Bergsport - Segelsport
Von R. Regez
( Spiez ).
« Ein ungleiches Pferdepaar, Bergsport und Segelsport, » murrt der alte Stallknecht, der bis heute nur seinen Pegasus gepflegt, « ob es wohl gelingen wird, diese beiden Vollblüter an dieselbe Deichsel zu spannen? » Fürwahr, der Segler, der Sportler der absoluten Ebene, und der Kletterer in der senkrechten Wand, sind zwei grundverschiedene Gesellen. Doch scheinbar nur, denn unbewusst treffen sie sich immer wieder und reichen sich die Hand. Huldigen nicht beide demselben Drang? Der Ruf der Berge lockt den Alpinisten; l' appel de la mer nennt der grosse Weltensegler Alain Gerbault die Sehnsucht, die in seinem Herzen brennt, wenn er zum Landaufenthalt verdammt ist. In beiden schlummert und lockt die grosse Sehnsucht nach den Schönheiten, nach der Erhabenheit der Natur. Angezogen durch die überwältigende Grosse der Berge, durch die unbegrenzte Weite von Seen und Meeren, in deren Mitte das Menschenkind nur ein kleiner Wurm ist, ziehn sie hinaus, Segler und Bergsteiger. Klein und doch herausgefordert, klein und doch bereit, den Kampf aufzunehmen. Kampf und Spiel mit den Elementen, den Kräften der Natur, die sie zu vernichten suchen oder sich mit dem Menschen verbünden. Der Bergsteiger setzt sich durch in steiler Wand, auf luftigen Gräten. Die Schwerkraft macht ihm die Arbeit hart; sie hängt sich an seinen schweren Sack; sie möchte Menschlein und Bürde in die Tiefe reissen; der Bergmann kämpft sich durch gegen die Schwerkraft, den nie erlahmenden Gegner. Ob er ihr im stillen grollt? Schwerlich; denn er weiss zu gut, dass er in wenigen Monaten diese selbe Kraft in seinen Dienst stellen wird, wenn er auf langen Brettern durch führigen Schnee einem stillen Talboden entgegen-saust. Hier wird sie ihm zur Verbündeten und schelmischen Partnerin. Weiss der Skifahrer sie zu zähmen, so berauscht ihn die stiebende Fahrt; unterliegt er im Kampf, so zeigt eine Mulde im Schnee, dass die Naturkraft Siegerin geblieben. Unbewusst ist den meisten Skiläufern dieses Spiel mit der Schwerkraft, unbewusst der jahrtausendalte, innere Drang des Menschen, die Natur und ihre Kräfte in seinen Dienst zu stellen.
Bewusst, jedoch von demselben inneren Drang getrieben, stellt der Segler den Wind in seinen Sold; mit Segel und Boot zwingt er ihn in seinen Dienst. Ein launischer Diener zwar; springt nach Lust und Laune um von Ost nach West, von Mittag nach Mitternacht; umfächelt den Segler als leichte Brise und kräuselt dabei neckisch die See. Streikt und legt sich schlafen; stellt den Segler auf eine harte Geduldprobe. Reisst ihm der zarte Faden « Geduld » doch endlich, so wird er seine stolze Yacht mit träge hängenden Segeln kleinlaut in den Heimathafen paddeln. Dies ist Windstärke Null: absolute Flaute, Boot ohne Fahrt, ohne Steuerfähigkeit, weil Rasmus schläft. Er schläft und niemand ahnt, welch launischer Wildfang hier schlummert. Zwölf Striche braucht der Seemann an seiner Elle, um die Windstärke zu messen. Windstärke 12: Orkan; der Diener Wind lehnt sich gegen seinen Herrn auf, er heult in den Wanten des Bootes, pfeift in den Stagen, rüttelt am Segel; er ruft den Wellen und peitscht sie zu schäumenden, wandernden Bergen, auf dass sie über den Segler und sein schwankendes Boot herfallen. Der Kampf hat begonnen; Mensch und Elemente um die Wette. Stark über liegt die Yacht. « Ins Wasser mit deinen leuchtenden Segeln » heult der Wind. Da stellt sich die Schwerkraft, die Dienerin des Skifahrers, die ewig Unveränderliche, Richtungsgetreue an die Seite des Menschen, zieht am Bleikiel der Yacht und macht damit die Absicht des böswilligen Windes zunichte. Das Boot stampft schwer in den schäumenden, gurgelnden Wellen; Mast und Stage ächzen, grell knallen die Segel bei jedem Manöver, der Sturm heult in der Takelage: Nervenprobe der Bootsmannschaft. Drei, vier Menschen, schicksal-verbunden auf einem Boot im Kampf mit Wind und Wellen, ein Kampf, der Freundschaftsbande schmiedet, stark, wie ein Bergseil sie bindet, das auf Lebzeiten Bergkameraden vereint, die zusammen auf gefahrvoller Fahrt im Kampf mit dem Berg gerungen haben.
Wie der Bergsteiger in Fels und Eis auf Pickel und Seil, Steigeisen und Mauerhaken sich verlassen muss, so vertraut der Segler auf sein Boot, auf Mast, Want und Stage. Durch sie ist er Sieger, Herrscher über die Kräfte der Natur, versagen sie, so wird er zum Spielball der Elemente.
Der Ruf der Berge; l' appel de la mer: Lockrufe, denen Bergsteiger und Segler nicht widerstehen können! Lockrufe, die hinziehen zum Kampf mit den Elementen, hinauslocken zum Geniessen, zum Sich-Erlaben an den Schönheiten der Natur. Fern vom rastlosen Treiben der Menschen alleinsein, ungestört alleinsein in der Erhabenheit der Berge und Meere, das ist die Sehnsucht, die in beiden brennt, das ist der Weg, der zum Alleingänger führt, zur Gilde der Verwegenen der Berge. Allein auf unseren Schweizer Seen zu segeln, ist meist kein grosses Wagnis für den, der mit Segel und Pinne umzugehen weiss. Anders steht es um die Alleinsegler der Ozeane. Der grösste unter ihnen, der Mummery der Meere, ist wohl Alain Gerbault, der mit seiner 11 m langen und 2,60 m breiten Yacht « Firecrest » allein, vollkommen allein rund um die Erde gesegelt ist. Drei Monate lang, zwischen Gibraltar und New York, sah er nichts als Meer und Himmel. Dies fordert sportliches Können und seelische Kraft: Rüstzeug des Bergsteigers, Rüstzeug des Seglers.