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Die Besteigung des mexikanischen Vulkans Popocatepetl in den Jahren 1519 und 1521

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VON P. PLAZIDUS HARTMANN, STIFT ENGELBERG

Im Jahre 1845 veröffentlichte der amerikanische Geschichtsforscher William Prescott sein Aufsehen erregendes Werk über die « Entdeckung und Eroberung von Mexiko ». Damit wurde die Öffentlichkeit bekannt mit den beispiellosen Taten des unbeugsamen spanischen Kriegshelden Ferdinand Cortez ( 1485-1547 ), den Kämpfen und Siegen seines kleinen Heeres, aber auch mit den ungeheuren Opfern, Entbehrungen, Rückschlägen und Niederlagen, welche der todesmutigen Abenteurer harrten. Man vernahm vom zauberischen Wunderland der wilden Azteken, von ihrer eigenartigen Kultur, von ihren kaiserlichen Herrschern, von der Inselstadt Mexiko mit ihren Palästen, ihrem Markt und ihren öffentlichen Sammlungen, von den schwimmenden Gärten, vom unermesslichen Reichtum an Gold, edlem Gestein, Kunstschätzen, prachtvollen Gewändern aus bunter Baumwolle und schillernden Vogelfedern gewirkt. Man vernahm aber auch von den grässlichen Menschenopfern, die täglich zu Dutzenden und zu Hunderten dem unersättlichen Kriegsgott geopfert wurden, wo die Priester den Unglückseligen auf dem gewölbten Opferstein das zuckende Herz aus dem lebendigen Leibe rissen. Man wäre versucht, das Ganze als eine Ausgeburt krankhafter dichterischer Phantasie abzulehnen, hätte der Verfasser die Tatsachen nicht durch eine Fülle von Quellenangaben und Fussnoten belegt. In der Erschliessung und Sichtung aller möglichen Quellen hatte Prescott eine Riesenarbeit geleistet, in deren Verlauf er fast völlig erblindete.

Der Erfolg war derart, dass bereits im gleichen Jahr der Brockhaus-Verlag in Leipzig eine vollständige Übertragung ins Deutsche auflegen konnte. Sie war bald vergriffen und blieb merkwürdigerweise seit mehr als 100 Jahren vergessen, bis 1950 im Gyr-Verlag zu Baden bei Zürich eine Neuauflage erschien, die sich weitmöglichst der Brockhaus-Ausgabe anschliesst. Um das Werk nicht zu überlasten, wurden der ganze kritische Apparat sowie die umfangreiche Einleitung weg- gelassen. Die beiden stattlichen Bände zählen auch so noch 427 und 405 Seiten.

Wie erstaunt war ich, inmitten all der kriegerischen Abenteuer plötzlich auf die Schilderung der Erstbesteigung des mexikanischen Strato-Vulkans Popocatepetl zu stossen. Die Spanier mochten wohl gestaunt haben, als sie vom lieblichen Flachland zur steilen, kalten Sierra Madre occidental aufstiegen und ihr Weg sie, 70 km von der Stadt Mexiko entfernt, zwischen den beiden Vulkanbergen Popocatepetl und Iztaccihuatl hindurchführte. Der erste Name bedeutet « rauchender Berg », der zweite « weisse Frau ». Der indianische Aberglaube sah im ersteren einen Gott, im letzteren dessen Frau. Die klassische Fabel des Altertums verlegte in den Vulkanschlund den Aufenthalt der Geister böser Herrscher, deren Feuertod in ihrem Gefängnis das schreckliche Gebrüll und die Erschütterungen zur Zeit des Ausbruches bewirken.

Prescott gibt die Höhe mit 17 852 Fuss an, über 2000 Fuss mehr als der « König der Berge » in Europa. Zur Zeit der spanischen Eroberung war der Popocatepetl häufig in Tätigkeit. Ja, als Cortez in Tlascala weilte, der Hauptstadt eines Bergvolkes, das er zuvor in einer blutigen Schlacht geschlagen hatte und das als unversöhnlicher Feind der Azteken nun sein Bundesgenosse war, tobte er in ungewöhnlicher Stärke. Doch eben der geheimnisvolle Schrecken, der ihm anhaftete, reizte einige spanische Ritter, seine Besteigung zu versuchen. Cortez ermutigte sie dazu, wollte er doch den Indianern zeigen, dass die Spanier ihren Göttern weit überlegen seien und sie vor keiner noch so gefährlichen Tat zurückschrecken würden. Hauptmann Diego Ordaz versuchte nun mit neun Spaniern das Ziel zu erreichen, denen sich, ermutigt durch ihr Beispiel, auch einige Tlascalaner angeschlossen hatten. Folgen wir nun Prescots Ausführungen:

« Die Besteigung bot grössere Schwierigkeiten dar, als man erwartet hatte. Die niedrigere Gegend war mit einem Walde bedeckt und so dicht verflochten, dass er an einigen Stellen kaum zu durchdringen war. Er wurde indes lichter, je weiter sie vordrangen, und ging allmählich in einzeln stehendes, dürres Gehölz über, bis auch dies in einer Höhe von etwas über 13 000 Fuss gänzlich verschwand. Die Indianer, die so lange ausgehalten hatten, verliessen sie jetzt, von den fremdartigen unterirdischen Tönen des Vulkans furchtsam gemacht, der sich eben im brennenden Zustand befand. Der Weg öffnete sich jetzt auf eine schwarze Oberfläche von glasartigem, vulkanischem Sand und Lava, deren zerbrochene Stücke, in ihrem siedenden Sturze in tausend wunderlichen Formen erstarrt, ihrem weiteren Vordringen fortwährend Hindernisse entgegenstellten. Unter diesen erhob sich ein ungeheurer Felsblock, der Pico del Fraile, den man schon unten sehen konnte, zu einer gerade aufsteigenden Höhe von 150 Fuss, wodurch sie genötigt wurden, einen grossen Umweg zu machen. Sie gelangten nun bald zu den Grenzen des ewigen Schnees, wo sich ihnen neue Hindernisse entgegenstellten, da das trügerische Eis ein festes Auftreten verhinderte und ein falscher Tritt sie in die gefrorenen Klüfte stürzen konnte, die sie ringsumher angähnten. Zur Vermehrung ihrer Leiden wurde das Atmen in diesen hohen Gegenden so schwer, dass jede Anstrengung von heftigen Schmerzen in Kopf und Gliedern begleitet war. Dennoch drangen sie weiter vor, bis in der Nähe des Kraters eine solche Menge Rauch, Funken und Asche aus dem brennenden Innern desselben emporgeschleudert und längs der Seitenwände des Berges getrieben wurde, dass sie fast daran erstickten und erblindeten. Dies war selbst für ihre abgehärteten Körper zuviel, und wie sehr sie auch widerstrebten, sahen sie sich doch genötigt, den Versuch, der dem Gelingen so nahe war, aufzugeben. Sie brachten einige ungeheure Eiszapfen mit zurück - ein merkwürdiger Anblick in diesen Wende-kreisgegenden -, als ein Siegeszeichen ihrer Tat, die, wenn auch nicht vollständig gelungen, doch hinreichend war, das Gemüt der Eingeborenen mit Bewunderung zu erfüllen, indem sie zeigte, dass für Spanier die abschreckendsten und geheimnisvollsten Gefahren nur ein Zeitvertreib seien. Das Unternehmen war höchst bezeichnend für den kühnen Mut des Ritters der damaligen Zeit, der, nicht zufrieden mit den Gefahren, die ihm auf seinem Wege begegneten, sie aus donquixotischer Liebe zu Abenteuern aufzusuchen schien. Der Vorfall wurde dem Kaiser Karl V. berichtet, worauf die Familie Ordaz die Erlaubnis erhielt, die Handlung dadurch zu verewigen, dass sie einen brennenden Berg in ihr Wappen aufnahm.

Der Befehlshaber war nicht befriedigt von dem Erfolg. Zwei Jahre nachher sandte er eine andere Gesellschaft hinauf, unter Francisco Montan o, einem Ritter von fester Entschlossenheit. Er bezweckte damit, Schwefel zur Bereitung von Schiesspulver für das Heer zu bekommen. Der Berg war zu der Zeit ruhig, und die Unternehmung hatte einen besseren Erfolg. Die Spanier, fünf an der Zahl, kletterten bis zum Rande des Kraters hinauf, der an seiner Mündung einen regelmässigen Langkreis, über eine Legua im Umfang, bildete. Die Tiefe mochte 800-1000 Fuss betragen. Eine düstere Flamme brannte trübe auf dem Grunde und sandte einen Schwefeldampf empor, der, im Aufsteigen erkaltend, an den Seiten der Höhlung niedergeschlagen wurde. Die Gesellschaft loste unter sich, und das Los traf Montano selbst, in einem Korbe in den grässlichen Grund zu steigen, in den er von seinen Gefährten bis zu einer Tiefe von 400 Fuss hinabgelassen wurde! Dies wurde mehrere Male wiederholt, bis der kühne Ritter eine hinreichende Menge Schwefel zum Bedarf des Heeres beisammen hatte. Dieses gewagte Unternehmen erregte zu damaliger Zeit allgemeine Bewunderung. Cortez schliesst seinen Bericht darüber an den Kaiser mit der vernünftigen Betrachtung, dass es im ganzen weniger beschwerlich sein würde, ihr Pulver aus Spanien zu beziehen. » Die Bezwingung des Popocatepetl durch die Spanier dürfte eine der ersten, wenn nicht die erste nachweisbare Ersteigung eines hohen Gletscherberges sein. Im 17. und 18. Jahrhundert erlosch der Vulkan immer mehr, erlebte aber 1920 wieder eine Eruption. Als erste Touristen betraten Glennie und Taylor 1827 den Krater.

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