© Iris Kürschner
Wo die Uhren anders schlagen Unterwegs auf der Haute Route du Jura
Weitwandern mit Langlaufski hat etwas Besinnliches, wenn man seinem eigenen Weg folgt und einen dabei noch die Alpenkette begleitet. Die erste Jurakette macht das möglich. Nicht umsonst heisst die höchste Erhebung des Schweizer Juras Mont Tendre, der sanfte Berg. Doch so sanft sind seine Wetter nicht.
«Schwarz und messerscharf heben sich die Tannen vom Schnee ab. Die Einsamkeit wird immer deutlicher spürbar», schreibt Maurice Chappaz, der im Februar 1976 mit einer Gruppe den Jura auf Langlaufski durchquerte. Seine Erlebnisse hielt der Walliser Dichter in einem Buch fest. Sprachgewandt und ungeschönt bringt er das Wesen des Juras zu Papier. Die «Haute Route» im Jura ist ein zeitloses Buch und ein philosophischer Wegbegleiter. Seit damals scheint sich nichts verändert zu haben. «Weiden hier, Weiden dort, Dolinenketten, Lichtungen, Käsereien zwischen Anhöhen, Burgen, die Unendlichkeit der Tannen. An manchen Stellen trifft alles zusammen: Gräben, Grate, Hänge; es dreht sich, stürzt ein, erhebt sich aufs neue. Das geht so weiter, immer geradeaus …»Seit Tagen sind wir unterwegs und empfinden ähnlich, wie Chappaz es beschreibt. Die Haute Route du Jura gleicht nach wie vor einer kleinen Expedition, dafür sorgen raue Wetter und Abgeschiedenheit. Im SAC-Führer wird sie als 16-Tages-Tour beschrieben, man kann sie aber auch leicht kürzer gestalten. Sie folgt der ersten Jurakette nach Süden. Dabei hat man das Mittelland zu Füssen, über dem sich die Alpen wie ein Diamantcollier drapieren. Die schönste Art der Begehung ist mit Langlaufski beziehungsweise mit sogenannten Backcountry-Ski, die etwas breiter sind. Diese Variante ist in Skandinavien verbreitet. Sie ist wohl die ursprünglichste Form des Skifahrens.
Seit Tagen sind wir unterwegs und empfinden ähnlich, wie Chappaz es beschreibt. Die Haute Route du Jura gleicht nach wie vor einer kleinen Expedition, dafür sorgen raue Wetter und Abgeschiedenheit. Im SAC-Führer wird sie als 16-Tages-Tour beschrieben, man kann sie aber auch leicht kürzer gestalten. Sie folgt der ersten Jurakette nach Süden. Dabei hat man das Mittelland zu Füssen, über dem sich die Alpen wie ein Diamantcollier drapieren. Die schönste Art der Begehung ist mit Langlaufski beziehungsweise mit sogenannten Backcountry-Ski, die etwas breiter sind. Diese Variante ist in Skandinavien verbreitet. Sie ist wohl die ursprünglichste Form des Skifahrens.
Ein Paradies für Wildtiere
Ausser unseren Spuren sind oft nur Tierspuren zu sehen. Luchs oder Wolf? In der Cabane Perrenoud hat uns ein Gast das Video von seiner Luchsbegegnung gezeigt. Die Hütte, nur einen Katzensprung vom Naturdenkmal Creux du Van entfernt, liegt in einem Paradies für Tiere. Vor allem Gämsen streunen fast ganz ohne Scheu herum. Etappen später am Mont Tendre erzählt man uns von einem Wolfsrudel, das dort lebe.
Trockenmauern lugen aus dem Schnee. Sie gestalten das Gelände wie ein Mosaik oder ziehen sich als schnurgerade Linien bis zum Horizont. Ein Markenzeichen des Parc Jura vaudois, der bereits in den 1970er-Jahren entstanden ist, um das Gebiet von Wintersportanlagen frei zu halten und das Kulturerbe, die Wytweiden (Waldweiden) und Trockenmauerbiotope, zu erhalten. Im Westen kerbt sich das Vallée de Joux in die Hügelwellen, im Süden der Col du Marchairuz. Eine altehrwürdige Herberge dominiert diesen wichtigen Übergang. Bei ihrer Eröffnung anno 1846 nannte man sie «la ferme de l’hôtel de l’asile du Marchairuz» und den Pass «le Petit Saint-Bernard du Jura».
Eigenwillige Uhrwerke
Jahrhundertelang quälten sich die Menschen bei Sturm und Schnee über den Pass, der lange Zeit nur einen beschwerlichen Karrenweg aufwies. Mitte des 18. Jahrhunderts entdeckte die Genfer Uhrenindustrie das Vallée de Joux. Aus den Bauern wurden Uhrmacher. Zu Fuss trugen sie ihre in den langen Wintermonaten gefertigten Uhrwerke über den Pass ins «Flat Païs». Jetzt sitzen wir in der gemütlichen Stube, und das Ticken erinnert uns an die Geschichte. Es ist mal hoch, mal sonor. Nicht aufdringlich, sondern eine feine Melodie im Hintergrund, während man sich genüsslich mit einer Boîte chaude (dem lokalen, über dem Feuer geschmolzenen Vacherin Mont d’Or) stärkt. Zwischendurch schlägt es, und man fühlt sich fast automatisch dazu veranlasst, auf die Uhr zu schauen. Doch es wundert einen: Jede der Wanduhren schlägt zu ihrer eigenen Zeit. Genau gezählt füllen 35 stolze Uhrwerke den Raum. Der Patron erzählt von einem alten Uhrmacher aus dem Vallée de Joux, der bei ihm Stammgast war und jedes Mal eine Uhr mitbrachte. Zeit sei relativ, schmunzelt er, er überlasse jedem sein persönliches Uhrwerk. Die innere Uhr zieht uns anderntags wieder in die weite Schneeprärie hinaus, und es ist wie bei Chappaz: «Der Nebel geht auseinander. Tannenreihen mit Gehängen aus Eis erscheinen und beginnen zu glitzern, wie wenn sich eine Schatzkammer öffnete […]. Vorgegeben war mir, durch die Berge zu ziehn, die meine Weltdeutung wurden.»
Die Haute Route du Jura ist Wintersportlern vorbehalten, die das Skiwandern mit Langlauf- bzw. mit Backcountry-Ski beherrschen. Technisch ist sie mässig schwierig, es gibt ein paar Tragepassagen. Man braucht einen guten Orientierungssinn.
1 Weissenstein-Pré Richard
Eckdaten: 13 km, ↗ 400 Hm, ↘ 400 Hm
2 Pré Richard-Sonceboz
Eckdaten: 17 km, ↗ 200 Hm, ↘ 800 Hm
3 Sonceboz-Chasseral
Eckdaten: 14 km, ↗ 950 Hm, ↘ 100 Hm
4 Chasseral-Tête de Ran
Eckdaten: 19 km, ↗ 450 Hm, ↘ 650 Hm
5 Tête de Ran-Noiraigue
Eckdaten: 18 km, ↗ 250 Hm, ↘ 850 Hm
6 Noiraigue-Cabane Perrenoud
Eckdaten: 10 km, ↗ 730 Hm, ↘ 80 Hm
7 Cabane Perrenoud-Les Rasses
Eckdaten: 27 km, ↗ 125 Hm, ↘ 400 Hm
Hinweis: Wer die km von Etappe 6 und 7 besser aufgeteilt haben und nicht in einer Selbstversorgerhütte übernachten möchte, kann auch in der Gîte von Les Rochats übernachten.
8 Les Rasses/Ste-Croix-Ballaigues
Eckdaten: 16 km, ↗ 550 Hm, ↘ 750 Hm
9 Ballaigues-Le Pont
Eckdaten: 15 km, ↗ 750 Hm, ↘ 600 Hm
10 Le Pont-Col du Marchairuz
Eckdaten: 21,7 km, ↗ 710 Hm, ↘ 275 Hm
11 Col du Marchairuz-Col de la Givrine
Eckdaten: 18 km, ↗ 150 Hm, ↘ 400 Hm
Anreise
Mit dem Zug bis Solothurn. Weiter mit dem Regionalzug Richtung Moutier bis Oberdorf/SO. Die Talstation der Seilbahn Weissenstein befindet sich in unmittelbarer Nähe des Bahnhofs. Ein weiterer guter Einstieg ist das Skigebiet Les Prés-d’Orvin: mit dem Zug bis Biel und vom Bahnhof per Bus nach Les Prés-d’Orvin. Rückreise: direkt vom Col de la Givrine mit dem Zug.
Ausrüstung
Ein grosser Teil der Route lässt sich über Loipen begehen. Wegen der ungespurten Abschnitte dazwischen empfehlen sich Offtrack- bzw. Backcountry-Langlaufski. Diese sind breiter, passen aber dennoch in die Loipenspur, und sie haben Kanten. Bei schwerem Rucksack erleichtert das die Balance.
Langlauf
Langlaufzentren, Pisten, Loipenzustand und Webcams: www.skidefond.ch. Die Loipen sind gebührenpflichtig: Tageskarte Fr. 10.-, Saisonpass regional Fr. 100.-. Der Saisonpass Schweiz für Fr. 160.- beinhaltet auch die Loipenbenutzung im Französischen Jura (aber nicht, wenn man den Loipenpass ausserhalb des Juras kauft).
Literatur
Maurice Chappaz, Die «Haute Route» im Jura.Auf Langlaufski von Basel nach Genf, Habegger Verlag, 1985 (nur noch übers Antiquariat erhältlich)Pascal Burnand, Gabriel Chevalier, Raphaël Houlmann,
Pascal Burnand, Gabriel Chevalier, Raphaël Houlmann, Jura. Schneeschuh- und Skitouren, SAC Verlag, 2011