Die Gletscher der Schweizer Alpen im Jahr 1974/75
Peter Kasser und Markus Aetlen
Auszug aus dem g6. Bericht der Gletscherkommission der SJVG Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie ( VAW ) ander ETH Zürich EINLEITUNG Die Längenänderungen der Schweizer Gletscher werden am Netz der Gletscherkommission der Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft ( GK/SNG ), das heute 115 Gletscherenden umfasst, beobachtet. Die Feldarbeit wird durch 9 kantonale Forstdienste ( 81 Gletscher ), die Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich ( VAW-ETHZ, 16 Gletscher ), 6 individuelle Mitarbeiter ( 13 ), 2 Kraftwerkgesellschaften ( 4 ) und das Eidgenössische Institut für Schnee- und Lawinenforschung ( EISLF, 1 Gletscher ) ausgeführt. Seit dem Jahre 1964 werden die Messungen durch die VAW organisiert und bearbeitet. Zahlreiche Vermessungsflüge verdanken wir der Eidgenössischen Landestopographie ( L + T ) und der Eidgenössischen Vermessungsdirektion ( V + D ). Die Haushaltsuntersuchungen an den Gletschern Aletsch, Gries ( Aegina ), Limmern, Plattalva und Silvretta gehören zum langfristigen Forschungsprogramm der VAW.
Die Beschreibung der Klimaverhältnisse stützt sich auf die Jahrbücher der Schweizerischen Meteorologischen Zentralanstalt ( MZA ), des Eidgenössischen Amtes für Wasserwirtschaft ( A +W ) und des EISLF sowie auf die Daten des gemeinsamen Netzes von Schneemessstationen dieses Instituts mit der VAW ( Tabelle 4 ). Weitere Informationen sind dem Firnbericht von A.Le-mans ( Tabelle 1 ), dem Bericht von M. Schild1 und den monatlichen Witterungsberichten der MZA entnommen.
1 M. Schild: Schnee und Lawinen im Winter 1974/75, Monatsbulletin des SAC 4/1976, S. 58/59.
9Nordwand der Aiguille Verte, vom Ostgrat der Aiguille du Chardonnet aus gesehen Photos Rucdi Sauser. Sigriswil 10 Döme-de-Aliage-^iordwand. die « Firnflanke » Photo Erich Yanis. Wien ( Bilder 11 bis 18 ) WITTERUN GS- UND SCHNEEVERHÄLTNISSE IM JAHR I974/75 Der Witterungsablauf im Berichtsjahr ist in der Abbildung auf den Seiten 20/21 dargestellt, worin die Tagestemperaturen von Zürich, Locarno-Monti und Jungfraujoch mit den langjährigen Tagesmittelwerten verglichen werden und die täglichen Niederschlagsmengen für die Stationen Zürich, Locarno-Monti, Säntis und Sion aufgezeichnet sind. Zudem gibt die Höhenlage der Nullgradisotherme in der freien Atmosphäre über Payerne Hinweise darauf, von welcher Meereshöhe an die Niederschläge als Schnee gefallen sind.
Auf den Gletschern ging der Sommer 1974 mit der zyklonalen Westlage vom 22. bis 26. September, die schliesslich Schnee bis auf 1300 Meter über Meer hinunter brachte, zu Ende. Nach den ergiebigen Schneefällen vom 28. bis 30. September, vorerst im Süden und Westen, anschliessend im Osten, war die permanente Winterschneedecke auf den Gletschern gesichert, um so mehr, als der Monat Oktober überall sehr kalt und mit Ausnahme der Alpensüdseite auch niederschlagsreich war. Die Niederschlagssummen von Oktober bis April übertrafen die langjährigen Mittelwerte im gesamten schweizerischen Alpenraum. Die Schneehöhen und Wasseräquivalente der Schneedecke erreichten ihr Maximum in den meisten Stationen von 1250 bis 2500 Meereshöhe in der ersten Hälfte April, mancherorts mit neuen Höchstwerten seit Beginn der Beobachtungen. Ganz aussergewöhnlich war die lange Wärmeperiode von Mitte November bis Mitte März, während der die Temperaturen in tieferen Lagen nur an wenigen Tagen unter das langjährige Mittel sanken, meistens aber erheblich höher waren. Im Februar war zudem auch die Sonnenscheindauer in allen Regionen und Höhenlagen über dem Durchschnitt. Für den Haushalt der Gletscher war dieser extrem milde Winter kaum von Bedeutung, weil die Schmelzwassermengen in diesen Höhenlagen gering waren, in der mächtigen Schneedecke gespeichert wurden und zum Teil wieder gefroren. Im Gegensatz zu den überdurchschnittlichen Schneemengen in der Höhe stellte sich aber eine ausgesprochene Schneearmut unter etwa iooo Meter über Meer ein. In mittleren Höhenlagen begann die bis mehrere Meter dicke Schneedecke in grossem Ausmass auf der Grasnarbe zu gleiten, was grosse Kriechschäden an Bauten und vor allem an der Vegetation bewirkte. Probleme entstanden auch durch den vorzeitigen Austrieb der Pflanzen. Die Lawinengefahr für den Touristen war dank der guten Setzung und damit der Stabilisierung der Schneedecke im allgemeinen gering. Erst die Neuschneefälle vom 4. bis 7. April, deren Summe in den zentralen Schweizer Alpen stellenweise Werte von über 250 Zentimeter erreichte, brachte kurzfristig eine katastrophale Lawinensituation. Am Wochenende vom 5./6. April wurden in den Schweizer Alpen rund 850 Schadenlawinen festgestellt, die 14 Opfer forderten und viele Sachwerte vernichteten. Im gesamten Winter fanden in der Schweiz 27 Menschen den weissen Tod.
Die Niederschlagssummen von Mai bis September wichen nirgends wesentlich von den langjährigen Mittelwerten ab. Die Schneeschmelze wurde durch die Schneefälle vom 3. und 4. Mai, anfangs Juni sowie am 18., 19. und 30. Juni verzögert. Auf dem Versuchsfeld Weissfluhjoch ( 2540 m über Meer ) lag die Schneedecke ununterbrochen vom 23. September bis zum 29.Juli, also während 309 Tagen. Seit Beginn der Beobachtungen im Jahre 1936/37 ist dieser Wert nur 973/74 um 5 Tage übertroffen worden. Entsprechend kurz war auf Weissfluhjoch der Sommer 1974 mit nur 52 Tagen.
In den gesamten Schweizer Alpen wichen die mittleren Sommertemperaturen von Mai bis September 1975 nur wenig von den Normalwerten ab, bei einem Defizit an Sonnenschein im Westen und in der Zentralschweiz. Immerhin gab es einige Wärmeperioden mit intensiver Schneeschmelze. Die Ablationsperiode des Sommers 1975 endete nach drei überdurchschnittlich warmen Wochen unvermittelt mit der Depression über Mitteleuropa vom to. bis 13.Oktober, die nördlich der Alpen Schneefall bis gegen 600 Meter über Meer und im Tessin am 12. und 13. Schnee bis in die Niederungen brachte.
Das hydrologische Jahr 1974/75 als ganzes war sehr gletscherfreundlich. Die Gletscher nahmen an Masse zu. Die Jahresabflussmengen in den vergletscherten Einzugsgebieten waren im Berner Oberland etwas grosser, im Wallis etwas geringer als das langjährige Mittel und entsprachen in den anderen Gletschergebieten praktisch den Normalwerten, weil das Defizit an Eisablation mehr oder weniger durch die überdurchschnittliche Schneeschmelze kompensiert wurde. Die unvergletscherten Gebiete lieferten Abflussmengen, welche, den Niederschlagsmengen entsprechend, die langjährigen Mittelwerte deutlich übertrafen.
GLETSCHERCHRONIK a ) Tätigkeit und besondere Ereignisse Dank den Schönwetterperioden am Schluss des Berichtsjahres 1974/75 konnte der aktuelle Stand von rund 150 Gletschern durch Vermessung der Zunge oder im Luftbild festgehalten werden. Davon gehören 107 zu dem von der Gletscherkommission seit 1892 für die Beobachtung der klimabedingten langfristigen Gletscherveränderungen aufgebauten Netz, 13 werden von der VAW im Zusammenhang mit praktischen Problemen im Auftrag von Dritten oder im Rahmen ihrer für die Gruppe für gefährliche Gletscher durchgeführten Erhebungen eingehend untersucht und regelmässig beflogen. Bei den übrigen 30 nicht regelmässig beobachteten Gletschern ergab sich die Gelegenheit zur Aufnahme aus Vermessungsflügen, die von der L + T für die Revision der Landeskarte ausgeführt wurden. Obwohl etliche Zungen noch im Herbst ganz oder teilweise unter Resten der übermächtigen Winterschneedecke lagen, war es möglich, bei allen 107 beobachteten Netzgletschern die Richtung und - mit 6 Ausnahmen - den Betrag der Verlagerung des Gletscherendes seit der letzten, in 41 Fällen um mehr als einjahrzurückliegenden Messung anzugeben. Erfreulich hoch ist mit 96 die Zahl der auf Messungen am Boden beruhenden Meldungen. Von diesen verdanken wir 70 den Forstdiensten der Kantone Wallis ( 22 ), Waadt ( 2 ), Bern ( to ), Uri ( s ), Obwalden ( 2 ), Glarus ( 3 ), Sankt Gallen ( 2 ), Graubünden ( 16 ) und Tessin ( 4 ), je 12 der VAW und den privaten Mitarbeitern P. Mercier ( 4 ), R. Zimmermann ( 1 ), L. Blanc ( 3 ), H. und V. Boss ( 2 ), E. Hodel ( t ) und A. Godenzi ( t ) sowie 1 der Kraftwerkgesellschaft Mauvoisin. Bei 12 Gletschern sind die entsprechenden Angaben aus den von L + T und V + D erstellten Luftbildern gewonnen worden durch photogrammetrische Auswertung am Autographen ( 4 ) oder durch visuellen Vergleich mit früheren Aufnahmen ( 8 ). Photogrammetrisch ausgewertet worden sind wie in früheren Jahren t Gletscher für die VAW durch das Geodätische Institut der ETHZ ( Allalin ), t für die Kraftwerkgesellschaft Mauvoisin durch das Vermessungsbüro H. Leupin in Bern ( Giétro ) und 2 für die Kraftwerkgesellschaft Oberhasli durch das Vermessungsbüro A. Flotron in Meiringen ( Aaregletscher ). Ausserdem liegen Luftbilder vor von 30 weiteren am Boden gemessenen Netzgletschern. Ein ausführliches Verzeichnis der im Sommer 1975 durch L + T und V + D von Gletschern erstellten Senkrechtaufnahmen, von denen etwa die Hälfte von den jährlich wiederholten Flügen stammt, wird in dem im Jahre 1978 erscheinenden vollständigen 96. Bericht zu finden sein.
Das Beobachtungsnetz der Gletscherkommission ist im Berichtsjahr unverändert geblieben. Es ist jedoch auf eine kleine Änderung bei der Berichterstattung hinzuweisen: In der statistischen Zusammenstellung in Tabelle 2 wird im Gegensatz zu früher nicht mehr auf das im 84. Bericht festgelegte Netz von i 05 Gletschern eingegangen, sondern nur noch auf das seither erweiterte Netz von 115 regelmässig beobachteten Zungen. Bei den Forstdiensten der Kantone Wallis und Bern eingetretene Personalwechsel betreffen auch die Gletscherbeobachtung: Herr H. Dorsaz, Kantonsforstinspektor in Sitten, und Herr H. Vogt, Kreisoberförster in Meiringen, sind in den Ruhestand getreten. Beiden dürfen wir im Namen der Gletscherkommission für jahrzehntelange, mit grossem Einsatz geleistete Mitarbeit unsern besondern Dank aussprechen: Herrn Dorsaz für die Betreuung der Gletschermessungen von 1940 bis 1964 im Walliser Forstkreis 4 ( Susten ) und anschliessend während 12 Jahren im ganzen Kanton Wallis; Herrn Vogt für die gewissenhafte Weiterführung der bis ins letzte Jahrhundert zurückreichenden Messreihe am Steingletscher und für den Neubeginn bzw. die Wiederaufnahme der Zungenmessungen am Gauli-, Steinlimmi-, Trift-und Rosenlauigletscher. Als neuer Kantonsforstinspektor in Sitten amtet Herr H. Andenmatten, der mit Gletschermessungen seit vielen Jahren bestens vertraute bisherige Inspektor des Forstkreises Susten. Sein Nachfolger in diesem Amt ist Herr Forstingenieur M. Borter. Herr Dr. R. Sträub, der neue Kreisoberförster in Meiringen, hatte während seiner Praktikantenzeit im Unterwallis Gelegenheit, Gletschermessungen vorzunehmen. Wir heissen die neuen Mitarbeiter der Gletscherkommission in unserem Kreise willkommen und möchten nicht nur den zurückgetretenen, sondern auch allen andern bisherigen Mitarbeitern für ihre regelmässigen Meldungen, von denen jede einzelne einen wertvollen Baustein zur Erfassung der Gletscherveränderungen in den Schweizer Alpen darstellt, unsern verbindlichen Dank aussprechen.
Bei den praxisbezogenen glaziologischen Arbeiten der VAW, welche seit einigen Jahren -30 1 I I I I J I I I I I I Junqfrauioch 3576 m.ü.M I 11 I I I TEMPERATURTAGESMITTEL I Payerne A 9 1 m.Ü.M.tRadiosondenaufstieg 13UhrDER NULLGRADISOTHERME I I Illl c ä n i« 2 5C )0 rr .li T/ LI CH E « tit D ER SC HL^ kG IE N 3E
I
J
J
1
I
I
U
à
J!
1
i\ J
1.
J
I
1
J,
1
1 \ I I I I i l I i Sion 549 m.ü. M.
50
1
t Sept. | Okt. | Nov. | Dez. | Jan. | Feb. | März | April | Mai | Juni | Juli | Aug. | Sept. | Okt m.ii.M.4000 3000 -100 mm 50 i i i i i i i i i i i i i i i r TÄGLICHE NIEDERSCHLAGSMENGE mm vorwiegend Sicherheitsfragen behandeln, bildete im Berichtsjahr erneut das Objekt Grubengletscher im Saastal einen Schwerpunkt. Der vom Gletscher gestaute Randsee, über dessen Ausbrüche ( 1968, 1970 ) und künstliche Absenkung wir wie über die übrigen Sanierungsmassnahmen am Fällbach zu wiederholten Malen berichtet haben, dehnt sich infolge von Kalbungen an der steilen, stellenweise überhängenden Eisfront von Jahr zu Jahr weiter aus. Deshalb wurde es notwendig, diesen Teil des Gletschers genauer zu untersuchen, als es mit den vor einigen Jahren durchgeführten Rotationsbohrungen möglich war. Mit dem an der VAW entwickelten hydrothermischen Tiefbohrgerät wurden in weniger als 3 Wochen 40 zusätzliche Sondierbohrungen von durchschnittlich 25 Meter Tiefe vorgetrieben. Es bestätigte sich, dass der See auch auf dem heutigen, künstlich tiefgehaltenen Stand teilweise durch einen Grund-moränenwall, streckenweise aber durch das Gletschereis gestaut ist. Aufgrund von Temperaturmessungen in den Bohrlöchern ist anzunehmen, dass das Eis in den Randpartien der Gletscherzunge am Untergrund angefroren ist. Wie schon bei den Rotationsbohrungen wurde an einigen Stellen artesisch gespanntes Wasser angebohrt. In andern Bohrlöchern dagegen senkte sich der Wasserspiegel, fiel jedoch in keinem einzigen Fall unter das Niveau der Seeoberfläche. Derart unterschiedliche Wasserdruckverhältnisse dürften auf das Fehlen eines gutausgebildeten Drainagesy-stems im untersuchten Bereich zurückzuführen sein. Unter den gegenwärtigen Verhältnissen ist ein neuer Seeausbruch kaum zu befürchten. Wegen der fortschreitenden Ausdehnung des Sees auf Kosten seiner natürlichen Abdämmung muss jedoch die weitere Entwicklung im Auge behalten werden. Möglichkeiten für weitere Sicherungsmassnahmen zusätzlich zu den bereits ausgeführten umfangreichen Sanierungsarbeiten werden geprüft.
Während der Bohrarbeiten auf dem Grubengletscher bot sich erneut Gelegenheit, die Relativ-bewegung einer von der Kalbungsfront sich ablö- senden Eislamelle bis zum Moment des Abbruchs zu messen. Die gewonnene Absturzkurve stimmte mit den Ergebnissen der Vorjahresmessungen gut überein. Die mathematische Untersuchung der in den letzten Jahren am Grubengletscher und am Weisshorn aufgenommenen Verschiebungskur-ven beschleunigt bewegter Eismassen und der Versuch, sie in einem zweidimensionalen physikalischen Modell darzustellen, sind Gegenstand einer wissenschaftlichen Studie. Zusammen mit der für den Bau von glaziologischem und anderem Spezialgerät eingerichteten mechanischen Werkstätte R. Sarbach in Sankt Niklaus VS wird an der Weiterentwicklung der bei Einsätzen am Weisshorn ausprobierten registrierenden mechanischen Bewegungsmessanlage gearbeitet. Dieselbe Firma baut im Auftrag der Kraftwerkgesellschaft Mauvoisin die 1968 aufgestellte, im Hochwinter 1974/75 durch eine Grosslawine zerstörte — ebenfalls mechanische — Bewegungsmessanlage am Giétrogletscher in etwas modifizierter Form und an lawinensicherem Standort neu auf: statt in einem freistehenden Gittermast wird das Spanngewicht des Messkabels an einer senkrechten Felswand aufgehängt.
Bei den auf verschiedenen Gletschern weitergeführten Messungen kurzfristiger Schwankungen in der Gletscherbewegung stehen die wissenschaftlichen Aspekte ( Grundlagenforschung ) im Vordergrund. Mit zwei automatischen Kameras am Aletsch, mit einer am Gorner und mit der von A. Flotron am Unteraar betriebenen Kamera ist über längere Perioden ( mehrere Wochen bis zu einem vollen Jahr ) in täglichen Intervallen, mit dem Theodolit während mehrtägiger Begehungen im Juni und Juli an mehreren Stellen des Unteraar in halbtägigen Intervallen gemessen worden. Die zuerst von Flotron am Unteraar beobachtete Hebung der Gletscheroberfläche um etwa einen halben Meter während des Bewegungsma-ximums zur Zeit der Schneeschmelze trat erwartungsgemäss auch im Berichtsjahr in gleicher Art und ähnlichem Ausmass auf, sowohl am Unteraar wie bei den andern Gletschern. Ausserdem konnte nachgewiesen werden, dass die Bewe-gungsvariationen den Änderungen in der Witterung entsprechen und an den verschiedenen Messstellen praktisch gleichzeitig auftreten. An der Deutung dieser Erscheinung wird im Rahmen eines z.T. vom Nationalfonds unterstützten wissenschaftlichen Programms zur Erforschung des Wassers im Gletscher und seines Einflusses auf die Gletscherbewegung gearbeitet.
Im Rahmen des gleichen Forschungsprogramms hat die VAW 1973 auf dem Ewigschneefeld Untersuchungen über das Wasser im Firn begonnen und diese im Berichtsjahr weitergeführt. Die hiefür gebohrten Löcher wurden 1975 so angelegt, dass sie zugleich der elektrischen Auslotung der von 1962 bis 1972 jährlich im obern Querprofil auf der Gletscheroberfläche ausgelegten Drahtschlaufen dienen konnten. Mit der sogenannten Wechselstrommethode liessen sich die ig6g, 1971 und 1972 verlegten Doppeldrähte in Tiefen von 22,4 bzw. 16,5 und 14,0 Meter mit einer Genauigkeit von ± 20 cm orten. In Gletschermitte hatten sie sich von der Ausgangslage um rund 150 bzw. r oo und 75 Meter entfernt. Die Ortung der älteren Drahtauslagen mit der sogenannten Gleichstrommethode scheiterte teilweise an Schwierigkeiten bei der Interpretation der Messergebnisse, teilweise am schlechten Wetter, das die Durchführung von modifizierten Messungen zur Bestimmung der Fehlerquellen verhinderte. Die elektrischen Drahtmessungen sind vor einigen Jahren zusammen mit anderen Verfahren zur Bestimmung des Massenhaushalts bei grossen Schneehöhen im Rahmen einer Dissertation 2 eingehend untersucht und beschrieben worden.
Besondere Ereignisse im Sinne von Gletscherkatastrophen oder andern mit Gletschern verknüpften Schadenfällen blieben im Berichtsjahr glücklicherweise aus. Die gefährliche Lawinensituation im Frühjahr hatte vor allem in den ausser- 2 P. Föhn: « Methoden der Massenbilanzmessung bei grossen Schneehöhen, untersucht im Firngebiet des Grossen Aletschgletschers ». Beiträge zur Geologie der Schweiz -Hydrologie Nr. 20, Diss. ETH Zürich, 1972.
halb der Gletscherregion gelegenen Teilen des Alpengebiets ein katastrophales Ausmass. Allerdings hinterliessen einige Grosslawinen auch auf den Gletschern ihre zum Teil noch im Hochsommer sichtbaren Spuren. So drangen auf dem Aletsch- und auf dem Giétrogletscher Staub- und Schneebrettlawiiicn weit über den normalen Ablagerungsbereich am Hangfuss in ganz flachem Gelände bis gegen die Gletschermitte vor. Eine vom Bettmerhorn auf die Zunge des Aletschgletschers abgestürzte Staublawine übersprang das vor sieben Jahren an vermeintlich völlig sicherem Standort aufgestellte Glaziologenbiwak im Rotloch, das jedoch keinen Schaden nahm, weil es völlig eingeschneit und im Schutz eines grossen Felsrückens nicht der vollen Wucht der Druckwelle ausgesetzt war. Die mechanische Bewegungsregistrieranlage am Giétrogletscher dagegen ist - wie bereits erwähnt — schon im Früh-oder Hochwinter von einer Lawine völlig zerstört und im Stausee versenkt worden. Während der Schneeschmelze kam es mancherorts zu beträchtlichen Materialumlagerungen im Bereich der alten steilen Seitenmoränen, indem diese wegen des grösseren Schmelzwasseranfalls stärker durchnässt wurden als in normalen Jahren und als Murgänge oder Schlammströme über die am Hangfuss teilweise noch vorhandene Schneedecke auf den Gletscher abflössen.
Mit dem Haushaltsjahr 1973/74 ging das internationale hydrologische Dezennium ( IHD ) zu Ende. Die während dieser Zeit gesammelten Beobachtungen über die Veränderungen der Gletscher in den Schweizer Alpen sind in einer Studie als Vergleichsbasis für die Ergebnisse des Berichtsjahrs bearbeitet und veröffentlicht worden 3.
b ) Haushallsergebnisse In Tabelle 3 sind wie in den vorangehenden Berichten die von der VAW an vier Gletschern be- 5 P. Kasser et M. Aellen: « Les variations des glaciers suisses en 1974/75 et quelques indications sur les résultats récoltés pendant la Décennie Hydrologique Internationale de 1964/65 à 1973/74 ». Houille Blanche, N° 6/7, 1976.
stimmten Haushaltszahlen der letzten drei Jahre zusammengestellt. Als Gesamtbilanz ist der Gewinn oder Verlust an Eisvolumen angegeben, als spezifische Bilanz die Dicke der Schicht, die sich ergäbe, wenn dieser Gewinn oder Verlust als Wasser gleichmässig über den ganzen Gletscher verteilt würde. Die spezifische Bilanz ermöglicht den direkten Vergleich der für die verschiedenen Gletscher gewonnenen Ergebnisse.
Nach einer extrem langen und ausserordentlich ergiebigen Akkumulationsperiode und einer entsprechend kurzen, wenn auch recht intensiven Ablationsperiode war ein für die Gletscher günstiger Abschluss des Haushaltsjahres 1974/75 zu erwarten. In allen Regionen ergab sich ein deutlicher Massenzuwachs, der von Süden nach Norden und von Westen nach Osten zunahm und somit ein ähnliches Verteilungsmuster aufwies wie die Haushaltszahlen des Vorjahres. Gegen- Tabelle 1 ' .Summe der positiven Tagesmittel der Temperaturen = ü+ °C Mai bis September Station a ) Messstationen Gütsch 2287 Säntis22500 Weissfluhjoch2667 Jungfraujoch ( Sphinx ) 357& Payerne ( 700 mb)3 310° München ( 700 mb)3310° Mailand ( 700 mb)33100 b ) Extrapolationen für Firngebiete Clariden^2 700 Clariden->2900 Silvrettas 2 750 Jungfraufirn ( P3)3350 1 Auszug aus A. Lemans, « Der Firnzuwachs pro 1974/75 in einigen schweizerischen Firngebieten » 62.Bericht, Zürich 1976.
2 Durch A. Lemans korrigierte, mit der Messreihe vor i960 vergleichbare Werte.
3 Temperaturmessungen in der freien Atmosphäre über dem Vorjahr brachte das Berichtsjahr im Osten keine merkliche, in den übrigen Regionen eine wesentliche Verbesserung. Demzufolge hat die Summe der letzten elf Jahreshaushaltszahlen bei allen vier Gletschern einen positiven Wert erreicht, nachdem sich für die vorausgehenden zehn Jahre des IHD ein nahezu ausgeglichener Haushalt ergeben hatte: für Gries ( -91 mm ) und Limmern ( -134 mm ) endete das IHD mit geringfügigem Verlust, für Aletsch156 mm ) und Silvretta169 mm ) mit ebenso bescheidenem Gewinn. Während dieser Periode gab es vor 1970 mehrere Jahre mit ähnlich guten oder noch günstigeren Haushaltsergebnissen als im Berichtsjahr, das in dieser Beziehung keineswegs ein Rekordjahr war.
Rekordmässig dagegen ist das von A. Flotron von den Aaregletschern gemeldete Ergebnis: erstmals seit Beginn der Messungen im Jahre 1928 Meereshöhe Mai/Sept.Mai/Sept.Mai/Sept.
97319741975 mr+°cr+ c:z+°c 943 790 834 684 502 686 683 524 625 79 61 48 316 224 231 264 a'5 241 399 382 305 609 486 526 463 353 390 621 474 567 S3 117 109 ( Niveau 700 mb = etwa 3100 m ü.M. ) nach Radiosondierungen ( Mittelwert aus i-Uhr- und 13-Uhr-Aufstieg, berechnet von G. Gensler ).
> Werte reduziert nach Gütsch.
3 Werte reduziert nach Weissfluhjoch.
" Werte reduziert nach Jungfraujoch ( Sphinx ).
schliesst die Volumenbilanz im Talbereich mit einem Überschuss ab. Zum bescheidenen Zuwachs von 1,5 Millionen Kubikmeter hat ausser der wie andernorts viel zu geringen Abschmelzung eine deutliche Verdickung der höher gelegenen Gletscher Lauteraar und Finsteraar beigetragen, wo in einzelnen Profilen mittlere Hebungen der Gletscheroberfläche um 1,3 bzw. 1,1 Meter gemessen wurden. Die mittlere Absenkung in den beiden untersten Profilen auf dem Unteraar belief sich auf 2,1 bzw. 2,3 Meter. Der durchschnittliche jährliche Volumenverlust im erfassten Gebiet beträgt rund 20 Millionen Kubikmeter.
Tabelle 2. Lageänderung der Gletscherenden 1972/73 bis 1974/75 Zusammenfassung 1972/73973/74 [974/75 Beobachtungsnetz Anzahl Gletscher 114115 115 Nicht beobachtet Anzahl Gletscher 1236 81 Beobachtet Anzahl Gletscher 10279 107 Resultat unsicher Anzahl Gletscher630 Richtung bekannt Anzah196100,0 ) 76 ( 100,0 ) 107 ( 100,0 ) Im Vorstoss Anzah12526,1 ) 30 ( 39,5 ) 56 ( 52,3)2 Stationär Anzah188,3 ) 14 ( 18,4 ) n ( io,3)3 Im Rückzug Anzah16365,6 ) 32 ( 42,1 ) 40 ( 37>4)4 Mittlere Längenänderung Meter pro Gletscher —IO,397>°45*5^ ( Anzahl ) ( 7866 ) ( 56)5 Bemerkungen: In den verschiedenen Klassen wurden folgende, durch ihre Nummer aus Tabelle 5 bezeichnete Gletscher eingereiht:
1 9 56 64 95 101 103 110 115.
1 2 8 10 11 12 13 19 21 25 26 27 28 37 3839 41 42 43 47 53 54 57 59 60 61 63 66 67 68 69 70 71 73 7576 77 78 79 81 82 87 89 90 91 96 99 100 104 107 109 111 114 117 118 120.
36 7 20 45 46 55 62 72 74 85 97.
43 4 5'4 15 >6'7 l8 22 23 24 29 30 31 3233 34 35 36 40 44 48 49 50 51 52 58 65 80 83 84 86 88 92 9394 98 102 105 106.
5 Für die Berechnung der mittleren Längenänderung wurden 51 Gletscher nicht berücksichtigt. Sie wurden aus folgenden Gründen ausgeschaltet:
durch künstlichen See beeinflusst:3 4 50 51Wert für 2 Jahre: 12 14 16 18 24 25 2930 31 32 34 36 39 40 42 53 54 6572 73 77 80 81 83 98 102 104 mWert für 3 Jahre: 41 47 48 59 75 76 7984 88 91 99 100Wert für 4Jahre:82keine Zahlenangabe:26 44 49 58 71 107.
c ) Lageänderung der Gletscherenden Im Berichtsjahr hat sich die Zahl der vorstossenden Gletscherzungen fast verdoppelt, von 30 auf 56. Diese stattliche Zahl ist seit Beginn der systematischen Zungenmessungen im Jahre 1890/ 91 erst zweimal übertroffen worden: 1919 wurde von 57, 1920 von 62 Gletschern ein Vorstoss gemeldet. In beiden Jahren war dies wie im Berichtsjahr - und ausserdem in den Jahren 1916 und 1926- mehr als die Hälfte der beobachteten Gletscher. Nach den in Prozenten ausgedrückten Anteilen der vorstossenden Gletscher an der Stichprobe der betreffenden Jahre ergibt sich folgende Rangordnung: 1919 ( 69 ), 1916 ( 64 ), 1920 ( 61 ), 1926 ( 53 ), 1975 ( 52 ); ferner 1917 ( 50 ). Es scheint demnach angebracht, das Ergebnis des Berichtsjahres als bestes Ergebnis der letzten 50 Jahre und zugleich eines der fünf besten in der gesamten, 85 Jahre umfassenden Beobachtungsperiode als besonderes Ereignis zu feiern. Bei näherer Betrachtung der in Tabelle 5 für die Längenänderung der einzelnen Gletscher angeführten Werte zeigt sich jedoch, dass trotz des günsti- Tab eile 3. Jährliche Massenbilanzen einiger Gletscher Gletscher Bilanzjahr Gletscher- Gesamt- Spezifische Gleich- flache bilanz Bilanz gewichts- i?a*'ba grenze km2 io6 m3 Eis kg/m3'Meter ü. M.
3 Gries
9.10.72- 7.
.'0-73 6,30 s — 7 8121 1164 3070 7. 10.73-18.
10.74 6,303113159 "
2950 18. 10. 74- 6.
10-75 6,28s + 1 9544 + 280* 2720 5 und 6 Aletsch
1. 10.72-30.
9-73 128,56 "
—Zî.5'27 — 529'8 1. 10. 73-30.
9-74 128,46 » + 99531 + 70'.8 1. 10. 74-30.
9-75 128,4510 + 798397 + 5597 78 Limmern und 114 Plattalva 11. 9.72- 12.
Q. l^K 3.2Q "
6o241 OIO4 2Q00'2- 9-73- 3- y / j 9-74 J'j 3.29 "
+ 311854 275O 3- 9-74- 9- 9-75 3,29 "
+ 2 0954 + 5734 242O 90 Silvretta 21. 9. 72-18.
Q. Vi Q tc: 124 24Ó41 2 I34- 8 298O 8. 9-73-'7- y / o 9-74 3.I512 + 26O47444'8 256O 17. 9.74-16.
9-75 3-I5'2 + 2 7694 + 79 M 258O Mit einer Dichte des Eises von 0,9 g/cmi gerechnet. Die in dieser Kolonne kursiv gedruckten Zahlen sind bereinigte, von den früher publizierten abweichende Werte. 1 kg/m2 entspricht 1 Millimeter Wasserhöhe. Geschätzte Fläche für den 9. Oktober 1971.
Berechnet nach Zonen gleicher spezifischer Bilanzen ( Fleckenmethode ). Geschätzte Fläche fur den 6. Oktober 1975.
Gesamte Gletscherfläche im Einzugsgebiet der Massa am 6. September 1973 gemäss Zahlenangaben im neuen Gletscherinventar: « Firn und Eis der Schweizer Alpen » von F. Müller, T. Caflisch und G. Müller, Zürich 1976. Berechnet nach der hydrologischen Methode.
Wegen des neuen Flächenwerts von der früher publizierten abweichende Zahl. Geschätzte Fläche für den 18. September 1974.
0 Geschätzte Fläche für den 1 I. September 1975.
1 Fläche vom 11. September 1959.
2 Fläche vom 12. September 1973.
gen Klimas nicht weniger als 18, also rund ein Drittel der gemeldeten Vorstösse, mit Beträgen unter fünf Meter im letzten Jahr, bzw. unter zehn Meter in den beiden letzten Jahren, so bescheiden ausgefallen sind, dass bei normaler Abschmelzung die vorstossenden Zungen kaum noch in der Überzahl gewesen wären.
Als echte Vorstösse, bei denen die Gletscherbewegung die Schmelzverluste am Zungenende überkompensiert, sind unseres Erachtens 44 Fälle, darunter 16 von sehr bescheidenem Aus- mass, anzusehen. In 11 Fällen ist die Längenzunahme auf Anlagerung von Firn- oder Lawinenschnee, in einem Fall ( Sardona ) wahrscheinlich auf besondere Bewegungsverhältnisse ( Zungenrutschung ) zurückzuführen. Bei 24 Gletschern Tabelle 4. Daten über die Schneedecke im Winter 1974/75 Station Meereshöhe Periode mit permanenter Schneedecke mersterletzterDauer TagTagTage Leysin ^5021. 10.20.4.181 Grindelwald Bort... 157025. 9.18.5.236 Grimsel 197023. 9.15.7.2g6 Stoos 129029. 9.15.5.229 Andermatt r4425. g.22.6.251 Trübsee 180025. 9.7.7.286 Schwägalp'29025 .9.16.5.234 Braunwald >32O25. 9.23.5.241 Malbun 160025. 9.17.5.235 Ulrichen 134526. 9.15.5.232 Zermatt 161020.10.12.5.205 Bourg-St-Pierre 1650 7.10.324.4.200 Mauvoisin 1840 Klosters EW 1200 8.10.13.5.218 Davos Dorf 1560 8. 10.0-5215 Zervreila 173525. 9.27.5.245 Weissfluhjoch 254023. 9.28.7.309 La Drossa 1710 7.10.12.5.218 Pontresina 1840 6.11.3°-475 Berninahäuser 204923. 9.15.5.234* Simplon Hospiz 200012.10.7.6.238* Ambri 10008. 1.20.4.102 Bosco-Gurin 15105.11.20.5.197 Poschiavo 101417. 1.423.2. 37 San Bernardino Dorf 16308.10.21.5.225 Maloja 182029. g.24.5.238 1 Aper vom 18. Februar bis 9. März.
2 Aper am 28. September und am 5. Oktober, s Aper am 18. November.
4 Aper am 1 I. Februar.
* Interpolierte Daten und Werte.
hat der Vorstoss im Berichtsjahr eingesetzt. Von den Vorstössen, die in früheren Jahren einsetzten, haben 32 angedauert, 6 sind unterbrochen worden oder zu Ende gegangen. Überrascht hat der Stillstand des Tschierva, der seit 1967 ohne Un- Grösste Schneehöhe Grösster Wasserwert der Schneedecke Betrag Datum Betrag Datum cm mm 75 11.4.
136 3'-3- 220 7-4- 677 16.4.
602 11.4.
245 11.4.
73° 12.4.
326 7.4.
939 15-4- 440 11.4.
1406 16.4.
255 11.4.
828 14.4.
286 11.4.
1026 16.4.
11.4.
462 21.4.
2ll(l 6.4.
741 5-4- 172 II. 3.
389 15-4- I in 7.4.
276 16.4.
276 11.4.
857 14.4.
205 11.4.
624 I5-4- 138 11.+ 12.4.
472 15.4.
260 10.4.
686 5-4- 322 11.4.
1171 15-5- 157 6.4.
1 > 8 12.4.
HS 10.4.
22O 10. + 1 1.4.
280 11.3.
IO2 5-4320 7-4- 710 11.4.
43 20.3.
295 10.4.
765 15-4- 285 10.4.
731 i5-4- Tabelle j. Längenänderung der Gletscher 1974/75 Nr. Gletscher Kt. Änderung in Metern 1973/74 Einzugsgebiet der Rhone ( II ) i e RhoneVS2,8 2e MuttVS2,1 3 e Gries ( Aegina ) VS6,7 4e FiescherVS23,8 5 e Grosser AletschVS40,5 106 MittelaletschVS10,6 6 e Oberaletsch VS7,g 7 e Kaltwasser VSn 8e Tälliboden VS0,2 ge Of'ental VSn ioe SchwarzbergVS1,0 ne AllalinVS10,8 12e KessjenVSx 13e Fee ( Nordzunge ) VS17 ca.
Höhe m ü.M.
1975 d Messdatum I974'75 973'975 + 17,0 2124 16. g.
" 5- 9- 21. g.
+ 3,4 2626 16. g.
- ) 9- 21. 9.
— 6,2 2371 11.10.
20.
11.
10.10.
- 30,1 1654 H- 9- 12.
9- 1.10.
— 2,0 1506 5- 9- 18.
9- 11. 9.
4,6 2249 "
19. g.
13- 9- 11. 9.
st. 2133,7 19- 9- 7- 9- 17- 9- st — n n 2.10.
+ 8,6 2628 1. 10.
25- 9- 29- 9 n — n n n + 8,3 2660 28. 9.
28.
9- 26. g.
+ 44,0 2316 5- 9- 3- 9- 22. g.
+ 4,72a 2852 25- 9- « 3- 9- 23- 915 ca.
— 31.10.
3- 9- 2.10.
— 62,62a 2060 18.10.
n 30.10.
— 6,2 2232 21. 8.
2O.
8.
ig. 8.
— 34,7 2a 2482,2 61 17.10.
11 12. 9.
+ x — 5- 9-'3- 9- 2.10.
- 4,5 2047 29- 9- 27- 9- 27- 9 - 382a 2005 27.10.
n 19.10.
+ 13,3 2265 2.11.
31.
9- 4.10.
0,0 2463 2.11.
21.
9- 4.10.
+ 18,3 — 3.10.
12.
10.
20. 9.
— 82 2000 3.10.
T9- 9- 1.10, 6,3 231568 3.10. 9- 9- 4.10.
__2 2a 2438 » 6.10.
n 24. 10.
+ 1,8 2a 2115 ca.
g. 10.
20.
8.
2.10.
+ X i960 ca.
9.10.
20.
8.
2.10.
+ 16 2149 67 6.10.
15.
10.
3.10.
+ ]3 22626.10.
" 5- 10.
3.10.
- 58,32 "
— 3°- 9- n 27- 952,72 "
2475 " 4 29- 9- n 26. 9.
- 35 2 "
2800 6* 11.10.
n 8.10.
—- 5,6 2a 2 74067 24. g.
n 8.10.
— 7 — 9.10.
7- 8.
27- 997 2 "
242072 29- 9- 10.
9-'7- 910 2290 ^ 29- 9- 11.
9- 18. 9.
- 33 2 "
257O « 29- 9- n'7- 95,3 2480 ca.
5- 9-'3- 8.
6.10.
+ 9 2190 3- 9- 29- 8.
8. g.
+ IO,22a 2395 17.10.
n 7.10,22,O2 » 2424 17.10.
n 7.10 + 11,0s "
2603 n n 7.10 + 33,52 "
1713 17. 10.
n 8.10 + 10,0 1764 24. 8.
7- 8.
22.10,-X — 2g. 10.
7- 8.
6.10 st — 2g. 10.
7- 8.
6.10 st — 17. 8.
7- 8.
6.10, + 2,83a — 5- 9- 7- 8.
20. 8 — 2,o3a — 27.10.
7- 8.
26.10 --X — 5- 9- 7- 8.
6.10 Nr. Gletscher Kt. Änderung in Metern 1973/74974/75 Einzugsgebiet der Aare ( la ) 50 e Oberaar BE24,0 51 e UnteraarBE13,5 52GauliBE21,5 53 e Stein BEn 54e Steinlimmi BEn 55 e TriftBE5 ca.
56Rosenlaui BE15 ca.
57 e Oberer Grindelwald BE35 ca.
58e Unterer GrindelwaldBEx 59e EigerBE10 ca.
6oe Tschingel BEst 61 e GamchiBE4,3 109Alpetli ( Kanderfirn ) BE0,7 110LötschenBEx 62 e Schwarz BE1,7 63LämmernBE2,0 64BlümlisalpBE5 ca.
111 e AmmertenBEn 65e Rätzli BEn Einzugsgebiet der Reuss ( Ib ) 66e Tiefen UR + 3,7 67e St.Anna UR — 0,5 68e ChelenUR + 10,3 69e Rotfirn ( Nord)UR — 6,0 70e DammaUR + 2,2 71 e WallenburUR0,2 72e BrunniUR ( —350 ca. ) 73e HüfiURsea. ) 74e Griess ( Unterschächen)UR - 5,5 75 e Firnalpeli OWn 76e Griesscn ( Obwalden)OWn Einzugsgebiet der Limmat ( le ) 77 e BifertenGL 78e LimmernGL 114e PlattalvaGL 79e SulzGL 8oe Glärnisch GL 81 e Pizol SG Einzugsgebiet des Rheins ( Id ) 82 e Lavaz GRn 83 e PuntegliasGRn 84 e LentaGRn 85e VorabGR2,3 86e Paradies GR10,6 Höhe m ü.M.
.'975 d Messdatum 1973 [974'975 - 6,9 24- 8.
3- 9- 22.
9 - 14,4 24.
8.
Ca.'3'9- 9 — 8,8 2220 Ca.
14.
9- 13- 9- 2.
9372a 1937ca.
29.
9- n 1 1.
98,5 2a 2092 29- 9- 11 11.
9'St — 24.
8.
1 1.
9- 23- 9- n — 6.
9- 11.
9- n7 1230 ca.
1.
10.
18.
1 1.
16.
11.
— x 123070 26.
10.
1 1.
9- 23- 924,g3a 2130 22.
8.
11.
9- 24.
97,6 2270 25- 9- 11.
9- 25- 9 + 8,6 99° 29- 9- 7- 9- 20.
9 + 2,3 2240 6.
9- :> 9- 11.
.'i n — 28.
10.
: ', 9- n + o,8 2240 2(1.
9- 20.
9- 1 1.
9 + 4,0 2502 20.
9-'9- 16.
9 n — 7- 9- 1 1.
9- n + 7,52a 2345 28.
9- ti 4- 9 - i32 "
2356 3'10.
n 3- HI 3 2492'29'9- ', ) 9'20.
9 8 2592 M'7- 9- 13.
9- 18.
9.
16,5 2128 6.
10.
16.
9- 7- 9- 4-J 203I 6.
[0.
16.
9- 9 3,8 2044 6.
10.
16.
9- 7- 9- X 224O 4- 10.
17- 9- 9- 9 ,3a 23IO 4'8.
12.
9- 2.
10 5,5'a I74O 28.
9- 12.
9- 3- id 22 12 74 16.
10.
.'7- 9- 23- 9 49,93a11 n 14.
9 ?3a — 11 n 28.
9 + 5ca.g,02a 1917 ca.
5- 9- 12.
9- 18.
( 1 — 2,3 + 9,0 2237,2 4- 9- 3i- 8.
1.
g st + 6,3 2546,0 "
9- 9- 7- 9.
7- 9 n + 3,5;!a — n n 5- 9 n 3,o2a 2295 4.10.
n 7- 9 11 + 60,92a 2550 25- 9- n ig.
9 + 114,5* » 2210 n n 2.10.
16,42a 2350 5.11.
n 7.10.
— I2,0;ia 2275 n n 9- 9- St — 3- 9- 7- 9- 2.10.
4,5 2364 5. 10.
22.
1 1.
23.0g.
Nr. Gletscher Kt. Änderung in Metern 973/741974/75 87e Suretta GR12,0 88e PorchabellaGRn 1 15ScalettaGRn 89e Verstankla GR1,5 90e Silvretta GR2,7 91 e SardonaSGn Einzugsgebiet des Inn ( V ) 92e RosegGR113,6 93 e Tschierva GR56,4 94e MorteratschGR13,9 95e CalderasGR23,5 96e Tiatscha GR15,0 97e SesvennaGR3,5 98 e LischanaGRn Einzugsgebiet der Adda ( IV ) gge CambrenaGRn 100 e PalüGRn 101 ParadisinoGRn 102 e FornoGRn Einzugsgebiet des Tessin ( III ) 120 e Corno TI 117c ValleggiaTI 118e Val Torta TI 103e BrescianaTI 104 e BasodinoTI 105 e RossbodenVSio ca.
2 " )O< 1 3.9 + 10 ca.
2400 - 24,5 - 20 ca.
2450 11 n — :+ 5ca.4,62 "
2520 ca — 2 — 5.3'95° Bemerkungen, die für die ganze Tabelle oder wenigstens für mehrere Gletscher gültig sind a Die Nummern in dieser Tabelle stimmen mit denjenigen im Lageplan Bild 2 des Berichtes 1963/64 überein.
b Falls ein Gletscher zugleich in verschiedenen Kantonen liegt, so ist derjenige Kanton eingetragen, auf dessen Gebietsich das eingemessene Zungenende befindet. c Wenn die Änderung für eine Periode von mehreren Jahren gilt, ist die Anzahl der Jahre wie folgt angegeben:
Beispiel:—13,63a = Rückzug von 13.6 Meter in 3 Jahren, d Meereshöhe des Zungenendes in Metern über Meer. Wenn die Meereshöhe nicht am Ende des Berichtsjahres bestimmt worden ist, wird das Messjahr wie folgt angegeben:
Beispiel: 222067 — Meereshöhe von 2220 Meter, gemessen im Jahre 1967. e Eine Bemerkung mit der Nummer dieses Gletschers wird im vollständigen 96. Bericht der Gletscherkommission enthalten sein.
n Nicht beobachtet sn Eingeschneit + Im Vorstoss st Stationär — Im Rückzug x Betrag nicht beziffert? Resultat unsicher ca. Ungefährer Wert Höhe m ü.M.
1975 d Messdatum 1973 1974 1975 + 147 - 80,53 » n + 8,8 + 7,2 + 15,83a 2172 2592 2390 ca.
2427»9 2500 13- 9- iü.
9- ( 8.
3- 9- n 18.
9'3-
3- 9- 3- 9 22.
9- 21.
9- 20.
. ' ) n n 2 - :.
9 — 16,0 2 1 70 25.IO.
28.
9- 3- 1 1 3.1 2165 25.10.
28.
9- 3- 1 1 - 15,6 2000 23.IO.
25- 9- 7- HI sn — 28.IO.
28.
10.
+ 1,2 2555 12. 9.
13- 9- 3- II0,6 2 745 12. 10.
28.
9- 7- lu — I2,o2a 281O 24. 10.
n 19.
9 2,O3 » 3O,4;ia 2492 2355 ca- 2230 26. 10.
28.
9 3'- m 11 30.
10 n 28.
8.
9- 9 13- 9- IO.
9- 311.
9- 16.
9- IO.
!) IO.
IO.
11 n 21.
9- 13- 9- IO.
m 12.
IO.
14.
IO.
8.
IO terbruch um insgesamt rund 150 Meter vorgerückt ist. Dieser gesamte Vorstoss ist eher massig im Vergleich mit einigen andern, die schon seit längerer Zeit und z.T. über grössere Strecken im Gang sind. Bereits seit mehr als einem Jahrzehnt rücken ohne Unterbruch folgende vier Gletscher vor: Fee ( seit 16Jahren um rund 230 m ), Trient ( 14J., 290 m ), Oberer Grindelwald ( 13J ., etwa 550 m ) und Sulz ( i t J., 32 m ). Die grössten Vorstossbeträge des Berichtsjahres sind bei Suretta ( 147 m ) auf Firnanlagerung, bei Allalin ( 44 m ) auf die durch eine Zungenrutschung verstärkte Gletscherbewegung zurückzuführen. Zahlreiche grössere Vorstossbeträge verteilen sich auf zwei oder mehr Jahre, z.B. Lavaz ( 114 m in 4 Jahren ), Pizol ( 61 m, 2 J. ), Firnalpeli ( 50 m, 3J. ), Stein ( 37 m, 2J .) und Palü ( 30 m, 3J. ). Trotz des gletscherfreundlichen Klimas haben vor allem einige Talgletscher im Wallis erstaunlich stark gelitten. Am meisten verkürzt worden sind im Berichtsjahr Zinal ( 82 m ) und Fiescher ( 30 m ), im zweijährigen Messintervall 1973-1975 Otemma ( 97 m ), Gorner ( 63 m ), Cheillon ( 58 m ), En Darrey ( 53 m ), Lang ( 38 m ), Grand Désert und Findelen ( je 35 m ) sowie Breney ( 33 m ) und schliesslich Porchabella, der in drei Jahren um 80 Meter zurückging.
Die Überzahl der vorstossenden Gletscher kommt selbstverständlich auch in der mittleren Längenänderung zum Ausdruck, die einen deutlich positiven Wert erreicht hat. Dies war in der Periode 1950-1975, für welche ein solcher Mittelwert vorliegt, noch nie der Fall.
In der erwähnten Studie über die Gletscherveränderungen während des hydrologischen Dezen- niums wurden die Beziehungen zwischen den im Berichtsjahr beobachteten Längenänderungen und einigen morphologischen Merkmalen der 96 in der Stichprobe erfassten Gletscher statistisch untersucht. Dabei bestätigte sich die früher geäusserte Meinung, dass entsprechend ihrer kürzeren Reaktionszeit vorwiegend kleine steile Gletscher vorstossen. Nur bei den 48 kleinsten Gletschern war auch eine Beziehung zwischen Längenänderung und Meereshöhe des Gletscherendes nachweisbar. Besonders klar stellte sich heraus, dass das Zahlenverhältnis zwischen vorstossenden und schwindenden Gletschern bei südexponierten Gletschern nicht dasselbe ist wie bei den nach Norden, Osten oder Westen gerichteten Gletschern. Verhältnismässig am meisten vorstossende Gletscher sind im Nordostsektor mit einer Verhältniszahl von 1,72 ( also mehr vorstossende als schwindende Zungen ) zu finden, am wenigsten im Südwestsektor mit dem Quotienten 0,73 ( also weniger vorstossende als schwindende Zungen ). Auch bei den südexponierten ( Quotient 0,90 ) sind weniger Gletscher im Vorstoss als im Rückzug. Im übrigen nehmen die Werte von Südwesten nach Nordosten einerseits über West ( 1,07 ), Nordwest ( 1,33 ) und Nord ( 1,55 ) ähnlich zu wie andererseits über Süd ( 0,90 ), Südost ( 1,36 ) und Ost ( 1,61 ). Die möglichen Ursachen eines solchen Verteilungsmusteirs sind im einzelnen noch nicht untersucht worden. Die im gletscherfreundlichen Berichtsjahr festgestellte Verstärkung der Vorstosstendenz dürfte eher eine durch besondere Umstände begünstigte Episode als der Beginn eines allgemeinen Gletschervorstosses sein.
Bild il: Grosser Aletschgletscher am 11. September igy6. Aufnahme H. Widmer, VAW.
Die Ansicht von der Belalp zeigt unten das in der Massaschlucht auf 1506 Meter ü. M. auskeilende Zungenende. Dessen Schuttbedeckung stammt zur Hauptsache von der Mittelmoräne zwischen dem orographisch rechts vom Grossen Aletschfirn und dem links vom Jungfraufirn herunterfliessenden Eis. Der vom Ewigschneefeld gespiesene dritte Teilstrom keilt am rechten Bildrand am Fuss des Bettmerhorns etwa 2 Kilometer oberhalb des Gletscherendes aus. Vor dem gleichförmigen Moränenhang links neben der Bildmitte erkennt man eine rund ro Hektaren grosse Sackung, die sich innerhalb der letzten 15 Jahre am Ausgang des sogenannten Tälli als Folge des starken Gletscherschwundes vollzogen hat. Sie ist hinten begrenzt durch die gefurchte Felswand, an deren Fuss der Triestbach zum Gletscher hinunter fliesst. Die vordere Begrenzung, die tiefeingeschnittene Schlucht des Oberaletschbachs, wird durch den vom Gletscherende aufsteigenden Felsgrat verdeckt. Sie ist auf den Bildern 12 bis iy deutlich zu sehen, in denen einige markante Stadien des Sackungsvorgangs festgehalten sind. Das oberhalb der Sackung in rund igio Meter il. Al. durch einen Seitenwall scharf begrenzte helle Moränenband an der rechten Talseite zeigt die Gletscherhochstände des iy. und ig. Jahrhunderts an. Seit damals hat sich die Gletscheroberfläche im Bereich der Sackung um mehr als 200 Meter abgesenkt. Am Horizont rahmen Strahlhorn und Eggishorn den Taleinschnitt des Märjelensees ein. Bilder 12 bis iy: Felsversackungen am Grossen Aletschgletscher.
Bild 12: Sackungen Tälli und Aletschwald am 4. Oktober ig6j. Ausschnitt aus Luftbild Nr. 3825 der L+ T. Bild 13: Sackung Tälli am 26. September ig6y. Ausschnitt aus Luftbild Nr.jgöo der L+ T. Bild 14: Sackung Tälli am 21. September igyo. Ausschnitt aus Luftbild Mr. ijyy der L+ T. Bild 75: Sackung Tälli am B. Oktober igy$. Ausschnitt aus Luftbild Nr. 6630 der L+ T. Bild 16: Sackung Tälli am 11. Oktober ig6y. Aufnahme H. Widmer, VAW. Bild iy: Sackung Tälli am 15. Juli igy$. Aufnahme M. Aellen, VAW.
Das Landschaftsbild der Schweiz ist infolge der wiederholten landesweiten Vergletscherung während der Eiszeit in hohem Masse durch Gletscher gestaltet oder umgestaltet worden. Bekannte Erscheinungen wie Rundhöcker, Gletscherschrammen, Findlinge, Moränenwälle usw. sind verbreitete Zeugnisse ihres aktiven Einwirkens auf die Umgebung. Dass sie auch eine passive Rolle bei der natürlichen Gestaltung der Erdoberfläche spielen können, hat uns die Natur in einem Beispiel am Aletschgletscher vorgeführt. Zu Beginn des letzten Jahrzehnts stellte unser Mitarbeiter H. Widmer fest, dass ein ig$4 am Ausgang des Tälli für die jährliche Gletschervermessung aufgestelltes Stahlrohrstativ sich samt seinem felsigen Untergrund verschoben hatte. ig66 hatte sich zuoberst im Steilhang zwischen Triest- und Oberaletschbach über die ganze Breite von rund 350 Meter eine Abrissspalte geöffnet, durch die der Triestbach dem Oberaletschbach zugeleitet wurde. Abschalungen und Felsausbrüche an der innert weniger Jahre ausgeaperten Felswand am Hangfuss waren weitere Anzeichen gestörter Stabilitätsverhältnisse in der vom Eisdruck verhältnismässig rasch entlasteten, stark unterschnittenen und zudem vom Triestbach vernässten Talflanke, die mit zunehmender Steilheit von der am oberen Rand der Luftbilder gerade noch sichtbaren Seitenmoräne zum Gletscher abfällt. Der im Herbst ig6j ( Bild 12, oben ) scheinbar noch völlig ungestörte, vom Triestbach in der Fallirne durchflössen Hang zeigt 2 Jahre später ( Bilder 13 und 16 ) eine von Rissen und Spalten durchsetzte, grösstenteils noch kompakte Oberfläche, die an der Abrisskante deutlich abgesenkt ist. Diese Absenkung und der vollständige Zerfall des ursprünglich massigen und standfesten Kristallingesteins an der früheren Mündung des mittlerweile umgeleiteten Triestbachs zeigen, dass die Sackung bereits in vollem Gang ist. Das in etwa halber Höhe des Hangs aufgestellte Stativ war zu diesem Zeitpunkt um fast 6 Meter von seiner Ausgangslage abgerückt, aber nur um 14 Zentimeter abgesunken. In den folgenden 11 Monaten verschob es sich um weitere 4 Meter und senkte sich gleichzeitig um 1 Meter. Ein Jahr später war es verschwunden. Die gegen den Oberaletschbach und hangaufwärts fortschreitende Zertrümmerung hatte igyo ( Bild 14 ) den Fuss und die rechte Randpartie der Sackungsmasse erfasst. Der Triestbach folgte wieder seinem normalen Lauf in der Fallirne des Hanges. Mit der völligen Auslöschung der ursprünglichen Oberflächenstrukturen und dem Verschwinden der Vegetation dürfte igyß ( Bilder 15 und lyj die Endphase des Sackungsvorgangs erreicht worden sein. In einigen Jahren wird sich der wirre Trümmerhaufen in der charakteristischen hufeisenförmigen Ausbruchnische kaum noch unterscheiden von der wesentlich älteren, in der unteren Hälfte von Bild 12 am Rande des Aletschwalds erkennbaren Sackung. Diese liegt ebenfalls innerhalb des vom Gletscher seit etwa i8jo freigegebenen Gebiets, das sich durch die hellere Farbe des jungen Birken-und Lärchenbewuchses vom dunkleren Bereich des alten Arvenwalds abhebt. Diese alte Sackung dürfte sich spätestens im Hochmittelalter bei dem durch Holzfunde nachgewiesenen oder bereits bei einem früh- oder vorgeschichtlichen Tiefstand des Aletschgletschers ereignet haben. Ausser den beiden hier vorgestellten, besonders spektakulären Beispielen sind im Aletschgebiet noch zahlreiche weitere, vermutlich durch Gletscherveränderungen bedingte Versackungen und Verstellungen unterschiedlichen Alters und Ausmasses zu finden. Gewisse Anzeichen lassen vermuten, dass die Sackung Tälli im Bereich einer älteren Verstellung erfolgt ist. Bild 18: Gornergletscher am iß. Juli igy4- Aufnahme W. Haeberli. VAW.
Von der Dufourspitze aus ist deutlich zu erkennen, dass der vom Grenzgletscher gespiesene Hauptstrom aus hellerem Eis besteht als etwa der von rechts zufliessende Gornergletscher. Temperaturmessungen in einem 180 Meter tiefen Bohrloch im « weissen » Eis des Grenzgletschers ergaben durchwegs Werte um 2,ß°C unter Null, welche zeigen, dass der Gletscher an der rund 2600 m il. M. gelegenen Messstelle kalt ist. Dies widerspricht der bisher verbreiteten Ansicht, dass Alpengletscher unterhalb des Bergschrundes durchwegs temperiert seien, d.h. keine tieferen als die dem Druckschmelzpunkt des Eises entsprechenden Temperaturen aufwiesen. Das « weisse » Grenzgletschereis entstammt den obersten, in der Viertausenderregion gelegenen Firnbecken, wo sich der Schnee wegen des geringen Schmelzwasseranfalls in mehr oder weniger trockenem Zustand unter dem Druck der überlagernden Schichten umwandelt in Gletschereis, das einen höheren Gehalt an blasenjörmigen Lufleinschlüssen aufweist als das in den stärker durchnässten tiefergelegenen Firnregionen gebildete « graue » Eis des Gornerzuflusses.i ^ 19 Conrad Meyer: Der Glärnisch. 375: 475 mm, monochromeeinfarbige ) Pinselzeichnung in Graublau, weissgehöht Kunsthaus Zürich 20 Conrad Meyer: Im Löntschbachtal. 37g 955 mm, monochrome Pinselzeichnung in Graublau, weiss gehöht Graphische Sammlung der Zentralbibliothek Zürich 21Conrad Meyer: Das Südufer des Klöntaler Sees mit dem Glärnisch. 282:366 mm, monochrome Pinselzeichnung in Graublau Graphische Sammlung der ETH Zürich