Eine Schweizerreise eines Gelehrten im XVI. Jahrhundert
Prof. Dr. G. Meer von Knonau ( Section Uto ).
Eine Schweizerreise eines Gelehrten im XVI. Jahrhundert Von Das XVI. Jahrhundert ist auch für die Schweiz, ganz abgesehen von der geistigen Bewegung der Reformation, eine Zeit frischen geistigen Erwachens gewesen, und theils unter den Nachwirkungen der Errungenschaften des Humanismus, theils in enger Anlehnung an die Neugestaltung des religiösen Lebens erwuchs in dieser Zeit eine erstmalige wissenschaftliche Bearbeitung der schweizerischen Geschichte. Zwar darf man nicht diese wissenschaftlichen Leistungen schlechthin mit der Neubildung auf dem Boden der Kirche verbinden; denn gerade der, wir wollen hier nicht untersuchen, ob mit vollster Berechtigung, ohne Frage berühmteste unter den hier in Betracht kommenden Namen, derjenige des Aegidius Tschudi, gehört ja bekanntlich der katholisch gebliebenen Minder- Anm. Der Verfasser sprach über dieses Thema vor der Section Uto am 30. November 1883.
27 zahl des Glarner Volkes an. Dagegen war der Berner Valerius Anshelm ein sehr eifriger Vorfechter der Reformation, und für Zürich steht kein Geringerer, als Zwingli's Nachfolger in der Leitung der umge-schaffenen Kirche, Heinrich Bullinger, in der neuen Form der Geschichtschreibung voran. Für St. Gallen hat der hervorragende Humanist und Urheber der Reformation seiner Vaterstadt, Vadianus, eine vorzügliche Bethätigung auf diesem Boden entwickelt; der Vater der rsetischen Historiographie, Campell, war in seinem Heimatthaie Engadin geradezu der Hauptbeförderer der Reformation. Und wenn wir auch noch nach der französisch redenden Hälfte unseres Vaterlandes den Blick wenden wollten, so wäre aus einander zu setzen, daß, auch hier allerdings aus den beiden einander gegenüberstehenden Lagern, in Genf die Geschichtschreibung gleichfalls mit den Ereignissen der Reformation einsetzt.
Einer der ehrenwerthesten Pfleger dieser Seite litterarischer Bethätigung ist nun ein Mann gewesen, der zwar nicht seiner Geburt nach unserem Lande angehörte, wohl aber demselben für das ihm gewährte Bürgerrecht durch eine reiche unermüdet fleißige Thätigkeit den Dank erstattete. Johannes Stumpf, dessen kluges, schlicht biederes Gesicht das gegenüberstehende Bild aufweist, war 1500 zu Bruchsal, einer damals dem geistlichen Territorium des Bisthums Speier angehörenden Stadt, geboren. Er empfing seinen Unterricht an verschiedenen Schulen oberrheinischer Städte, zuletzt auf der Hochschule zu Heidelberg, und trat 1520 zu Speier in den Orden Auftrag zu Theil, das Johanniter-Haus Bubikon im Zürcher Gebiete zu verwalten — es ist das noch jetzt zwischen Bubikon und Rüti sogenannte „ Ritterhaus ", eine Stiftung der Grafen von Toggenburg —: da wurde ihm anfangs das Amt des Priors, gleich darauf auch die Besorgung der Pfarrei übertragen. Der junge Priester wandte sich, wohl dadurch bestärkt, daß der Johanniter - Commenthur Schmid im Ordenshause zu Küßnach am Zürichsee schon frühe zu Zwingli's nächsten Freunden zählte, der Reformation zu und führte seine Gemeinde in dieselbe hinein. Während seines Aufenthaltes in Bubikon verheiratete sich Stumpf 1529 mit Regula Brennwald, der Tochter des letzten Stiftspropstes zu Embrach, Heinrich Brennwald, eines beachtenswerthen Liebhabers von Studien über vaterländische Geschichte. 1543 übernahm der Pfarrer von Bubikon die größere Verpflichtung der Besorgung der Gemeinde Stammheim und verwaltete auch dieses Amt durch neunzehn Jahre mit der ihm eigenen treuen Gewissenhaftigkeit. 1562 endlich, nachdem er seine Gattin verloren, und da er eine Schwächung des Augenlichtes und Abnahme des Gedächtnisses empfand, gab er seine Pfründe auf und siedelte nach Zürich über. Die wohl verdiente Muße genoß er aber nur vier Jahre; denn er starb 1566.
Stumpfs Schwiegervater Brennwald hatte selbst eine bis auf das Jahr 1509 sich erstreckende helvetische Chronik, deren Handschrift auf der Stadtbibliothek zu Zürich liegt, verfaßt, und der Schwiegersohn hat es dem älteren Freunde gegenüber dankbar bezeugt, daß er durch seine Anregung historischen Studien entgegengefahrt worden sei. Schon in Bubikon hatte Stumpf diese Arbeiten begonnen, und zu Stammheim wurden dieselben auf das eifrigste fortgesetzt; denn das Hauptwerk Stumpfs, die Schweizer Chronik, erschien im vierten Jahre nach der Uebersiedelung nach Stammheim. Diese „ Beschreibung loblicher gemeiner Eidgenossenschaft, Städten, Ländern und Völkern und der chronikwürdigen Thaten " ist, zumal in den zehn nach einer allgemeineren vorausgeschickten Einleitung den schweizerischen Gebieten selbst gewidmeten Büchern, eine wirklich monumentale Arbeit. Geschichte, vorzüglich auch Genealogie, Erd- und Ortsbeschreibung sind in sehr geschickter Weise mit einander verbunden, und zwar will der Verfasser ganz besonders auch den Alpenvölkern, auf welchen ja die Eidgenossenschaft eigentlich beruhe, seine Aufmerksamkeit zuwenden. Er sagt in seiner Widmungs-Vorrede an die Obrigkeiten aller eidgenössischen Orte: „ So ich nun etliche jar här mich im läsen der alten und frömbder landen historien belustiget und in sölichem bey den urältisten geschieht und weltbeschreybern der alten Alpvölckeren, als der Helvetiern, Lepontiern, Rhetiern ( diser zeyt die loblich Eydgnoschafft genennt ), so manigfaltige meidung befand: und daß auch söliche Alpvölcker von so gar langen zeyten här biß auff heutigen tag nit allein iren alten erdboden noch bewonend, sonder auch ir alte mannheit, auch irer vorderen dapfferkeit noch nie hingelegt habend, darzuo inen der gnädig Gott biß auff dise zeyt groß gnad, hilff, schütz, schirm und wolthaat beweyßt, do hab ich hertzlichs beturen empfangen, das sölicher Alpländer und völcker alter, art, wesen, sitten, gelegenheit und chronickwirdige thaaten also verligen und denen, so frömbder sprachen nit geübt, noch der alten Latinischen biiecher verstendig sind, verhalten seyn söltind ". Da nun — so fährt er fort — niemand aus der Eidgenossenschaft nach gründlicher Erforschung den Grund der Wahrheit kund gethan habe, so habe er sich an die Arbeit gewagt und dieselbe jetzt durch den Druck ausgehen lassen. Der gewaltige Band macht aber auch dem Herausgeber, dem berühmten Zürcher Drucker Christoph Froschauer, die größte Ehre. Das Werk ist nämlich durch eine große Reihe von Holzschnitten geziert, welche theils Wappen, Münzen, Inschriften, ganz besonders aber Ansichten von Städten, Schlössern und Ortschaften überhaupt bringen. Sehr viele unter diesen letzteren bieten uns das erstmalige Bild der dargestellten Oertlichkeit, so daß ihnen ein eigentlicher historischer Quellenwerth beizumessen ist. Geringer ist die Bedeutung der übrigens weniger zahlreichen Illustrationen historischer Begebenheiten, zumal von Schlachten, anzuschlagen; dagegen verdient hinwieder die Chronik wegen der beigefügten Landkarten besondere Aufmerksamkeit. Neben einer Uebersichtskarte nämlich, welche die gesammte Schweiz darstellt, wagte es Stumpf auch, zum ersten Male Specialkarten, acht an der Zahl, zu bieten, welche dem fünften bis zwölften Buche beigegeben sind und je einen einzelnen geschilderten Gau oder eine Landschaft darstellen. Die Einzelaufführung von Ortschaften zeigt dabei den hauptsächlichsten Fortschritt, gegenüber den zeitlich vorangehenden Schweizer-Karten, der ersten des Konrad Türst * ), denjenigen des Chronisten Tschudi und des Kosmographen Sebastian Münster.
Stumpfs Chronik fand lebhaften Beifall und, auch im Auslande, bedeutenden Absatz. Dem Chronisten und seinem Sohne Johann Rudolf — derselbe hat später, 1586, eine neue Ausgabe, mit selbständiger Fortführung der Zeitgeschichte, vom Werke des Vaters veranstaltet — gab Zürich das Bürgerrecht; andere eidgenössische Orte ertheilten für die ihnen zugeschickten Exemplare Geschenke oder wenigstens verbindliche Dankschreiben. Gelehrte, Freunde und Correspondenten sprachen Beifall und Freude aus, und wenn sich dabei einer, Tschudi, ausschloß und nur kleinliche Nörgeleien anbringen konnte, so hat er sich dadurch, in den Augen aller Urtheilsfähigen, nur selbst für alle Zukunft hinaus geschadet. Ganz vorzüglich spendete Vadian der Arbeit des Zürcher Freundes seine Zustimmung.
In der schon oben herangezogenen Vorrede sprach sich Stumpf dahin aus, daß er „ mit hilff, steur und zuoschub etlicher hochberümpter eerlicher und ge-treuwer männer, die ich vermeint zuo disem handel geschickt seyn, als die hin und wider in der Eydgnoschafft, Orten und Zuogewandten wonhafft sind ", seine Arbeit bewerkstelligt habe, und da dachte er neben Bullinger in Zürich jedenfalls ganz in erster Linie an den großen Gelehrten St. Gallen's, Vadian. Wirklich haben ja auch neuere Forschungen klar herausgestellt, daß Vadian 1545 und 1546 ganze große Stücke aus seiner Peder, sowohl historischen als geographischen Inhaltes, Stumpf geradezu zur Verfügung stellte, und zwar so, daß er ihm gänzlich freie Hand ließ. „ Hinsichtlich desjenigen von dem Meinigen — schrieb Vadian an Stumpf — was in das Deinige eingefügt werden soll, will und wünsche ich völlig, daß, weil es auch das Deinige ist, weil Dein die Geschichte ist, Du nichts in meinem Namen als aus eine.m persönlich von mir geschriebenen Werke, sondern gänzlich alles unter Deinem Namen als das Deinige erscheinen lassest; denn die ganze Geschichte muß unter Deinem Namen herausgegeben werden ". Eine wie günstige Meinung Vadian von dem Zürcher Pfarrer und seiner Art zu arbeiten hatte, geht auch aus einem Briefe Vadian's an Bullinger hervor, worin über Stumpf ein warmes Urtheil eingeschaltet ist: „ Wirklich besitzt Stumpf eine so unermüdliche und ausgebreitete Belesenheit, daß er mir zu diesem Werke wie geboren scheint. Es wird auch, wenn ich nicht irre, diese ganze Arbeit den wohldenkenden Lesern um so angenehmer sein, je weiter sein Geburtsort von unserm Vaterlande entfernt ist, und je mehr er, gleichsam einen ihm fremden Schauplatz betretend, die Geschichten der Helvetier und des Mittelalters ohne alle ehrgeizige Absicht, einzig aus Liebe zur Wahrheit, zu beschreiben unternommen hat ".
Es hat nun seinen besonderen Reiz, an einer einzelnen Stelle der Art und Weise, wie Stumpf arbeitete, unmittelbar nachgehen zu können, und das ist, mehr als wohl irgendwo sonst, bei dem Inhalte des elften Buches der Chronik, das vom Lande Wallis handelt, der Fall. Hierüber nämlich besitzen wir ein handschriftliches Reisejournal des Chronisten, das in einen Sammelband desselben eingeheftet ist. Stumpf erzählt darin seine hauptsächlichen Erlebnisse während der Ende August und Anfang September 1544 nach dem Wallis durchgeführten Reise1 ).
Das Land Wallis war allerdings nicht ein eidgenössischer Ort vollen Ranges; aber seit dem Anfang des XV. Jahrhunderts standen Zehnten des oberen Wallis mit eidgenössischen Orten in Verbindung 2 ), und vorzüglich durch den gemeinsamen Gegensatz gegen Herzog Karl von Burgund war die Anknüpfung von Beziehungen, die territoriale Verbindung eine noch engere geworden. Allerdings blieb dann im XVI. Jahrhundert das Wallis, dem weit überwiegenden Theil seiner Bevölkerung nach, der alten Religionsform treu; aber es fehlte doch nicht an vielfachem Austausch auch zwischen den Wallisern und dem Vororte der reformirten Eidgenossenschaft, Zürich. Nach jenem durch die naive Darstellung seiner Lebensereignisse so berühmt gewordenen fahrenden Schüler Thomas Platter, der als Zwingli's Schüler so eifrig sich bekannte, kamen immer wieder Walliser Studenten auf die Zürcher Schule, und erst der völlige Sieg der Gegenreformation im Anfang des XVII. Jahrhunderts hat dann auch hier eine gänzliche Aenderung gebracht. So war es möglich, daß in den ruhigeren Jahren, wo Stumpf seine Reise machte, der zur neuen Lehre übergetretene Priester auch an Mittelpunkten des alten Glaubens — das aber nicht bloß im Wallis, wie wir sehen werden — eine nicht ungünstige Aufnahme, ja sogar wissenschaftliche Unterstützung fand.
Doch begleiten wir nun unsern Reisenden und vergleichen dabei mit den oft nur kurzen Angaben, gewissermaßen Gedächtnißmerkzeichen, des Journales die vielfach breiteren Ausführungen der gedruckten Chronik, wie denn ja auch in der Einleitung in das elfte Buch der Reise des Verfassers gedacht ist. Stumpf sagt nämlich da, es habe sich gebühren wollen, die Beschreibung so uralter berühmter Völker, des uralten Bisthums im Wallis nicht in der Feder zu lassen, sondern „ einer so herrlichen, schönen landschafft " in dem Werke ihren Platz zu geben, da eine solche Beschreibung eines besonderen Buches ja wohl werth sei: „ Zuo solchem hab ich selbs das land von obrist biß zuo undrist auß durchwandlet, abgemessen und meins geringen Vermögens aller namhaffter fläcken, flössen und täler gestalt und gelegenheit erduret: so vil aber die Annales oder järlichen alten geschieht und historien, disem buoch eyngeleybt, berürt, hab ich zuosamen bracht und eyngefürt auß etlichen Chro-nicken so ich eins teils im land Walliß, zum teil auch außerhalb befunden hab ". Dabei lobt er die Mithülfe des hochwürdigen Fürsten und Herrn, Bischof Adrian von Sitten, der ihm durch seinen Arzt Christian Her-bort, sowie durch den würdigen Herrn Vicarius, Johann Miles, und andere Persönlichkeiten gnädigliche Beisteuer habe zukommen lassen.
Am Freitag, den 22. August, um 3 Uhr Nachmittags, ging Stumpf mit einem Begleiter aus Zürich weg: er spricht in der Mehrzahl, ohne seinen Reisebegleiter zu nennen ( dürfte etwa an seinen damals 14jährigen Sohn, eben den späteren Antistes Johann Rudolf, gedacht werden ?). „ Uf dem Albiß habend wir ein trunk thon und verzehrt 3 schilling Zürich münz. Zu Cappel warend wir über nacht; verzartend 6 schilling monetae Thuricensis ".
Am Samstag, 23., muß sehr frühe aufgebrochen worden sein; denn schon um 6 Uhr Morgens wurde zu Zug „ zum Schmutz " das Morgenessen eingenommen, das 11 Schilling Luzerner Münze kostete. Dann bestiegen die Reisenden ein Schiff und zahlten zwei Doppelvierer von Zug über den See nach Buonas. Nach einer Stärkung in Ebikon wurde am Rothsee entlang, dessen Länge und Himmelsrichtung genau verzeichnet werden, nach Luzern gegangen. Da kamen sie vor 3 Uhr Nachmittags an und begaben sich sogleich zum Propst des Chorherrenstiftes im Hof, um da der „ Fundation " nachzufragen, d.h. dem geschichtlich allerdings unglaubwürdigen Stiftungsbriefe des Luzerner Stiftes, der zugleich vom Großmünster in Zürich Kunde ertheilt. Der Propst zeigte ihnen „ ein herrlich gemalet buche: „ aber das original mocht uns nit werden; bezeugt her propst, das der cüster, so die Schlüssel het, nit anheymisch were; wolte aber, so er kerne, suchen und uns durch her Hansen von Ottenbach, was er finde, zukommen lassen ". In Luzern zur Krone kosteten Trunk und Nachtmahl 5 Constanzer und 5 Luzerner Batzen; zugleich aber muß schon in diesen zwei Tagen das Schuhwerk der Wanderer gelitten haben, indem 2 Batzen „ pro calcimentis resarciendis " verzeichnet sind.
Am Sonntag, den 24. August, wurde zunächst auf dem Lande das Dorf Winkel erreicht, dann für zwei Schilling Luzerner Münze ein Schiff nach Stansataad genommen. Bei Kaspar Offner in Stans kostete das Essen 4 Batzen, und für zwei Schilling 8 Heller mußte in Stans noch eine Seckelschnur gekauft werden. Nur noch eine Stärkung in Wolfenschießen wurde einge nommen, Abends um 4 Uhr dann Engelberg erreicht. Zuerst wurde hier im Wirthshause ein Trunk genommen, und dann begaben sich die Reisenden nach dem Kloster, wo der Abt, Barnabas Bürki, aus Altstätten im Rheinthal, ein gelehrter Mann, sowie der Pater Großkellner sie sehr freundlich aufnahmen und bewirtheten.
lieber die Beschaffenheit des damals so abgeschiedenen Klosterthales sagt der Chronist in seinem Reiseberichte nichts; denn er widmete seine ganze Zeit der Abschrift von Kloster-Annalen, „ Antiquitates monasterü S. Mariae Montis Angelorum ", wie er sie nennt. Wohl aber hat er später, da, wo er im siebenten Buch seiner Chronik diese Notizen für seinen Text verwendet und am Schlüsse auch noch den Abt Barnabas erwähnt: „ hat lange jar haußgehalten, regiert noch bey unsern zeyten, gar alt und wolbetaget " —, eine gedrängte Schilderung des Thales eingeschoben. „ Engelberg ligt weyt im tal und gar hoch im gebirg in einer schönen und ebnen wilde, zwüschend hohen graßrey-chen bergen, hat auch umb sich im selbigen tal und wilde gar vil heuser und deßhalb ein besonder land-völckle, darüber der Abt herrschet, und hat da alle herrligkeit; die Waldstett sind allein Schirmherren darüber ".
In den ersten Morgenstunden des 25. August muß Stumpf seinen Auszug aus den Kloster-Jahrbüchern gemacht haben; dann brach er, nachdem noch ein Imbiß im Kloster genommen worden, von da auf. Es scheint, daß er als Gast des Klosters behandelt worden war; denn die 4 Batzen für die „ familia ", der eine Batzen für die „ uxor hospitis " sind wohl als Trinkgelder aufzufassen. Der Weg über den Bergpaß „ Uf Joch " oder „ über Joch " wurde nun eingeschlagen; ein Bauer, der auf dem Weg vom Kloster her begleitete, erhielt 2, ein Senn — pastor vel casea-tor —, der den Weg durch den Wald wies, 1 Schilling Luzerner Münze. Auch hier verhält sich der Reisebericht wieder sehr kurz; dagegen ist in der Chronik davon die Rede, daß aus einem See, „ genennt der Trüplisee ", fast zu oberst auf dem Berge, von hohen Alpen ein Bach zur Engelberger-Aa her-niederströme: „ Darflir gadt man über Joch, ein überauß hoch gebirg, in die Alp und zuo dem See Engstlen genennt, und flirter ins Haßletal an die Aar. Disen wilden wäg bin ich selbs gangen im jar 1544 ". In einem andern Capitel des siebenten Buches ist dann von dem Joch-Paß noch einläßlicher die Rede: „ Es ist ein wunderhoch gebirg; doch fart man darüber mit saumrossen. Gleych nebend den obristen spitzen und velsen dises gebirgs ligt der Engstlisee, empfacht über die velsen herab das wasser auß dem firn und schnee, ist lauter und schön, hatt doch kein visch, mag auch keinen, ob man sy gleych etwan dareyn gethon, behalten, von wegen seiner wilde, und daß er winters-zeyt mit yß und schnee zelang bedeckt und summers-zeyt zevil kalt ist. Auff Engstlen ligt ein Alp, darinn man in mitten des summers vom monat Junio biß in Augsten etwan auff zwen oder dritthalben monat die kite erhaltet; dann selten ist es lenger bloß von schnee. In diser Alp laufft ein brunn oder wässerlein auß einem velsen herauß in ein grueben, darinn man das vych trencket ". Die überraschenden Eigenschaften dieses periodischen Quells, der dem Chronisten als „ ein wunderbarlicher brunn " erscheint, werden weiter ausgeführt und in erbaulicher Weise beleuchtet; denn dieses Wasser scheine in seinem Hervortreten wirklich nur dazu zu dienen, das Vieh in den passenden Jahreszeiten und Stunden zu tränken, und die seltsame Natur dieses Quells sei durch die einträchtige Kundschaft aller umwohnenden Landleute, aber auch aus ferner liegenden Städten wohl bezeugt. „ Ein wunderbarlicher Gott ist unser Gott in seinen heiligen wercken, welcher auch disem grausamen Alpgebirg mancherley eigen-schafften und art geben hat, darab sich alle die,.
so nit darinn wonend, gräßlich habend zu ver-wunderen ".
Allein der gelehrte Wanderer hat nun dem Wege vom Joch-Paß zur Grimsel noch in weiterer Weise seine besondere Aufmerksamkeit zugewandt, wie das in seinen Text eingetragene, hier unten einge-rückte Croquis beweist. Es ist nämlich sicher nicht Nota de Miro fonte in Alpibus Engstlen.
zu bezweifeln, daß Stumpf aus seiner Erinnerung diese gedrängte Skizze des Thales der obersten Aare, das ihn lebhaft interessirte, entworfen hat1 ). Allerdings hat der Zeichner die Kirche „ Haßle " ( d.h. Meiringen ) unrichtig auf das linke Aare-Ufer gestellt; doch werden wir ja gleich hören, daß er erst oberhalb davon das Aare-Thal erreichte. Ganz richtig hat er dagegen den Zusammenfluß des vom Engstlensee durch das Genthal kommenden Wassers mit dem Triftwasser angegeben, und auch mit den oberhalb Guttannen der Aare zuströmenden Bächen kann man sich wohl auseinandersetzen. Die „ Nota de miro fonte in alpibus Engstlen " bezieht sich natürlich auf den erwähnten Wunderbrunnen.
Doch kehren wir zu den Reisenden selbst zurück, um ihren Weg thalaufwärts zu begleiten. Jenen Montag, den 25. August, an dessen Morgen sie Engelberg verlassen hatten, schlössen sie in „ Uf Wylen " ab, das ist in Wiler zunächst bei Hof. Da übernachteten sie bei einem Bauern, der sie recht ehrlich aufnahm und ihnen einen guten Wein gab. Dafür zahlten sie ihm vier Batzen. Am 26., Dinstags, nahmen sie das Morgenessen in Guttannen, und auf den Abend gelangten sie zum Spital an der Grimsel: „ Da verzartend wir 6 batzen zu abend und nachtmal, dan wir mochtend denselben abend nit über den berg kommen ".
Auch hier wieder bietet die Chronik reichliche Gelegenheit, die Eindrücke, welche Stumpf auf dem Wege gewann, kennen zu lernen. Allerdings geht die Schilderung der Chronik den umgekehrten Weg von der Grimsel flussabwärts. Da redet sie zuerst von den zwei Seen: „ ligend hinder einander zuo oberist an der Grimßlen, habend keine visch von wegen irer wilde; dann sy sind merteils zeyts im jar mit yß und Schnee bedeckt ". Dann wird vom Spital erzählt: „ An disem Seele ligt ein herberg und Spital, den wandelbaren dahin gebauwen zur herberg, genennt zum Spital, ein gar schlechte behausung; dann dahin muoß man kalch Eine Schweizerreise eines Gelehrten i. XVI. Jahrh. 4S3 und holtz füren über ruck auff rossen: stein sind da wolfeil: kein holtz waehßt da, von rechter höhe und wilde, dann das man dahin säumet. Die landleut von Haßle erhaltend disen Spital, setzend ein würt und Spitalmeister dahin; der hat besondere nutzung dar= von, der gibt den wandlenden essen und trincken umb ir gelt, und die es nit ze bezalen vermögend, gibt er brot und speyß durch Gott. Ein schlechte herberg ists; aber da findt man gemeinlich guot weyn, den bringend die söumer übers gebirg auß Eschental und Walliß, und guot brot, das fürt man von Haßlen hinauf zwo groß meyl wägs: käß, fleisch, und was man da geläben, muoß man alles dahin füren. Zuo winters zeyt hatt diser wttrt und Spitalmeister etliche monat gar kein bleibens an dem ort, muohinab ins tal ziehen ". Den unterhalb folgenden Räterisboden und den dortigen Straßenlauf beschreibt der Text gleichfalls recht anschaulich: „ Die Aar hat ein wenig under dem Spital auff ein halbe stund fuoßgangs ein ebne genennt Eätißboden; sunst darob und darunder fallt diß wasser gantz grausam durch die wilden velsen und darüber, schumet und stoßt die stein also wider einander, daß darauß ein starcker unleydenlicher dampff gadt, und ein geschmock gleych eines brünnenden kalchs. Die straaß nebend dem wasser hinauff wirt mit schwä-rem kosten durch die landleut erhalten, ist merteils in die rauhen velsen gehauwen, etwan mit rauhen steinen gemauret, underwylen mit holtz von einem velsen zum anderen geprucket: an vilen orten, denen so des nit gewonet, grausam und gefarlich zewandlen; doch fart man mit soumrossen hinüber. Die Aar em- 28 pfacht beiderseyts etliche fllißlin, die auß dem firn und alten schnee über die hohen velsen hereynfallend, dadurch sy gemeeret wirt. Diß wasser wirt von wegen seiner wilde niemer lauter biß in den Brienzersee, sonder hat ein färb trüb, als ob mal oder leym dareyn gemengt seye ".
Mittwochs, den 27. August, wurde der Weg vom Spital über die Grimsel selbst eingeschlagen; einem Säumer, welcher den Reisenden den Sack über den Berg führte, gaben sie einen Batzen Trinkgeld. In der Chronik meldet Stumpf, daß er Beweise des Reichthums des dortigen Gebirges an schönen Krystallen, weiß und roth, selbst getroffen habe: „ Ich selber hab etlich, doch nit groß, am fürgon funden und aufge-läsen, als ich über disen berg wandlet, Anno do. 1544 ". Der Weg schien ihm beschwerlich: „ und ist der berg zeersteygen zwo groß meyl wägs hoch und weyt fürwaar ein rauhe straaß, bey weylen sorglich zewandlen, auch winterszeyt mit schnee gar beschlossen ". Stumpf wandte sich auf der Paßhöhe jedenfalls gleich rechts, so daß er Oberwald, das oberste Walliser Dorf, links unten zu seinen Füßen ließ und erst bei Obergestelen das Thal erreichte. Hier beim Morgenessen überschlug er die ganze Entfernung von Zürich bis Gestelen und fand als Summa 12 oder eher IS Meilen, wobei er die letzten Tagemärsche, von Engelberg bis im Grund zu 2 Meilen, bis Guttannen zu 1, bis zum Spital zu „ 1 großmyl ", bis Gestelen zu 1 Meile berechnete.
Hiermit hatte er sein eigentliches Reiseziel erreicht, und zugleich zieht er nun einläßlicher, als bisher, Erkundigungen auch über Seitenthäler des Hauptthales, über deren Pässe, Kirchdörfer, anderweitige Ansiedlungen, sowie über die Distanzen derselben ein. Zwar merkt er solches oft nur ganz kurz im Reiseberichte an, um dann jedoch später in der Chronik um so breitere Ausführung diesen Dingen zu geben. So ist gleich bei der Erwähnung des gar nicht von den Reisenden berührten Oberwald eingeschaltet, daß der Roddan-Fluß an der Furka entspringe, mit der Verweisung: „ vide tuam chronicam ", daß vom „ Roddanbrunnen " bis Gestelen 1 Meile, 2 Stunden Fußweges, die Entfernung betrage, ebenso daß oberhalb Gestelen der Hauptfluß auf der linken Seite aus dem Gerenthaie heraus, „ uß den alpen von Elmi dem vorsitz, " ein Wasser empfange. Auch ist gar kein Zweifel, daß der Chronist die Landtafel, welche er nachher in dem Werke dem Buche über das Wallis beilegen wollte, schon in der Hand mit sich führte; denn an einer Stelle bemerkt er: „ Darumb ist in der tafel gefeit; lug eygentlich of ". Seine allgemeinen Eindrücke vom Lande und dessen Leuten hat er natürlich auch erst im zusammenhängenden Texte der Chronik ausgesprochen, so daß man dort sich das Urtheil über die Richtigkeit seiner Beobachtungen bilden muß.
Prüfen wir, ehe der Weg thalabwärts begonnen wird, einige dieser zusammenfassenden Angaben. Da ist zuerst von den gewaltigen Gebirgen die Rede. „ Sonst an im selbe ist dises land ein eng und schmal talgelend, hat aber beiderseyts fruchtbare berg, auch vil nebendtäler, deren sind etlich zwei, drei oder vier, auch etlich ob fünf meyl wägs lang, mit vil pfarr- kirchen, fläcken, dörffer und gebeuw. Das land ist geringe herumb an allen orten umbzogen und beschlossen mit wunderhohen und grausamen gebirgen, die sich merteils auff ein guote Teutsche meyl hoch gegen wulcken und lüfften aufrichtend, also das derselbigen bergen vil zuo allen zeyten stätigklich mit Glettscher, Firn oder schnee bedeckt sind, deßhalb man gemeinlich an allen orten, wo man dareyn oder darauß wandlen wil, hohe berg, rauhe velsen und gefährliche wäg ersteygen muoß; dann gmeinlich alle paß und eyngäng ires lands von natur und höhe deß wilden gebirgs also wunderbarlich bevestiget sind, das sy durch kleine macht beschirmt und mencklichem vorgehalten möchtind werden. Ja, die berg und ringk-mauren deß lands sind an vilen orten also hoch und glich von velsen, das einen grauset hinauf zesehen ". Dessen ungeachtet aber ist das Land und Thalgelände „ auß der massen fruchtbar und so lieblich, dergleyehen ich nit acht ein so fruchtbar land in so wildem gebirg under der sonnen erfunden werden, das schaffet, daß es gar in die sonnen gericht ist, hat die sonn den gantzen tag, dardurch es also ge- fruchtbaret ist ". Getreide, Obst und Baumfrüchte, der Waldreichthum, Erz und Bergwerk, auch seit kurzer Zeit gefundene Steinkohlen werden aufgezählt und gerühmt. Der fremde Wanderer hat sich überall genau erkundigt, so schon gleich oben im Lande, in dem zuerst betretenen Zehnten Gombs; er unterrichtete sich über die Art des Anbaus, über die Zeit der Ernte: „ Das erdtrich ist gantz fruchtbar, also das auch zuo oberist im land im Zehenden Goms die äcker gemeinlich alle jar frucht gebend, also das man gleych nach der emd dieselbigen widerumb bauwet und säyet. An vilen orten wässerend sy alle ire guter, richtend das wasser auch etwan durch ire äcker und weyn-gärten, könnend das selbig gar artig an den bergen bar leiten durch graben und känel. Es hatt auch im land eigne rechtung und breuch umb die Wässerung der guter. Die ersten ackerfrücht werdend an den fruchtbaresten orten im Meyen zeytig; deßwegen im land Walliß die ernd im Meyen anfacht und endet sich erst umb S. Michelstag. Also das die ersten frischt im grund, die anderen in den nebendtälern, und die letsten auff den bergen gleych under den schnee-bergen her ab gesamlet werden ". Vorzüglich interessirt sich aber der Berichterstatter auch für den Weinwuchs des Landes: er erhebe sich zu Mörel und gehe durch das Land, je länger, je reichlicher, abwärts. Der weiße Wein wachse etwas frischer von oben hinab bis gegen Leuk, danach je tiefer um so stärker. In den Zehnten Leuk, Siders und Sitten habe der rothe Wein vor dem weißen den Preis: „ der Wirt also schwartz und dick, das man darmit schreybea möcht ". Unter Sitten sei der weiße Wein wieder in höherer Achtung. Und die Weine seien gut haltbar, ausgenommen der Muscateller ( „ der wachßt auch für-bündig guot in disem land " ), und sie werden viel nach Uri und in das Berner-Land gesäumt und getragen. Kurz: „ die weyngwächs dises lands sind also lieblich, starck und guot, als man sy in Teutschen landen soit finden ". Auch der Thierwelt, Wildbrät und Hausthieren, dem Rindvieh und der Milchwirthschaft über- haupt, dem Fischreichthum wird die Aufmerksamkeit geschenkt.
Was nun das Volk betrifft, so haben die Einwohner des Wallis schon den Römern zu schaffen gemacht, und auch jetzt ist das Landvolk streitbar, stark von Leib, an Arbeit wohl gewöhnt, durch Hitze und Kälte abgehärtet und deßwegen stark, „ in alle wäg dem land gemäß: dann wie das land von bergen und velsen rauch, also warend auch die eynwoner dapffer, ernsthafft, unerschrocken und starckmütig, besonder aber unleydig aller tyranney und tyrannischer beherrschung ", das letzte eine Eigenschaft, deren Zeugniß in vielen zerstörten Schlössern wohl zu erkennen sei. „ Das gepaurßvolck ist gemeinlich schlächterer bekleidung, dann in den Helvetischen landen. Sy sind merteils brauner färb, von wegen des luffts und der sonnen. Es habend auch dise landleut an vilen orten kröpff am halß, gleych als in der Steyennarck; das achtet man vom wasser entspringen ". Aber dieses einfache Volk strebt auch nach Bildung und zeigt geistiges Leben: „ Es hat an die Eegimenten gemeinlich erfaren und geschickt lent, auch vil geleerter menner; dann dieweyl das land ein besonder eigen Bistuom und Thuomgstifft, darzuo die landleut etwa vil Vogteyen Welscher spraach nach der Ordnung der siben Zehenden habend zu verwalten, darumb habend sy allezeyt vil junger knaben zuo der leer und schuolen angehalten, und wolt schier ein yeder ein geleerten sun haben, der ein Thuomherr, Bischoff, Official werden, oder inn Welschen landen ein Vogtey zuverwalten sich Latinischer spraach gebrauchen könde ". Ferner er- innert sich, wer je schon durch das schöne Grün des oberen Rhonethaies reiste, gerne an die wunderbar satte braune Farbe der stattlichen Holzhäuser in den dicht in einander gedrängten Dörfern. Auch diese Eigenthümlichkeit der Bauart hat Stumpf wohl beachtet: „ Die Grebeuw diser landschafft werden gemeinlich von holtzwerch auff Helvetische und Eydgnössische manier gemachet, doch allermeist vonn Lerchenholtz, des sy vil habend, welches im alter am wätter also schwartz wirdt, als ob es am rauch geschwertz seye. Doch sind merteils fläcken und dörffer gantz stattlich und schön erbauwen von gemeur und ihre Tâcher sind merteils durch hinweg gedeckt mit steinin platten, die sich von art dünn spalten lassend, deßwegen söliche Tâcher mit f heur nit leychtlich erzündt werdend ". An jenem 27. August, dessen erste Reisestunden für den Weg über die Grimsel nach Gestelen gebraucht worden waren, kam Stumpf, obschon er sich überall wohl umsah, noch überraschend weit thalabwärts, bis nach Mörel. Zunächst ging es von Gestelen, etwas weniger als zwei Stunden Fußweges, nach Münster; unterwegs ließ sich der geschichtskundige Reisende durch die noch heutzutage an der Straße stehenden bescheidenen Siegeszeichen, die beiden Holzkreuze unweit Ulrichen, daran erinnern, daß hier die Oberwalliser zwei Male ihre Waffen glücklich führten, 1211 gegen den letzten Herzog von Zähringen und 1419 gegen die Berner. Dann wurde der noch in der Gegenwart, besonders durch seine stattliche gothische Kirche, wohl in die Augen fallende Flecken Münster, wenigstens in der Chronik, eingehender gewürdigt:
„ Ist ein herrlich dorff, und ein so schöne gelegenheit von wisen und ackern, dergleychen ich in keiner wilde gesehen hab, ligt auch auff der rechten seyten des Koddans gegen Mittnacht, hatt ein schönen korn-wachß, doch am meisten von summerfrüchten ". Von Münster an zählt der Reisebericht die gerade hier auf kurzen Entfernungen sich drängenden Dörfer: zuerst Reckingen, nach keiner ganzen halben Stunde ( „ ligt uf beider syten des wassers; hat ein prugken " ), dann weiter eine halbe Stunde ( von Münster gerechnet ) Glurinen, hernach „ gar nach " Ritzingen und Biel ( „ hat ein prugken: „ und dise yetz benennte dörfFle sind alle gar schöner und fruchtbarer gelegenheit, auff der rechten seyten des wassers, gehend auch etwa manche kleiner flüsßlin herein in den Roddan ".
Unterhalb Biel findet die oberste Thalstufe ihren Abschluß, bei Niederwald, und ganz mit Recht bemerkt der Reisebericht: „ Daselbst wird das land etwas enger ". Bekanntlich führt in der Gegenwart die Poststraße von Niederwald hoch über der Rhone durch den Wald auf der rechten Seite nach Viesch; damals dagegen hatte der Wanderer den Fluß zu überschreiten: „ Ob dysem dörfli Wald gat man über die prugken uf die linken hand gegen Aerinen ". Da fiel nun Stumpf, zunächst nach der Brücke, der Platz „ Zlowinen, ein alter thurn, genant Zum Steinhuß ", auf, hernach als „ cardinalis patria ", d.h. als Geburtsort des berühmtesten Wallisers, des Cardinais Matthäus Schinner, das Dorf Mühlebach, und gleich darnach Aernen, welches eine starke Meile, etwa zwei und eine halbe Stunde, unterhalb Münster gelegen sei.
In der Chronik ist das Dorf Aernen, welches auch gegenwärtig gegenüber Viesch auf seiner „ schönen fruchtbaren und graßreychen höhe " so ansehnlich in die Augen fällt, als „ stattlicher hauptfläck des Zendens Gomms " noch ganz besonders hervorgehoben: „ In disem fläcken wirt das hochgericht gehalten im Zenden Gomms, hatt ein grosse pfarr, ist auch zimlich erbauwen mit gemeur und steinwerch, welches oberthalb nit im brauch, sonder die gebeuw vast von holtz gemacht, und mit lärehinen schindlen bedeckt sind; flirter hinab aber im land werdend die tâcher der gebeuwen gemeinlich mit gespaltnen steinen und platten bedeckt ". Ebenso vergißt Stumpf nicht zu bemerken » daß gleich unterhalb Aernen das Wasser, die Binn, aus dem Binnenthale herauslaufe, in welchem Thale eine Pfarrkirche, St. Michael geweiht, inmitten im Orte am Feld stehe, und daß hinten durch dieses Thal über den Albrun-Paß ein Weg in 's Fürstenthum Mailand gen „ Petz " ( das will sagen: Baceno ) führe.
Von Aernen mußte Stumpf nach Lax, eine halbe Stunde weit, über die Rhone-Brücke wieder auf das rechte Ufer, eben auf die jetzige Straße, zurück, und in der Chronik beschreibt er das abermals sehr gut und merkt die Veränderung der Gestalt des Thales unterhalb Lax an, bei dem in mittelalterlichen Urkunden so viel genannten Grenzorte des obersten Wallis, dem Dörfchen Deisch: „ Under Laax thuot sich das vor- gebirg beiderseyts zesamme herfür biß an den Roddan, gleych als wölte es das land beschliessen; dann es daselbst gar eng wirt, und wirt der vorbühel gegem Roddan auff der rechten seyten genennt der Diest- Stalden ( wirt noch zuo Latin geheissen A monte dei superius ), ist ein undermarch zwüschend dem Zenden Gomms und der Herrschaft Moru. Auff der lincken seyten stoßt das gebirg von Mittag hereyn an den Roddan, und in sölicher enge gadt ein gewelbte prucken von steinwerch von, einem velsen auf den andren über den Roddan ". Auf dem linken Rhoneufer gingen sie nun abwärts, bis vor Mörel ( „ ligt 2 stand under Aernen " ) wieder das Ufer gewechselt werden mußte; denn da ging es auf die rechte Seite zurück, nach Mörel hinüber, und die Reisenden freuten sich, hier die erste Spur des Weinwuchses zu finden: „ Mörel ist ein schön dorff, hat ein grosse pfarr in S. Hilarii kirchen ". Damit war nun der reichlich ausgefüllte sechste Reisetag, der 27. August, zu Ende. Die unermüdlichen Wanderer hatten den großen Weg vom Spital an der Grimsel bis Mörel an einem Tage zurückgelegt, und sie scheinen dabei, wenigstens nach den Ausgaben zu schließen, das einzige Mal in Obergestelen sich gestärkt zu haben.
Wir haben Stumpf auf seiner Wanderung durch den Zehnten Gombs, den obersten Theil des Wallis, von Dorf zu Dorf begleitet, seine Beobachtungen überall verfolgt, zu beleuchten versucht, was er in seinem großen Werke aus denselben zu gestalten verstand. Doch es würde uns zu weit führen, wenn wir auch die vier folgenden Reisetage im Wallis so eingehend vorführen wollten. Außerdem erstreckt sich jener erste Reisetag über Gegenden, die auch in der Gegenwart noch etwa zu Fuß zurückgelegt werden mögen, während den unteren Abtheilungen des langen Thales, bei allem Eeichthum der Hauptdecorationen und der großen Abwechselung der Nebenthäler, bekanntlich der Reiz so sehr abgeht, daß es in der neuesten Zeit als eine wahre Erleichterung nicht bloß hinsichtlich der Schnelligkeit hat begrüßt werden dürfen, als das Beförderungsmittel der Gegenwart bis nach Brieg hinauf in Gang gesetzt wurde. So möge denn hier eben nur noch bis Brieg Stumpfs Weg Station nach Station beleuchtet werden; weiter thalabwärts halten wir nur noch an einigen Hauptplätzen still.
Donnerstags, den 28., wurde der Weg anderthalb Stunden weit bis Naters, hernach die weitere halbe Stunde bis Brieg fortgesetzt. Gleich unterhalb Mörel fiel den Reisenden zunächst die Ruine des Schlosses Mangepan in die Augen: „ Diß gewaltig schlosß, eines Welschen nammens, ist unden nebend dem dorff Mörel gegen Mittnacht auff einer hohen fluo des gebirgs gelegen; noch ein scherben von einer alten mauren wirt aida gesehen ". Etwas weiter unten überraschte der mächtige Strom der vom Aletschgletscher kommenden Massa die Wanderer. Hatten sie es schon die ganze Strecke von Mörel her „ wunder-kalt alle zeyt " gefundendas schaffet die enge des lands; dann da werdend die wind durch die höhe der gebirgen eyngeschlossen und in das tal getrengt " —, so verwunderten sie sich nun über den starken, wie sie meinten, beinahe schiffreichen, doch im Sommer durch das Schmelzen von Firn und Schnee zwar vergrößerten, aber auch ungestüm und trüb gemachten Strom: „ Dises wasser Massa hat gleych nächst ob seinem eyngang in den Roddan ein schöne steinin prucken von einem schwybogen gemachet, darüber die straß gadt. Es wirt der Roddan von disem eynfluß gantz starck und schiffreych: doch ist er von wilde des gelends und der velsen also wütig und ungestüm, das man in mit schiffen nit faren mag ". Gleich unterhalb dieser Brücke tritt man in die Thalebene von Brieg, welche die Chronik recht gut in wenig Worten charakterisirt: „ Söliche drey fläcken, Naters, Brig und Glyß, ligend in einem dreyegk, keiner ein völlige halbe stund vom anderen; darzwüschend sind schöne matten ", und von Naters insbesondere heißt es: „ Naters hat schöne gebeuw, merteils von steinwerch, auff schlösser manier, mit angesetzten thurnen, zinnen und aercker gantz bössisch gebauwen ( wie in merteils namhafftigsten fläcken des gantzen lands söliche vil behausungen ), ligt gar an einem velsigen, doch lieblichen und nit unfruchtbaren ort gegen der sonnen".Zwischen Naters und Brieg wird die zweibögige steinerne Brücke bewundert: „ Dardurch rauschet das wild ungestüm wasser, also daß wunder ist, wie man steinwerck dareyn setzen und erbauwen möge ". Auch Brieg, der schöne, lustige, stattliche Flecken, findet volles Lob: „ Meines achtens übertrifft er alle andere fläcken in Oberwalliß ". In Gliß dann interessirt sich Stumpf ganz vorzüglich für den mächtigen Herrn Georg auf der Fluh, welcher ein Menschenalter vorher in der Walliser Geschichte eine große Rolle gespielt, vielfache wechselnde Schicksale erlebt hatte. In der durch diesen Mann selbst erweiterten Wallfahrtskirche zu Gliist „ ein zierlicher Tempelschrieb sich der Chronist die Gedächtniß-Inschrift Georg's ab: „ Er Eine Schweizerreise eines Gelehrten i. XVI. Jahrh. 446 hat gehept zwölf sün und elf töchter von einer frauwen, und so die Conterfactur der taflen, wie ich die gesehen hab, gerecht, ist mir schönere gestalt von eitern und so vil kindern nit für äugen kommen. Aber er hat sein fürstliche begrebd zuo Grlyß vergebens gemachet, muoßt bey den außlendischen begraben werden; seine vil kinder, schöne sün und töchter, sind auch beynach gar in kurtzer zeyt vergangen. Dises hab ich allein darumb hereyn gesetzt von disem mann, daß niemants dem glück, auffgang und zeytlichen wolstand zevil vertrauwe, sonder das sich ein yeder auff Gott, die unbeweglichen grundveste, begründe ". Einige Mittheilungen über diesen Georgius super Saxo hatte Stumpf auch aus einem Buche, das er als sehr alt bezeichnet, entnommen, welches ihm in Brieg muß vorgelegt worden sein und eine Anzahl sehr bemerkenswerther Notizen, insbesondere zur Walliser, doch auch zur schweizerischen Geschichte, enthielt; sehr mager dagegen sind Excerpte aus Jahrbüchern der Kirche zu Gliß.
An diesem Donnerstag, den 28., kam Stumpf noch bis an „ ein huß Beckenriedt: da bleybend wir über nacht, verzertend 2 batzen ": Beckenried liegt gegenüber Niedergestelen, zwischen Visp und Turtman. Am folgenden Tage aber, den 29., wurde Sitten erreicht. Am 30. ging die Reise, wegen des längeren Aufenthaltes in Sitten, nur noch bis „ Schellon: da warend wir über, nacht und verzartend mit eynem Tütsch knecht 6 batzen ". Von Saillon — denn das ist unter „ Schellon " zu verstehen — wurde am Sonntag, den 31., über Martinach ( „ Zu Martenach assend wir zu morgen by Hans Helbling von Zürich, eym Tütschen wirt; das mal kostet 4 batzen " ) die Grenze bei St. Maurice gewonnen und dort das letzte Nachtquartier im Wallis aufgeschlagen.
Von den zwischen Brieg und dem untersten Landes-ende berührten Plätzen betont der Reisebericht in erster Linie den noch heute, wenigstens von außen her, so malerisch in das Auge fallenden Flecken Leuk: „ Vor der Susten über uf eynem lustigen wingartberg ligt der herlich flecken Löuck sampt dem bischoflichen schloß und eynem gar schönen rhathu, und nochmals folgt danach: „ Löuck ad dextram Roddani. Vor der Susten über ligt Leuck, ein schön dorf, cum arce den Lettschenberg. Von dises wassers Ursprung gadt ein pasß gegen Mittnacht über den Berg Lettscben oder Lett-scher hinüber in Gastrun und flirter gen Kanderstäg in Fruotinger tal, Berner biets. Diser berg ist vast rauch, nn-wägsam und sorgklich zewandlen, und verfallend vil lent darauff. Das tal hatt den nammen darvon, das Lettschtal, hatt auch etliche dörffer und ein Pfarrkirchen”. Dann werden die namhaftesten Dörfer und Ortschaften aufgezählt; es wird des Krieges von 1418, in welchen das Thal verwickelt wurde, gedacht, nebst noch einigen weiteren historischen Notizen. Auch wird nicht vergessen, daß es in dem Thale an einigen Orten Bergwerke gebe und Bleierz gefunden werde.
episcopali; hat ein prugken ubern Roddan mit eym thurn beschlossen. Under Leuck ist ein prugken über des bades wasser, gat ouch durch ein thurn; darumb ist Leuck glych als ein stat beschlossen ". In der Chronik bemerkt hier Stumpf ferner noch den Umstand, daß da nun die Sprache zu wechseln anfange: „ Leuck ist Teutscher und Weltscher spraach. Fürhin gebraucht sich das landvolck gemeinlich Weltscher spraach; außgenommen in den hauptfjäcken könnend sy merteils beid spraachen " ( bei Siders heißt es gleich nachher, daß da im Flecken die Leute „ Teutsch und Weltsch vermischet könnend und redend ", während um Siders herum auf dem Lande „ man sich merteils Weltscher spraach, auff Saffoygische manier, gebraucht, doch etwas gröber " ).
Zwischen der Susten, wo „ den kauffleuten und wandelbaren zelieb ein herberg und gasthauß gebauwen ", und Siders ist, auch im Reiseberichte, der Pfyn-Wald genauer beschrieben und besonders auf den großen Erosionskessel des Illgraben die Aufmerksamkeit gelenkt: „ Pfimbdwald ist ein langer forrenwald under der Susten, nebend dem Üllgraben. Üllgraben ist ein wyter tiefer platz, vom bergwasser ußfressen; daruf ist vor zyten Alt-Löuck gstanden ". Siders selbst hat Stumpf nicht so imponirt, wie Leuk; er sagt davon im Berichte nur: „ Syder hat ob dem dorf ein prugken ubern Roddan. Ob dem dorf ein thurn und gfenckniß. Nebenduß gegem Roddan ein Closter; im dorf ein burg eynes vogts ". In der Chronik wird außerdem noch ausdrücklich bemerkt: „ Diner fläck ist von gebeuwen nit gemeinlich also schön und von gassen so sauber, als etliche hie ob verzeichneten, ist aber vil fruchtbarer und feißter; dann das land tuot sich daselbst etwas auf in die weyte, deßhalb diser fläck gegen der sonnen an einem gar warmen ort ligt^ mit edlen güeteren und kostlichem weyngewächs umb- zieret, ist der allerfruchtbaristen fläcken einer deß gantzen lands ".
Mit Empfehlungsbriefen, welche der Zürcher Gelehrte .nach dem Flecken Leuk und dann später wieder nach Martinach mitführte, hatte er Unglück; denn wie in Leuk „ houptman Vinschi und syn wyb nit an-heymisch warend ", so machte er in Martinach dieselbe Erfahrung mit dem Philippus de Platea. Um so erwünschter war es, daß es ihm zu Sitten mit dem vornehmsten Herren des ganzen Landes besser geschah. „ Die sabbathi, 30. Augusti, praesentavimus literas Episcopo. Der hat uns zu M. Christanno gewissen; von dem warten wir bescheyds " ( der Verkehr mit diesem Magister verursachte allerdings eine größere Zeche: „ Zu Sitten habend wir ußgeben 13 batzen; verzert mit M. Christiano " ). Bischof Adrian, aus dem Walliser Geschlechte von Riedmatten, muß auf den'Chronisten einen sehr günstigen Eindruck gemacht haben; denn in seinem großen Werke schließt er die mehrere Capitel füllende Bisthumsgeschichte mit folgender Charakteristik des damals regierenden Bischofs ab: „ Bischoff Adrian ist ein vernünfftiger mann, von person wolgestalt, demütig, reychen und armen gleych freuntlich, gar fridsam, und dem vatterland also ge treuw, daß er billich ein Vatter des vatterlands sol und mag genennt werden. Er fürt ein kleinen pracht, richtet alle ding merteils selbs auß. Er ist deß fridens also geflissen und den selbigen im land zeerhalten so embsig und fürsichtig, das sich von anfang seiner regierung biß auff dise zeyt kein namhaffte unruow oder Matzen wider gemeinen friden ye empöret hat. Er hat die gerechtigkeit lieb, und regieret darby seine underthone mit höchster freuntlichkeit. Das Bischoff lieh schloß Maiory, bey seinen tagen verbrunnen, hat er in jars frist mit gebeuwen also erschiffet und auß-gebutzet, das söliche brunst beynaach für nodtwendig möchte geachtet werden. Großen kosten hat er angelegt etliche Saltzbrunnen und pfannen dem vatter-land zuo gutem zeerbauwen und in gang zebringen. Im jar Christi 1544 hat er den Cisternin in der vor-burg der Maiory gebauwen. Hiemit wollend wir die Ordnung und Verzeichnung der Bischoffen von Sitten beschliessen ".
Der Stadt Sitten gedenkt der Reisebericht fast gar nicht: an dieser Stelle schiebt er registerartige Orts-übersichten von Ortschaften des Hauptthales und mehrerer Nebenthäler ein. Dagegen hat die Chronik die einzige Ortsansicht aus dem Wallis — im Vordergrunde die Stadt und darüber die so malerisch sich gruppirenden Schlösser, das Ganze überragt von allerdings sehr phantastisch gebildeten Berggipfeln — eben der Hauptstadt gewidmet, derselben auch eine kurze Beschreibung der „ Glägenheit ", der „ drey kirchen der statt ", der „ drey Schlösser " angehängt. Auch noch an einer anderen Stelle seines Buches vom Wallis gedenkt der Reisende eines Eindruckes aus der Hauptstadt: „ Das Wildprät von Steinböcken, Ybschgeißen 29 und Gembsen ist in disem land also gemein, das man söliches bey weylen in der Metzg nebend anderem gemeinem fleisch außhauwt und um ein gering gelt verkaufft. Sölichs hab ich in der statt Sitten selb » gesehen ".
Ganz besonders aber begann für Stumpf während dieser seiner Reise hier in Sitten eine Seite seiner Studien erst fruchtbar zu werden. Der, was die römischen Inschriften betrifft, in der Gegenwart urtheils-fähigste Kenner, Theodor Mommsen, hat in der Zeit, als er, selbst auf dem Boden der Schweiz als Uni-versitätslehrer thätig, die Inschriften unseres Landes neu sammelte und herausgab, über Stumpfs Verdienste als Inschriftenforscher in der anerkennendsten Weise geurtheilt. Stumpf — sagt Mommsen — sei im höchsten Grade fleißig, zuverlässig, genau, kurz ein Gewährst mann gewesen, wie ihn die Sachkundigen für solche Arbeiten überhaupt nur wünschen könnten. Der bescheidene Mann habe vor seiner Zeit hierin keinen erwähnenswürdigen Vorgänger gehabt, und in sehr langem Zwischenraum sei kein anderer ähnlicher auf ihn gefolgt ( ganz besonders zielt da Mommsen auf Tschudi, welcher durch seine viel unzuverlässigeren Arbeiten auf demselben Gebiete nur dazu beigetragen habe, Stumpfs Verdienst zu verdunkeln ). Und wenn irgendwo für Stumpfs Arbeit der werthvolle Umstand eigener Prüfung und Besichtigung in Betracht komme, so gelte das für die Inschriften des Wallis. Die erste Inschrift nun, welcher Stumpf im Wallis begegnete und die er abzuschreiben sich befliß, sah er in Sitten, neben der oberen Thüre der Hauptkirche, eingemauert. Besonders aber boten Martinach, das alte Octodurum, sowie St. Maurice, der letzte von den Reisenden im Wallis berührte Ort, reichliche Ausbeute. Zu Martinach zwar ärgerte sich der Gelehrte, daß eine marmorene Säule auf der Erde liege, so daß man sie wegen ihrer Schwere nicht umdrehen und zur Lesung der Inschrift nicht gelangen könne, ebenso, daß aus ähnlichen Gründen auch noch andere Fragmente ihm entgingen. Gleicher Weise konnte er in St. Maurice an der Abteikirche mehrere Inschriften allerdings benützen, während ihm wieder andere wegen ihres hohen Alters oder ihrer Abgenütztheit unlesbar blieben. Für die Kirche von St. Maurice bemerkt er ferner: „ Nota bene: den gestückten esterich hinder dem aitar " —, worunter ja wohl ein Mosaik-Fußboden zu verstehen ist.
Hatte Stumpf schon durch das ganze Thal herab mittelalterlichen handschriftlichen Geschichtsquellen, welche sich ihm darboten, seinen Fleiß zugewandt, so zeigte sich ihm nun im Stifte St. Maurice, dieser uralten geistlichen Anlage des burgundischen Reiches, vollends noch die Gelegenheit, mittelalterliche Nachrichten zum Theil sehr frühen Datums zu sammeln. Voran schöpfte er aus der „ Fundatio Agaunensis monasteriidann schrieb er sich die Reihe der Aebte des Klosters, eine solche der Könige von Burgund, sowie kürzere und längere Auszüge von Urkunden ab. Wie er schon weiter oben im Thale auf Wappen sein Auge gerichtet hatte, fügte er da diejenigen von Gemeinden und Herrschaften von Unterwallis auf einem eigenen Blatte bei. Alle diese Gefälligkeiten hatte er hier dem Umstände zu verdanken, daß der Bischof von Sitten ihm einen Empfehlungsbrief an den Abt von St. Maurice mitgegeben hatte, so daß man ihn entgegenkommend im Kloster aufnahm. Außerdem aber beweist der Text der Chronik durch die eingeschobene gute Beschreibung der örtlichen Lage des auch nach dieser Hinsicht merkwürdigen Platzes St. Maurice, daß sich Stumpf daselbst überhaupt wohl umsah: „ Mit dem stättle Agauno beschleußt sich das land Walliß gar wunderbarlich; dann da stoßend die hohen gebirg und gähen velsen zuo beiden seyten an den Roddan also naach zesamen, das eben bloß das wasser hinauß gon mag, und ist auch bemelter grosser und schiffreycher flusß daselbst nit breiter, dann das ein steinin prucken nur von einem gewelb oder schwy-bogen darüber von einem velsen auff den anderen gebauwen, die ist auff der lincken seyten under dem stättle mit einem schlosß ( diser zeyt deß Landvogts behausung ) und auff der rechten seyten gegen der herrschafft Aelen und Berner gebiet, mit einem thurn und porten wol bewaret, also daß man an disem ort das gantz land Walliß mit einem Schlüssel beschliessen und mit kleiner wacht und huot wol aller weit mag vorhalten. Gleych ob dem schlosß und der prucken zwüschend dem Roddan und dem hohen gebirg zeruor am velsen ligt das stättle Agaunum ". Noch an einer anderen Stelle findet sich eine Erinnerung an St. Maurice: „ Ich selber hab zuo S. Moritz, Anno 1544 am 31. Augusti umb vesperzeyt sölicher grosser Förinen auff 16 und 20 pfund schwär in einer halben stund 14 sähen also frisch auß dem Roddan gefangen in die herberg tragen, außgenommen die ich nit ge-sähen hab und anderß wohin kommen sind ".
An einer Stelle seiner Schilderung des Wallis in der Chronik sagte Stumpf, daß das Land „ in der lenge ( von dem fuoß deß bergs Furcka biß zuo S. Mau-ritzen hinab gerechnet ) 16 gemeiner Teutscher meylen hat 1 ). Das machet 32 stund guots gemeines fuoßwägs, das thuot 4 geringer tagreisen zefuoß, darinn man sich dennocht nit muoß übereylen ". Freilich hatte unser Chronist diese vier Märsche in fünf Tagereisen vollendet, aber mit welchem Fleiße daneben geforscht und gesammelt. Mit der Ueberschreitung der Rhone und der Betretung des Berner Gebietes auf dem jenseitigen Flußufer ist auch unsere Aufgabe hier im Wesentlichen abgeschlossen 5 nur kurz wollen wir das Ende der Reise, soweit es überhaupt im Reiseberichte noch aufgezeichnet ist, verfolgen.
Montags, den 1. September, Mittags, wurde St. Maurice verlassen, doch nicht weiter als bis Aigle gereist; denn es hieß, weiter unterhalb, zu Vevey, herrsche die Pest. Am 2. September legten die Wanderer den ansehnlichen Weg bis Lausanne zurück. Unterwegs vermerkten sie Chillondas schloß Zylium, ain ort im see " —, hernach MontreuxMochtrieu, ein schön dorf und fleckund nicht weit davon „ ein wenig vom see in den reben, uf halbem weg zwüschen Nüwenstatt und Vivis, Castellare, ein schloß ob Vivis ". Aergerlich war ihnen zu Cully „ ein schnöde urten, 2 Va batzen zu abend um ein trunk ". Zu Lausanne wurde ein Aufenthalt bis zum 4. September gemacht, mit einer Ausgabe von 20 Batzen: „ Wir kartend in zum Engel, quia hospitium Leonis erat occlusum ". Auch hier machte Stumpf eifrig Auszüge aus Bischofs-Katalogen und Urkunden; daneben aber erfreute man sich des Zusammenseins mit geistlichen Amtsgenossen, mit dem vortrefflichen Reformator Peter Viret, sowie mit Beat Comte; auch zwei deutsche Schweizer fanden sie da vor, den Zürcher Georg Rubli und einen Berner Josua Wittenbach. Einen sehr anstrengenden Marsch forderte der Donnerstag, 4. September, obschon erst kurz vor Mittag aufgebrochen werden konnte, bis nach Romont: „ Ist 6 stund guts fußwegs, thut dry gmeine Tütsche mylen, gabend underwegen um ein trunk 1 batzen ". Am 5. September ging die Reise über Freiburg bis zur Sense — da wurde die Nacht zugebracht —, hernach am 6. bis nach Bern: „ zum Falken; da habend wir zwen tag verzert 20 batzen, hembder gewaschen, schuch blitzt und schärgelt ". Nachdem in Bern unter anderen eine Genealogie der Zähringer gewonnen worden war, ging es noch am Sonntag, 7. September, zu Nacht bis Biel:
„ item 2 batzen, 1 crüzer von mynen schlichen ze büetzen ". Am Montag wurde Solothurn erreicht: „ zum Lewen, verzartend über nacht und an dinstag zu ymbiß mit den herren, die arbeit mit uns hattend, 1 gülden 5 batzen, da man uns den wyn schankt ". In Solothurn nämlich scheint man dem Chronisten bei seinen auch hier wieder sehr fleißig gemachten historischen Auszügen geholfen zu haben, und noch Dinstags begleitete ihn einer dieser Freunde, auf dem Wege nach dem Nachtquartier St. Urban, bis nach Wangen: „ Da thatend wir ein abendtrunk, kost 4 batzen; hattend Jochimen zu gast, der war mit uns von Sole-thorn gangen ". Wieder nahm Stumpf von St. Urban ein Verzeichniß der dortigen Aebte mit; dann brach er Mittwochs, 10. September, nach Zofingen auf. Allein hier bricht das Reisejournal ab, am zwanzigsten Tage der gesammten Abwesenheit 1 ). Wir hören nicht, wann und auf welchem Wege Zürich wieder erreicht worden sei, und Notizen über einige aargauische Schlösser sind nicht von Stumpfs eigener Hand geschrieben.
In seiner Vorrede zu dem vollendeten Werke hat sich unser Chronist über seine Arbeit folgendermaßen ausgesprochen: „ Dem allmächtigen Gott zuo lob und zuo merer erbreiterung seiner wunderwercken, auch gemeiner loblicher Eydgnoschafft zuo eeren, nutz, wolfart und besserung hab ich mich weyter in die arbeit eyn-gelassen und der Alpländer und loblicher Eydgnoschafft gelegenheit, gestalt, wäsen, Sitten, auch irer Stetten, länder und völcker Ursprung, härkommen, dapffere und Chronickwirdige thaaten mit bestem fleyß zum treuwlichsten ( so vil mir yemer möglich ) zesamen getragen, in ein Ordnung ( wie dise XIII bûcher auß-weysend ) gestellt, und durch den truck lassen außgon, darmit sich alle liebhaber der historien, besonder in einer loblichen Eydgnoschafft, auch in irer frommen altvorderen geschichten zeergetzen, ir ear und lob für-zebilden und ab inen ein beyspil und wägweysung zu einander sich unserer Schätzung entzieht. Immerhin mag eine Zusammenstellung hier für die Leser einiges Interesse bieten, und vielleicht überrascht ein Kundiger den Verfasser durch eine geschickte Berechnung dieser Werthe; denn so erst wird das Erstaunliche der Billigkeit damaliger Reisekosten klar zu Tage treten, wobei ja noch stets festzuhalten ist, daß nicht bloß eine einzige Person unterwegs war. Es sind in Zürcher Münze 9 Schill.; in Luzerner Münze 23 Schill. 14 Hell. 7 Batzen; in Berner Münze 4 Schill.; in Freiburger Münze 16 Schill. ( „ Friburg: aßend zum Hirzen zu ymbiß, kostet 16 Fryburger ß., thut 41/2 batzenin Constanzer Münze 5 Batzen; in Walliser Münze 16 Kart ( „ 3 ß. Zürichmiinz, was 9 kart ": „ ein abentzechli " in Visp ); ohne genauere Angabe der gebrauchten Münz-sorte 1 Gulden — 2 Doppelvierer —160 Batzen— 5 Kreuzer.
zuo allem guotem abzenemmen habind. Der barm-hertzig Gott wolle ein fromme Eydgnoschafft in seiner Göttlichen gnaden schütz und schirm vätterlich erhalten, das sy langwirig und bestendig in eeren, zuo yemerwärenden zeyten gruone, wachse und zuonemme in frid, freyheit und gerechtigkeit. Amen. "
In diesem frommen Sinne, wie er dem ächten wissenschaftlichen Schriftsteller ziemt, der allein die Wahrheit, nicht aber die eigene Ehre sucht, hat Stumpf auch diese hier beleuchtete Reise unternommen und durchgeführt. Wir irren wohl kaum, wenn wir annehmen, er habe während der so sorgsam, so geizig mit jedem der Arbeit freistehenden Zeitabschnitte ausgenutzten drei Wochen mehr Mühseligkeit, als Erholung genossen. Aber um so ehrwürdiger und dankenswerther erscheint uns dieser vortreffliche Zeuge einer großen Zeit.
Denn in so unbequemer Art mußte ein Gelehrter des Reformations-Jahrhunderts durch unser Land reisen.