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Begegnungen in den Bergen

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Von A. Zaugg

I. Flora Meine erste eindrucksvolle Begegnung in den Bergen war die mit dem Edelweiss. Mein Vater hatte mich auf die Alp in die Ferien gebracht und hob beim Abschiednehmen warnend den Finger: « Geh'nicht in die Edelweiss! » Das hätte er nicht sagen sollen.

Ich war 13 Jahre alt. Ich hielt schon einige Frühblümli in der Hand, der schönste Stern winkte aber noch verlockend von einem Felswändchen herab. Dieses war seitwärts bald erstiegen, und von oben wurde die Hand nach der Blume gereckt. Was nachher geschah, weiss ich nicht mehr.

Ich lag im Spital auf dem Operationstisch, Ärzte und Krankenschwestern waren eifrig um mich bemüht. Ich hatte den Arm gebrochen und die Schulter ausgerenkt. Während mir eine der Pflegerinnen das Gazehäubchen über die Nase hielt und den Äther Tropfen um Tropfen darauf fallen liess, um mich einzuschlafen, begannen die Ärzte mit der Behandlung. Einstweilen erst im Halbschlaf, war ich gegen Schmerzen nicht unempfindlich; meine Wohltäter verursachten mir schwere Pein. Ich träumte, und von was sollte ich träumen, wenn nicht von meinem neuesten, schmerzhaften Erlebnis, vom Sturz? So bin ich nochmals gefallen, einen schlimmen, unaufhörlichen Fall. Die Felsen schossen an mir vorbei aus der Tiefe in die Höhe, ohne Ende. Das war viel schlimmer als vorher die Wirklichkeit. Der arge Traum endigte erst, als ich aus der Narkose erwachte.

Der Armbruch war kompliziert. Ich lag noch zweimal auf dem Operationstisch, und beidemal griff die Pflegerin zum Gazehäubchen und brachte den Äther über meiner Nase zum Verdunsten. Es hat nichts genützt, selbst nicht, als der Glaspfropfen aus dem Fläschchen fiel und ganze Ätherströme mein Gesicht überfluteten. Ich habe wachen Sinnes standhaft alle Schmerzen ertragen, denn ich wollte nicht schlafen, nicht wieder träumen.

Als wir in späteren Jahren einmal über die Gamchilücke nach Lauterbrunnen hinüberzogen, begegnete uns auf dem Steinenberg ob Griesalp ein trauriger Zug. Ein Mann, ein Einheimischer, war beim Edelweisseln zu Tode gefallen. Ein paar arme Waisen mehr um einiger Blumen willen, die doch nirgends so schön sind wie dort, wo sie der liebe Gott hingestellt hat.

Es gibt viele schöne Blumen auf der Welt. Ich stieg einmal Ende Juni zur Wilden Frau hinauf. Die Felsen waren übersät von kleinen, karmoisinroten Glockenblumen. Aus jeder Ritze im Gestein, wo etwas Erdenstaub haftete, war aus dem Nichts ein kleines, leuchtendes Paradies entstanden; zu Hunderten und Tausenden läuteten die Glöcklein den Bergfrühling ein, klein und bescheiden und doch eine einzige Pracht in ihrer unendlichen Zahl. Das war meine zweite Begegnung mit der Blumenwelt im Gebirge.

II. Fauna Es ist für den Wanderer immer ein freudiges Erlebnis, wenn er in den Bergen ein Murmeli, eine Gemse oder neuestens sogar einen Steinbock antrifft.

Das Murmeli lernte ich auf eine besondere Art kennen, die mir hinterher allerdings keine Freude bereitet, aber es ist nun schon lange her, und die Begebenheit sei hier nur erzählt, weil es vielleicht in unsern Bergen auch heute noch etwas mehr Wild geben würde, und zwar auch in unsern Schongebieten, wenn der Mensch weniger selbstsüchtig wäre.

Auf einer grossen, schönen Alp, fern von allen Gasthöfen, halten sich alle Jahre ein paar Ferienleute auf, die nicht in der Lage sind, grosse Ansprüche zu machen, aber doch auch für einige Zeit dem Getümmel der Stadt entfliehen möchten. Ist das Wetter gut, so ist für die Unterhaltung gesorgt; ist es schlecht, so müssen die Gäste selber dafür aufkommen. An einem trüben Tage verschaffte sich einer derselben eine Flinte. Im Schutze des Nebels pirschte er auf der Alp umher und brachte denn auch ein totes Murmeli mit von seinem Ausflug, mitten durch den Kopf geschossen. Männiglich freute sich auf den Braten, der in die etwas einfache Kost Abwechslung bringen sollte. Da erbot sich einer der Sennen, noch gleichen Tages und ohne Gewehr ein zweites Tierchen zur Strecke zu bringen. Es wurde gewettet, und der Mann holte, wie versprochen, die Beute, einfach mit dem Alpenstock.

Wir haben seither das neue Jagd- und Vogelschutzgesetz erhalten, das gegen solche Frevel strenge vorgeht. Die eigentliche Lust am Wildern, die zur Flinte greifen lässt, sobald sich etwas Lebendes zeigt, dürfte auch zeitgemäss abgenommen haben, dagegen wird die eintönige Älplerkost immer das Verlangen nach « ein wenig Fleisch » wachhalten. Der C. Mann, auch jeder andere Naturfreund, muss die offizielle Wildhut unterstützen, Wildfrevel schonungslos anzeigen.

III. Homo sapiens Die schönste Augustfeier habe ich auf der Alp erlebt. Wir hatten tagelang mühsam das Holz aus dem tiefer gelegenen Wald auf die Weide hinaufgetragen und zu einem zwei Mann hohen Stoss aufgeschichtet. Es war ein ganz respektabler Haufen; knorrig und stachlig zeugte er mehr von freiheitlichem Trotz als von wohlbehüteter Gesetzlichkeit. Als die Flammen an ihm empor-leckten und immer höher schlugen, versetzten sie auch unsere Herzen in Brand. Lieder von Kampf und Streit, von Heimat und Vaterland klangen in die Nacht hinaus, das « Vreneli ab em Guggisberg » und viele andere noch. Zuletzt machte der achtjährige Hüterbub den Vorsänger, und die stattliche, im Kreis um das Feuer gelagerte Gemeinde ging andächtig mit. Auf und nieder wogte der feierliche Gesang, überstrahlt von der hellen, ungebrochenen Stimme des Knaben. Man konnte damals noch singen dort oben, und es kam nicht von ungefähr. Jeden Tag fanden Sorgen und Mühen mit ein paar gemeinsam gesungenen Liedern ihren freundlichen Abschluss. Es war eine schöne Zeit.

Ich hatte mich für einen längern Aufenthalt in der Sennhütte einquartiert, das Wetter war aber schlecht. Wenn es nicht regnete, so waren die Berge wenigstens tief mit Wolken verhängt, und dicke Nebel schoben sich über die Alpweiden. Ich pflegte der Ruhe und gestattete mir sogar ein Mittagsschläfchen, wenn ich nicht unterwegs war. Das dauerte immer so lange, bis eine gesunde, kräftige Stimme unter die Schindeln hinauf rief: « I bin am Schtärbe! » Es war der Senn, der jeweilen am Sterben war. Zur Lebensrettung stand schon ein schwarzer Kaffee bereit, und das am meisten Benötigte zauberte ich aus meiner Tasche hervor, ein winziges Fläschchen mit feinem Martell-Drei-stern, den ich für den Notfall mitgebracht hatte. Die Rettung wurde alle Tage geübt und klappte vorzüglich.

Da stieg ein Nachfahre jener Leute, die über den Ärmelkanal gekommen waren, um unsere Gipfel dem Bergsteigen zu erschliessen, vom nahen Hochpass auf die Alp herunter. Er war bestandenen Alters und sichtlich knock-out; der steile Abstieg vom Pass hatte ihm in die Knie geschlagen. Er trat in die Hütte, setzte sich auf die Bank und kommandierte mit heiserer Stimme: « Coffee! Cherry-Brandy! » Den Kaffee bekam er, Cherry-Brandy gab es natürlich weit und breit nicht. Ich reichte ihm mein bescheidenes Fläschchen. Mit entsetzten Augen sah das der Senn, und als es « glugg, glugg, glugg... » in die Tasse floss, stürmte er wutentbrannt zur Hütte hinaus. Mit einem trockenen « Thank-you » gab mir der Engländer das Fläschchen zurück, der Senn aber machte mir schwere Vorwürfe, als er die Sprache wieder gefunden hatte. Ich meinte zwar, ich habe dem Engländer nur das Leben gerettet, und auch seines werde nicht mehr in Gefahr sein, wenn der Cognac dahin.

Als ich beim Abstieg von einem viel besuchten Berg einmal auf den Hang unterm Couloir hinaustrat, war der Schnee weich. Man sank so tief ein, dass man die Beine nicht mehr herausbrachte. Ich sass nieder, um abzurutschen. Da tönte es laut aus dem ganzen Berg heraus: « Nicht so! Man tut das nicht! Das hat man früher gemacht! Es ist nicht erlaubt! » Usw ., usw. Ich bin trotzdem abgefahren. Was musste ich nachher von unten sehen? Alle haben es so gemacht wie ich.

Ich stieg einmal allein von der Spannortlücke zum Gipfel des Grossen Spannorts hinauf. In der felsigen Flanke des Berges klebten drei Klubkameraden, die mit ihrem Latein zu Ende waren. Da sie mich anriefen, wies ich ihnen von meiner höhern Warte aus den Weg. Sie trafen einige Zeit nach mir auf dem Gipfel ein. Als wir ins Gespräch kamen, verhehlten sie mir nicht, dass sie es unverantwortlich fänden, eine solche Tour allein zu unternehmen.

Basodinohütte. Eine militärische Abteilung war in der Hütte gewesen und hatte vor dem Abmarsch ihre Rucksäcke erleichtert. Nun sass ein junger Wandervogel in Kniehosen mutterseelenallein vor dem grossen Berg aus Brot und Käse, fest entschlossen, nicht eher zu weichen, als bis die letzte Krume Brot und das letzte Bröcklein Käse verzehrt waren. Er hatte für wenigstens acht Tage seinen Lebensraum gefunden.

Begegnungen in den Tessiner Bergen sind immer etwas Seltenes. Im Sommer trifft man auf den Alpen die Hirten an, in der übrigen Zeit ist man aber allein, ausgenommen während der Jagdzeit. Da knallt es an allen Ecken und Enden, das reinste Schützenfest. Das letzte Schwänzchen, die letzte Feder müssen ausgerottet sein. Die Knallerei ist besonders unheimlich, weil man die tapferen Schützen gewöhnlich nicht zu Gesicht bekommt. Stösst man einmal unverhofft auf ein Schneehühnchen, so muss man sich fragen, von wo es sich hierher verirrt hat. Die Jagdlust ist eine Schattenseite des sonst so sonnigen Tessiner Völkleins.

BEGEGNUNGEN IN DEN BERGEN Unter einem seit uralten Zeiten begangenen Gletscherpass liegt eine Alp, und auf der Alp steht ein kleiner Gasthof. An einem schönen Samstag kam ich in das durch seine Predigt bekannte, romantische Tal. Ich wollte am Sonntag einen aussichtsreichen Gipfel besteigen und von dort in das jenseitige Tal gelangen, dessen sonntäglicher Segen der oben genannten Predigt an Berühmtheit nicht nachsteht. Ich traf zu früher Stunde beim Gasthof ein; ausser mir war einstweilen nur ein Ehepaar da. Ich hatte es nicht eilig, für ein Nachtlager zu sorgen. Auf einmal aber wimmelte es auf dem Platz vor dem Gasthof von Leuten, die eine Ruhestätte begehrten. Endlich erschien der Gasthofbesitzer, und nach einigem Tumult, es war unterdessen Nacht geworden, begann die Zuteilung der Schlafstätten. Es hatte sich eine vollzählige Landsgemeinde eingefunden, der Wirt war der souveräne Landammann. Die Betten waren bald an den Mann gebracht; sie waren alle schon zum voraus bestellt gewesen. Es blieb nur noch das Massenquartier. Da wurde eine strenge Reihenfolge eingehalten. Zuerst kamen die S.A.C.-Mannen daran, aber nicht x-beliebige, sondern die von der Sektion des Landammanns. Sie bezahlten je einen Franken und erhielten dafür eine Decke und das Recht, sich irgendwo in das Heu zu verkriechen. Dann kamen die übrigen S.A.C.ler und nach diesen die Krösusse, die auch für die Konsumation etwas ausgegeben hatten. Zuletzt das gewöhnliche Volk. Inzwischen waren die Decken alle geworden, aber es gab noch einen beträchtlichen Überschuss an Publikum. Es war eine unerquickliche Nacht, und es wäre noch einiges darüber zu berichten. Ich habe nie mehr dort übernachtet; weiter unten wohnen auch Leute, und wenn man am Morgen etwas früher aufsteht, hat man den Vorsprung der andern bald eingeholt.

IV. Der Führer « Und willst Du auf das grösste Horn, So bringt von hinten oder vorn Dich bald hinauf mit Mut und Kraft Unsre bewährte Führerschaft. » ( Gottfr. Strasser ) Das waren die guten alten Zeiten. Hoffen wir, dass sie bald wiederkehren. Nie mehr wiederkehren wird das goldene Zeitalter, die Erstbesteigungen des letzten Jahrhunderts, an denen die Bergführer einen wesentlichen Anteil hatten. Auch unter unsern heutigen Bergführern steckt mancher Melchior, Christian oder Ulrich, wo aber sollen sie es zeigen? Wer heute als Bergführer bekannt werden will, muss schon eine gehörige Dosis Geschäftstüchtigkeit besitzen, bis zur Berühmtheit aber ist der Weg noch viel weiter.

Ich bin vielen Führern begegnet, und ich habe diese Begegnungen immer geschätzt. Als ich jung war, hatten sie noch verhältnismässig gute Zeiten. Ich sah sie am Nachmittag von der Tour zurückkehren und am Abend des gleichen Tags wieder mit einer Partie aufbrechen. Das war für manchen zu viel; es gab tiefgefurchte, ausgemergelte und leidende Gesichter. Die Romantik verblasste ein wenig, denn ich merkte, dass das ein harter Beruf ist.

Meine letzte Begegnung mit einem Führer fand auf dem Jungfraufirn statt. Er kam mit einer Partie der Jugendorganisation von der Station Jung- fraujoch her. Es war manche Seilschaft und die Verantwortung gross. Trotzdem hatte der Mann Zeit, ein freundliches Wort zu wechseln. Wir hatten schon einiges hinter uns und konnten über die Schneeverhältnisse Auskunft geben. So kann auch einmal ein bescheidener Bergsteiger einem Führer von Nutzen sein.

Mein Lieblingsführer haust im Gasterntal, doch habe ich ihn öfters an andern Orten angetroffen. Mit diesem wäre ich gerne gegangen; eine erfreuliche, sympathische Gestalt mit offenem Gesicht. Einmal traf ich ihn in der Klubhütte am Konkordiaplatz. Er war mit einer Dame über den Rottalgrat und die Jungfrau gekommen. Als nächstes Ziel stand das Aletschhorn auf dem Programm, und die Begleiterin musste ein wenig geschont werden. Sie wurde auf dem Jungfraujoch auf einen Schlitten gepackt, und der Führer spannte sich als flinkes Rösslein davor; das gab eine sausende Fahrt nach Konkordia hinunter. Die Dame urteilte, es sei der schlimmste Teil der Reise gewesen. Ihr Führer sah recht fein und gepflegt aus.

Noch eine Bekanntschaft von Konkordia. Wir waren nur zwei Partien dort, als ein damals noch junger Oberländer Führer, bekannte Kanone, mit dem Töchterlein eines hohen Magistraten anrückte und sich mit seiner « Herrschaft » im Führer- und Küchenraum einrichtete. Auch wir kochten im Küchenraum, sträflicherweise gelegentlich mit Sprit, und wurden deshalb in den allgemeinen Raum verwiesen. Der Herr Führer roch den Sprit nicht gern.

V. Der Hüttenwart Zu den Leuten, denen man in den Bergen gerne begegnet, die aber nicht viel Ruhm und Dank ernten, gehört der Hüttenwart. Still, bescheiden und dienstfertig waltet er seines Amtes. Die Berührung mit ihm dauert gewöhnlich nur einen Abend lang. So entstehen meistens weder tiefe Freundschaften noch nachhaltige Erinnerungen.

Wir übernachteten einmal in der Gspaltenhornhütte. An Stelle des Hüttenwarts versahen sein Bruder und dessen Freund den Dienst. Es war der gemütlichste Abend, den ich je in einer Klubhütte verbracht habe. Meine Begleitung, lauter Damen, fand an den beiden Burschen herzlich Gefallen. Diese waren recht zurückhaltend, die so offenherzig demonstrierte Sympathie hat ihnen aber doch die Zunge gelöst. Sie erzählten: Man hatte einmal einem reichen Kauz in dunkler, stürmischer Nacht mit viel Aufopferung das Leben gerettet. Zwei Franken waren der Lohn. Ein Leben, das nicht viel wert gewesen zu sein scheint. Ein andermal gab es für die Rettungskolonne falschen Alarm. Im schönsten Mondschein zog man den Gletscher hinauf. Eis und Schnee an der Blümlisalp waren von Silber Übergossen, und auch in den tiefsten Schatten der Felswände war nicht alles Licht tot. Noch vieles haben die beiden jungen Männer geschildert, und immer hat die Schönheit der Natur darin eine Rolle gespielt. Wir haben das nicht für selbstverständlich gehalten und waren deshalb um so erfreuter. Als wir ihnen eine Tasse Schwarztee anboten, haben sie abgelehnt. Den wollten sie meiden, denn er schade den Nerven; es sei halt wegen des Schiessens.

Mehr Besuch als die Gspaltenhornhütte erhält die Blümlisalphütte. Es geht dort oft zu wie in einem Ameisenhaufen. Der Hüttenwart muss nicht nur umsichtig sein, er muss auch Autorität haben. Einmal waren wir dort nur eine einzige Partie, vier Personen. Wir haben gleich nach der Ankunft die Schlafplätze belegt in der Meinung, damit der ganzen Welt am besten zu dienen, hatten aber die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Der Stellvertreter des Hüttenwarts kam zu uns, als wir gegessen hatten, um uns die Plätze anzuweisen. Wir dankten verbindlich und sagten, das sei schon geordnet; der richtige Standpunkt wurde uns unmissverständlich klar gemacht: « Da git 's nyt z'bleha ( belegen » Um bei der Wahrheit zu bleiben: die angewiesenen Plätze waren nicht schlechter als die von uns gewählten.

Fein war es in der Adulahütte. Der Hüttenwart, ein Tessiner, konnte mit seinen Gästen englisch parlieren. Er war als Kellner in London gewesen und hatte dort allerlei gelernt, vor allem auch, was man hungrigen Gästen auftischt. Da konnte man haben: « Risotto, patati, caffè », Spaghetti, Salami und Käse. Zu trinken gab es wohlfeile Limonade und vielleicht auch einen erd-goutbehafteten Nostrano, alles zu bescheidenen Preisen. Schade nur, dass man es nicht vorher wusste; man hätte sich manchen Schweisstropfen erspart.

Ein Hüttenwart von besonderem Schrot und Korn ist Bergführer Roth auf der Finsteraarhornhütte. Der Kern steckt in einer dicken Schale, aber er ist da und heisst Herz. Man muss es ein wenig suchen und recht behutsam sein, dann findet man 's schon. Ich bin letztes Jahr schnöde an seiner Hütte vorbeigelaufen. Ich rechnete gar nicht damit, dass er schon da sein könnte, und wirklich, er war erst auf der Hinreise begriffen; unterm Jungfraujoch ist er uns mit seinem ganzen Hausrat begegnet. Wir haben ihn gegrüsst; innige Freude hellte sein ernstes Gesicht auf: « Schon wieder jemand, der mich kennt! » Er versprach sich wohl eine gute Saison. Ich wünsche sie ihm immer von ganzem Herzen.

Das stille Wirken des Hüttenwarts kennt jeder Bergfreund, nicht jeder überlegt aber, was alles dahinter steckt. Wir haben eine ganze Reihe vortrefflicher Leute als Opfer ihres Berufes verloren. Auf manchem Hüttenweg lauern heimtückische Gefahren. Der Hüttenwart ist ihnen in vermehrtem Mass ausgesetzt, weil er meistens allein geht. Er ist das einzige Bindeglied zwischen Hütte und Zivilisation, muss Holz und Proviant herbeischaffen usw. Es ist noch keiner reich geworden dabei. Der Lohn ist nicht gross und nicht leicht verdient. Man sollte deshalb die Holzrechnung nicht immer zu hoch finden; wir sollten auch ein wenig daran denken, wie sehr der Verdienst dieser Leute durch die Kürze der Saison und oft auch durch schlechtes Wetter beschränkt wird.

Nun habe ich vom Bergsteigen fast nichts erzählt, mich mehr der Kehrseite, dem Drum und Dran zugewendet. Auch das durfte einmal sein. Das Geschilderte ist weder neu noch alt. Auch soll man nicht fragen nach Namen und Ort; sie tun ja nichts zur Sache.

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