zahlreiche sonstige « Kleinigkeiten » zu erledigen. Das bedeutete 2% Jahre unablässiger harter Arbeit, in deren Verlauf das Unternehmen gewaltige Dimensionen annahm: eine Mannschaft von 19 Amerikanern, 1 Engländer, 1 nepalischen Verbindungs-Offizier, 32 Sherpa und ein weitgespanntes Programm - bergsteigerisch, wissenschaftlich, photographisch und filmisch.

Am 20.Februar 1963 setzte sich in Kathmandu eine kleine Armee von Trägern in Bewegung: 909 Lasten, durchschnittlich je 29 kg, also rund 27 Tonnen waren zu befördern! Der Anmarsch nach Khumbu ist wohlbekannt und schon oft beschrieben worden. Darum seien hier nur zwei Zwischenfälle kurz erwähnt:

Am 1. März brach die Kettenbrücke über der Likhu Khola, nachdem schon der grösste Teil der Expedition hinübergegangen war. Mehrere Träger fielen in den Fluss und wurden fortgerissen, andere stürzten auf die Uferfelsen. Glücklicherweise konnten alle gerettet werden, es gab nur leichte Verletzungen.

Bei Ghat im Dudh Kosi-Tal stiess die Expedition auf Pockenkranke. Das wurde sofort nach Kathmandu berichtet und genügend Impfstoff angefordert, der eiligst durch Spezialkurier und teilweise auf dem Luftwege geliefert wurde. Die Ärzte der AMEE zusammen mit ihren Kollegen von der Hillary-Gruppe impften mehr als tausend Leute, und ihren vereinten Anstrengungen gelang es bald, diese Epidemie einzudämmen. Inzwischen hatten die Nachrichtenagenturen natürlich schon, wie üblich, die haarsträubendsten Berichte über Massensterben, Abbruch der Everest-Expedition usw. verbreitet. In Wahrheit starb nur einer unserer Träger, nachdem er die Expedition verlassen hatte.

In Namche Bazar ( 3350 m ), das wir am 7. März erreichten, wurden die nur spärlich bekleideten Tamang-Träger ausgezahlt und durch Khumbu-Leute ersetzt. Zwei Tage später, bei heftigem Schneetreiben, waren wir in der berühmten Lamaserei Tengpoché ( 3770 m ). Der junge Abt, der als Wiedergeburt des verstorbenen Gross-Lama hoch verehrt wird, empfing uns sehr freundlich und lud uns zum Essen ein.

Am 21. März wurde das Standlager ( 5425 m ) errichtet, an einem früheren Termin und etwas näher dem Khumbu-Eisfall als bei allen bisherigen Expeditionen. Fatal, besonders für einen Expeditionsleiter, war nur mein hartnäckiger Kehlkopfkatarrh, so heftig, dass ich wochenlang kaum noch flüstern konnte. Trotzdem wurden alle Nachschubprobleme gelöst, vor allem dank dem Organisationstalent unseres Transportoffiziers, Oberstlt. James O. M. Roberts, der die Sherpa wunderbar zu behandeln verstand.

Seinerzeit hatte ich bei der nepalischen Regierung das Gesuch gestellt, ausser dem Everest auch noch Lhotse ( 8501 m ) und Nuptse ( 7879 m ) angehen zu dürfen. Während meines einsamen Kampfes um die Finanzierung des grossen Unternehmens war dieser Gedanke einer dreifachen Besteigung nicht ohne Wert. Aber sehr viel wichtiger war die Westgratmöglichkeit, eines der letzten Probleme des Everest, über das allerdings zunächst gar nicht gesprochen werden durfte. Erst während des Anmarsches, als wir ganz unter uns waren, fiel die Entscheidung, die Westschulter zu erkunden und gegebenenfalls den Westgrat zu versuchen. Für dieses Unternehmen, eines der grössten im Himalaya überhaupt, war die gesamte Mannschaft einmütig begeistert. Trotzdem musste ich als verantwortlicher Leiter unbedingt an der bekannten Route über Südsattel und SE-Grat festhalten. Daneben, wenn möglich gleichzeitig solle die Westgratroute angepackt werden. Eine Everest-Über-schreitung sei zwar denkbar, aber fast mehr, als man hoffen dürfe.

Am 22. März begannen die Arbeiten im Eisfall. Der « Weg », mit Fähnchen markiert, durch fixe Seile gesichert, wuchs in die Höhe, doch bereits am nächsten Tage ereignete sich ein schweres Unglück: Eine gewaltige Wand brach plötzlich, ganz unerwartet, zusammen und begrub John E. Breitenbach unter vielen Tonnen von Eis. Dieser ausgezeichnete junge Bergsteiger war sicher sofort tot; sein Körper konnte trotz aller Mühe nicht ausgegraben werden. Richard Pownall, sein Seilgefährte, war nur leicht verletzt. Der Sherpa Ang Pema war schlimmer daran: Von der rasch herbeigeeilten Rettungsmannschaft wurde er ins Standlager getragen, wo seine tiefen Gesichtswunden vernäht und seine Schulter eingerenkt wurden; er war bald auf dem Wege der Besserung Immerhin -der Everest hatte bereits auf der Eingangsschwelle zu seinem Reich den ersten Schlag geführt.

Auf Grund meiner Erfahrungen 1952 und 1955 war ich sowieso entschlossen gewesen, kein Lager im Khumbu-Eisfall zu haben, und das war jetzt zwingender als jemals. Aber wie 1955 wurde es notwendig, bei etwa 5850 m ein blosses Depot anzulegen, und das besorgten A. C. Auten, B. C. Bi- shop, J. B. Corbet und D. L. Dingman mit 12 Trägern am 26. März. Gleichzeitig verbesserten sie die Route, spannten neue Geländerseile, bauten Holzbrücken über die grössten Schrunde und stellten beim Depot ein kleines Zelt für Notfälle auf.

Der Durchbruch zum Oberrand des Eisfalles und damit zum Platz für Lager I ( 6160 m ) gelang am 28. März W. F. Unsoeld, J. W. Whittaker, L. G. Jerstad und dem Sherpa Nawang Gombu. Das letzte Hindernis war eine gut 20 m hohe senkrechte Eiswand, die quer über den ganzen Gletscher lief. Es kostete drei Stunden harter Arbeit mit dem ganzen Raffinement der modernen Eis-technik- Eisschrauben, Flaschenzüge, « Jümar-Ascender » ( die Verbesserung und Mechanisierung des alten Prusik-Knotens ) usw., bis sie Einblick in das Western Cwm bekamen, das berühmte Westbecken zwischen Everest, Lhotse und Nuptse. Dann wurde die Eiswand gezähmt und auch für schwer beladene Träger gangbar gemacht - durch den Einbau von Aluminiumleitern, fixe Seile, « Familien-Stufen », und die Oberkante wurde sogar durch einen kleinen Tunnel durchbohrt.

Nun konnte mitten im « Tal des Schweigens » auch Camp II ( 6500 m ) eingerichtet werden, das seit 1952 schon wiederholt als « Vorgeschobenes Basislager » eine wichtige Rolle gespielt hat. Von dort aus wurde - zum ersten Male - der Zugang zum Westgrat erkundet, wobei der gefährliche Gletscherbruch über Camp II auf seiner Ostseite umgangen wurde. Ein langer Quergang oberhalb dieses Eisfalles brachte dann an den Fuss der ungeheuren Schneehänge, die zur Westschulter ( 7300 m ) führen. Unterwegs musste ein Depot angelegt werden, das allerdings nach schweren Schneefällen durch Lawinen gefährdet war und deshalb nicht als Lagerplatz benutzt werden sollte. Camp 3 West ( 7250 m ) entstand dicht unter dem Kamm der Westschulter. Ungewiss blieb vorläufig noch, ob der Westgrat oberhalb der Schulter praktisch begehbar sein würde und ob dort noch drei Hochlager erstellt werden könnten.

Inzwischen waren wir auch auf der klassischen Route nicht müssig: Auf der ersten Terrasse der Lhotse-Flanke entstand Lager III Süd ( 6980 m ) und bei etwa 7590 m Lager IV S. Die Trasse folgte ungefähr unserer Route von 1955. Jetzt mussten noch Geländerseile über Lhotse-Couloir und « Gelbes Band » fixiert werden; dann war der Zugang zum Südsattel frei.

Eine zweite Erkundung am Westgrat konnte nicht alle Zweifel beheben. Jedenfalls war auf dieser Seite ein Gipfelsieg wesentlich Ungewisser als auf der konventionellen Südsattelroute. Darum entschied ich, zunächst hier den Hauptangriff anzusetzen. Am 16. April stiessen Luther G. Jerstad und Richard Pownall mit zwei Sherpa, den Genfer Sporn querend, bis zum Südsattel vor. So früh im Jahre war dieser Col noch nie erreicht worden. Hier wurde nun Lager V S ( 7986 m ) errichtet; der zehntägige Transport von Zelten, Proviant, Sauerstoff, Ausrüstung usw. bis auf den « höchsten Pass der Welt » war allerhärteste Arbeit.

Der 21. April brachte einen bösen Zwischenfall: Daniel E. Doody, unser Filmmann, klagte über starke Schmerzen in einem Bein, was von Dr. Gilbert Roberts, einem unserer Ärzte, sofort als akute Venenentzündung mit Thrombose erkannt wurde. Glücklicherweise konnte das Schlimmste verhütet werden, aber der Kranke musste natürlich ins Standlager hinunter und schied endgültig aus der Angriffsmannschaft aus. Doody, 29 Jahre alt und guter Bergsteiger, hatte die Aufgabe gehabt, die Everest-Besteigung tunlichst bis zum Gipfel zu filmen. Nun musste ich versuchen, ihn zu ersetzen und möglichst hoch hinauf zu filmen, obwohl ich 16 Jahre älter bin und als Expeditionsleiter schon mehr als genug zu tun hatte.

Das Wetter, das bisher aussergewöhnlich gut gewesen war, begann sich zu verschlechtern, und am 25. und 26. April schneite es sogar stark. Die Tätigkeit an der Lhotse-Flanke musste wegen Lawinengefahr eingestellt werden; es wurde bereits davon gesprochen, ob wir uns nicht vorübergehend ins Standlager zurückziehen sollten. Da klarte es am 27. April morgens auf, und die erste Mannschaft setzte sich bergwärts in Bewegung. Wir waren zu viert: James W. Whittaker, genannt Big Jim ( 195,6 cm gross ), und Nawang Gombu bildeten die Gipfelseilschaft; Ang Dawa IV, mein alter Sherpafreund und Gefährte, und ich waren Helfer- und Filmgruppe. Die Nacht verbrachten wir in Lager IIIS ( 6980 m ) und benutzten zum ersten Male Schlafsauerstoff, je 1 Flasche für 2 Mann und 1 Liter Sauerstoff pro Minute. Aber die dazu benötigten T-Stücke und die speziellen Schlaf-masken erwiesen sich als so lästig, dass wir in Zukunft nur noch die von Tom Hornbein entwickelten Atmungsgeräte verwendeten. Das verbesserte unseren Schlaf wesentlich, kostete allerdings doppelt soviel Sauerstoff.

Am 28. April ging es weiter nach Lager IV S ( 7590 m ), zusammen mit 12 schwer beladenen Sherpa. Wir vier gebrauchten bereits die Sauerstoffgeräte; der oft durch Filmaufnahmen unterbrochene Aufstieg - gut 600 Höhenmeter - war daher nicht allzu erschöpfend. Abends wurde jedoch mein Regulator undicht, d.h. der Mechanismus, der denhohen Druck der Sauerstoff-Flasche zu reduzieren und den Gaszufluss zu regeln hat. Ein Ersatz war im Augenblick nicht zu beschaffen; nur mein treuer Ang Dawa erbot sich sofort, seinen intakten Regulator mit dem meinen auszutauschen.

Am nächsten Morgen hatte ich zunächst den Abmarsch von Lager IV S zu filmen; danach konnte ich mit Ang Dawa und Pasang die andern nicht mehr einholen. Das Wetter wurde immer schlechter, die steilen Schneehänge und der Quergang zum Genfer Sporn schienen mir endlos. Unser Weg führte nicht mehr - wie bei früheren Expeditionen - über die Kuppe des Genfer Sporns hinüber, sondern er schnitt ihn, um ohne Höhenverlust zum Südsattel zu gelangen. Im Schneesturm tauchten plötzlich 3 Sherpa auf, die ihre Lasten am Col gelassen hatten und auf dem Rückmarsch nach Lager IV waren. Mit ihnen sollte Pasang absteigen; seine Last mussten Ang Dawa und ich übernehmen. Entschlossen setzten wir uns wieder in Bewegung, aber bald merkte ich, dass ich es mit 32 kg auf dem Rücken auch beim besten Willen nicht schaffen würde. Glücklicherweise kannten Jim Whittaker und Nawang Gombu unsere Lage, und sie hatten uns zwei Sherpa entgegengesandt, um unsere Lasten etwas zu erleichtern. Trotzdem... als wir den « einsamsten Ort der Welt » erreichten, taumelte ich vor Erschöpfung. An den 3 Vier-Mann-Zelten zerrte der Sturm; der Südsattel war genau so ungastlich, wie ich ihn mir immer vorgestellt hatte. Gombu brachte so viel Energie und Hilfsbereitschaft auf, aus dem Zelt zu kommen und mir Steigeisen und Seil abzunehmen.

Die Nacht war kalt und windig, aber dank Sauerstoff und Schlafpillen ruhten wir uns einigermassen aus. Ernste Sorge machte mir nur unser zu grosser Sauerstoffverbrauch: im Ruhezustand 1 Liter je Mann und Minute, also doppelt soviel, als wir vorgesehen hatten.

Der Morgen des 30. April war hell, aber stürmisch; am Everest hing die « Feder », eine ungeheure Schneefahne. Die Sherpa -Träger hatten es heute sehr eilig und starteten als erste. Dann folgten « Big Jim » und Gombu, während ich mit Ang Dawa zurückblieb, um den Aufbruch zu filmen Wieder kämpfte ich mit dem undichten Regulator, ersetzte einige Teile, zog jede Schraube an, aber es half nicht viel. Als wir uns endlich anseilen und starten konnten, waren die 8 Träger nicht mehr zu sehen und auch Jim/Gombu schon in weiter Ferne.

Nahe dem zum SE-Grat hinaufziehenden steilen Couloir fühlte ich plötzlich einen Seilruck: Ang Da was Atmungssack bekam kein Gas mehr. Ich stieg zu ihm hinunter, wechselte die Sauerstoffzylinder aus und warf den leeren fort, was seine Last um 6,35 kg erleichterte. Aber die Hälfte des Sauerstoffes hatte er nun verbraucht, und dass das Gas aus der vollen Flasche durch das schadhafte Regulatorventil herauszischte, war fatal.

Die vorausgegangenen 8 Sherpa hatten bei den Felsen links vom Couloir gewartet, bis Big Jim mit Gombu erschien und die Führung übernahm. Ang Dawa und ich waren weit zurück. Sorgfältig sichernd stiegen wir zum Kamm des SE-Grates hinauf, kamen an den Ruinen des höchsten indi- sehen Lagers vorbei und auch an den Resten des Zeltes, wo Lambert und Tensing die denkwürdige Nacht im Mai 1952 verbracht hatten. Inzwischen waren höher oben zwei kleine Zelte aufgestellt worden, Lager VI S ( 8370 m ).

Auf ihrem Rückweg zum Südsattellager begegneten uns die Sherpa, 7 von ihnen zu meinem Entsetzen noch mit ihren Sauerstoff-Flaschen, die - nur teilweise geleert - planmässig in Lager VI gelassen werden sollten. Alle Bitten von Big Jim und Gombu waren vergeblich gewesen, die Leute wollten sich unter keinen Umständen von ihren geliebten Sauerstoffgeräten trennen. Nur Dawa Tensing bereute und gab uns seinen Apparat, so dass mein Ang Dawa endlich wieder ein einwandfreies Gerät bekam.

Nun gingen auch wir beide hinauf nach Lager VI S. Zehn Männer hatten zwei Stunden harter Arbeit gebraucht, um eine halbwegs ebene Plattform zu schaffen, wo zwei miteinander verbundene Zwei-Mann-Zelte aufgestellt werden konnten. Ich war so erschöpft, dass ich kaum hineinzukriechen vermochte. Erst später wurde mir bewusst, dass dieses unser oberstes Lager nicht weit genug hinaufgebracht worden war. Das Sturmlager von Hillary/Tensing Norkay 1953 hatte bei etwa 8500 m gestanden.

Die Nacht war - dank dem Sauerstoff- ganz angenehm, aber am Morgen des l.Mai war « die Feder », eine riesige Schneefahne, dicht über uns; Lhotse war kaum zu sehen. Nach kurzem Frühstück, um 6.30 Uhr, traten Big Jim und Nawang Gombu an. Zuletzt sagte ich Ihnen noch: « Wartet nicht etwa auf uns! Wir werden sehen, wie hoch wir kommen können. Falls das Wetter sich bessert, hoffen wir den Südgipfel zu erreichen, um euch beide auf dem Schlussgrat zu filmen » Ich hatte also nicht die Illusion, selbst bis auf den Hauptgipfel zu gelangen. In sechs Tagen war mein 45. Geburtstag, und was ich zu tragen hatte - 2 Sauerstoffzylinder, 2 Photokameras, 1 berufliche 16-mm-Film-kamera, Spezialkleidung, Film usw. wog rund 25 kg; Ang Dawas Last war mindestens ebenso schwer.

Wir seilten uns an und folgten den Spuren von Jim und Gombu, aber es wehte so stark, dass die Stufen bald ausgefüllt waren; ich musste frisch spuren. Unsere Lasten schienen uns furchtbar schwer und die Brillen wurden durch den Flugschnee immer wieder unsichtig. Obwohl wir die Regulatoren auf 4 Liter Sauerstoff pro Minute eingestellt hatten, kamen wir nur sehr langsam vorwärts. Schlechter Fels unter dem fusstiefen, lockeren Schnee machte die Sicherung ziemlich illusorisch. Nach links über abschüssige Bänder, dann durch eine Schneerinne hinauf, so gewannen wir den Grat, wo die Spuren der Gipfelmannschaft wieder gut erhalten waren.

Als wir der Kante folgten, konnten wir kaum ein paar Schritte weit sehen. Es war ein unangenehmes Gefühl, die rechte Hand mit dem Eispickel in Tibet zu wissen, über der steilen Wand, die mehr als 3000 m tief zum Kangchung-Gletscher hinabschiesst. Von Zeit zu Zeit schauten wir auf den Lhotse zurück, der durch den Schneeschleier der « Feder » nur schwach sichtbar war. Jetzt waren wir ungefähr in gleicher Höhe mit seinem Hauptgipfel ( 8501 m ), dann deutlich höher. Weiter ging es, den verwehten Spuren in das Nichts folgend, drei bis vier Atemzüge für jeden Schritt. Ich begann die Schritte zu zählen - nach je 20, dann nach je 10 Schritten eine kurze Rast.

Plötzlich ein Ruck am Seil: Ang Dawa bekam keinen Sauerstoff mehr und schien in ernsten Schwierigkeiten zu sein. Ich stieg zu ihm hinunter und entdeckte, dass sein Zylinder leer war. Also Flaschenwechsel, der leere Zylinder blieb zurück, weiter. Dort, wo der Grat flacher wird, bevor er sich zum Südgipfel aufschwingt, war auch mein Sauerstoff zur Hälfte verbraucht, und Ang Dawa half mir bei diesem neuen Flaschenwechsel. Ich sagte ihm, dass es damit für uns zu Ende sei, und wandte mich zum Abstieg. Er sah mich verständnislos an: « Up go, Bara Sahib ?! » sagte er, nach oben zeigend. Ich schüttelte den Kopf: « Hier müssen wir umkehren. Wenn wir weitergehen, reicht

Hindukusch

121 Der Westgrat des Urgend, 7038 m unser Sauerstoff nur noch bis halbwegs zwischen Südgipfel und Hauptgipfel. Dann haben wir kein Gas mehr und kommen nicht lebend hinunter. Wir können auch den Hauptgipfel ohne Sauerstoff nicht erreichen, wären also nicht einmal tote Helden auf dem höchsten Gipfel der Welt. » Weiter versuchte ich ihm zu erklären, dass unsere Hauptaufgabe gewesen sei, Big Jim und Gombu zu unterstützen und möglichst hoch hinauf zu filmen. Wir hätten die schwere Filmausrüstung bis 8600 m geschleppt, aber in dem Schneetreiben sei das jetzt ganz nutzlos. Also zurück! Endlich hatte mein braver Ang Dawa begriffen, und wir traten den Abstieg an, langsam und mit aller Vorsicht. Um 13.30 Uhr waren wir in Lager VI S ( 8370 m ), schwer erschöpft und in ernster Sorge um unsere Gipfelseilschaft.

Zur gleichen Zeit kämpften Jim Whittacker und Nawang Gombu ihren grossen Kampf. Sie hatten je eine noch teilweise gefüllte Sauerstoff-Flasche bei etwa 8660 m deponiert, um ihre Lasten etwas zu erleichtern, in der Hoffnung, dass ein voller Zylinder für jeden sie zum Gipfel und zurück bringen werde. Um 11.30 Uhr erreichten sie, Jim als Erster, den Südgipfel ( 8760 m ), wo der Sturm sie mit voller Wucht packte. Ist es überhaupt menschenmöglich, bei diesem Wetter den abschreckend aussehenden Schlussgrat zu begehen? Nach kurzem Zögern ist der Entschluss gefasst, den Versuch zu wagen. Vorwärts!

Gut zehn Meter hinab in die Scharte hinter dem Südgipfel und jenseits hinauf, zwischen den ungeheuren Wächten, die rechts in die furchtbare Kangchung-Flanke hinaushängen, und den Felsen zur Linken, so kämpfen sie sich durch den Sturm zu « Hillarys Kamin », der sie nicht aufhalten kann. Weiter geht es über eine Folge von Wellen im Schneegrat und dann.. hält Big Jim an und wartet auf Gombu: « Du zuerst, Gombu! » « Nein, Ihr geht als Erster », antwortet der kleine Mann. « Gehen wir zusammen! » So gingen sie die letzten paar Schritte nebeneinander zum höchsten Punkt, hinter dem es überall in die Tiefe geht. Sie umarmten sich und kämpften um ihr Gleichgewicht, auf dem sturmumtobten Gipfel der Welt. Es war 13 Uhr, 6*4 Stunden nach ihrem Aufbruch von Lager VI.

Genau auf der Spitze ( 8848 m ) trieb Jim eine Aluminiumstange ein, an der die amerikanische Flagge befestigt wurde.Von der Büste Mao Tse-tung's, welche die Chinesische Expedition 1960 hier aufgestellt haben soll, war nichts zu sehen. Dann folgten die obligatorischen Gipfelaufnahmen, verschiedene kleinere Fahnen in den Händen von Jim und Gombu. Gegen Westen und nach Tibet hinein war die Aussicht klar, aber Osten und Süden waren durch die gewaltige « Feder » des Berges verdunkelt.

Als der Abstieg begann, merkten sie mit Entsetzen, dass die Sauerstoffzylinder leer waren. Bei einer Einstellung auf 4 Liter je Minute sollte eine volle Flasche fast 4 Stunden ausreichen, und jetzt -nur 2 Stunden, nachdem sie die anderen Zylinder unter dem Südgipfel abgelegt hatten - waren sie ohne Sauerstoff. Wie konnte das geschehen? Bei ihrem grimmigen Kampf um den Gipfel hatten sie auf das Manometer nicht geachtet. Diese Erkenntnis traf sie schwer. Nach Atem ringend warfen sie die leeren Flaschen weg und setzten - Gombu voraus - vorsichtig den Abstieg fort. Plötzlich brach zwischen den beiden Männern ein grosses Wächtenstück und stürzte zum Kangchung-Gletscher hinunter. Einige Fussstapfen waren verschwunden, Jim zog am Seil, um Gombu das klaffende Loch zu zeigen, und sie rückten näher an die Felsen heran.

Am tiefsten Punkte des Gipfelfirstes, in der Scharte vor dem Südgipfel, hatte Jim ein dringendes menschliches Bedürfnis. Während der grosse Mann einen mühevollen Kampf mit dem Gepäck und den zahlreichen Schichten seiner Kleidung führte, kletterte der kleine Mann zur Spitze des Südgipfels hinauf. Nach einer Viertelstunde war Jim so weit, ihm zu folgen, und da geschah es: In seiner Erschöpfung glitt er aus, und schon hing er kopfüber am Seil, durch seine schwere Traglast 17 Die Alpen - 1964 - Les Alpes257 noch rückwärts gezogen. Er schrie, aber Gombu oben, im heulenden Sturm, konnte ihn nicht verstehen und zog bloss mit aller Kraft, was es für Jim fast unmöglich machte, wieder auf die Beine zu kommen Erst nach wirklich verzweifelter Anstrengung war er wieder auf seinen Füssen und hackte den Steilhang hinauf, etwa fünf Minuten für jede Stufe. Das war das allerschlimmste Stück und zum ersten Male begann Jim ernstlich zu zweifeln, ob sie lebend davonkommen würden.

Endlich war er glücklich oben, fiel, nach Luft ringend, in den Schnee und versuchte, seine Kräfte wiederzugewinnen. Vom Hauptgipfel bis hierher hatten sie fast drei Stunden gebraucht. Auch Gombu war ziemlich « fertig », der Sauerstoffmangel hatte sich bei beiden ausgewirkt. Aber der Lebenswille half ihnen weiter, den steilen Grat des Südgipfels hinunter: abwechselnd gehend, sich gegenseitig sorgfältig sichernd, blieben sie alle paar Schritte stehen und schnappten nach Luft. So erreichten sie das Depot ( 8660 m ), wo ihre halbvollen Sauerstoff-Flaschen lagen, und gierig saugten sie den Lebensatem in vollen Zügen ein. Schon viele Stunden hatten sie auch keine Flüssigkeit mehr gehabt; der Inhalt ihrer Feldflaschen war längst zu Eis geworden.

Inzwischen hatten Ang Dawa und ich uns etwas erholt, indem wir uns möglichst warm hielten und 1 Liter Sauerstoff je Minute atmeten. Essen und Getränke für die Gipfelseilschaft hatten wir vorbereitet, und nun warteten wir in wachsender Sorge. Es wehte noch immer stark, und der Grat über uns war kaum zu sehen. Endlich, um 17.30 Uhr, begannen kleine Schneeschollen und Steine die Zelte zu treffen, und da kamen die beiden herunter, sehr langsam. Als sie in Hörweite waren, rief Ang Dawa zu Gombu hinauf, und dieser machte mit seinem Pickel das Siegeszeichen. Grinsend drehte sich Ang Dawa zu mir um, und wir umarmten uns.

Big Jim und Nawang Gombu taumelten vor Erschöpfung und brauchten fast eine halbe Stunde, bis sie Steigeisen, Seil und Lasten abgelegt hatten und ins Zelt kriechen konnten. Ich wäre so gern hinausgestürzt, um ihnen zu gratulieren und zu helfen, aber ich hatte dazu nicht die Kraft. Meine Glückwünsche und Bewunderung für ihre übermenschliche Leistung konnte ich nur leise krächzen, und dann brachten wir ihnen Tee, Fleischbrühe, getrocknetes Rindfleisch, Pfirsichkompott und immer wieder Tee.

Mit Lager V S ( 7986 m ), wo die zweite Mannschaft für den Gipfelangriff bereitstand, bekam ich keine Radioverbindung, aber glücklicherweise hatte man dort das Wetter zu schlecht gefunden und war im Südsattel geblieben. Wir vier mussten sowieso in Lager VI S ( 8370 m ) bleiben, die zweite Nacht in dieser extremen Höhe... und der Sauerstoff ging aus!

Unser Abstieg am 2. Mai in unserer derzeitigen Verfassung, über trügerische verschneite Felsen und ohne Sauerstoff, war ein Alpdruck, und als wir endlich den Südsattel erreichten, war ich tatsächlich dem Tode durch Sauerstoffmangel ganz nahe. Meine Kameraden Jerstad, Bishop und Pownall standen mir bei: ich legte mich auf den Schnee, bekam eine Maske über das Gesicht und atmete ein paar Minuten das Maximum von Sauerstoff. Dann war ich wieder kräftig genug, allein in mein Zelt zu kriechen. Dabei dachte ich an meinen guten Freund Sir John Hunt, dem es 1953 ganz ähnlich ergangen war.

Mit Rücksicht auf das Wetter und den ganz unzulänglichen Bestand an Sauerstoff im Südsattel musste der zweite Angriff auf den Everest verschoben werden; alle sollten jetzt zur Erholung und Reorganisation ins Standlager ( 5425 m ) absteigen. Bis zum Beginn des Sommermonsuns konnte man ja noch auf 3-4 Wochen rechnen. Am 4. Mai waren die meisten Bergsteiger « unten ». An den Ruhetagen wurde nicht nur haufenweise Korrespondenz erledigt, es wurde auch der alle Voranschläge übersteigende Sauerstoffverbrauch erörtert. Für den ganzen Nachschubdienst musste ein neuer Plan ausgearbeitet werden. Das schwerste Problem dabei war, die Sherpa, die in den letzten Wochen schon so viele Hochtransporte gemacht hatten, zu derartigen neuen Anstrengungen zu überreden. Dass dies schliesslich gelang, ist vor allem das Verdienst von J. O. M. Roberts, der bei den Trägern ungemein beliebt war und grösste Autorität genoss. Nach unserem neuen Programm sollten 2 Zweiergruppen am Westgrat, 1 Zweiergruppe auf der Südroute angesetzt werden, alle mit den notwendigen Unterstützungsgruppen. Eine Überschreitung des Berges von Westen sollte nur versucht werden, wenn dieses Unternehmen mit der Südsattelmannschaft zeitlich gleichge-schaltet werden könnte.

Am 9. Mai konnten die Namen der siegreichen Gipfelmannschaft vor der Aussenwelt nicht länger zurückgehalten werden, denn Kathmandu hatte bereits durch Trägergeschwätz das Richtige gehört. Ursprünglich war beschlossen worden, nur die Mannschaftsarbeit zu betonen, keine Helden zu proklamieren und Einzelnamen erst später, nach Abschluss des gesamten Gipfelringens, bekanntzumachen. Aber in der heutigen « Welt der Kommunikation » war das auf die Dauer nicht durchzuhalten, die Nachrichtenagenturen sind allzu « tüchtig ». Nur sehr widerwillig meldete ich also die Namen James W. Whittaker - Nawang Gombu über das Radio.

Auf dem Wege zur Westschulter hatten wir eine Seilwinde installiert, die von einem leichten, aber starken Motor betrieben werden konnte und einen mit Sauerstoff-Flaschen beladenen Skischlitten vom Depot nach Camp 3 W ( 7250 m ) befördern sollte. Unseren Hoffnungen auf diese « Wunder-waffe » war aber nur ein sehr begrenzter Erfolg beschieden. Überdies war es dort nach jedem Schneefall ziemlich lawinengefährlich. Einmal wurden sogar 4 Sherpa und 2 Zelte am Depotplatz von einem Schneebrett hinuntergefegt. Glücklicherweise war niemand verletzt, aber viel Material ging verloren.

Lager 4 W ( 7650 m ) wurde nahe den steilen Felsen des Westgrates errichtet. Da gab es einen schweren Rückschlag: In der Nacht vom 16. zum 17. Mai brach einer der wildesten Stürme los, die wir je erlebt haben. A. C. Auten, J. B. Corbet und 4 Sherpa befanden sich in 2 Vier-Mann-Zelten, die am Eingang miteinander verbunden waren. Gegen Mitternacht merkten die Männer plötzlich, dass die Halteseile sich gelöst hatten und dass sie in immer schnellerem Tempo dem Rongphu-Gletscher - 2000 m tieferzuglitten. Dicht vor der Kante wurden sie wie durch ein Wunder gerettet: In einem wilden Durcheinander von zerfetztem Segeltuch, verdrehten Zeltstöcken und verstreuter Ausrüstung waren die halb betäubten Männer von einer Schneewehe auf einem Sims aufgehalten worden. Durch Dunkelheit und Sturm kämpfte sich Auten zu Unsoeld und Hornbein hinauf, deren Zelt noch stand. Alle drei gingen hinunter und halfen bei der Bergung dessen, was von den beiden grossen Zelten und ihrem Inhalt übriggeblieben war. Dann erwarteten sie, hart angeschlagen, den Morgen eines neuen Sturmtages.

Gegen 9 Uhr nahm Willi Unsoeld Verbindung mit dem Standlager auf. Gerade als er uns mitteilte, dass sie das Lager IV W evakuieren müssten, verlor auch sein Zelt den Halt. Er schrie ins Mikrophon, sie seien schon auf dem Wege, ihr Zelt gleite dem Abgrund zu! Im nächsten Augenblick machte Tom Hornbein einen wilden Kopfsprung durch den Zelteingang, packte eine Zeltstange, spreizte seine Beine weit aus und brachte es fertig, die Abwärtsbewegung des Zeltes aufzuhalten. Da sah Barry Corbet, dass Unsoeld noch immer in das Mikrophon sprach, und wollte zu ihm. Dieser schrie - es war für uns im Standlager ein furchtbar aufregendes Hörspiel: « Nein, Barry, nein! Mach dass du rauskommst! » Corbet Schoss aus dem Zelt, Unsoeld folgte ihm mit so grosser Eile, dass er die Radioantenne abbrach. Trotzdem hörten wir seinen Kommentar weiter, bis er abdrehen musste, um Sauerstoffzylinder auf das zusammengebrochene Zelt zu häufen, damit dieses nicht fortgeweht werde. Jedenfalls war Camp 4 W nur noch eine Ruine.

Die acht Männer brauchten mehr als eine Stunde, um ihre Eispickel zu finden, die Lasten fertig-zumachen und den Abstieg nach Lager 3 W ( 7250 m ) anzutreten. Es war ein langer und schlimmer Rückmarsch: Der Sturm warf sie fast um, zu sehen war gar nichts, die Route war schwer zu finden, alle waren so erschöpft, dass sie herumtaumelten wie betrunken. Trotzdem erreichten sie schliesslich den Schutz von Lager 3 W, wo sie sich allmählich erwärmten und in den nächsten beiden Tagen erholten. Aber der Angriff auf den Westgrat war zerschlagen.

Trotzdem gaben wir nicht auf. Strategie und Zeitplan mussten allerdings abgeändert werden, und ein Gipfeltreffen der Südsattel- und Westgrat-Mannschaften schien aussichtslos. Sogar Tom Hornbein und Willi Unsoeld, die unentwegten Optimisten, hatten da ernste Bedenken. Ursprünglich waren zwei weitere Westgrat-Lager geplant gewesen, aber jetzt - nach den schweren Verlusten an Zelten, Sauerstoff, Butangas usw. wurde beschlossen, nach der Wiederherstellung von Camp 4 W nur noch ein Sturmlager ( 5 W ) so hoch wie möglich vorzuschieben und von dort aus, tunlichst am 22. Mai, einen Zwei-Mann-Angriff zu machen.

Das war das Signal für die Südsattelmannschaft, die schon seit langem darauf wartete. Am 18. Mai verliessen L. G. Jerstad, B. C. Bishop und 3 Sherpa das « Vorgeschobene Basislager » ( 6500 meinen Tag später folgten Dr. D. L. Dingman, Girmi Dorje und 2 weitere Sherpa. Lager 3 S ( 6980 m ) war inzwischen von einer Lawine teilweise verschüttet worden, konnte aber mit einiger Mühe wieder instand gesetzt werden. Das Wetter blieb gut, und am 21. Mai richteten sich Bishop und Jerstad in Camp VIS ( 8370 m ) ein; Pemba Tensing und Nima Tensing, welche dies durch eine bewundernswerte Transportleistung ermöglicht hatten, kehrten zum Südsattellager ( 7986 m ) zurück.

Auf der anderen Bergseite war Camp 4 W ( 7650 m ) am 20. Mai wieder besetzt worden. Das All India Radio meldete, dass der Monsun nun jederzeit am Everest eintreffen könne; jeder Tag war kostbar. Am Morgen des 21.Mai spurten Auten und Corbet voraus; Unsoeld, Hornbein, R.M. Emerson und 5 Sherpa folgten 11/2 Stunden später. Es ging zunächst durch den « Diagonal Ditch », ein langes schräges Couloir in der Nordflanke. Im « Graben » selbst lag meist guter, tragfähiger Schnee, aber streckenweise bekam man es unter einer dünnen Schneelage mit plattigen Felsen in der bekannten unangenehmen Dachziegelstruktur zu tun. Bei einer früheren Erkundung hatten Hornbein und Unsoeld hier etwa 8000 m erreicht, den Fuss einer Schneerinne knapp 1 km westlich des berühmten « Grossen Couloirs », das bei den klassischen Everest-Expeditionen der tibetischen Seite, besonders 1924 und 1933, eine wichtige Rolle gespielt hatte. Am Eingang in die steile Schneerinne, die später « Hornbein-Couloir » getauft wurde, musste Emerson aufgeben. Er litt stark unter Bergkrankheit und hatte sich nur mit äusserster Willenskraft so weit hinauf gekämpft. Alle andern gingen weiter, mit Corbet an der Spitze, der fleissig Stufen schlug. Stunden verstrichen, die schwer tragenden Männer wurden müde; endlich, nachmittags, gelangten sie an die Basis des « Gelben Bandes », und da zeigte sich ein Gesims, kaum 1/2 m breit und 2V2IH lang, der dürftige Platz für das Sturmlager, Camp 5 W ( 8300 m ).

Nach getaner Arbeit trat die gesamte Hilfsmannschaft den Abstieg an, 650 Höhenmeter nach Lager 4 W. Zurück blieben nur Willi Unsoeld und Tom Hornbein, die in den nächsten 1V2 Stunden eine Plattform für ihr kleines Zelt aushackten - ohne Sauerstoff, um möglichst viel Gas für den nächsten Tag zu sparen. Zuletzt sicherten sie das Zelt durch Mauerhaken und mit Hilfe der Pickel, krochen hinein, bereiteten sich ein leckeres Abendessen, drehten ihren Nachtsauerstoff an und schafften es, bis 4 Uhr morgens zu schlafen. Es war der 22. Mai, der entscheidende Tag und tadelloses Wetter.

Drüben am SE-Grat, in Lager VI S ( 8370 m ), begannen Jerstad und Bishop um 5 Uhr, sich ihr Frühstück zu bereiten. Da explodierte der Butan-Kocher, die Flamme versengte Jerstads Bart und verbrannte Bishops Plastikmaske, das Zelt füllte sich mit Rauch, beide sprangen hinaus, um nicht zu ersticken. Dieser fatale Zwischenfall, der fast zur Katastrophe geworden wäre, verursachte eine bedeutende Verspätung: Es wurde 8 Uhr, bis sie aufbrechen konnten, und Bishop war in schlechter Form, so dass Jerstad ständig vorausgehen und die Hauptarbeit übernehmen musste. Nach einer sehr notwendigen Rast auf dem Südgipfel ( 8760 m ), wo sie den noch vorhandenen Sauerstoft-bestand prüften, gingen sie den Schlussgrat mit reduzierter Gasration an. Kurz vor 15.30 Uhr sahen sie die amerikanische Flagge auf dem Gipfel der Welt, an der Aluminiumstange, die Jim Whittaker vor genau drei Wochen aufgepflanzt hatte. Gerührt und erleichtert stiegen sie die letzten paar Schritte zusammen hinauf.

Die nächsten 45 Minuten waren den photographischen und filmischen Arbeiten gewidmet. Dieses einzigartige Gipfelpanorama war ja diesmal ganz klar. Immer wieder hielten sie auch Ausschau den Westgrat hinunter, aber von der Seilschaft Unsoeld/Hornbein war noch nichts zu sehen oder zu hören. So traten sie endlich den Abstieg an.

Was war inzwischen am Westgrat geschehen? Um 7 Uhr morgens waren Unsoeld und Hornbein von Camp 5 W ( 8300 m ) aufgebrochen. Es war schwerer, als sie erwartet hatten; der vorausgehende Unsoeld musste in dem steilen Couloir fast ununterbrochen Stufen schlagen. Tom Hornbein fühlte sich zunächst nicht wohl; jedesmal, wenn er aufschloss, bat er keuchend seinen Freund, weiter zu führen. Erst später entdeckte er, dass er durch einen Fehler des Regulators weniger als 1 Liter Sauerstoff pro Minute bekommen hatte. Stellenweise verengte sich das « Hornbein-Couloir » zum Riss, durch den man sich kaum durchzwängen konnte. Ständig war es so steil, dass es kein Ausruhen gab, keinen Platz, sich einmal zu setzen.

Auch oberhalb des « Gelben Bandes » ( gelbliche Kalkphyllite und Kalksandsteine ) liessen die Schwierigkeiten nicht nach; wer vorausging, musste manchmal die Handschuhe ausziehen und mit blossen Händen klettern - in dieser extremen Höhe eine bedenkliche Sache. Meist war der Fels so schlecht, dass auch Haken nicht viel Sicherheit gaben. Gegen 15 Uhr war « point of no return » überschritten; für einen Abstieg hatten sie nicht genug Haken und viel zu wenig Seil. Also weiter « entweder - oder! » Zeitweise waren sie sich über ihre Position zum Hauptgipfel nicht ganz klar. Sie waren etwas zu weit nach links, gegen den NE-Grat hin, gekommen Deshalb querten sie nach rechts, über offene Plattenschüsse, zur Kante des Westgrates, wo der Wind sie mit voller Kraft traf. Die Kletterei auf der Gratschneide wurde immer schwieriger, so dass sie die Steigeisen und Überschuhe abnehmen mussten. Es folgten vier Seillängen: sehr ausgesetzt und geradezu begeisternd, der Fels - die grauen Kieselkalke des Gipfels - war relativ gut und griffig, sie konnten sogar in Handschuhen klettern. Nach rechts sahen sie zum Südgipfel hinüber, und dann, als sie langsam den letzten Schneehang hinaufstiegen, erschien über ihnen die amerikanische Fahne, in den letzten Strahlen der Abendsonne glänzend und wild im Sturme flatternd. Sie umarmten sich und gingen die letzten Schritte zusammen, wortlos vor Freude.

Es war 18.15 Uhr, gerade noch Licht für ein paar Aufnahmen, dann eilten sie dem Südgipfel zu, dankbar für die Spur Jerstad/Bishop. Nur einmal blieb Unsoeld lange genug stehen, um durch sein Walkie-Talkie das Vorgeschobene Standlager rasch zu informieren. Der Geologe Dr. Maynard M. Miller, der in Lager II stationiert war, hörte zu seinem Erstaunen aus dem Radio plötzlich Verse des amerikanischen Lyrikers Robert Frost:

«... I have promises to keep, and miles to go before I sleep... » Als sie durch « Hillarys Kamin » hinabstiegen, ging die Sonne unter, und noch bevor sie auf dem Südgipfel waren, setzte die Dämmerung ein. Hornbein, der jetzt in besserer Verfassung als Unsoeld war, erschrak, als er das Zischen von entweichendem Sauerstoff hörte. Der Regulator war jedoch nicht zerbrochen, und der kleine Schaden konnte bald behoben werden. Sie begannen, auf dem im oberen Teil recht steilen SE-Grat abzusteigen. Es war schon so dunkel, dass sie die Spuren ihrer Vorgänger kaum noch erkennen konnten, und das Licht der Taschenlampe wurde immer schwächer. Da riefen sie, so laut sie konnten, und wirklich - von unten kam Antwort!

Jerstad und Bishop, schwer erschöpft, waren nur sehr langsam vorwärts gekommen und vom Südgipfel mit grösster Vorsicht abgestiegen. Als sie um 20 Uhr bei etwa 8625 m waren, hatten sie zum ersten Male das Blinken der Taschenlampe gesehen und zwei Stunden auf ihre Westgrat-Kameraden gewartet. Nun war es so weit, sie waren vereint und setzten zu viert den Abstieg in tiefer Dunkelheit fort. Nach einigen bedenklichen Stürzen war ihnen klar, dass es aussichtslos war, bei Nacht, ohne Laterne und in ihrer derzeitigen Verfassung Lager VIS erreichen zu wollen. Kurz nach Mitternacht, bei etwa 8530 m, machten sie halt, auf einem kleinen Felsband unter der Gratkante. Ein Biwak in dieser Höhe, ohne Zelt, ohne Schlafsäcke, ohne Sauerstoff! Die Temperatur sank auf -28° C. Hätte das übliche Everestwetter geherrscht, so hätte wahrscheinlich keiner der vier Männer dieses Freilager - das höchste, das jemals auf einem Berge verbracht worden ist - überlebt. Aber Chomolungma, die « Göttin-Mutter », lächelte gnädig, der Wind schlief ein.

In Lager VI S ( 8370 m ) wachten in dieser Nacht Dr. David L. Dingman, einer der Expeditionsärzte, und Girmi Dorje voller Sorgen, die allmählich fast zur Gewissheit wurden, dass die vier Gipfel-männer den Tod gefunden haben müssten. Am frühen Morgen des 23. Mai - das Schönwetter hielt an - begaben sie sich auf die Suche, selbst keinen Sauerstoff atmend, um möglichst viel bereit zu haben, falls es doch Überlebende gäbe... Da kamen die Vier! In solcher Höhe haben Patienten noch niemals ihren Arzt begrüssen können. Sie erhielten frischen Sauerstoff, heisse Getränke usw., und dann gingen alle zum Lager VI. Bishop und Unsoeld hatten schwere Frostschäden an den Zehen. Trotzdem konnten sie nach kurzer Rast noch mit eigener Kraft absteigen, an diesem Tage bis Lager I I ( 6500 m ). Am Abend des 24. Mai waren alle unten im Standlager.

Am gleichen Abend meldeten sich 275 Träger für den Abtransport, und am 25. Mai morgens trat die AMEE den Rückmarsch nach Kathmandu an - in heftigem Schneesturm! Wir hatten wirklich Riesenglück gehabt; es war der Monsuneinbruch in der Everestregion!

Unsoeld, Bishop und Jerstad mussten nach Namche Bazar getragen werden. Einen Helikopter hatte ich per Radio angefordert, sobald die Erfrierungen bekannt geworden waren, und bereits in den frühen Morgenstunden des 27. Mai wurden Unsoeld und Bishop in das United Missions Hospital in Kathmandu geflogen. Später mussten ihnen alle Zehen abgenommen werden, während Hornbein und Jerstad keine dauernden Schäden davongetragen haben.

Am 9. Juni erreichte die gesamte Expedition Kathmandu. Nach einer Reihe von wunderschönen Feiern dort, in Indien und in der Schweiz zerstreuten sich die Männer der AMEE wieder in alle Winde, um sich mit ihren lange wartenden Familien zu vereinen.

Der Mount Everest ist für mich in den letzten 11 Jahren Freund und Feind gewesen. Als wir durch Tengpoché kamen, verabschiedeten wir uns herzlich von dem Hoch-Lama. Er sah sehr zart, einsam und verloren aus. Wir waren gute Freunde geworden. Langsam schritten wir durch das Klostertor, die Berge waren in schwere Wolken gehüllt, Mount Everest war unseren Blicken verborgen. Das machte mir den Abschied etwas leichter. Nun kehre ich zurück in das andere Leben...

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