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Edmund Wunderlich - Maler und Bergsteiger

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Scitjahrzchnten schafft sich Edmund Wunderlich mit seinem reichen malerischen und zeichnerischen Werk eine stets bedeutendere Stellung; sein Ruf hat die Grenzen Berns längst überschritten und wird landesweit vernommen. Gemessen an seinem starken Talent, eine zwangsläufige Entwicklung. Weniger zwangsläufig auf den ersten Blick, wenn man vom Formalen ausgeht: Berge, ausschliesslich Berge bilden den Motivkreis Wunderlichs. Erstaunlich eigentlich für einen Mann, der 1902 in Bern zur Welt kam und seither mit kurzen Unterbrüchen in Bern lebt. Von da her müsste er eigentlich mehr dem Unterland verhaftet sein.

Wunderlichs einseitiges Ausrichten auf die Bergmotive - und hier wiederum eine fast ausschliessliche Beschränkung auf die Fels- und Eisregion - hat mit Stillstand nichts, mit seiner Persönlichkeit aber alles zu tun. Es begegnet uns die subtile Erlebniswelt eines künstlerisch hochbegabten Berggängers, ausgerüstet zusätzlich mit ausdauernder Hingabe. Zwar bedürfen Wunderlichs Bilder keiner langen intellektualistischen Analyse, da es gerade ihr Vorzug ist, unmittelbar, ja unkompliziert zum Betrachter zu sprechen. Trotzdem mag es reizvoll sein, den formenden Kräften kurz nachzuspüren.

Da war vor mehr als einem halben Jahrhundert ein Jüngling, dessen musische Begabung ihm vorwiegend mütterlicherseits in die Wiege gelegt wurde.Vom Vater stammte mehr der nüchterne Fleiss beamtenhafter Zucht. Zwei Eigenschaften, die seine Werke bis in die Reife prägen. Einerseits ist es der Chemigraph Wunderlich, der über Jahrzehnte in einer Grossdruckerei farbige Reproduktionstechnik im bürgerlichen Arbeitstag erledigt, anderseits der Zeichner und Maler Wunderlich, der in der Freizeit autodidaktisch, aber in ent- scheidender Phase auch unter dem freundschaftlichen Einfluss Max von Mühlenens seine Fähigkeiten entwickelt. Beide, bürgerliche Arbeitsamkeit und künstlerische Intuition, werden überstrahlt von einer überaus starken Liebe zu den Bergen.

Der alpinistische Tatendrang führte Wunderlich von den Gipfeln unseres Landes westwärts bis in die Dauphiné und ostwärts bis in die Dolomiten. Schwere und schwerste Fels- und Eisbege-hungen gründeten gleichermassen auf Kühnheit und solidem bergsteigerischem Können. So gelang Edmund Wunderlich 1928 zusammen mit Ernst Bürki die erste führerlose Begehung des Eigers über den Mittellegi-Grat, mit dem gleichen Gefährten im selben Jahr auch der Durchstieg durch die Westwand des Lauteraarhorns. 1941 bewältigte er mit Rudolf Felber die Altels-Westwand und 1949 im Alleingang den Durchstieg der Oeschinenhorn-Westwand. 1947 traversierte Wunderlich als erster Balmhorn/Altels auf Ski mit Aufstieg über die Nordflanke und Abfahrt über die Altels-Nordflanke. Das sind nur einige der grössten Leistungen aus einer langen Reihe von bisher 453 Hochtouren, verteilt auf über 50 Jahre.

Aus dem Bergsteiger-Erlebnis schöpft Wunderlich seine Hochgebirgsdarstellungen; gesehen vom Standort, der nur dem Alpinisten zugänglich ist. Das sind keine ätherischen Berge in kontemplativer Schau, auch nicht dramatisch übersteigerte und schon gar nicht verfremdete. Es sind Bergporträts, beherrscht von der ungewöhnlichen Perspektive, von der Färb- und Lichtintensität in den atmosphärischen Bedingungen grosser Höhen. Formal gesehen bleibt Wunderlich immer gegenständlich, grosszügig der sinnhaften Wirklichkeit verhaftet. Darum bildet nicht die subjektive Interpretation die Variationsbreite seiner Darstellungen, sondern die objektive Wcch-selhaftigkeit des Gebirges. Um sie auszuloten, scheut Wunderlich keine Anstrengung. Der erste Hauch des Frühlichtes oder der herbe Kontrast bei Nachmittagssonne erlebt der Bergsteiger nor- malerweise nicht in den Gipfelregionen. Wunderlich hat darum zahllose Biwaknächte verbracht, um im richtigen Augenblick dabeisein zu können. In der sozusagen hautnahen Fühlbarkeit seiner Gebirgsszenerien liegt die einzigartige Faszination.

Gleiches gilt auch für die Bleistiftzeichnungen. Nur der oberflächliche Betrachter sieht in den Zeichnungen eine blosse Kopie der Naturform. Tatsächlich leben sie jedoch von der gleichen Er-lebnishaftigkeit wie die Ölbilder. Wunderlich zeichnet quasi mit der rechten Hand, was er mit der linken als Kletterer erfühlt. Kühle geologische Analyse des Gesteins erhält Leben vom wagemutigen Bergsteiger, der sich darauf bewegt. In gleicher Art, wie er als Felsgänger Tritt und Griff, Seillänge um Seillänge ertastet, gestaltet Wunderlich quadratzentimeterweise die Granittürme im Mont-Blanc-Massiv und die gebänderten Kalkwände der Dolomiten auf dem Papier.

Bei dieser minutiösen Zeichnerarbeit gesellt sich zum überragenden Können der ausdauernde Fleiss des Berufsmannes.

1974 zeigte das Schweizerische Alpine Museum bereits Werke von Edmund Wunderlich; damals lag das Schwergewicht bei den Gemälden. Die Ausstellung von 1977 rückt nun die Bleistiftzeichnungen in den Vordergrund, um den Einblick ins Werk des Künstlers abzurunden. Nicht ganz zufällig kommt die zweite Ausstellung 1977 zustande, feierte doch am 3. Februar Edmund Wunderlich seinen 75. Geburtstag. Diese Zahl Jahre bedeutet aber glücklicherweise nur im dezimalen System unserer Zahlenwelt eine Marke, sonst aber ist sie ein willkürlicher Stand im Flusse eines tätigen Lebens. Sie bietet Anlass zu den besten Glückwünschen.

Die Ausstellung kann aber weder Rückblick noch Wende sein, sondern ganz einfach Freude am Stand des Werkes einer hochbegabten Künst-lerpersönlichkeit. Und es ist vielleicht das Schönste an diesem Werk, dass es in seltener Frische weitergehen darf.

Dr. Georg Budmiger Direktor des Schweizerischen Alpinen Museums

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