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Ein Viertausender für jedermann (Breithorn)

Remarque : Cet article est disponible dans une langue uniquement. Auparavant, les bulletins annuels n'étaient pas traduits.

Karl- Wilhelm Specht, SAC Grindelwald, D-Mülheim a.d.Ruhr

Bilder ro bis 13 Als « leichtester Viertausender » der Alpen wird häufig das Walliser Breithorn über Zermatt bezeichnet. Nun, « leicht » ist so mancher hohe Berg, wenn Wetter, Schnee- und Eisverhältnisse und die Kondition des Gipfelaspiranten sich in bestem Zustand befinden. Doch wehe, wenn die Tücken des Wetters oder der Anstiegsroute unterschätzt, die eigene Leistungsfähigkeit dagegen überschätzt werden! Schon mancher « leichte » Gipfel hat sich dann als ausgesprochen heikel entpuppt. Auch ich kann ein Lied davon singen, muss jedoch gerechterweise hinzufügen, dass in seinem Text das Breithorn nicht vorkommt. Daran waren seine saftig-weichen Flanken allerdings weniger schuld als die relativ kurze Aufstiegsroute. Denn im italienischen Rifugio Theodulo auf 3317 Meter Höhe hat man eine günstig gelegene Ausgangsbasis, die mit einer sehenswerten Fernsicht aufwarten kann. Das dürften allerdings die einzigen Vorteile sein, die gegenüber der Gandegghütte anzuführen sind. Schmutz und Unordnung, hektischer Betrieb und pausenloses Geschnatter bis in den späten Abend hinein gestalteten unsern Aufenthalt nicht sonderlich angenehm. Wenn demnächst die Seilbahn aufs Klein Matterhorn führt, entfallen solche Begleiterscheinungen zu einer Breithornbesteigung. Dann lässt man sich in Schlips und Kragen mit der ersten Bahn auf 3883 Meter gondeln, schlüpft für drei bis vier Stunden in die Zunftmontur, um zum « Rahmgeschnetzelten auf Berner Art » wieder in Seilers Hotel in Zermatt zu sitzen. Wenn es soweit ist, wird sicher der Weg aufs Breithorn ausgeflaggt werden, am besten aber gleich mit SOS-Telefon unterwegs!

Genug der bösen Worte, die der wohlwollende Leser mir bitte verzeihen möge! Immerhin sind die Schweizer Luftseilbahnen technische Einrichtungen, die man nicht nur benutzen, sondern durchaus auch anschauen kann. Wenn ich da an die Gefährte in Frankreich oder Italien denke, wo ich ganz erbärmliche Apparaturen sah, die man mitten in die schönste Landschaft geknallt hat... nein, ich denke lieber nicht daran!

Wohl erinnere ich mich mit etwas Gänsehaut an die Seilbahnfahrt zum Trockenen Steg. Die Bahn war damals noch nicht ganz fertig, und so mussten wir mit einer Materialkiste vorlieb nehmen, die mit zwei Stangen an einem Seil befestigt war, das stützenlos den Abgrund des Furggbaches überspannte. Das bedeutete, dass wir uns in dem Masse auf einer schiefen Ebene ab- und dann aufwärts bewegten, als sich die offene Kiste der Neigung des Halteseils anpasste. Immerhin sparten wir einiges an zeitraubendem Aufstieg ein.

Da wir es uns zum Prinzip gemacht haben, nur bei sehr sicherer Wetterlage eine Bergtour und auch den dazu notwendigen Hüttenanstieg zu unternehmen, konnte uns das Abendrot über den Mischabelhörnern nicht überraschen. Trotzdem genossen wir es einschliesslich des beeindruckenden Ausblicks von der Theodulhütte lange Zeit und liessen uns ausserdem davon beruhigen, da wir von Petrus keine Hindernisse zum geplanten Breithorn-Unternehmen zu befürchten hatten.

Als die recht kühle Nacht allmählich einem klaren Hochgebirgsmorgen Platz machte, knirschten unsere Eisen bereits im Firn unterhalb der Testa Grigia. Für den uneingeweihten Leser muss dabei erwähnt werden, dass man sich sozusagen von hinten dem Breithorn nähert, falls man sich nicht mit dessen vielgestaltigen und anspruchsvollen Nordabstürzen auseinandersetzen will. Diese aber sprechen eine sehr deutliche Sprache, wenn man sie etwa vom Riffelhorn aus einer genaueren Untersuchung unterzieht. Dann lässt man nämlich die Finger davon, wenn man nicht zu den ganz guten unter den Alpinisten zählt. Nun, für den Normalweg reicht es allemal, und dieser bewegt sich über lange Strecken auf schwach ansteigenden Schneehängen. Man merkt überhaupt nicht, dass man vorwärts kommt. Das haben ausgedehnte Firnflanken so an sich. Und wenn man es schliesslich doch merkt, steckt man am Breithorn bereits mitten im steiler werdenden Anstieg zum Gipfelgrat und stellt dann überrascht fest, dass der Weiterweg zum höchsten Punkt nur mehr eine Angelegenheit von wenigen Minuten ist. In unserem Falle war das Horn mit einer ziemlich weichen, puddingartigen Masse umgeben, die man weder als Firn noch als Schnee oder gar Eis bezeichnen konnte. Es war eher eine besonders feuchte Sorte von Gletscherbrei; der bergerfahrene Leser kennt mit Sicherheit den kaugum-miartigen Effekt dieses Nachmittagskleides an einem hohen Berg, das sich der unsrige bereits zu früher Morgenstunde angelegt hatte. Mehr als erwartet, wurden also unsere Lungen und Beine strapaziert, bevor die letzten Meter begannen. Da holte uns - auf Grund etlicher Photopausen - eine Seilschaft ein, die sich als günstige Vordergrundstaffage für eine Aufnahme vom Matterhorn anbot. Den gleich uns vermummten Gestalten war das Alter nicht anzusehen, noch weniger anzumerken. Erst später erfuhren wir, dass es ein Münchener Professor war, der das Breithorn mit seiner Mutter aus Anlass ihres 70. Geburtstages bestiegen hatte. Gut, dass wir diese erstaunliche Tatsache nicht an Ort und Stelle kannten; wir hätten uns glatt schämen müssen, ausser Puste geraten zu sein. In Gipfelnähe gab es dann ein recht munteres Lüftchen, das uns ziemlich bald unter den Biwaksack trieb, der sich als Gipfelbehausung durchaus wirksam verwenden lässt. Auf diese angenehme Weise hielten wir es knapp unter dem 4165 Meter hohen Punkt eine ganze Weile aus, nicht ohne uns durch einen kleinen Ausguck den Genuss einer brillanten Aussicht zu verschaffen.

Davon ist als Besonderheit festzuhalten, dass neben den ewig blauen Walliser Alpen - wir kennen sie fast nur im Sonntagskleid - an diesem Morgen auch ein recht klarer Blick in das Gebiet des Gran Paradiso und seiner Vasallen jenseits des Aostatales zu erhaschen war. Somit ist es nicht erstaunlich, dass wir auf dem Dach des Breithorns fast eine Stunde zubrachten.

Mit Achtung vor der hohen Warte begannen wir die Talfahrt, die einer solchen auf Ski nicht unähnlich ausfiel; denn - so dachten wir -die Mühe, bei jedem Schritt im weichen Firn zu versinken, lässt sich sparen, indem man sich mit einer kleinen Nassschneelawine hinabgleiten lässt - hübsch synchron, versteht sich. Dennoch liess es sich nicht vermeiden, dass der eine etwas schnellere Fahrt aufnahm als der andere oder dass einer ein wenig zu plötzlich in bremsenden Tiefschnee geriet. Der Effekt war jeweils der gleiche: ein scharfer Ruck am Seil - und beide badeten im Breithornplateau. Die Nässe, mit der wir auf diese nicht sehr elegante Weise in hautnahen Kontakt kamen, hinderte uns indes nicht, dem Klein Matterhorn einen kurzen Abstecher zu widmen. Es hat durchaus etwas für sich, dem kleineren Abbild des grossen Horns seine Aufwartung zu machen. Die hübsche Kletterei von hinten wird mit einer lohnenden Sicht auf die Breithorn-Westwand belohnt, ohne dass dies viele Schweisstropfen kostet. Die Kollegen, die von Norden, vom Theodulgletscher, über den Grat geklettert kamen, hatten da zweifellos ein Stück Arbeit mehr geleistet - wenn auch vielleicht nur zum Training, wozu sich dieser Berg ganz gut eignet.

Vom weiteren Verlauf des Rückweges zur Theodulhütte und zum Trockenen Steg gibt es nichts Nennenswertes zu berichten, wie überhaupt die Besteigung des Breithorns ein problemloses Unterfangen ist. Da es dennoch eine ganze Menge Reize in und um sich birgt - vor allem für diejenigen, die sich noch nicht so recht an die anspruchsvolleren Gipfel wagen -, sollte seine Ersteigung hier einmal in mehr Worte gefasst werden, als es gewöhnlich in Routenbeschreibungen geschieht. Wer noch nicht auf dem Breithorn war, sollte es einmal zum Ziel wählen. Sogar die berühmte Jungfrau liegt ihm dort zu Füssen!

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