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Le sourire de l'été

Remarque : Cet article est disponible dans une langue uniquement. Auparavant, les bulletins annuels n'étaient pas traduits.

Romain Vogler, Genf

Und wieder kommt der Sommer, die Zeit der Ernte, auch für die Kletterer: Normalrouten, klassische Aufstiege, Erstbegehungen -bunt gemischt kommen sie in sein Tourenbuch. In vergangenen Zeiten brachte man unberührte Gipfel nach Hause, später Grate, schliesslich Wände. In jüngster Zeit waren es die Direkten und, noch perfekter, die Direttis-simarouten: die Fallirne als Ideal, dank grosszügiger Verwendung von Haken. Heute hat sich der Trend wieder gewandelt: freies, um-weltbewusstes und -angepasstes Klettern ist Trumpf. Die Routenwahl wird subtiler, die Wege verschlungen und verwinkelt, jede Schwäche des Gesteins ausnützend. Die Begehung , ( all clean> ist erklärtes Ziel und Ideal. Allerdings, will man längere Routen erschliessen, sind Kompromisse manchmal unumgänglich - und die alten Auseinandersetzungen wie zu Preuss'Zeiten flammen wieder auf. Doch sollte man etwa auf herrliche Freikletterrouten verzichten, einzig wegen einer kurzen, glatten Platte, die nur mit Bohrhaken zu bewältigen ist? Immer mehr drängt sich folglich der Bohrhaken auch bei Neutouren im Hochgebirge auf, wo er, wie in den Klettergärten, vor allem der Sicherung und weniger der Fortbewegung dient.

Im Jahr 1982 ist es kaum mehr möglich, im Gebiet um Chamonix wirklich neue und sich natürlich ergebende Routen zu eröffnen. Die gute alte Zeit von Bonatti und Contamine ist vorbei! Die heutigen Entdecker müssen sich mit den Brosamen begnügen. Die Eisgänger sind da in einer glücklicheren Lage, seit ihnen neue Pickelformen die Zugtechnik ermöglicht haben und sich so die Pforte zu einem noch weitgehend unberührten Reich steilster Eisrinnen aufgetan hat. Demgegenüber haben Haken und Holzkeile schon praktisch alle Risse des Massivs erobert, selbst dort, wo ein hohes Mass an Akrobatik verlangt wird. Das grosse Verdienst unserer Vorgänger besteht darin, die lotrechten Pfeiler und scheinbar unbegehbaren Wände bezwungen zu haben. Heute jedoch hat das Mont-Blanc-Gebiet durch die Infrastruktur von Seilbahnen und die Helikopterflüge viel von seinen ursprünglichen Anforderungen eingebüsst; zudem ist, rein technisch gesehen, für den modernen Kletterer eigentlich alles möglich. Die Schwierigkeit besteht heute bald weniger darin, eine neue Route zu meistern, als sie zu finden! Es braucht dazu beträchtliche archivarische Fähigkeiten, und man sieht sich ganze Regentage lang damit beschäftigt, in den Karten zu schnüffeln und allerlei Berichte durchzuackern. Dies in der Hoffnung, endlich auf etwas Brauchbares zu stossen. Es muss aber auch gesagt werden, dass die Klemmkeile es leicht gemacht haben, im Granit unbekanntes Terrain zu begehen, so dass eigentlich kaum mehr ein Unterschied zwischen Erstbegehung und x-ter Wiederholung besteht. Warum also nicht einen eigenen Weg suchen und sich so davon befreien, eine oder einen beschriebenen Routenverlauf einhalten zu müssen? Abgesehen davon sind die klassischen Führen überlaufen, und die Biwakbedingungen etwa am Frêney- oder am Walkerpfeiler sind prekär.

In den letzten Jahren hat der grosse sommerliche Bergsteigerauszug auch mich erfasst: meinem Hausberg, dem Salève, habe ich den Rücken gekehrt, um die hehre Alpenwelt zu entdecken.

Erste Eindrücke: Morgengrauen auf einem öden und kalten Parkplatz, Schlangestehen vordem Billettschalter, eine Seilbahnkabine, geschwängert mit menschlicher Ausdünstung, erfüllt von grosssprecherischen Reden.

Nach den beengenden Tunnels rückt endlich der herrliche Granit in Griffnähe... autsch! zu früh frohlockt: schon zerquetscht eine Vibramsohle meine Finger, und die Trittleiter des Kletterers, dem ich hart auf den Fersen bin, baumelt gefährlich nahe über meinem Scheitel - und überhaupt kann ich gar nicht weitersteigen, da sich meine Seile mit denjenigen des Nachfolgenden verwickelt haben. Trotz allem gilt meine besondere Vorliebe dem Envers du Tacul und den Aiguilles von Chamonix, vor allen anderen Gipfeln des Massivs. Dies wegen ihrer hervorragenden Felsqualität und des leichten Zugangs. Ich bin eben im Innersten ein Felskletterer, dem vereiste Wände und die Einsamkeit des Hochgebirges Schreck einjagen. Wahrhaftig eine Zwickmühle für einen, der die beruhigende Ambiance der kleinen, sonnenbeschienenen Flühe liebt und zugleich der sich herbeidrän-genden Massen überdrüssig ist.

Warum also nicht neue Wege einschlagen in unmittelbarer Nähe der klassischen Führen? Von ( Erstbegehungen> wage ich allerdings kaum zu sprechen, folge ich doch zwischenhinein über ganze Längen bestehenden Routen. Man kann mir sogar den Vorwurf machen, etwas zusammenzustiefeln und verwirrliche Wege kreuz und quer durch die klassischen Routen hindurch zu legen. Andererseits gelange ich auch so unweigerlich an mein Ziel, höchste Sinnenfreude zu erfahren, einen Zustand zu erreichen, der dem Nirwana vergleichbar ist. Der Granit ist hier ausgezeichnet, manchmal golden und von kleinen Warzen durchsetzt, etwa am Grand Capucin, dann wieder hellgrau und stark zerklüftet wie in der Südwestflanke der Aiguille du Midi, oder auch schwarz gekörnt und rauh wie in den grossen Platten der Peigne. An der Pointe Lachenal bietet der Fels noch Erstaunlicheres: ein paar verlorene Quarzadern durchziehen die Platten und führen den Kletterer durch die senkrechte Weite.

Die Route Le Sourire de l' été am Grand Capucin befindet sich in einer aussergewöhnlichen Umgebung, wild und lieblich zugleich. Das richtet man mit Vorteil auf den oberen Terrassen ein. Hier kann man die schwere alpine ( Rüstung ) ablegen, um sodann leichtfüssig der Sonne entgegenzustreben. Wiederholern empfehlen wir, den ersten fünf Längen in herrlicher Freikletterei zu folgen und dann, auf der Höhe der Dächer, über die Voie In der ersten Seillänge der Route

Zu Beginn dieses Sommers schlagen Gaetano und ich unser Zelt am Col du Midi auf und erkunden zwei Tage lang kletternd die Umgebung. Ergebnis des ersten Tages ist La Dame du Lac, in den Rissen der Südwestwand der Aiguille du Midi. Diese Wand ist nicht gerade hoch, dafür aber extrem steil, was kom-promissloses, athletisches Klettern mit Klemmkeilen im verlangt. Die Schlüsselstelle, von Gaetano entdeckt, besteht in einer delikaten Plattentraverse zwischen zwei Dächern hindurch. Neben der Ré-buffet sollte man es nicht versäumen, die Monsieur de Mesmaekerzu begehen, eine 184wunderschöne Entdeckung der Seilschaft Piola-Steiner.

Am folgenden Tag lassen wir unserer Phantasie in den Quarzadern der Pointe Lachenal freien Lauf. Vier Längen in jungfräulichem Fels, ein Ballett hart an der Haftungsgrenze, Platten, auf denen die Quarzadern ein Labyrinth zeichnen. Es folgen die vertikal verlaufenden Risse der Afanassieff, die wir zügig-kraftvoll durchsteigen und deren klare Linie in scharfem Kontrast zum Puzzle der vorangegangenen Längen steht. Zwei Wochen später eröffnen Alexis und Gérard Long

Verglichen mit diesen sonnenüberfluteten Routen wirkt die schattige Wand des Peigne ein wenig streng. Andererseits ist der Blick auf die Alpweiden des Plan de l' Aiguille so lieblich und das Glockengebimmel der Schafherden so klar und nah, dass man sich in den Voralpen wähnt, und nicht in einer Westwand des Mont-Blanc-Massivs. Die Aquaplaning gilt als sehr abwechslungsreiche Route; sie ist aber auch recht heikel, da sie fast überall feucht ist, was an heissen Tagen wiederum eine angenehme Frische bewirkt. Demgegenüber zeigt sich die Passe Mongole\/\e\ einladender und leicht zu wiederholen, stecken hier doch alle notwendigen Haken. Es handelt sich dabei nicht um eine neue Route im engeren Sinn, sondern um ein neues Angehen einer bestehenden, von Ghilini 1976 in künstlicher Kletterei erschlossen. Ein paar Varianten und neues Material haben auch hier Rotpunktklettern möglich gemacht. Ihr ausgeklügelter Verlauf bietet für das Massiv Einzigartiges: graue Platten mit sehr hohem Reibungseffekt, stumpfe, bogen- und sichelförmige Felsformationen, feine Wellenstrukturen in einem steinernen Meer ohne Sonne.

Seither ist unser Boot, der vertrauten Kü-stenfahrten müde, zu neuen Abenteuern in fernen Ozeanen aufgebrochen. Dabei ist es leider an den Klippen des Mont Gruetta gestrandet, der Erfüllung des Karma ganz nahe1.

1 Vgl. den Beitrag ( Das Karma> von Gaetano Vogler im QH 1/83, S.65 ( Anm. der Red. ) Aus dem Französischen übersetzt von Ch. Rohr, Bern

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