Die Gletscher der Schweizer Alpen im Jahr 1985/86
Auszug aus dem 107. Bericht der Gletscherkommission der Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft ( GK/SNG ) Markus Aellen, GK/SNG und Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie ( VAW)an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich ( ETHZ ) Witterungs- und Schneeverhältnisse im Jahr 1985/86 Die Beschreibung der klimatischen Verhältnisse stützt sich auf verschiedene Quellen ' .Der Witterungsverlauf vom September 1985 bis Oktober 1986 ist in den Abbildungen 1 a-f auf den Seiten 212-215 graphisch dargestellt durch die Tagesmittel der Lufttemperatur an den Stationen Zürich SMA, Locarno-Monti und Jungfraujoch, durch die tägliche Höhenlage der Nullgradisotherme um 13 Uhr über Payerne und durch die täglichen Niederschlagsmengen von Zürich SMA, Locarno-Monti, Säntis und Sitten Die Abweichungen der Tagestemperaturen von den eingezeichneten langjährigen Mittelwerten2 charakterisieren das Berichtsjahr.
Die sommerliche Schwundperiode der Gletscher geht in den Schweizer Alpen normalerweise wie das hydrologische Jahr mit dem Septembermonat zu Ende. Abweichungen von Einleitung Die jährlichen Veränderungen der Gletscher in den Schweizer Alpen werden seit 1880 durch regelmässig wiederholte Beobachtungen und Messungen an zahlreichen Gletscherzungen systematisch erfasst. Gegenwärtig umfasst das Beobachtungsnetz der GK/SNG 120 Gletscher, an denen die Längenänderung in der Regel jährlich, in einigen Fällen in mehrjährigen Zeitabständen bestimmt wird. Die VAW organisiert und bearbeitet die Messungen, die durch 9 kantonale Forstdienste an 82 Gletschern, durch 8 private Mitarbeiter an 15 Gletschern, durch 2 Kraftwerkgesellschaften an 4 Gletschern, durch das Eidgenössische Institut für Schnee- und Lawinenforschung ( EISLF ) an 1 Gletscher und durch Mitarbeiter der VAW an 18 Gletschern ausgeführt werden. Die Messungen am Boden werden ergänzt durch zahlreiche Vermessungsflüge, die durch das Bundesamt für Landestopographie ( L + t ) und die Eidgenössische Vermessungsdirektion ( V + D ) jährlich oder in mehrjährigem Turnus wiederholt werden. Die zusätzlich zu den Zungenmessungen durchgeführten Untersuchungen über die jährliche Änderung der Gesamtmasse der Gletscher Aletsch, Gries ( Aegina ), Limmern, Plattalva und Silvretta gehören zum langfristigen Forschungsprogramm der VAW. Die Angaben über den Massenhaushalt im Talbereich der Aaregletscher verdanken wir den Kraftwerken Oberhasli.
Tabelle 1 Summe der positiven Tagesmittel der Lufttemperatur von Mai bis September der Jahre 1984 bis 1986 Station Höhe m. ü. M.
Temperatursumme ( LC ) 1984 1985 1986 a ) Beobachtungsstationen Gütsch1 2287 669 945 963 Säntis1 2490 478 678 730 Weissfluhjoch 1 2690 364 576 638 Jungfraujoch ( Sphinx)1 3580 43 108 95 Payerne ( 700 mb)2 3100 221 347 363 München ( 700 mb)2 3100 160 259 294 Mailand ( 700 mb)2 3100 369 495 465 b ) Extrapolationen für Firngebiete Clariden33 2700 393 603 609 Clariden33 2900 284 476 462 Silvretta3b 2750 329 533 590 Jungfraufirn ( P3)3C 3350 92 201 202 1 Automatisch registrierende Station. Die Werte sind mit denen der Jahre vor 1981 ( Säntis vor 1978 ) nur näherungsweise vergleichbar.
2 Temperaturmessungen in der freien Atmosphäre durch Radiosondierungen. Durch G. Gensler, sma, berechnete Werte, gemittelt aus den Ergebnissen im Niveau 700 Millibar ( etwa 3100 m ü. M. ) der Sondenaufstiege um null Uhr und um zwölf Uhr Weltzeit.
3 Schätzwerte, berechnet aus den Messergebnissen der Stationen: a Gütsch b Weissfluhjoch c Jungfraujoch ( Sphinx ) diesem Durchschnittstermin treten wie auch beim Beginn der Schwundperiode häufig auf und betragen oft mehrere Wochen. Im Sommer 1985 dauerte die Schwundperiode bis Ende Oktober an. In diesem zweiten Herbstmonat war es wie im vorangehenden September überall viel zu trocken, in den meisten GeDie Klimadaten des Berichtsjahrs sind im täglichen ( Wetterbericht ), im monatlichen , im Quartalsheft ( Ergebnisse der täglichen Niederschlagsmessungen ) und im Jahrbuch ( Annalem der Schweizerischen Meteorologischen Anstalt ( sma ) zu finden. Aus den langjährigen Messreihen ermittelte Vergleichswerte sind in den Heften ( Klimatologie der Schweiz ) ( Beihefte zu den Annalen ) enthalten. Die Abflussdaten sind dem ( Hydrologischen Jahrbuch ) der Landeshydrologie und -geologie im Bundesamt für Umweltschutz entnommen. Die Daten über die Schneedecke in Tabelle 4 sind am gemeinsamen Netz des EISLF und der Abteilung Hydrologie des Geographischen Instituts der ethz wie auch an den Stationen Gütsch und Säntis der sma gemessen, durch Pia Eugster an der Abteilung Hydrologie zusammengestellt und durch S. Gliott ( eislf ) kontrolliert und ergänzt. Die Angaben über ( Schnee und Lawinen im Winter 1985/86 ) hat S. Gliott zusammengestellt.
2 Für die Stationen Zürich sma, Locarno-Monti und Jungfraujoch, die zum automatischen Beobachtungsnetz ( anetz ) der SMA gehören, sind die Temperaturmittelwerte der Referenzperioden 1901/60 ( Zürich, Locamo ) und 1938/60 ( Jungfraujoch ) den veränderten Messbedingungen angepasst.
bieten sehr sonnig und in den Berggebieten um 3-4 Grad, in den Niederungen jedoch nur wenig wärmer als im Durchschnitt. Dem milden Herbst folgte unvermittelt ein ungewohnt strenger Vorwinter, der im überaus kalten, ausgesprochen trüben und nassen November innert weniger Wochen das ganze Land erfasste. Kälteschübe mit verbreiteten Niederschlägen brachten am Monatsanfang den Hochalpen, um die Monatsmitte bereits den Niederungen auf der Alpennordseite die erste Schneedecke. Diese überdauerte die besonders kalte zweite Monatshälfte auch an manchen Orten im Mittelland. In den Niederungen des zentralen und östlichen Mittellands, wo die Temperatur während 10-15 Tagen dauernd unter dem Gefrierpunkt lag, waren seit mehr als 80 Jahren nie so viele Eistage im November vorgekommen. Das Temperaturmittel des Monats blieb in den tieferen Lagen um 1,5-2 Grad, in den mittleren und höheren Lagen des Juras und der Alpen um 3-4 Grad unter dem Normalwert. Verschiedene Gebiete erhielten im November erstmals seit mehreren Mona- 198Tabelle 2 Längenänderung der Gletscher 1983/84 bis 1985/86 Zusammenfassung Klassen Anzahl Gletscher und Prozentanteil der Klassen 1983/84 1984/85 Anzahl Prozent Anzahl Prozent 1985/86 Anzahl Prozent Beobachtungsnetz 120 120 120 nicht beobachtet 25 3 61 beobachtet 95 117 114 nicht klassiert 10 0 0 Stichprobe 85 100.0 117 100.0 114 100.0 im Vorstoss 53 62.3 57 48.7 42 2 36.8 stationär 5 5.9 9 7.7 93 7.9 im Rückzug 27 31.8 51 43.6 63 4 55.3 Mittlere Längenänderung + 2.5 m + 1.4 m -2.7 m Anzahl Werte 74 74 1025 Klassierung: Den verschiedenen Klassen sind im Berichtsjahr folgende, durch ihre Nummer aus Tabelle 5 bezeichnete Gletscher zugeordnet:
1 72108112113115116.
2 1 278 10 13 1517 18 19 20 25 26 27 28 38 40 41 42 43 46 53 56 58 61 64 68 70 73 74 78 82 87 98 99 100 101 104 105 110 118120.
3 4 9 24 30 67 69 93 107 109.
4 3 56 11 12 14 1621 22232931 32 33 34 35 36 37 39 44 45 47 48 49 50 51 52 54 55 57 59 60 62 63 65 66 71 75 76 77 79 80 81 83 84 85 86 88 89 90 91 92 94 95 96 97 102 103 106 111 114 117 119.
5 Für die Berechnung der mittleren Längenänderung sind die Ergebnisse von 12 Gletschern nicht berücksichtigt worden aus folgenden Gründen:
- Zahlenwert gilt für mehrere Jahre -2 Jahre: 3 -3 Jahre: 90 - Einwirkung eines künstlichen Sees: 50 -keine Zahlenangabe: 13 46 49 55 56 58 107 110 114 ten wieder normale oder überdurchschnittliche Niederschlagsmengen. Vor allem auf der Alpennordseite und im Wallis lagen die Monatssummen an manchen Orten deutlich über der Norm. Dagegen war es im Nordtessin und im Engadin, ebenso in Nord- und Mittelbünden erneut etwas zu trocken. Anfangs Dezember begann mit einer sprunghaften starken Erwärmung eine lange Periode milderen Wetters, in der bis Weihnachten trockenes, durch Hochdrucklagen bestimmtes Schönwetter, anschliessend bis Ende Januar nasses, durch häufige und zum Teil stürmische Westwindla-gen bestimmtes Schlechtwetter vorherrschte. In der Schönwetterperiode traten nur wenige Tage mit Nebel oder Hochnebel auf. Damit erhielten im Dezember vor allem die Niederungen überdurchschnittlich viel Sonnenschein. In Zürich war es mit 89 Stunden Sonnenscheindauer der sonnigste Dezember in mehr als 100 Jahren. Föhnlagen und mehrmaliges Ansteigen der Nullgrad-Isotherme auf Höhen um 3000 Meter führten überall zu hohen Monatstemperaturen, die allgemein um 1-2 Grad, in den Berggebieten um 3-4 Grad über dem Normalwert lagen. In den Föhntälern Graubündens und der Ostschweiz war der Wärmeüberschuss noch grosser. Nur wenige Gebiete in den westlichen Voralpen, im Puschlav, Bergell und Südtessin erhielten die normale Niederschlagsmenge. In den übrigen Gebieten war es im Dezember zu trocken, besonders in den Alpen. Sehr wenig Niederschlag erhielten das Glarnerland, das Bündner Oberland und die südlichen Täler des Wallis. Die Schneedecke des Novembers schmolz bereits in den ersten Tagen des Dezembers stark zurück und verschwand bis Weihnachten zum Teil auch in mittleren und sonnigen höheren Lagen der Berggebiete. Auf den Gletschern blieb sie grösstenteils erhalten. In den ausgeaperten Gebieten der Alpen und Voralpen stellte sich die bleibende Schneedecke teils Tabelle 3 Jährliche Massenänderung einiger Gletscher von 1983/84 bis 1985/86 Gletscher Haushaltsperiode vom bis Gletscherfläche km2 Massenänderung gesamt 106 m3'spezifisch Gleichgewichtslinie m ü. M.
Gries 23.
9.83 27.
9.84 6.3223a - 0.023 - 3 2865 27.
9.84 30.
9.85 6.3193b - 2.352 - 335 2885 30.
9.85 30.
9.86 6.3183C - 4.998 - 712 3005 Aletsch 1.
10.83 30.
9.84 127.744a + 113.15 + 797 28515 1.
10.84 30.
9.85 127.624b + 23.58 + 166 29295 1.
10.85 30.
9.86 127.564C - 5.286 - 376 30105 Limmern 31.
8.83 1.
9.84 2.527 - 0.933 - 333 2820 1.
9.84 11.
9.85 2.527 + 0.701 + 250 2665 11.
9.85 29.
9.86 2.527 - 1.010 - 360 2890 Plattalva 31.
8.83 1.
9.84 0.867 + 0.070 + 74 2770 1.
9.84 11.
9.85 0.867 + 0.382 + 400 2655 11.
9.85 29.
9.86 0.867 - 0.717 - 750 2920 Silvretta 10.
9.83 12.
9.84 3.158 + 0.982 + 281 2690 12.
9.84 13.
9.85 3.158 + 1.785 + 510 2650 13.
9.85 29.
9.86 3.158 - 0.945 - 270 2790 1 Gesamter Zuwachs oder Abtrag, berechnet als Eisvolumen mit einer mittleren Dichte von 0,9 g/cm3. Werte für Aletsch abgeleitet aus der hydrologischen Bilanz des Einzugsgebiets Massa/Blatten bei Naters, für die übrigen Gletscher im ersten Jahr ermittelt aus Zonen gleicher Massenänderung, in den folgenden Jahren berechnet mit kombinierten Verfahren aufgrund glaziologischer Messungen, vorläufiger Luftbildauswertungen und statistischer Erfahrungswerte.
! Gleichmässig über den Gletscher verteilter Zuwachs oder Abtrag. Der Eismenge 1 kg/m2 entspricht eine Wassersäule von 1 mm Höhe.
!'Geschätzte Fläche füra 26.9.1984, b 28.10.1985,c 23.9.1986 1 Fläche füra 9.10.1984, b 29.10.1985, c 12.10.1986'Aus den Pegelmessungen auf dem Jungfraufirn interpolierte Werte 5 Provisorische Werte'Fläche am 15.9.1977! Fläche am 12.9.1973 noch in der ersten Monatshälfte ein, vorwiegend jedoch mit der Wetterverschlechterung in der Altjahrswoche. Der Durchgang zahlreicher Störungen brachte im Januar häufig wechselndes Wetter. Die Aufhellungen begünstigten vor allem das Alpenvorland, wo auch dieser Monat ziemlich sonnig und mit Durchschnittstemperaturen bis 2 Grad über dem Normalwert ausgesprochen mild war. In den Hochtälern der Alpen war es ebenfalls wesentlich wärmer als im Mittel, weil starke Winde dem Entstehen von Kaltluftseen entge-genwirkten. Im Gegensatz dazu war es in den wenig besonnten Berggebieten oberhalb rund 1500 Metern Höhe zu kalt, in den Hochalpen sogar viel zu kalt. Der Niederschlag fiel überall in grossen Mengen und oft, vor allem am Monatsende, bis in die Niederungen als Schnee.
Besonders grossen Schneezuwachs brachten Sturmwinde mit Gewittern um die Mitte und gegen das Ende des Monats. Die Neuschneesumme des Januars erreichte auf dem Säntis und im Gotthardgebiet mehr als 3,5 Meter. Die Monatssumme des Niederschlags lag im Mittelland bis 100 Prozent, im Jura und in den Alpen bis 200 Prozent über dem Normalwert. Dieser Überschuss glich das im Oktober entstandene Defizit im Wasserhaushalt der vergletscherten Gebiete aus und hob die bis dahin im ganzen Alpengebiet stark unterdurchschnittlichen Schneehöhen auf annähernd normale Werte an. Während der folgenden sechs Wochen veränderten sich die Schnee- 200Tabelle 4 Daten über die Schneedecke im Winter 1985/86 Station Höhe m ü. M Periode mit permanenter Schneedecke erster letzter Dauer Tag Tag Tage Grösste Schneehöhe Betrag Messern datum Grösster Wasserwert der Schneedecke Betrag Mess mm datum Leysin 1250 26.12.
28.4.
124 150 26.1.
323 31.1.
Grindelwald Bort 1570 26.12.
10.5.
136 175 26.1.
356 1.4.
Murren 1670 26.12.
12.5.
138 145 26.1.
433 28.2.
Grimsel 1970 1.11.
21.6.
233 495 28.4.
Stoos 1280 11.11.
4.5.
175 128 27.1.
345 2.4.
Andermatt 1440 11.11.
13.5.
184 174 1.2.
464 15.3.
Trübsee 1800 11.11.
17.6.
219 244 21.4.
849 2.5.
Gütsch 2287 2.11.
30.6.
241 400 28.4.
Schwägalp 1290 26.12.
11.5.
137 178 26.1.
544 15.4.
Braunwald 1340 10.12.
11.5.
153 173 26.1.
436 15.4.
Malbun ( FL ) 1610 10.12.
4.5.
146 130 26.1.
275 31.3.
Säntis 2500 31.10.
22.7.
265 450 21.24.4.
Ulrichen 1350 13.11.
16.5.
185 225 1.2.
493 15.4.
Montana 1500 26.12.
1.5.
127 159 26.1. + 1.2.
376 1.3.
Zermatt 1620 13.11.
5.5.
174 140 1.2.
326 15.4.
Bourg-St-Pierre 1670 26.12.
1.5.
127 94 1.2.
353 3.4.
Mauvoisin 1800 11.11.
16.5.
187 232 26.1.
568 15.4.
Klosters EW 1200 13.11.
3.5.
172 166 27.1.
411 29.3.
Davos Fluelastrasse 1560 13.11.
29.4.
168 142 16.1.
Davos WRC 1590 13.11.
26.4.
165 150 17.1.
- Zervreila 1735 11.11.
18.5.
189 165 18.4.
422 1.5.
Arosa 1818 11.11.
13.5.
184 127 17.1.+ 20.4.
363 14.4.
Weissfluhjoch 2540 31.10.
2.7.
245 250 21.4.
834 1.5.
Ftan 1710 13.11.
28.4.
167 110 25.1. + 1.2.
240 15.2.
La Drossa 1710 7.11.
8.5.
183 129 1.2.
296 1.4.
Samedan 1710 13.11.
1.5.
170 112 1.2.
Pontresina 1840 13.11.
1.5.
170 144 1.2.
Bernina Diavolezza 2090 13.11.
14.5.
183 120 28.4.
Ambri 980 26.12.
14.4.
110 142 2.2.
Bosco Gurin 1490 13.11.
26.5.
195 250 2.2.
San Bernardino Dorf 1630 13.11.
22.5.
191 212 19.4.
553 5.5.
Simplon Hospiz 2000 13.11.
1.6.
201 320 29.4.
Poschiavo 1010 26.12.
28.3.
93 81 2.2.
Santa Maria 1400 13.11.
22.4.
161 165 1.2.
242 13.3.
Maloja 1800 13.11.
22.5.
191 193 19.4.
660 4.5.
Tabelle 5 Längenänderung der Gletscher in den Schweizer Alpen 1985/86 Längenänderung in Metern t984/85 c ) Einzugsgebiet der Rhone ( II ) Rhone VS - 1.2 Mutt VS +12 Gries ( Agina ) VS - x13.42 ~VS - 5Â + ÖX Fiescher Grosser Aletsch VS - 45.6 - 25.4 106 "
Mittelaletsch VS - 13.62a - 22 Oberaletsch VS - 9.5 Kaltwasser VS - 3.7 Tälliboden VS - 9.02a Ofental VS + 10.72 10e Schwarzberg VS - 1.5 11'Allalin VS + 44.3 - 53.2 12 Kessjen VS - 5.12a - 8.6 13e Fee ( Nord ) 92.52 14 "
Gorner VS - 42.72a - 7 15e Zmutt VS - 4 16e Findelen vs 27.7 - 20.0 107e Bis vs 2.5 st 17 Ried vs 18 "
Lang VS 23 19 "
Turtmann ( West ) VS - 14.6 20 e Brunegg ( Turtm. Ost ) VS - 6.8 + 4.4 21'Bella Tola VS VS 1.02 22 Zinal J619.0 3.319.3 23 Morning vs 24 e Moiry VS + 25 e Ferpècle VS +16 26 e Mont Miné VS 27e Arolla ( Mt. Collon ) VS 14.4 Tsidjiore Nouve vs 21 29 e Cheillon VS - 2.62a - 7.2 30 e En Darrey VS - 21.82 st 31 "
Grand Désert VS - 21.1 - 21.1 275583 12. 9.
10.10.
12.10.
32 "
Mont Fort ( Tortin ) VS - 20.02a - 7.7 269583 n 6.10.
12.10.
33 e Tsanfleuron VS - 322a - 9.5 2417 es 16.10.
24.+26.9.
10.10.
34 "
Otemma VS -101.52a - 25.3 243083 n 28. 9.
1.10.
35 "
Mont Durand VS _ 42a - 6 229083 n 29. 9.
30. 9.
36 "
Breney vs - 14.52a - 2.8 257582 n 28. 9.
30. 9.
37 "
Giétro vs - 10.2 - 4.0 2480 ca.
17.10.
27. 9.
11. 9.
38 e Corbassière vs + 18 + 12 2168 14. 9.
6. 9.
10. 9.
39 Valsorey vs 0 - 10.0 2395 11. 9.
10. 9.
6.10.
40 Tseudet vs + 3.0 + 1.0 2423 11. 9.
10. 9.
6.10.
41 "
Boveyre vs + 4.0 + 13.5 2596 11. 9.
10. 9.
5.10.
42 Saleina vs + 1.5 + 11.5 1696 12. 9.
13. 9.
6.10.
108 Orny vs n n — n n n 43 "
Trient vs + 10 + 7 1750 15.10.
17.10.
2. 9.
44 "
Paneyrosse VD - 17.3 - 5.1 — 3.11.
19. 9.
1.10.
45 e Grand Plan Névé VD - 27.8 - 4.2 — 3.11.
19. 9.
29. 9.
46 e Martinets VD n + x10a — n n .11. 9.
Höhe m ü M.
1986 d ) Messdatum Tag, Monat 19841985 1985/86 1.4 2123 30. 8.
13. 8 + 4 2582 30. 8.
13. " 8.
13. 8.
2385 26. 9. 29.10. 23. 9.
1661.2 7.10. 9.10.
29. 8. 13.10.
1554.6 29.10. 12.10.
2253.0 17.10.
1.10.
2.10.
- 13.2 2138.0 8.10. 27.10. 12.10.
2640 28. 9. 11. 9. 23. 9.
7.9 2628.2 3.10.
3.10.
2.5 2640.6 4.10.
_3J0. TTÖ7 2648.4 1.10.
2220.5 16.10.
16.10.
23. 9.
1.10.
2855.6 n 17. TÔT 1919.08 5.11.
23. 9.
20788 23.10. 19.10.
2242 29. 8. 29.10.
1.
22. 7 T9.T07 11. 9.
2480 ca.; 2. 9.
3.9 2000 ca.
16.10. " 29. 9.
12.
2056.3 27. 9.
18 2030 26. 9. 18.10. 22.10.
4.2 2261 12.10. T2.TÖT 17. 9. 30. 9.
2452 17. 9. 30. 9.
- 3.8 2030 11. 9.
20. 937 UT 18. 9. 18TX _23_. 9_ 23. 9.
2370 3.10.
- 0.8 2390 e 19.10. 13.10.
+ 5.2 + 6.2 20958 19638 5.10. 17.10.
5.10.
15.10. 15.10.
5.10.
10 21358 17.10. 17.10.
_5.10l 5 TO.
12 220583 17.10. 17.10.
26308 21. 9.
28. 9.
29. " 9.
24908 22. 9.
Nr Gletscher Kt. b ) Längenänderun in Metern 1984/85 c ) g 1985/86 Höhe m u. M.
1986 d ) Messdatum Tag, Monat 1984 198!
7.
10.
24.
9.
48« Prapio VD - 3.5 - 2.0 — 7.10.
9.
11.
18.
10.
49« Pierredar VD + x2a — X — 17.10.
9.
9.
7.
8.
Einzugsgebiet der Aare ( la ) 50e Oberaar BE + 5.2 - 20.9 2302.1 17.10.
30.
8.
5.
9.
51« Unteraar BE - 17.2 - 24.1 1909.5 17.10.
30.
8.
5.
9.
52 Gauli BE 0 - 4 2150 ca.
16.10.
26.
9.
30.
9.
53« Stein BE + 2 + 9 1934 14.10.
28.
9.
23.
9.
54 Steinlimmi BE 0 - 3 2092 14.10.
28.
9.
23.
9.
55« Trift ( Gadmen ) BE st — X 167080 28. 8.
10.
9.
15.
8.
56« Rosenlaui BE + X + X 1860 ca.
17.10.
10.
9.
15.
8.
57« Oberer Grindelwald BE + 25 - 15 1225 ca.
31.10.
24.
10.
16.
11.
58« Unterer Grindelwald BE + X + X 1090 ca.
20.10.
24.
10.
28.
10.
59« Eiger BE + 1.7 - 8.7 2115 20. 9.
26.
9.
25.
9.
60« Tschingel BE + 4.6 - 1.9 2265 21. 9.
27.
9.
26.
9.
61« Gamchi BE + 2.4 + 5.1 1990 11.10.
14.
9.
27.
9.
109« Alpetli ( Kander ) BE + 9.4 - 0.1 2250 16.10.
18.
9.
8.
9.
110e Lötschberg BE n _L_ y 6a — n r i 23.
9.
62« Schwarz VS - 2.5 - 9.7 2220 1.10.
23.
9.
25.
9.
63 Lämmern VS - 0.6 - 9.8 2520 2.10.
24.
9.
25.
9.
64« Blümlisalp BE + X + 2.6 2200 17.10.
9.
9.
18.
9.
111e Ammerten BE - 1.4 - 3.3 2345 ca.
30. 9.
29.
9.
28.
9.
65 Rätzli BE - 0.8 - 19 2395 18.10.
21.
9.
3.10.
112 Dungel BE + x11a n 2465 1. 9.
9.
9.
r i 113 Gelten BE + xlla n — 1. 9.
9.
9.
r i Einzugsgebiet der Reuss ( Ib ) 66 e Tiefen UR - 4.02a - 3.0 2500 n 27.
9.
23.
9.
67 e Sankt Anna UR + 1.52a - 0.5 256575 n 24.
9.
24.
9.
68« Kehlen UR + 5.0 + 20.0 2078 19.10.
12.
9.
16.
9.
69« Rotfirn ( Nord ) UR + 4.0 - 0.5 2031 19.10.
12.
9.
16.
9.
70« Damma UR + 19.5 + 27.7 2044 M 18.10.
11.
9.
23.
10.
71« Wallenbur UR + 3.0 - 7.0 223485 23.10.
2 9.
15.
10.
72 Brunni UR - x6a n — 16.10.
13.
9.
r l 73« Hüfi UR - 6.0 + 6.0 1640 18.10.
16.
10.
23.
9.
74« Griess UR - 22.02a + 6 2218 3.11.
12.
9.
22.
9.
75e Firnalpeli ( Ost ) OW + 4 3a - 5 2160 n 19.
9.
23.
9.
76« Griessen OW - 3.52a - 7 — n 1.
10.
9.
10.
Einzugsgebiet der Linth/Limmat ( Ic ) 77e Biferten GL + 3.5 - 3.1 1893.8 22. 8.
29.
730.. 16.
9.
78 e Limmern GL + 0.8 + 3.2 — 27. 8.
11.
10.
1.
9.
114e Plattalva GL - 2.1 — X — 29. 8.
11.
9.
29.
9.
79 Sulz GL - 6.6 - 1.1 1788 25.10.
21.
10.
13.
10.
80« Glärnisch GL - 2.22a - 4.7 2294.5 n 19.
9.
22.
9.
81« Pizol SG + 44.22a - 73.6 2600 16.10.
24.
9.
18.
9.
Nr a ) Gletscher Kt.
b ) Längenänderung in Metern 1984/85 1985/86 e ) e ) Höhe m ü. M.
1986 d ) Messdatum Tag, Monat 1984 1985 1986 Einzugsgebiet des Rheins ( Id ) 82e Lavaz GR - 33.22a + 102.5 16.10.
10.
9.
1.10.
83« Punteglias GR - 17 10.3 2350 13.10.
28.
9.
14.10.
84« Lenta GR - 9.5 14.7 2300 22.10.
1.
10.
22. 9.
85 Vorab GR - 10.62a - 26.2 — 16.10.
12.
9.
13. 9.
86 e Paradies GR - 16.9 10.7 2395.5 28. 9.
23.
9.
16. 9.
87« Suretta GR + 33.3 + 28.8 2179 13. 9.
10.
9.
12. 9.
115 Scaletta GR V6a A n — n 20.
9.
n 88 e Porchabella GR - 6.5 8.3 2637.4 17.10.
8.
10.
15.10.
89« Verstankla GR + 11.1 5 2390 29. 8.
3.
9.
3. 9.
90« Silvretta GR + x - 6.52a 2436.0 16. 9.
13.
9.
10. 9.
91« Sardona SG + 4.82a - 6.9 2500 16.10.
20.
9.
13. 9.
Einzugsgebiet des Inns ( V ) 92e Roseg GR - 9.9 38 2175 29.10.
28.
9.
16.10.
93« Tschierva GR + 3.6 + 0.5 2140 29.10.
28.
9.
16.10.
94 e Morteratsch GR + 8.4 6 2000 5.10.
26.
9.
16./17.10.
95« Calderas GR - 7.1 6 2720 30.10.
4.
10.
22.10.
96« Tiatscha GR + 14 2 2500 14.10.
3.
10.
28. 9.
97« Sesvenna GR - 0.9 5.8 2745 15. 9.
20.
9.
25. 9.
98 e Lischana GR - 3.1 + 2.0 2745 1. 9.
21.
9.
7. 9.
Einzugsgebiet der Adda ( IV ) 99e Cambrena GR + 112a + 3.5 2518 27.10.
6.
10.
11.10.
100« Palü GR + 6 + 4.9 2350 2.11.
3.
10.
30.10.
101« Paradisino ( Campo ) GR - 152a + 1 — 30. 9.
7.
9.
4.10.
102« Forno GR - 16.2 8.5 2225 10.10.
8.
10.
15.10.
116 Albigna GR - xea n - n 11.
9.
n Einzugsgebiet des Tessins ( III ) 120« Corno TI + 2.1 2a + 5.8 2570 n 12.
9.
11. 9.
117 Valleggia TI + 8.02a - 4.9 2420 n 10.
9.
8. 9.
118« Val Torta TI + 21.82a + 15.2 2520 n 10.
9.
8. 9.
103 Bresciana TI + 17.52a - 5.0 2720 n 10.
9.
22. 9.
119e Cavagnoli TI - 0.1 7 2560 12. 9.
25.
9.
18. 9.
104e Basodino TI + 2.8 + 3.5 2520 12. 9.
24.
9.
5.10.
105« Rossboden VS + 9.0 + 12.3 1950 14.11.
16.
9.
1.10.
Abkürzungen + im Vorstoss st stationär — im Rückzug Allgemeine Bemerkungen 3 In Tabelle 2 und in Abbildung 3 des vorliegenden Berichts sind die Gletscher mit ihrer Nummer aus dieser Tabelle bezeichnet.
b Liegt ein Gletscher auf Gebiet mehr als eines Kantons, ist der Kanton angegeben, in dem sich das beobachtete Zungenende befindet.
c Gilt die Angabe für eine mehrjährige Zeitspanne, ist die Zahl der Jahre folgenderweise angezeigt: +17.52a = Vorstoss um 17.5 Meter in 2 Jahren.
d Ist die Höhenkote des Gletscherendes oder des Gletschertors nicht im Berichtsjahr bestimmt worden, ist das Jahr der Messung folgenderweise angegeben: 2234s5 = Meereshöhe 2234 Meter, gemessen im Jahre 1985.
e Eine Bemerkung mit der Nummer dieses Gletschers wird im vollständigen 107. Bericht der Gletscherkommission enthalten sein.
ca. ungefährer Wert x Betrag nicht bestimmt sn eingeschneit n nicht beobachtet Abb. 1-5:
Gletscherschwärze im Sommer 1986. Aus-schmelzende Schutt-und Staubeinlagerungen trüben in warmen Sommern das ( hehre Weiss der Firne>. Nach einem starken Gewitterregen 1 Steinschlag und Lawinen überschütten Gletscher mit grobem Gestein. Die Zunge des Glacier du Dar, die einst vom Firnband ( oben ) ans Ende des trichterförmigen Talkessels ( rund 2200 m ü. M., unterhalb des Bildrands ) reichte und von 1898 bis 1921 regelmässig vermessen wurde, besteht heute grösstenteils aus Lawinenablagerungen ( Bildmitte ) 3 Alte Staubschichten, die in wellenförmig geschwungenen Kurven-scharen an der Eisoberfläche des Tsanfleuron-gletschers ausstreichen, sind für Sommerskifahrer gewiss ein weniger ergötzlicher Anblick als für Gletscherforscher am 17. September 1986 kommen alte Schmelzoberflächen als Schmutzschichten an der blankpolierten Oberfläche der Gletscher im Diablerets-Massiv besonders deutlich zum Vorschein 2 Sturmwinde wehen Staub, Sand und Schieferplättchen von der Felsumrandung, Pflanzenteile aus den umliegenden Tälern, Blütenpollen und Gesteinsstaub aus weiter Entfernung ( z.B. Wüstenstaub aus der Sahara ) als natürliche Verunreinigungen auf die Gletscher. Auf der Firnoberfläche des Glacier du Sex Rouge ist eine neue Staubschicht in wellenartig aufgereihten Dünen abgelagert. Staubschichten aus den letzten 10 bis 20 Jahren umlaufen den Firnfleck als parallele dunkle Linien, die ältere verformte Staubschichten im blau-getönten Gletschereis ( unten ) konkordant überlagern ( links ) oder diskordant überschneiden ( rechts, hinter dem Hausgiebel ) Abb. 4 und 5: Blick vom Gipfel des Sex Rouge auf den Glacier de Prapio. Die Schichtfolge von oben nach unten ist ein räumliches Abbild der zeitlichen Abfolge in der Umwandlung des fri- schen Schnees ( kleine weisse Flecken ) über Altschnee ( helle gerillte Fläche ) und Firn ( heller Saum mit Schichten der Vorjahre und dunkles Band mit älteren, zum Teil auch aus aufgefrore-nem Schmelzwasser gebildeten Schichten der letzten 10 bis 20 Jahre ) bis hin zum Gletschereis ( hellblau, mit faltenartig verformten Schichten aus schätzungsweise 50 bis 100 Jahren ) höhen wenig und lagen Mitte März erneut deutlich unter dem langjährigen Mittel, da der Februar überall fast dauernd viel zu kalt und wie die ziemlich milde erste Märzhälfte meistenorts sehr trocken war. Die strenge Kälte im Februar betraf die nördlichen und östlichen Landesteile, die fast durchgehend im Bereich kontinentaler Kaltluftmassen lagen, wesentlich stärker als die westlichen und südlichen, die zeitweise mildere Luftmassen aus den zum Mittelmeer ziehenden Tiefdruckgebieten erhielten. Häufige Hochnebeldecken führten zu geringer Besonnung und sehr grossen Wär-medefiziten in den Niederungen. Am Juranordfuss und in der Ostschweiz, wo die Monatstemperatur um 5-6 Grad vom Normalwert abwich, war der Wärmemangel grosser als in den übrigen Gebieten und grosser als in den letzten 30 Jahren. Nur wenig geringer und ebenso extrem war er in weiteren ausgedehnten Gebieten der Alpennordseite und in Graubünden, etwa halb so gross in den übrigen Landesteilen. Einige Gebiete in der Westschweiz und am Juranordfuss erhielten durchschnittliche Niederschlagsmengen. Abgesehen davon war es im Februar in allen Regionen zu trocken, vor allem im westlichen Jura und in den Alpen. Als trockenste Gebiete erhielten das Engadin, das Bündner Oberland und Mittelbünden nur 20-30 Prozent der normalen Monatsmenge. Das Mittelland mit Ausnahme des Genferseegebiets lag im Februar dauernd unter einer geschlossenen Schneedecke, welche vom 24. bis 26. Januar an über eine für die Niederungen ausserordentlich lange Zeitspanne von sechs bis sieben Wochen erhalten blieb. Einer kräftigen Erwärmung am Monatsanfang folgte während der ersten Märzhälfte sonniges und mildes Wetter in den Berggebieten, durch häufige Nebelbildung getrübtes kühles Wetter in den Niederungen. In dieser Zeit kam die Schneeschmelze in den tieferen und sonnigen mittleren Lagen der Berggebiete kräftig in Gang, die Niederungen aperten aus. Mitte März setzte wechselhaftes Wetter mit zeitweise stürmischen Winden und verbreiteten Niederschlägen ein, wobei die normale Niederschlagsmenge des Monats erreicht oder - vor allem im westlichen Alpengebiet - übertroffen wurde. Im Wallis wie auch in den Waadtländer, Freiburger und Berner Alpen waren die Überschüsse beträchtlich. Deutlich unter der Norm dagegen blieben die Monatssummen auf der Alpensüdseite und in Graubünden, weniger deutlich auch am Juranordfuss und am Genfersee. Wechselhaftes, vorwiegend nass-kaltes und trübes Wetter herrschte im April unter dem Einfluss mehrerer ausgedehn- ter Tiefdruckgebiete während des ganzen Monats und im ganzen Land. Den häufigen Wechsel der Luftmassen begleiteten rasche und auf der Alpennordseite teilweise extreme Temperaturschwankungen. In der Ostschweiz führte eine Föhnlage am 7. April zu Tages-höchstwerten bis 20 Grad. Wenige Tage später folgten einem Schneefall bis in die Niederungen in der Nacht auf den 13. Tiefstwerte bis 10 Grad unter Null. Das Temperaturmittel des Monats lag im Engadin, in Mittelbünden und im St. Galler Rheintal wenig, in den meisten übrigen Gebieten um 1-2 Grad unter dem Normalwert. Häufige und oft ergiebige, verschiedentlich mit Gewittern und stürmischen Winden verbundene Niederschläge brachten allen Landesteilen grosse bis sehr grosse Monatsmengen. Ausserordentlich grosse Mengen fielen im Tessin, im Oberwallis und im Rheinwaldgebiet, wo die Monatssumme an manchen Orten das Vier- bis Fünffache des Normalwerts erreichte. Die ausnehmend hohen Werte von Camedo ( 1239 mm ) und Mosogno ( 1179 mm ) gehören zu den grössten in der Schweiz je gemessenen Monatswerten. In einer langen Wärmeperiode, die auf der Alpennordseite am Monatsanfang, auf der Südseite einige Tage später einsetzte, glich der Mai mit zeitweise sommerlichen Temperaturen den Wärmemangel des Vormonats bei weitem aus, obwohl die letzten fünf Tage ausgesprochen kalt waren. In manchen Gebieten fiel häufig und reichlich Niederschlag. Starke Gewitterregen brachten vor allem dem Mittelland und den Voralpen östlich der Linie Basel-Freiburg-Montreux Monatsmengen um 50-100 Prozent über der Norm. Etwas trockener als gewöhnlich war der Mai im westlichen Genferseegebiet, im Südtessin und im Unterengadin, deutlich trockener als normal in den südlichen Landesteilen allgemein, besonders im Goms und in den Visper Tälern. Die Kälteperiode am Monatsende mit Schneefall im östlichen Alpengebiet bis gegen 1000 Meter dauerte mit Unterbrüchen und weiteren Schneefällen in den Alpen ( gegen 1200 Meter am 5. Juni und unter 1500 Meter am 11 .Juni ) bis gegen Mitte Juni an. Die Ausbreitung des Azorenhochs auf den Kontinent um die Monatsmitte leitete im ganzen Land die sommerlich warme und trockene zweite Junihälfte ein, die einigen inneralpinen Tälern die erste mehrtägige Hitzeperiode des Sommers brachte. Nördlich der Alpen stiegen die Temperaturen bei leichter Bise weniger hoch. Das Monats- mittel der Temperatur lag in den meisten Gebieten um 0,5-1 Grad über dem durchschnittlichen Wert. Lokale Gewitterregen ergaben eine sehr unterschiedliche Verteilung in den Niederschlagsmengen des Monats. Abgesehen von einigen Gebieten im Luzerner und Aargauer Mittelland mit mehrheitlich normalen Mengen blieb es überall teils leicht, teils erheblich zu trocken. Nur etwa die Hälfte der Normalmenge fiel in der Südschweiz und im Oberengadin, stellenweise auch im Wallis und im westlichen Mittelland. Mit der Erwärmung um die Monatsmitte kam die Schneeschmelze auch in den Hochalpen endgültig und kräftig in Gang. Die Wasserreserven in der Schneedecke der vergletscherten Gebiete, die mit den grossen Schneefällen im April deutlich über den Durchschnitt und mit dem erneuten Zuwachs Ende Mai und anfangs Juni auf sehr hohe Werte gestiegen waren, sanken in der letzten Junidekade infolge der ausserordentlich grossen Schmelzwasserproduktion rasch gegen den Normalwert ab. In den unvergletscherten Gebieten verschwand die Winterschneedecke, die in den mittleren Lagen grösstenteils vor Mitte Mai abgeschmolzen war, im Laufe des Juni auch aus den höheren Lagen. Dem hochsommerlichen Wetter der ersten Juliwoche folgte wechselhaftes, bis zur Monatsmitte vorwiegend kühles, dann wieder wärmeres und zeitweise sonniges warmes Wetter mit zahlreichen, oft von Hagelschlag begleiteten Gewittern. Heftige Gewitter in der ganzen Schweiz und gebietsweise verheerende Hagelschläge in der Westschweiz und am Alpennordhang löste vor allem die kräftige, am 23/24.Juli durchziehende Störung aus. Die hochsommerlich warme und meist trockene Witterung der letzten Woche führte an den meisten Orten zu leicht überdurchschnittlichen Monatstemperaturen. Erhebliche Unterschiede von Ort zu Ort ergaben sich wie im Vormonat bei den Regenmengen. Normale bis leicht überdurchschnittliche Monatsmengen fielen hauptsächlich in der Nordostschweiz, im Rheintal zwischen Bodensee und Chur sowie im Unterwallis. Unterdurchschnittliche Mengen erhielten die westlichen und südlichen Landesteile, namentlich die Ajoie und das Südtessin mit einem Niederschlagsdefizit über 40 Prozent. Hochsommerliche Wärme, zahlreiche Gewitter, oft von Starkregen, Hagel und heftigen Windböen begleitet, prägten das Wetter der ersten drei Augustwochen. Kaltlufteinbrüche am 23. und 27. verbreiteten allenthalben Regen und Kühle bis gegen das Monatsende. Dennoch ergab sich im ganzen Land wie im Juli ein kleiner Wärmeüberschuss, vor allem nördlich der Alpen und in Graubünden. Bei allgemein höheren Mengen war der Niederschlag wie in den vorangehenden Sommermonaten auf relativ engem Raum sehr ungleichmässig verteilt. An den meisten Orten lagen die Monatsmengen zwischen 20 und 50 Prozent über dem Normalwert, etwas unter der Norm an manchen Orten im westlichen Jura, in der Zentralschweiz, im Saastal und im Simplongebiet. Grosse Schäden verursachte vor allem der Hagelschlag vom 18. August in Genf, im St. Galler Rheintal, am Vierwaldstättersee und im Entlebuch. Allgemein wärmer und trockener, meistenorts auch sonniger als normal war der September. Nach geringen Schwankungen in der ersten Monatshälfte brachte der Durchgang einer Störung um die Monatsmitte eine beträchtliche Abkühlung und den einzigen ergiebigen Niederschlag des Monats. Sonniges und sehr mildes Herbstwetter, unterbrochen durch einen Störungsdurchgang mit leichtem Niederschlag und kühleren Temperaturen um den 25., setzte sich in der letzten Septemberdekade durch und dauerte bis über die Monatsmitte des Oktobers an. Die Monatstemperaturen lagen im September landesweit deutlich über dem Normalwert, im Alpenraum und in grossen Gebieten der Westschweiz um 1-2 Grad. Die Monatsniederschläge blieben in den meisten Gebieten unter der Hälfte des Normalwerts. Besonders trocken war es grossenteils in den Kantonen Tessin, Graubünden, Sankt Gallen und Appenzell wie auch im Zürcher Oberland. Abgesehen vom mittleren und südlichen Tessin war es überall sehr sonnig, vor allem in den höheren Lagen des Jura und der Alpen, wo die normale Zahl der Sonnenscheinstunden um 30 bis 40 Prozent übertroffen wurde. Die sonnige und milde Trockenperiode wurde in einem Teil der Westschweiz durch leichte Niederschläge am 13. Oktober unterbrochen und im ganzen Land durch die zyklonale Westlage vom 19. bis 23. beendet. Ergiebige Niederschläge bei zeitweise stürmischen Winden und starker Abkühlung brach- Abb. 6-8:
Unterer Grindelwaldgletscher am 16. September 1986 7 Auf der schuttbedeckten Gletscherzunge kommen die Ogiven als Bänderung im Eis an den Steilrändern der Schmelzrinnen zum Vorschein 8 Am Zungenende erscheinen sie als einfache, dem Gletscherbett angeschmiegte steile und enge oder - wie in Abbildung 10-flache und weite Faltenmulde 6 In Eisbrüchen wie an der
Abbildung 2 gibt eine Übersicht über die Abweichungen des Jahresniederschlags und der durchschnittlichen Sommertemperaturen im Berichtsjahr vom langjährigen Normalwert in den verschiedenen Landesteilen. Sie beruht auf den Angaben der SMA für die mit Punkten eingezeichneten 108 Stationen des Niederschlagsmessnetzes ( Abbildung 2a ) und 57 Stationen des automatischen Messnetzes ( Abbildung 2 b ). Die Werte des Berichtsjahrs sind nach statistischen Regeln klassiert in normale, stark oder sehr stark abweichende Werte. Normale Werte treten mit geringer positiver oder negativer Abweichung vom Vergleichswert je einmal in vier Jahren auf. Sie sind der Klasse zugeteilt und in den entsprechend bezeichneten Feldern der Abbildung zusammengefasst. Die stark abweichenden Werte der Klassen1 > und kommen durchschnittlich einmal in vier bis zwölf Jahren vor, die sehr stark abweichenden Werte der Klassen2> und seltener als einmal in zwölf Jahren. Die ungleichmässige räumliche Verteilung des Niederschlags in manchen Monaten kommt auch in den Jahreswerten zum Ausdruck: in Abbildung 2a sind sämtliche Klassen durch grössere oder kleinere Zonen vertreten. In einem weitläufig zusammenhängenden, vom Jura zum Engadin und vom Tessin zum Bodensee durchgehenden Grossteil des Landes blieben die Jahreswerte mehrheitlich und zum Teil nur knapp im Normalbereich. Die niederschlagsreichen Zonen durchziehen als breites unterbrochenes Band die westliche Landeshälfte von der Nordschweiz über die Berner Alpen zum Unterwallis und sind als en- ger begrenzte, zum Teil in sich abgeschlossene Gebiete über die östliche Landeshälfte verteilt vom Untersee zum oberen Zürichsee, vom Bodenseerhein zur Adula und vom Münstertal zum Puschlav. Niederschlagsmangel ergab sich vor allem in den Föhngebieten der Ostschweiz vom Reusstal zum Säntis, im Domleschg und im Unterengadin. Die Gebiete mit starkem bis sehr starkem Niederschlagsmangel sind miteinander verbunden durch Gebiete mit unterdurchschnittlichem Niederschlag im Rahmen normaler Abweichungen. Diese Zone setzt sich über das Haslital und das Goms in die Visper Täler und die westlichen Tessiner Alpen fort. Mit starken bis sehr starken positiven Abweichungen bei den Tem-peraturmittelwerten zeigt Abbildung 2b für alle Landesteile einen ausgesprochen warmen Sommer an. Auch an den Stationen Aigle im unteren Rhonetal und San Bernardino im Misox mit Abweichungen am oberen Rand des Normalbereichs war es überdurchschnittlich warm. Für die Bergstationen Säntis und Corvatsch ergaben sich Indexwerte über 3, d.h. Wärmeüberschüsse im Bereich extremer Werte, die seltener als einmal in 45 Jahren auftreten.
Die folgenden Angaben über
Lufttemperatur Tagesmittel °C -angepasster Mittelwert 1901/60 --15 Niederschlag Tagesmenge mm Sept.
Okt.
Nov.
Dez.
Jan.
Feb.
März nen führte. ) Aus diesen Situationen ergaben sich in 283 gemeldeten Fällen Sachschäden, zum Teil durch mehrere Grosslawinen von selten gesehenem Ausmass. Von diesen Grosslawinen waren das Tessin und das Misox mit dem Calancatal besonders stark betroffen. Bemerkenswert ist der Umstand, dass einige Lawinen im Bedrettotal ( Cabbiolo, Mogno und Villa ) erst beim zweiten oder sogar dritten Niedergang Schaden anrichteten. Ihr ungewöhnliches Ausmass zeigt sich darin, dass die Lawinenkegel zum Teil den ausgesprochen warmen Sommer überdauerten. Von den Lawinen des Winters 1985/86 wurden insgesamt 117 Personen erfasst, von denen 83 den Unfall überlebten ( 37 wurden verletzt, die übrigen 50
I
April Mai Juni Juli Aug.
Sept.
Okt.
kamen mit dem Schrecken davon ). Von den 34 Lawinentoten wurden 17 auf Skitouren ausserhalb der Skipisten, 9 auf Bergtouren oder im Aufstieg zu Fuss mit geschulterter Skiausrüstung, 6 beim Variantenfahren und 2 auf gesperrten Skiwegen erfasst. Bei der Suche nach den verschütteten Personen fanden die Lawinenhunde 4 Lebende und 11 Tote; von 20 mit Lawinensuchgerät verschütteten Touristen wurden 15 durch ihre Kameraden geortet und 7 davon lebend geborgen.
Gletscherchronik a ) Tätigkeit und besondere Ereignisse Die Erhebungen über die Längenänderung der Gletscher in den Schweizer Alpen im Herbst 1986 ergeben den 107. Beitrag zur Be- b ) Locarno Monti 366 m ü.M. Lufttemperatur Tagesmittel C angepasster Mittelwert 1901/60 Niederschlag Tagesmenge mm Sept.
Okt.
Nov.
Dez.
ì " i Jan.
Feb.
März obachtungsreihe über die jährlichen Veränderungen der Gletscher unseres Landes. Sie sind im gewohnten Rahmen der Mittel und Möglichkeiten, die der Gletscherkommission zur Erfüllung dieser Hauptaufgabe im Sinne einer Landesaufnahme zur Verfügung stehen, und im allgemeinen bei günstigen Schnee- und Wetterverhältnissen durchgeführt worden. Das Beobachtungsnetz umfasst gegenwärtig 120 Gletscher, von denen in der Regel 112 jährlich, die übrigen mehrjährlich durch Messungen am Boden oder durch Fernerkundung mittels Luftbildaufnahmen erfasst werden. Im Berichtsjahr ist die Lage des Zungenendes bei 114 Netzgletschern festgestellt worden. Dazu gehören alle jährlich beobachteten, von denen die meisten ( 103 ) im Gelände vermessen und eine grosse Zahl ( 51 ) bei den jährlich oder 50 Juni Juli Aug.
Sept.
Okt.
mehrjährlich wiederholten Vermessungsflügen erfasst worden sind. In allen diesen Fällen wie auch bei zwei in mehrjährigem Turnus kontrollierten Gletschern ( Martinets, Lötschberg ) ist bekannt, ob sich das Zungenende talwärts, bergwärts oder nur unbedeutend verlagert hat seit der vorangehenden Beobachtung. In 105 Fällen ist auch das Ausmass der Verlagerung bestimmt und als Längenänderung in Zahlen angegeben. In zwei Fällen bezieht sich diese Zahlenangabe auf ein mehrjähriges Messintervall, in einem Fall ist die Längenänderung des Gletschers beeinflusst durch die Einwirkungen eines künstlich gestauten Sees. Für die Berechnung der mittleren jährlichen Längenänderung stehen somit c ) Jungfraujoch 3580 m ü.M. Lufttemperatur Tagesmittel °C angepasster Mittelwert 1938/60 Sept. Okt. Nov. Dez. Jan. Feb. März April Mai Juni Juli Aug. Sept. Okt.
d ) Payerne 490 m ü. M.
Höhe der Nullgradisotherme um 13 Uhr
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im Berichtsjahr 102 Messwerte zur Verfügung. Von den 106 vorangehenden Beobachtungsjahren weist als einziges das Jahr 1971 mit 104 eine grössere Zahl und mehr als hundert für die Mittelbildung berücksichtigte einjährige Messwerte auf. Für die Statistik mit den drei Klassen der wachsenden, unveränderten oder m ü. M.
4000 3000 2000 1000491 0 schwindenden Gletscher haben nur die drei Jahre 1971 ( 110 ), 1979 ( 111 ) und 1985 ( 117 ) mindestens 110 zählbare Ergebnisse geliefert, wenn für die Jahre 1921 ( 132 ) und 1923 ( 118 ) die einmaligen, an 34 bzw. 22 Gletschern ausserhalb des regulären Messnetzes gesammelten Beobachtungen ausgeklammert werden. Das Gesamtergebnis des 107. Berichtsjahrs gehört - wie die vorangehende Erfolgsstatistik e ) Säntis 2490 m ü.M.
Niederschlag Tagesmenge mm f ) Sitten 482 m ü.M.
Niederschlag Tagesmenge mm 50 U Sept.
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Nov.
Dez.
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Feb.
März | April zeigt - zu den besten der Beobachtungsreihe. Die Gletscherkommission erfreut sich des wiederholten Anlasses zur Erneuerung ihres Dankes an die Beobachter, die beständig und zuverlässig als Mitarbeiter der in untenstehender Anmerkung genannten Institutionen oder in direkter persönlicher Verbindung mit der Kommission ihren regelmässigen Beitrag lei-sten.3 3 Die Angaben über die Längenänderung verdanken wir im Berichtsjahr für 73 Gletscher den Mitarbeitern der kantonalen Forstdienste Wallis ( 22 ), Waadt ( 4 ), Bern ( 11 ), Uri ( 8 ), Obwalden ( 2 ), Glarus ( 1 ), St. Gallen ( 2 ), Graubünden ( 17 ) und Tessin ( 6 ), für 15 Gletscher den privaten Mitarbeitern P. Mercier ( 4 ), J.L Blanc ( 3 ), W. Wild und A. Godenzi ( je 2 ), H. Boss sen., H. Boss jun., E. Hodel und R.Zimmer-mann ( je 1 ), für 4 Gletscher den Mitarbeitern oder Beauftragten der Kraftwerke Mauvoisin und Oberhasli ( je 2 ) und für 21 Gletscher den Mitarbeitern der Abteilung für Glaziologie der VAW ( 12 Messungen im Gelände, 9 Luftbildauswertungen ). Die Angaben für den Gorner stützen sich auf die privaten Messungen von Y. Biner, Zermatt, der uns seine Ergebnisse wie im Vorjahr freundlicherweise mitgeteilt hat. Von den vier luftphotogrammetrisch vermessenen Gletschern sind uns ausser den Angaben über die Längenänderung auch weitere Messergebnisse ( Volumen-, Flä-chen- und Dickenänderungen, Fliessgeschwindigkeiten ) zur Verfügung gestellt. Wie bisher sind die Aaregletscher ( für die Kraftwerke Oberhasli durch das Vermessungsbüro A. Flotron, Meiringen ), der Giétro ( für die Kraftwerke Mauvoisin durch das Vermessungsbüro H. Leupin, Bern ) und 50 JU, Mai Juni Juli Aug.
Sept.
Ókt.
der Allalin ( für die VAW durch deren Mitarbeiter W. Schmid am Autographen des Geodätischen Instituts der eth Zürich ) in dieser Weise ausgewertet. Im Berichtsjahr haben das Bundesamt für Landestopographie ( l + t ) und die Eidgenössische Vermessungsdirektion ( v + d ) Vermessungsflüge über 71 Gletschern durchgeführt. Im Rahmen der laufenden Erhebungen über die Veränderung gefährlicher Gletscher ( 25 ) und ausgewählter Gletscher im Beobachtungsnetz der GK/SNG ( 16 ) oder im Rahmen der laufenden Untersuchungen der VAW, zum Teil im Auftrag von Kraftwerken ( 6 ), sind 47 Gletscher in jährlich wiederholten Aufnahmen erfasst. Die Flüge der v + D über den Aaregletschern werden im Auftrag der Kraftwerke Oberhasli ebenfalls jährlich wiederholt. Die 24 in mehrjährigem Turnus überzogenen Gletscher gehören zum Beobachtungsnetz der GK/SNG ( 21 ) oder werden im Rahmen wissenschaftlicher Forschungsprojekte der vaw untersucht ( 3 ).
Der einzige Beobachterwechsel des Berichtsjahres betrifft den Gamchigletscher, den Fritz Zurbrügg, Reudien, von 1960 bis 1986 in jedem Jahr gemessen hat. Die Gletscherkommission verdankt ihm die lückenlose Fortführung einer Messreihe, die mit wenigen Mehrjahreswerten durchgehend bis 1893 zurückreicht. Als Nachfolger wird Armin Jüsi die Beobachtungsreihe des Gamchigletschers weiter verlängern. Die Gletscherkommission dankt allen genannten und vor allem auch den ungezählten und namentlich nicht erwähnten Mitarbeitern und Institutionen, die zu den jährlichen Erhebungen über die Gletscherveränderungen in den Schweizer Alpen beitragen.
Die Tätigkeit der Schweizer Glaziologen erstreckt sich über ein breit gefächertes Arbeitsgebiet, das von der rein theoretischen Behandlung der Eisphysik und -chemie über die empirische Grundlagenforschung mit Beobachtungen an den natürlichen Eisbildungen bis zur praktischen Anwendung bei vielfältigen technischen Problemen wie z.B. der Belastbarkeit dauernd gefrorener Schuttmassen durch Seilbahnmasten im Hochgebirge oder der Tragfähigkeit temporärer Eisdecken auf Seen in Stadtnähe reicht. Als Umweltwissen-schaft hat sich die Glaziologie u.a. auch mit den aktuellen Fragen im Umfeld der Energieversorgung zu befassen, sowohl im Bereich der Grundlagenforschung als auch im Bereich der angewandten Wissenschaft und wie in den nachstehend angeführten Beispielen oft im Rahmen interdisziplinärer Zusammenarbeit mehrerer Wissensgebiete und Forschungsinstitute.
Das Projekt
Die Kernkraftwerk-Katastrophe von Tschernobyl hat ihre Spuren auch auf den Gletschern hinterlassen. Den radioaktiven, in die Schneedecke eingebetteten Niederschlagshorizon-ten, die aus dieser Giftwolke stammen, sind Glaziologen der VAW zusammen mit Wissenschaftlern des Physikalischen Instituts der Universität Bern und des Eidgenössischen Instituts für Reaktorforschung in Würenlingen mit Unterstützung durch das Bundesamt für Flieger- und Fliegerabwehrtruppen anfangs Juli 1986 auf neun Gletschern der Schweizer Alpen nachgegangen, indem sie Schneeproben als 2-3 Meter lange Bohrkerne gesammelt und untersucht haben. An den Bohrstellen sind zudem Schichtung, Temperatur, Korngrösse, Kornform, Feuchte und Härte des Schnees bestimmt worden, um die Einbet-tungsbedingungen in den Firn zu erfassen. Die Untersuchungen haben bestätigt, dass die östlichen und südlichen, am Piz Zupò, Rheinwaldhorn, Blinnenhorn, Colle Gnifetti und Grand Combin sondierten Gebiete wesentlich stärker verstrahlt wurden als die übrigen, am Silvrettapass, Tödi, Weiss Nollen und an der Tête Blanche sondierten Regionen.
Im 100. Gletscherbericht ( DIE ALPEN 4/1980 ) haben wir das erste Jahrhundert der systematischen Erhebungen über die Gletscherveränderungen in den Schweizer Alpen kurz zusammengefasst. Nun ist endlich auch der ausführliche 100. Gletscherbericht für das Jahr 1978/79 zusammen mit dem 99. für das vorangehende Jahr als glaziologisches Jahrbuch erschienen. Es enthält die betreffenden, mit zusätzlichen Daten in der üblichen Weise und mit einem neuen Kapitel ergänzten Jahresberichte. Das neue Kapitel setzt die früheren, ausserhalb der Gletscherkommission verfassten und publizierten, in den Gletscherberichten regelmässig zitierten fort als Teil des Jahrbuchs und als Ergebnis eines langfristigen, seit 1913 laufenden Messprogramms. Im ersten Anhangkapitel des Jahrbuchs fasst Hans Siegenthaler die Ergebnisse Abbildung 2 Abweichungen der Jahresniederschläge 1985/86 und der Sommertemperaturen 1986 vom Zentralwert der Bezugsperiode 1901-60 a ) Jahresniederschläge Summe der Niederschläge vom I. Oktober 1985 bis 30. September 1986 Wertung der Klassen:
KlasseJahresniederschlag + 2sehr gross +1gross 0normal — 1klein -2sehr klein seiner glaziologischen Beobachtungen am Griesgletscher von 1961 bis 1979 zusammen. Mit dem zweiten, aus drei Teilen bestehenden Anhangkapitel ist es unter dem Titel
Klasse Sommertemperatur + 2 sehr warm + 1 warm 0 normal -1 kalt -2 sehr kalt kundigen Bergfreund dankbar für Berichtigungen und Ergänzungen.
Eine einmalige Beobachtungsreihe ist — wenn sie nicht nutzbringend anwendbar ist -auch in ihrer Nutzlosigkeit einmalig. Andererseits ist eine noch so nützliche Datensammlung wertlos, wenn sie unsinnig, in nichtsnutziger Weise angewendet wird. Die Daten über die Längenänderung der Gletscher in den Schweizer Alpen sind im Rahmen einer Dissertation an der VAW von Peter Müller im Hinblick auf eine sinnvolle und nutzbringende Anwendung in der Praxis untersucht worden. Die jährlichen Längenänderungen seit 1950 sind in dieser Arbeit für 69 Gletscher verschiedener Typen ( Kar-, Gebirgs-, Talgletscher ) einerseits mit morphologischen Kenngrössen dieser Gletscher ( Fläche, Länge, Steilheit usw. ) und andererseits mit den für die Gletscherveränderungen massgebenden Klimagrössen der betrachteten Periode ( Niederschlags- und Temperaturwerte aus der Datenbank der SMA ) 218Abbildung 3 Die Gletscher der Schweizer Alpen Lageänderung der Zungenenden 1986 1 6 " 7 1 10J ( r
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Vorstoss © stationär in Beziehung gebracht und in mannigfachen Kombinationen statistisch erforscht worden. Mithin ist untersucht worden, wie die einzelnen Gletscher nach jahrzehntelangem starkem Schwund auf die wachstumsgünstigeren Klimabedingungen seit 1965 reagiert haben. Aus den ermittelten rechnerisch erfassbaren Zusammenhängen soll das künftige Verhalten der Gletscher modellmässig für unterschiedliche Klimaentwicklungen vorhergesagt werden in Fällen, wo die Gletscherveränderung in natürlichen Bahnen verläuft. Aus der Fülle der Ergebnisse sei hier ein einziger, für manchen Gletscherbeobachter bedeutsamer Fall herausgegriffen. Die häufig und oft sprunghaft wechselnde Längenänderung mancher kleiner Gletscher wie namentlich des Pizol zeigt statiRückzug ® nicht beobachtet stisch nachweisbare Übereinstimmungen mit der Massenänderung der Aletschgletscher. Den interessierten Gletscherbeobachter bestärkt dieser - keineswegs überraschende -klare Befund in den Bemühungen, die zuweilen problematischen Zungenmessungen an seinem kleinen Gletscher möglichst in jedem Jahr durchzuführen. Den Delegierten der GK/ SNG für die Gletscherkontrollen bestärkt es in der hartnäckigen Gewohnheit, in seinen Rundschreiben an die Beobachter die Aufforderung, jeden Gletscher nach Möglichkeit in jedem Herbst zu messen, jährlich zu wiederholen.
b ) Massenänderung einiger Gletscher In Tabelle 3 sind die Massenänderungen einiger Gletscher während der letzten drei Jahre angegeben. Sie sind durch die VAW für die Abbildung 4 Lageänderung der Gletscher in den Schweizer Alpen 1890/91-1985/86 Prozentanteile der wachsenden und der schwindenden Gletscher 100i il i i: i r :T'i ~ttt | 25 50 75 100 b ) Anzahl der beobachteten Gletscher Gletscher des Aletschgebiets gesamthaft aus dem Wasserhaushalt des Einzugsgebiets der Massa berechnet, für die übrigen Gletscher aus glaziologischen Messungen ermittelt nach den in der Fussnote der Tabelle näher bezeichneten Verfahren. Die gesamte Massenänderung gibt die Vermehrung oder Verminderung der Eismenge während der Bilanzperiode als Nettowert an. Die spezifische Änderung entspricht der Dicke der zugefügten oder abgetragenen Schicht, die sich aus der gesamten, als Wasser gleichmässig über den ganzen Gletscher verteilten Massenänderung ergäbe. Als spezifische Werte sind die Massenhaushaltszahlen der verschiedenen Gletscher direkt vergleichbar, sofern die Messperioden annähernd übereinstimmen. Die Messperioden entsprechen in der Regel ungefähr dem hydrologischen Jahr vom 1. Oktober bis 30. September und damit im Normalfall auch dem klimatisch bedingten zweiphasigen Jahreszyklus im Massenhaushalt der Gletscher und im Wasserhaushalt der vergletscherten Einzugsgebiete. Die Zuwachsperiode des Winters wird normalerweise anfangs Juni durch die Schwundperiode des Sommers abgelöst.
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en 150 100 50 0 Aus den Massenbilanzen ergibt sich für das hydrologische Jahr 1985/86 erstmals seit 1976 wieder bei allen Haushaltsgletschern ein Massenschwund, im Aletschgebiet von kleinem, in den übrigen Gebieten von beträchtlichem bis grossem Ausmass. Das Klima des Haushaltsjahrs war geprägt durch einen grossenteils schneearmen, zeitweise sehr kalten Winter, ein ausserordentlich niederschlagsreiches Frühjahr, einen ausgesprochen warmen Sommer mit wenig Kälteeinbrüchen und einen milden, sehr trockenen Herbst. Den Massenhaushalt der Gletscher bestimmte in erster Linie die Grosse des Schneezuwachses im April, welcher durch den Schmelzwasserabfluss je nach Gebiet bereits im Juli oder erst im August ausgeglichen war und erheblich dazu beitrug, dass das Berichtsjahr mit starker Ausaperung der Gletscher zwar ein ausgeprägtes, aber kein extremes Schwundjahr geworden ist. Dies gilt auch für den Talbereich der Aaregletscher, wo nach den Messungen von A. Flotron eine Massenverminderung um rund 17 Millionen Kubikmeter Eis ein durchschnittliches Absinken der Gletscheroberfläche um 1,1 Meter bewirkt hat. Erstmals seit Jahren hat die Eisdicke in allen Profilen abgenommen, auch in den firnnahen Gebieten und bis zu 3,5 Metern. Im erfassten Teil der Aaregletscher ist der Schwund etwa doppelt so gross wie im Vorjahr und wie im Durchschnitt der letzten 17 Jahre, aber nur wenig mehr als halb so gross wie im Extremjahr 1971.
c ) Lageänderung der Gletscherenden Die Ergebnisse der Beobachtungen am Messnetz der Gletscherkommission sind in Tabelle 2 für die letzten drei Jahre zusammengefasst, in Tabelle 5 für die letzten zwei Jahre und in Abbildung 3 für das Berichtsjahr ausführlich dargestellt. Abbildung 4 gibt eine Übersicht über die Hauptergebnisse der 96 Beobachtungsjahre seit 1890.
Wie beim Massenhaushalt zeichnet sich das Berichtsjahr auch bei den Längenänderungen der Gletscher im Bereich der Schweizer Alpen als ausgesprochenes, aber keineswegs extremes Schwundjahr aus. In allen Regionen hat die Zahl der wachsenden Gletscher abgenommen, die Zahl der schwindenden in entsprechendem Masse zugenommen. In den Flusseinzugsgebieten der Alpennordseite, einschliesslich des Rheingebiets, wo sich seit dem Vorjahr die Zahl der wachsenden Gletscher auf die Hälfte vermindert hat, ist diese Tendenz deutlicher ausgeprägt als in den übrigen Gebieten mit gesamthaft wenig veränderten Zahlen. Eine abweichende gegensinnige Tendenz weist das Einzugsgebiet der Adda auf, wo im Vorjahr von fünf beobachteten Gletschern zwei, im Berichtsjahr von vier beobachteten drei an Länge zugenommen haben. In den Gebieten mit besonders grossem Schneezuwachs im April haben auch kleine Gletscher einen Längenzuwachs erfahren, in den übrigen Gebieten dagegen sind sie vollständig ausgeapert und merklich verkleinert worden. Im gleichen Sinn wie die absoluten und die prozentualen Anteile der wachsenden und der schwindenden Gletscher an der jährlichen Stichprobe hat sich der Mittelwert der Längenänderung von der Zuwachs- auf die Schwundseite verschoben. Dabei wirkt sich die unterschiedliche Zahl der berücksichtigten Messwerte nur geringfügig aus: die mittlere Längenänderung der 73 im Vorjahr und im Berichtsjahr erfassbaren Gletscher beträgt im Vorjahr +1,5, im Berichtsjahr —2,9 Meter.
Bei den einzelnen Gletschern ergibt sich ein vielfältig wechselndes Bild, indem etliche nach mehrjährigem Vorstossen erstmals wieder kürzer geworden sind ( u.a. Findelen, Oberer Grindelwald, Eiger, Wallenbur, Biferten, Verstankla, Sardona, Tiatscha ), manche ihren mehrjährigen Vorstoss fortgesetzt haben ( z.B. Mutt, Fee, Trient, Damma, Palü, Basodino ), einige nach langem Schwund erst jetzt oder seit wenigen Jahren vorstossen ( z.B. Zmutt, Ried, Unterer Grindelwald, Rossboden ), weitere vor oder nach einer Vorstossperiode im Stillstand verharren oder um eine Stillstandslage vor-oder zurückpendeln ( u.a. Rhone, Fiescher, Turtmann, Zinal, Alpetli, Rotfirn, Hüfi, Tschierva ) und andere in verstärktem oder abgeschwächtem langjährigem Schwund weiter abgenommen haben ( u.a. Grosser Aletsch, Gorner, Unteraar, Paradies, Porchabella, Roseg, Forno ). Den grössten Längenzuwachs im Berichtsjahr erhielten der Lavaz und der Suretta durch angelagerte Schneelawinen, der Lang, der Kehlen und der Damma wie vor allem auch der Fee durch das Vorrücken der Zungenstirn. Den stärksten Schwund erlitten der sehr langsam fliessende Pizol, der im Vorjahr abgerutschte Allalin und der in einen Na-tursee kalbende Roseg.
Falls im Vorjahr der 1980er Gletschervorstoss in den Schweizer Alpen tatsächlich zu Ende gegangen ist, markiert das Berichtsjahr den Zeitpunkt, an dem der säkulare Gletscherschwund nach einem ähnlichen Unterbruch wie um 1920 wieder eingesetzt hat.