Wer oben bleibt, lebt länger Lawinenairbags erhöhen Überlebenschancen
Wer bei einem Lawinenunglück mit einem Airbag ausgerüstet ist, hat ein deutlich geringeres Sterberisiko. Zu diesem Schluss kommt eine Studie des Instituts für Schnee und Lawinenforschung (SLF). Der positive Effekt ist aber weniger markant als bisher angenommen.
«Es fühlte sich an, als würde mich jemand an den Schultern packen und nach oben ziehen. Das war mein Schutzengel.» So und ähnlich klingt es aus der Werbetrommel der Hersteller von Airbagsystemen. Löst man die riesigen Luftkissen am Rucksack aus, steigert sich sein Volumen. Da bei einem Lawinenabgang grössere Partikel eher an der Oberfläche zu liegen kommen als kleine, verringert sich die Wahrscheinlichkeit einer Totalverschüttung.
Doch wie zuverlässig retten Airbags wirklich das Leben von Personen, die in eine Lawine geraten? Das fragte sich eine internationale Gruppe von Wissenschaftern, darunter auch Experten des Instituts für Schnee- und Lawinenforschung (SLF). Frühere Studien gingen von Überlebenschancen bis zu 97% aus. Die 2014 publizierte Studie zeichnet nun ein differenzierteres Bild.
Überleben nicht garantiert
Nach wie vor sind die Wissenschafter zwar davon überzeugt, dass die Luftkissen einen stark positiven Effekt haben. Sie kommen aber zu folgendem Schluss: Ohne Airbagrucksack sterben bei 100 Lawinenunglücken durchschnittlich 22, mit diesen Rucksäcken noch 11 Personen. Das Risiko, tödlich verschüttet zu werden, sinkt durch das Verwenden eines Airbags somit um durchschnittlich 50%.
Benjamin Zweifel, der für das SLF an der Studie mitarbeitete, erklärt, warum die neuen Erkenntnisse statistisch besser begründet sind als die alten: «Wir verwendeten nur Datensätze, bei denen sichergestellt werden konnte, dass der Airbag relevanten Einfluss auf den Ausgang des Unfalls hatte», so der Lawinenforscher. Bei älteren Studien habe man jeweils alle vorhandenen Daten aus allgemeinen Lawinenstatistiken verwendet. Das Fazit des Lawinenforschers: «Airbags sind ein wertvolles Lawinen-Notfallgerät, aber die Auswirkung auf die Überlebenswahrscheinlichkeit ist kleiner als bis anhin angenommen, und ein Überleben ist nicht garantiert.»
Kein Ersatz für LVS
Bruno Hasler, Fachleiter Ausbildung beim SAC, begrüsst die Verwendung von Airbags. Nichtsdestotrotz bleibt für ihn aber auch klar: «Wir wollen nicht, dass diese Rucksäcke als Standardausrüstung für Skitouren deklariert werden.» Sonst bestehe die Gefahr, dass bei unerfahrenen Tourengängern ein Gefühl von falscher Sicherheit entstehe: Personen mit wenig Kenntnissen seien im entscheidenden Moment unter Umständen so perplex, dass die korrekte Handhabung des Airbags zum Problem werde.
Darauf weist auch die Studie hin: In jedem zehnten Fall lösten die Betroffenen ihren Airbag gar nicht erst aus. Ein Ersatz für LVS, Sonde und Schaufel ist der Airbag also nicht. Zusammen mit der Standardausrüstung kann der Airbag die Überlebenswahrscheinlichkeit aber immerhin verdoppeln. Offen bleibt, inwiefern die Airbags die Risikobereitschaft von Tourengängern und Freeridern erhöhen.