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Forschungsergebnisse am grossen Aletschgletscher

Remarque : Cet article est disponible dans une langue uniquement. Auparavant, les bulletins annuels n'étaient pas traduits.

Von Gerald Seligman

Mit 2 Bildtafeln ( 153-158 ) und 4 Tabellen.London ).

Einleitung: Der folgende stark gekürzte Bericht bezieht sich auf Arbeiten meiner Gruppe im Forschungsinstitut auf Jungfraujoch von Mai bis September 1938. Für Assistenz, Rat und Hilfe bin ich folgenden Herren zu Dank verpflichtet: Dr. T. Hughes, Dr. A. Benfield, Dr. M. Perutz und E. A. Ferguson, von der Universität Cambridge; ferner den Professoren H. Ahlmann, A. v. Muralt, P. Mercanton, E. Niggli, Dr. P. Bowden, Dr. H. Bader, Dr. R. Haefeli und meinem alten Freunde Fritz Steuri.

Die Bildung von Firn aus Schneeflocken ist wiederholt beschrieben worden x ). Gegenstand der vorliegenden Untersuchung ist der Übergang von Firn zu Eis, die Natur der Gletscherbewegung und die innere Struktur eines alpinen Gletschers. Die ersten beiden Erscheinungen sind hier beschrieben, Behandlung der dritten bleibt späterer Zeit vorbehalten, obwohl wir imstande waren, einen Längsschnitt durch den Grossen Aletschgletscher zu konstruieren.

Die Verfirnung und Eisbildung: Der Übergang von Firn zu Eis ist summarisch in sechs Mikrophotographien ( Abb. 1-6 ) dargestellt, von denen die letzten drei in polarisiertem Licht aufgenommen wurden. Abb. 4 zeigt die Firnkörner weiss oder grau mit scharfen Kanten. Die schwarzen Stellen sind Luftkanäle, die von den Zwischenräumen zwischen den ursprünglichen Schneeflocken herrühren. Sie bilden nun ein verästeltes Netzwerk, das die Firnmasse weiss oder grau erscheinen lässt. ( Der Ausdruck « Firneis » hat keine wissenschaftliche Bedeutung. ) Abb. 5 zeigt eine Abnahme dieser Luftkanäle, sie sind nicht länger miteinander verbunden, die einzelnen Hohlräume sind durch Zusammenschmelzen der Kristalle verschlossen. Der Firn ist zu Eis geworden.

Das liefert uns brauchbare Definitionen für Firn und Eis: Firn ist Schnee, der körnig und kompakt geworden, jedoch von kommunizierenden Luftkanälen durchsetzt und daher wasserdurchlässig ist. Gletschereis ist wasserundurchlässig, etwa noch vorhandene Luft befindet sich in abgeschlossenen Hohlräumen. Wir haben gefunden, dass dieser Übergang mit auffallender Regelmässigkeit bei einer Dichte von 0,80 bis 0,84 stattfindet. Abb. 7 zeigt u.a. diesen Vorgang in verschiedenen Tiefen und Meereshöhen im Gletscher.

Es ist bemerkenswert, dass die Eiskristalle in Abb. 4 und 5 nicht grösser sind als die in Firn. Abb. 6 zeigt deutlich, wieviel grösser sie in Gletscherzungen sind; wir kommen auf diese Erscheinung später noch zurück.

Mehrere Ursachen bewirken diesen Übergang: Die wichtigsten sind das Wiedergefrieren von Schmelzwasser und das Setzen des Firnes. Ein dritter FORSCHUNGSERG:

AM GROSSEN ALETSCHGLETSCHER.

Tiefe Schacht, 3460 m Spalte V, 3330 m y 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 0.8 0.5 0.6 0.7 0.8 0.9 Spalte III, 3200 m « Lance » Spalte, 3140 m 0.5 0.6 0.7 0.8 0.90.5 0.6 0.7 0.8 0.9 Dichte 1 m 2 m 3 m 4 m 5 m 6 m 7 m 8 m 9 m 10 m 12 m « m 16 m 18 m 20 m 22 m Mm 26 m 28 m 30 mIM

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Abb. 7. Fimdichten in verschiedenen Höhen im Nährgebiet des Grossen Aletschgletschers.

Die Jahresbänder sind durch Jahreszahlen, die Übergangszonen von Firn zu Eis durch Schratten und Pfeile angedeutet. Wie zu erwarten, nähert sich die Übergangszone von Firn zu Eis der Oberfläche, je näher wir der Firngren;:e kommen.

Faktor, die Gletscherbewegung, hat, wie wir sehen werden, grossere Bedeutung für das Kristallwachstum nach vollzogener Eisbildung.

Das Gefrieren des Schmelzwassers: Über die Temperaturen in Firnfeldern ist recht wenig bekannt; so haben wir, wie wir glauben, die ersten systematischen Messungen an einem alpinen Gletscher durchgeführt. Da das Durchsickern von Schmelzwasser eine wichtige Rolle bei Ternperaturänderungen spielen muss, haben wir auch direkte Messungen über Art und Grosse der Schmelzwasserbewegung im Firn vorgenommen.

Unsere Temperaturmessungen dauerten von Ende Mai bis Mitte August. Abb. 8 zeigt, dass zu Beginn der Untersuchung der Firn bis zu einer Tiefe von 15 m negative Temperaturen hat. Nahe der Oberfläche fanden wir —4° bis — 8° C, abnehmend bis zu etwa 3 bis 4 m Tiefe, und von diesem Minimum ansteigend zum Schmelzpunkt unter Druck nahe 0° C, der bei etwa 15 m erreicht wird. Diese tiefen Temperaturen sind auf die Winterkälte zurückzuführen, und wir müssen annehmen, dass die Winterkalte nie tiefer dringt und dass in dieser geographischen Lage Temperaturen um 0° C. das ganze Jahr hindurch in Tiefen unter 15 m herrschen.

Abb. 8 zeigt ferner, dass der Temperaturanstieg im Frühjahr durch Wärmeleitung herbeigeführt werden kann; aber mit dem Einsetzen der Sommerhitze weist ein steileres Ansteigen der Kurven darauf hin, dass ein anderer Faktor vorzuherrschen beginnt. Dies ist, wie Sverdrup gezeigt hat, FORSCHUNGSERGEBNISSE AM GROSSEN ALETSCHGLETSCHER.

das Durchsickern von Schmelzwasser, das in kalten, tieferen Schichten wieder gefriert, latente Wärme freisetzt und so das rapide Ansteigen der Firntemperatur verursacht. Diese Kurven bilden einen Beweis für die angegebenen Ursachen des Ansteigens der Firndichte und der zur Eisbildung führenden Begleiterscheinungen.

Schmelzwassermessungen: Die Mengen von Schmelzwasser, die durch den Firn herabsickern, sind vom Wetter abhängig. Bei warmem Wetter sind sie von der Grössenordnung 0,2 cm3/cm2/h. Unsere Ergebnisse zeigten nahe der Oberfläche eine Geschwindigkeit von 8,3 cm/h bei einer Neigung von 8Y2° und einer Korngrösse von 0,5-1,5 mm. Weizenbach hat die gleiche Geschwindigkeit bei etwas geringerer Neigung, dafür aber gröberem Korn ( 2 mm ) gefunden.

Berechnungen haben gezeigt, dass trotz dieser Bewegung relativ grosser Wassermengen durch den Firn die zu Winterende aufgespeicherte Kälte nicht Tiefe 10 m 12 m 14 m 0 2 m 4 m 6 m 8 m10i -10 C.2° C.30 C.40 c.50 c.60C.

0 » C.

-10 C.

-20 c.

-30 c.

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imperatu -20 c.

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-20 c.30 c.40 c.5°C.60 C.70 c.80C.

1338 -eoe.

2 m 4 m 6 m 8 m 10 m 12 m 14 m 0 2 m 4 m 6 m 8 m 10 m Tiefe »Abb. 8. Temperaturänderung mit der Tiele in einem Schacht und drei Bohrlöchern im Mönchlirn ( 3460 m ü. M. ) an einzelnen Tagen zwischen 31. Mai und 22. Juli 1938.

allein für die ganze Dichtezunahme des Firns aufkommen kann. Eine weitere Ursache liegt im Setzen des Firns: Wir hatten sorgfältige Messungen an Schnee und Firn durchgeführt, die darauf hinweisen, dass in 2 m Tiefe ein regelmässiges Schrumpfen des Firns um etwa 2,3 X 10-3 cm/cm/sec während des ganzen Sommers stattfindet. Das entspricht einer Dichtezunahme von 0,4 zu 0,52 in 100 Tagen.

Die Gletscherbewegung: Die im folgenden beschriebenen Versuche haben gezeigt, dass die Verfestigung des Firns durch fortgesetztes Gleiten und Rotieren von Kristallen und Aggregaten zustande kommt, b.s die Kristalle dicht gepackt sind. Untersuchung der Eisbandbildung ergab, dass die endgültige Abschliessung der Lufträume durch Gefrieren von durchsickerndem Schmelzwasser herbeigeführt wird: Wasser, das durch undurchlässigen Firn oder Eis am Tieferdringen gehindert wird, muss oberhalb dieser Schicht entlang-fliessen und gefrieren, sowie die Temperatur unterhalb des Eises den Gefrierpunkt erreicht, wobei eine neue, undurchlässige Eisschicht entsteht. Die nun folgende langsame Umwandlung von jungem Gletschereis von etwa 0,83 Dichte zu grobkörnigem Eis in Gletscherzungen von etwa 0,91 ist die Folge von Kristallwachstum, begleitet von weiterem Schrumpfen und Luft-abgabe während der ständigen plastischen Deformierung infolge der Gletscherbewegung.

In der umfangreichen Literatur über die Gletscherbewegung sind zwei Schulen von grösster Bedeutung; am klarsten formulieren sie v. Engeln und Chamberlin. Der erste vertritt die Ansicht, dass der Gletscher durch plastisches, viskoses Nachgeben fliesst, wobei die Kristalle in einer sie umgebenden Mutterlauge wachsen und ihre gegenseitige Stellung verändern. Chamberlin hingegen fasst den Gletscherfluss als Gleiten des ganzen Eiskörpers über den Felsgrund auf, wobei zeitweise Schlupf an Gleitflächen, Scher von Kornaggregaten und schliesslich Fliessen in festem Zustand durch « ideomolekularen » Austausch zwischen Eiskristallen auftreten.

Experimente mit Lotleine und Stahlmarken im Nährgebiet: Wir versuchten zunächst auf empirischen Weg über die relative Bewegung im Gletscher Aufschluss zu erhalten. In einer dafür ausgehobenen Grube wurden einige Stahlmarken in grossem Abständen untereinander in der lotrechten Firnwand befestigt und ihre relative tägliche Bewegung mit Lotleinen beobachtet. Das Resultat dieses einfachen Versuches veranlasste uns, eine ganze Reihe von Marken in 1 cm Abständen entlang der 2 m langen Lotleine in den Firn zu stecken. Vier Tage später zeigte sich das gleiche Ergebnis, aber diesmal in leichter verständlicher Form: Einige der Marken hatten sich relativ zu ihren Nachbarn vorwärts, andere wieder rückwärts bewegt. War nun diese relative Bewegung auf einzelne Kristalle oder Gruppen beschränkt oder nahmen ganze Schichten daran teil? Um das zu ermitteln, steckten wir an Stellen, wo die Bewegung sich am stärksten gezeigt hatte, weitere Reihen von Marken, parallel und ganz nahe zur ersten. Es zeigte sich, dass Vorwärtsbewegung in einer Reihe nicht von den Nachbarreihen mit- FORSCHUNGSERGEBNISSE AM GROSSEN ALETSCHGLETSCHER.

gemacht wurde. Die Bewegung ist daher auf Kristallindividuen oder -gruppen beschränkt.

Ein weiteres Gitter von Stahlmarken wurde angebracht, das nach 14 Tagen die in Abb. 9 angedeutete Form annahm. Man sieht, dass die Bewegung nur stellenweise und dann auch nur schwach wiedergespiegelt wurde. Diese Experimente erwecken den Eindruck, dass die Bewegung von Kristallaggregaten sowie von Einzelkristallen, aber keineswegs von Schichten mit einiger Ausdehnung getragen wird. Nebenbei ist zu bemerken, dass unsere Messungen, soweit wir sie durchgeführt haben, eine Abnahme 9 10 11 12 13 14 Abb. 9. Gitter von Stahlmarken, angebracht am 8. August in 1 cm Abstand. Bewegung bis 23. August durch Pfeile bezeichnet.

der Strömungsgeschwindigkeit nach unten zeigten, was in Gegensatz zur Hypothese von Streifj-Becker steht.

KristaUographische Bestätigung: Es wird angenommen, dass frischgefallene Schneekristalle regellos nach allen Richtungen orientiert sind, was wir innerhalb unserer Möglichkeiten bestätigen konnten. Wenn wir jedoch einige Meter tief in den Gletscher gruben, fanden wir die Firnkristalle deutlich orientiert, und zwar senkrecht zur Gletscheroberfläche. Das war keine lokale Erscheinung, sondern überall in etwa 4 m Tiefe der Fall. Wir vermuten, dass dieser Effekt in ähnlicher Weise zustande kommt wie die Orientierung wachsender Kristalle in Wassereis oder in gegossenen Metallen, wo die Kristalle mit ihren Hauptachsen parallel zur Richtung der Temperaturabnahme wachsen.

In 14 m Tiefe, an verschiedenen Punkten des Gletschers, machte sich eine gewisse Streuung von der Vertikalen bemerkbar. Von hier ab fanden wir diese Streuung zunehmend und in 23 m Tiefe nahezu vollendet: Nur FORSCHUNGSERGEBNISSE AM GROSSEN ALETSCHGLETSCHER.

wenige Kristallaggregate hatten die vertikale Orientierung beibehalten, während die übrigen alle möglichen Winkel einnahmen. Mit zunehmender Tiefe, somit dem Einfluss des Strömens länger ausgesetzt, fanden wir die Orientierung ausnahmslos zur Regellosigkeit zurückkehren. ( Siehe Referenzen am Ende. ) Wir studierten sodann die häufig im lose gekörnten Firn auftretenden Eisbänder aus dichten, praktisch Mtfreien Kristallen. Hier waren die Hauptachsen immer senkrecht zur Oberfläche des Eisbandes, ohne Rücksicht auf die Dauer des Fliessens. In 23 m Tiefe z.B. waren die Kristalle in einem Eisband regelmässig angeordnet, im benachbarten Firn jedoch ganz regellos. Dieser Übergang von Ordnung zu Regellosigkeit im Firn, zusammen mit der Erhaltung der Ordnung im Eisband, weist darauf hin, dass die verhältnismässig losen Kristalle oder -klumpen im Firn beweglich sind und ihre gegenseitige Stellung ändern können, während die dichte Packung im Eisband derartige Bewegung verhindert und so die ursprüngliche Orientierung erhalten bleibt * ).

Versuche in der Gletscherzunge: Alles oben Gesagte trifft natürlich im Firngebiet zu. Bedingungen in der Gletscherzunge wurden in einer alten Grotte im Eigergletscher studiert. Hier wurde eine senkrechte Reihe von Stahlschrauben in die Grottenwand geschraubt und ihre Verschiebung vom Lot regelmässig beobachtet. Nach einigen Tagen hatten sich die Schrauben in ganz verschiedener Weise von unseren Firnreihen bewegt: Keine Lageänderung einzelner Schrauben, sondern eine ganze obere Schicht schien über eine tiefere geglitten zu sein ( Abb. 10 ).

Beide Serien von Experimenten im Firn wurden ganz unabhängig voneinander durchgeführt: Die Stab lmarkenversuche von mir und meinen Assistenten, die kristallographischen Beobachtungen von Dr. Perutz; es ist auffallend, wie gut die Ergebnisse einander bestätigen. Beide Serien zeigen, dass in den im Firn untersuchten Abschnitten Kristalle oder Aggregate die Einheit der Bewegung darstellen. Im Gegensatz dazu zeigten die Versuche im Eis, dass ganze Schichten sich ohne Veränderung der Lage einzelner Kristalle bewegen.

Unsere kristallographische Untersuchung von Eis in der Gletscherzunge zeigt, dass dessen Kristalle orientiert sind oder zumindest eine Tendenz zur Orientierung aufweisen, was im Gegensatz zur Ansicht nahezu aller Gletscherforscher steht, vielleicht mit Ausnahme von v. Drygalski. Nun haben Bader und Haefeli jüngst im Laboratorium gezeigt, dass ursprünglich regellose Eiskristalle sich regelmässig anordnen, wenn das Eis einer Spannung unterworfen wird. Unsere Befunde bestätigen das. Die Analogie mit Kristall-orientierung infolge von Deformierung von Metallen beim Kaltziehen ist naheliegend.

Diese Tendenz zur Orientierung der Kristalle im Eis des Zehrgebietes liefert schlüssigen Beweis für die ständige plastische Deformierung unter dem Einfluss innerer Spannungen. Da die Eiskristalle nicht übereinander- FORSCHUNGSERGEBNISSE AM GROSSEN ALETSCHGLETSCHER.

gleiten können wie im Firn, werden die einzelnen Kristalle plastisch deformiert, vermutlich in der gleichen Weise wie in Metallen, wo Teile des Kristall-gefüges sich gegeneinander entlang wohldefinierter Gleitflächen bewegen können. Dieser Mechanismus der Eisbewegung ist ganz verschieden von dem des Firnschnees sowie von der Scherung ganzer Eismassen, die ebenfalls in der Gletscherzunge beobachtet wurde.

Es zeigt sich also, dass die im Nährgebiet vorherrschende Bewegungsform die einzelner Kristalle und Aggregate ist, während im Zehrgebiet sowohl Gleiten von Schichten übereinander ( Laminarbewegung ) als auch plastische Deformierung von Kristallindividuen, begleitet von Kristallwachstum, vor-.

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Abb. 10. Abweichung von Schrauben von der Vertikalen zwischen 17. und 31. August 1938 in der Längswand einer Grotte in der Eigergletscherzunge.

kommen. Die beiden einander widersprechenden Theorien der Gletscherbewegung bedürfen offenbar wesentlicher Änderungen und keine kann das Feld gegen die andere behaupten, da die vorliegende Untersuchung gezeigt hat, dass beide Mechanismen nebeneinander bestehen.

Der Einfluss plastischer Deformierung auf das Kristallwachstum: Bei Metallen ist Glühen und Tempern eines kaltgezogenen Stückes von Vergröberung des Korns begleitet, indem einzelne Kristalle auf Kosten anderer wachsen. Beim Strömen des Gletschers herrschen analoge Bedingungen, daher ist Kornwachstum zu erwarten. Das ist tatsächlich der Fall: Abb. 6 zeigt, dass das Korn im Eis der Gletscherzunge erheblich grösser ist als das im Firngebiet. Es ist anzunehmen, dass Kristalle, die durch ihre Orientierung den Scherkräften weniger Widerstand bieten, da sie entlang ihrer Basisflächen gleiten können, einem relativ geringeren Druck ausgesetzt sind als Kristalle in einer anderen, weniger günstigen Orientierung. Die ersteren sollten daher eine geringere freie Energie besitzen als die letzteren und so eine Tendenz zum Wachstum auf Kosten der letzteren durch Übergehen von »-; Molekülen durch die Kristallgrenzen aufweisen. Das Kristallwachstum in der Eisregion ist demnach von Unterschieden im Energiegehalt benachbarter Kristalle verursacht.

Unsere Beobachtungen scheinen die allgemeine Tendenz der Korngrösse im Gletscher zum Ansteigen verständlich zu machen. Wie oben gezeigt, verursachen Schmelzen und Wiedergefrieren Kornwachstum im Firn; die Kristalle sind jedoch frei beweglich, darum finden wir nirgends wirklich grosse Kristalle. In allen Fällen, wo wir junges Eis uni ersuchten, waren die Kristalle verhältnismässig klein. Nur nachdem Eis eine Zeitlang bestanden hatte, fanden wir wieder Kristallwachstum durch den Vorgang, den wir « Selektives Wachstum der am günstigsten orientierten Kristalle » nennen wollen. Dies bietet meiner Meinung nach jedoch keine Erklärung für ausserordentlich grosse Kristalle, die im toten Eis oder in Gletscherenden vorkommen. Ich nehme an, dass hier besonders häufiges Schmelzen und Wiedergefrieren zusammen mit den erwähnten Unterschieden in der Oberflächen-energie verschieden grosser Kristalle zusätzliche Ursachen des Kristall-wachstums bilden. Ich beabsichtige, diese Bildung besonders grosser Kristalle in Gletscherzungen zum Gegenstand einer meiner nächsten Untersuchungen zu machen.

Eisbänder: Bei Abstiegen in zahllose Gletscherspalten im Firngebiet konnten wir zwei Typen von Eisbändern unterscheiden: Staub- oder Jahresbänder, entstanden durch Ablagerungen während des Sommers, und Eisbänder, gebildet durch Ansammlung von Schmelzwasser in Schichten von dichterem Schnee, worauf zuerst Wright und Priestley und später Paulcke hingewiesen haben. In Gletscherzungen fanden wir ausser Überresten dieser Bänder auch Spuren von ausgefüllten Sprüngen und Spalten sowie Bänder, die von Scherung an Gleitflächen herrühren.

Eine vollständige Beschreibung dieser Erscheinungen sowie unserer Spezialinstrumente und Untersuchungsmethoden, einschliesslich des Eis-laboratoriums auf Jungfraujoch, und schliesslich Einzelheiten über alle unsere Ergebnisse sind zu finden in:

1. Perutz und Seligman, « A Crystallographic Investigation of Glacier Structure and the Mechanism of Glacier Flow », Proc. Roy. Soc. London, Series A, Nr. 950, vol. 172, pp. 335-360, August 1939.

2. Hughes und Seligman, « The Temperature, Melt Water Movement and Density Increase in the Neve of an Alpine Glacier ». Monthly Notices, Royal Astronomical Soc, Geophysical Supplement, pp. 616-646, Dezember 1939.

3. Seligman, « The Structure of a Temperate Glacier », Geographical Journal, vol. XCVII, Nr. 5, pp. 295-317, Mai 1941.

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