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Emil Burckhardt (1846-1926)

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Emil Burckhardt ( 1846-1926 )

In der Sektion Basel: Schreiber 1872-1874, Statthalter 1876-1892, Mitglied des Exkursionskomitees 1897-1904. Ehrenmitglied der Sektion Basel 1900 und des Gesamtclubs 1907.

Emil Burckhardt gehörte zu jenen Bergsteigern, welchen die Alpen noch eine einsame und fast unberührte Welt bedeuteten. Herr und Führer waren damals eine Einheit, wie sie selten mehr zu finden ist; auch darf der Führerlose von heute nicht der irrtümlichen Meinung verfallen, jene Herren seien etwa lauter unbeholfene Lasten gewesen, jeder Initiative bar und ohne eigene Kraft. Das Gegenteil war der Fall. Sie trafen freilich keine Prachtshütten an als Sprungbretter hoch oben am Berg; ein langer Anmarsch liess dem Auge und dem Verstand Zeit, das Wesentliche aufzunehmen und geistig zu verarbeiten.

Emil Burckhardt datiert seine « Liebe und Begeisterung für die Berge und für das, was drum und dran hängt » aus der Zeit, da er als Basler Gymnasiast mehrmals Pensionär bei Pfarrer Gerwer im Grindelwaldner Pfarrhaus war. Im Sommer 1864 vollführten Edm. von Fellenberg, Prof. Aeby und Pfr. Gerwer die erste Besteigung des Ochs ( Klein Fiescherhorn ) und die erste schweizerische Besteigung des Schreckhorns, und der junge Emil sah dieser Bergsteigertat vom Zäsenberg aus zu, « nicht wenig stolz auf die drei Schweizer, welche das vollbrachten, was bisher als unerreichte und nicht mehr zu erreichende Leistung der Engländer gegolten hatte ».

Der zwanzigjährige Studiosus juris Emil Burckhardt, der spätere Strafrichter, wurde am Ende des Jahres 1866 als Mitglied in die Sektion Basel aufgenommen. Schon nach zwei Monaten hielt er einen Vortrag vor der Clubversammlung und zwei Monate später einen zweiten, beide über seine Bergfahrten des Jahres 1866.

Auf Rekorde ist Emil Burckhardt nicht ausgegangen; ihm war es mehr um systematische und gründliche Erforschung einer ihm liebgewonnenen Gebirgsgruppe zu tun. Mag er auch Erstbesteigungen keineswegs unterschätzt oder verachtet haben, so ist er doch schon zu spät gekommen, um an der Ernte der ganz Grossen noch teilzunehmen. Seine Touren auch nur annähernd vollständig anzuführen, wäre vergebliches Bemühen, besteht doch das Verzeichnis aus über 300 Namen von Gipfeln und Pässen. Eine Gruppierung ist jedoch möglich und kann einen Überblick geben über die Leistungen dieses weitaus erfolgreichsten und rührigsten Mitgliedes seit Bestehen der Sektion Basel.

Die Berninagruppe hat Burckhardt dreizehnmal besucht, erstmals als Dreizehnjähriger und zuletzt mit achtundsechzig Jahren, bis er sie völlig erforscht hatte und kein einziger Gipfel mehr unbestiegen geblieben war, worunter sechs Erstbesteigungen und mehrere neue Routen. Im Jahre 1888 bestieg er mit Hans Grass zusammen nochmals den Piz Bernina, der schon zwanzig Jahre früher ihr erstes grosses Ziel gebildet hatte. Auf den meisten Touren während der Zwischenzeit hat ihn dieser « aristokratischste » der Pontresiner Führer begleitet, und lustig schildert er ihre erste Begegnung.

« Oben auf dem Languard sah ich einer englischen Partie zu, die soeben das wüst aussehende letzte Stück des Gipfelgrates am Piz Bernina zurücklegte. Hans Grass, der soeben mit einer Gesellschaft anlangte, blickte auch nach dem Berge. Wir kamen darob in Unterredung, und er machte sich anheischig, mit einem nicht allzu schlechten Gänger ohne weitere Begleitung die Berninabesteigung auszuführen. Dies leuchtete mir, der ich mehr Nägel in den Schuhen als Taler in der Tasche hatte, sehr ein. Er fügte bei, alljährlich werde der Berg durch Ausländer bestiegen; seit der ersten Überwindung durch Coaz im Jahre 1850 sei aber ausser einigen Eingeborenen kein Schweizer mehr droben gewesen. Ich sann nach und musste es bestätigen. Grass erwiderte: „ So müsset Ihr als erster Clubist droben sein !" Zweifelnd sagte ich zu. Über das wann und wie wurde nichts abgemacht.

9 Die Alpen - 1963 - Us Alpes129 Es war schon ziemlich spät am Abend, als ich in Pontresina einrückte. In der Dorfgasse stand Grass in völliger Gletscherausrüstung und sagte kurz: „ Heute gehen wir nach'm Bernina !" Heute, abends 7 Uhr, nein, Grass, das geht nicht.Wollt Ihr oder wollt Ihr nicht, HerrIch fügte mich ohne Widerrede; dieser Energie gegenüber war ich machtlos. » Vom Berninahaus stiegen sie dann über Diavolezza und Festung hinan; und nie, sagt Burckhardt später, seien sie besser gegangen als an diesem Tag.

Das zweite Gebiet, das Burckhardt erforscht hat, war das Berner Oberland. Mindestens fünfzehnmal hat er es aufgesucht und alle seine Grossen nahezu lückenlos bezwungen. Besonders schätzte er auch Pässe und Übergänge; das Finsteraarjoch nennt er den schönsten Gletscherpass. In diesem Gebiet hat er auch Gewaltstouren gemacht, so 1872 den Eiger von Grindelwald aus und im Jahr darauf die Jungfrau von der Wengernalp aus und nach einem Biwak den Mönch und Abstieg nach Grindelwald mit Peter Egger von Grindelwald, mit dem er noch manche Besteigung glücklich durchführen sollte, so auch die des Bietschhorns, das sich während Jahren besonders hartnäckig widersetzt hatte und sich erst nach der fünften Belagerung im September 1878 endlich ergab.

Erst 1873 wandte sich Burckhardt dem dritten Gebiet zu, das ihn auch eingehend beschäftigt hat, den Zermatter Bergen. Dann aber auch gleich in schneidigster Weise: über die Gemmi und zu Fuss nach Zermatt, aufs Matterhorn, den Monte Rosa, ins Zeltbiwak am Hohlicht und aufs Weisshorn - alles innert sieben Tagen zusammen mit Fritz Bischoff von Basel und den Grindelwaldner Führern Peter Egger und Peter Bohren. 1880 besteigt er Zinalrothorn, Dom und Strahlhorn. Im nächsten Jahr folgt vom Riffelberg aus die wundervolle Lyskammtraversierung vom Felik- zum Lysjoch mit Christen Jossi und Gabriel Taugwalder, eine Überschreitung des Nadelgrates auf teilweise neuem Weg mit Prof. Schulz; und endlich 1885 und 1889 heimst er so ungefähr alles ein, was noch übrigbleibt. Von sämtlichen Zermatter Gipfeln sind vielleicht nur Täschhorn und Dent d' Hérens unbestiegen geblieben. Wieder interessiert er sich auch für die Hochpässe, die vielen Übergänge nach der italienischen Seite und den Nachbartälern. 1898 sieht er zum letztenmal auf das von ihm beherrschte Gebiet hinunter, von der höchsten Schweizer Spitze, von wo er es vor fünfundzwanzig Jahren zuerst erschaut hatte.

Auf die vielen Touren, die er in den übrigen Gruppen der Schweizer Alpen und im Ortler Massiv ausgeführt hat, kann hier nicht eingegangen werden. Nach alter guter Sitte hat er seine Besteigungen mit zwei der besten Bergführer unternommen. Seine Leibführer waren Hans Grass, Peter Egger und Christen Jossi; er hat ihnen bei mancher Gelegenheit seinen Dank und seine Hochachtung ausgedrückt. ( Vgl. auch Jahresbericht 1942 der Sektion Basel. ) Jahr für Jahr hat Burckhardt der Sektion die sorgfältig ausgearbeiteten Beschreibungen seiner Erstbesteigungen und sonstigen Unternehmungen dargeboten. Besonders bemerkenswert ist die dabei zum Ausdruck kommende feine Beobachtung der Natur, die vorzügliche Stilisierung und Gediegenheit im Ausdruck und die Liebe, mit der der Gegenstand behandelt ist. Im Alter besuchte Emil Burckhardt die Sitzungen der Sektion nur noch selten und zog sich mehr und mehr zurück. Aus seinem Landsitz in Arlesheim flogen jedoch seine Briefe mit ausführlichen Angaben und Erinnerungen in die Stadt. Er blieb unsichtbar der gute Geist der Sektion und wachte darüber, dass die alten ritterlichen Richtlinien ungemindert eingehalten würden gemäss seinem Bekenntnis:

« Mögen wir uns klarmachen, dass technische Kunstfertigkeit als solche, so sehr wir dieselbe auch bewundern und vielleicht beneiden, an und für sich noch nicht den wahren und meistergerechten Clubisten macht. Die Liebe zu den Bergen vielmehr, die tief innere Befriedigung, welche sie uns mit ihren unerschöpflichen, immer neuen Reizen gewähren, das ist das Entscheidende. Da liegt das ethische Moment. Nur wenn dieses uns beseelt, sind wir Schweizer Clubisten in idealem Sinne, würdige Nachfolger der Männer, die einst unsere alpine Körperschaft ins Leben riefen, jener Pioniere, auf die wir in Dank und Verehrung zurückblicken sollen.»W.Bernoulli-Leupold

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