Wie Wissen von den Alpen in die Anden fliesst Bergführerprojekt «Cooperación Alpinista Suiza–Peru»
Im Rahmen einer alpinistischen Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und Peru besuchten im letzten Jahr zwei peruanische Bergführer den Schweizer Bergführerkurs. Ein Blick hinter die Kulissen eines ambitionierten Projekts.
Hoch über dem Albignastausee hingen Ende August 2008 die peruanischen Bergführer Aritza Monasterio und Angel Morales mit dem Schweizer Bergführer-ausbildner Res Fuhrer in einem Stand. Fuhrer instruierte auf Spanisch, unterstrich seine Worte mit Gesten, hantierte mit Achter und Seil. Derweil blickten Monasterio und Morales drein, als ginge sie das alles nichts an. Sie hatten sich ihre Weiterbildung im Rahmen der «Cooperación Alpinista Suiza–Peru» – auf Deutsch: Alpinistische Zusammenarbeit Schweiz–Peru – anders vorgestellt. Noch wusste aber niemand davon, und so besuchten an diesem Sommertag Journalisten die Schweizer Bergführerausbildung, blickten interessiert nach oben zum Stand und redeten am Wandfuss mit den Initiantinnen des ProjektsPerus Botschafterin Elizabeth Astete und der Zürcher alt Regierungsrätin Dorothée Fierz.
Entstanden war die Idee einer Zusammenarbeit während einer Reise von Fierz in die peruanische Cordillera Blanca im Jahr 2000. Selbst Bergsteigerin, wurde sie sich damals eines Problems der peruanischen Bergführer bewusst: Immer mehr ausländische Gäste reisen mit Bergführern aus dem Heimatland an und entziehen so den Peruanern vor Ort eine wichtige Einnahmequelle. Die persönliche Bekanntschaft zwischen der alt Regierungsrätin und der peruanischen Bot-schafterin in der Schweiz brachte den Stein schliesslich ins Rollen: Die beiden Frauen arbeiteten ein Projekt aus und gelangten damit an den Schweizer Alpen-Club SAC.
Offen für die Weiterbildung ausländischer Tourenleiter, verfügt der SAC über Erfahrung in internationalen Fortbil-dungen. Im Fall von Peru jedoch holten die Verantwortlichen weitere Partner an Bord. «Als wir merkten, dass es nicht um Tourenleiter, sondern um Bergführer ging, zogen wir den Schweizer Bergführerverband SBV und die Internationale Vereinigung der Bergführerverbände IVBV bei», erklärt Peter Mäder, SAC- Geschäftsführer. SBV wie auch IVBV entschieden sich, das Projekt zu unterstützen, und die «Cooperación Alpinista Suiza–Peru» wurde Realität.
Ganz neu ist die alpinistische Kooperation der Schweiz und Perus nicht. Eine erste Zusammenarbeit verband die beiden Gebirgsländer bereits Anfang der 80er-Jahre. Damals engagierte sich der SBV unter der Federführung des Walliser Bergführers Camille Bournissen in einem vom Bund mitgetragenen Entwicklungsprojekt für die peruanische Bergführerausbildung. Ein Zusammenwirken, das sich auszahlte: Bereits 1990 erlangte die Asociación de Guías de Montaña del Perú (AGMP) aufgrund des erreichten technischen Stands die Mitgliedschaft in der IVBV.
Mittlerweile mit weissem Kraushaar und gegerbter Haut spielte der Walliser Bergführer Bournissen wider Erwarten im aktuellen Projekt erneut eine wichtige Rolle: Er war es, der als Vermittler eintrat, als Monasterio und Morales ihre aktive Teilnahme am Kurs nach dem Medientag mehr und mehr verweigerten. Im Gespräch mit Bournissen kam an den Tag, wo der Schuh drückte: Die beiden Südamerikaner – beide in ihrer Heimat selbst Bergführerinstruktoren – hatten eine Weiterbildung in Form einer Beobachterrolle erwartet. Im Auftrag der IVBV jedoch integrierte Toni Trummer, technischer Leiter des Aspirantenkurses, die peruanischen Teilnehmer vollumfänglich in den Kurs. «Wir haben diese Erwartungen an unsere Gäste zu wenig klar formuliert und damit wohl etwas ihren Berufsstolz verletzt», sagt Fierz rückblickend. Ausserdem, so mutmasst Fuhrer heute, sei konstruktive Kritik untereinander in der peruanischen Kultur wohl weniger verankert. Im Bergführerkurs werde diese jedoch gepflegt, was die Gäste noch mehr konsterniert haben mag. Schliesslich gelang es aber, eine Brücke zwischen Schweizern und Peruanern zu schlagen, die kulturell bedingten Wogen ebbten ab, und der gegenseitige Lernprozess begann. Dabei zeigte sich unter anderem, wie sehr die Berge ihres Herkunftslandes die jeweiligen Bergführer prägen. «Peruanische Bergführer sind Profis im Höhenbergsteigen, jedoch technisch schwächer im Fels», sagte Fuhrer bereits am Medientag. Dies erstaunt nicht: Der Hausberg von Morales und Monasterio ist der 6768 Meter hohe Huascarán, dessen Gipfel und Flanken Gletscher komplett einhüllen. Ausserdem verfügten Peruaner am Berg über eine «hohe Improvisationstoleranz», erklärte Fuhrer gegenüber den Journalisten. Dies könne durchaus positiv sein, um die «manchmal sture Schweizer Linie» etwas aufzuweichen, fügte er schmunzelnd an.
Trotzdem mussten Trummer und Fuhrer nach Abschluss des Kurses feststellen, dass die Peruaner das von einem Schweizer Bergführeraspiranten geforderte Niveau derzeit nicht erreichen. Und so hielten SBV und IVBV in ihrer Evaluation fest: «Die technischen Standards der Ausbildung in Peru liessen in den Jahren seit der letzten IVBV-Kontrolle 1999 nach und bedürfen einer Verbesserung.» Was die Sicherheit von Gästen in Peru angeht, zeigt sich IVBV-Sekretär Armin Oehrli aber gelassen. Nach Meldungen von Schweizer Bergführern in Peru werde dort am Berg «gut gearbeitet». Dennoch bemüht sich die IVBV darum, Leistungsdiskrepanzen innerhalb der Vereinigung zu beheben. Heikel sind sie in erster Linie, da die IVBV als weltweites Gütesiegel dient: Ist der Landesverband eines Bergführers der IVBV angeschlossen, darf dieser weltweit Gäste führen.
Für den SAC war die Kooperation mit der Rückreise der peruanischen Bergführer abgeschlossen. Dieser will sich laut Mäder künftig wieder auf die Weiterbildung von Tourenleitern in den eigenen Kursen konzentrieren. Anders für Fierz, Astete und die IVBV: Bereits am Medientag, als die Schweizer Bergführer und die beiden Peruaner wieder Richtung Albignahütte stiegen und die Journalisten mit Fierz und Astete in der Gondel talwärts fuhren, erklärten die beiden Frauen: Dieses Projekt enthalte «mucho cariño» – viel Herzblut – und werde «keine Eintagsfliege» sein.
Heute steht der weitere Fahrplan der «Cooperación Alpinista Suiza–Peru» fest. So wird ein Experte der IVBV dieses Jahr einen Kaderkurs für Bergführerinstruktoren in Peru betreuen; anschliessend wird – ebenfalls unter der Ägide der IVBV – ein Bergführerkurs stattfinden. Fierz wird derweil erneut in die Cordillera Blanca reisen und – unterstützt von der Entwicklungsorganisation Swisscontact – die touristische Infrastruktur vor Ort evaluieren. Sechs Monate nach der Heimreise von Morales und Monasterio blickt sie zufrieden auf den letzten Sommer zurück, aber bereits auch wieder nach vorn: «Der Start der neuen Kooperation ist geglückt, aber es gibt noch viel zu tun.»