Wenn die Alpen im Schnee ertrinken: Wetterlagen mit Starkschneefällen in den Schweizer Alpen
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Wenn die Alpen im Schnee ertrinken: Wetterlagen mit Starkschneefällen in den Schweizer Alpen

Wetterlagen mit Starkschneefällen in den Schweizer Alpen

Starkschneefälle: Besonders zu Saisonbeginn werden sie von Schneesportlerinnen und Touristikern sehnlichst erwartet. In seltenen Fällen können sie aber auch katastrophale Auswirkungen haben, wie etwa im Februar 1999, als eine Nordwestlage massiv viel Schnee brachte. Wir stellen Wetterlagen vor, die in den Schweizer Alpen starke Schneefälle verursachen können.

Der Wind ist nicht nur der oft zitierte Baumeister der Lawinen, er hat in einem früheren Stadium bereits grossen Einfluss darauf, welche Regionen wie viel Schnee erhalten. Vereinfacht gesagt: Je höher die Windgeschwindigkeit, umso stärker ist der Nachschub an Feuchte. Die Windrichtung bestimmt, welche Gebiete Neuschnee erhalten, wobei auch die Windgeschwindigkeit einen Einfluss hat. Der vergangene Winter ( 2009/10 ) illustriert diese Tatsache sehr schön: Nordwestlagen waren recht selten, Südlagen hingegen eher häufig. Dementsprechend war die Schneehöhe am Alpennordhang während des Winters meist unterdurchschnittlich, am Alpenhauptkamm und auf der Alpensüdseite hingegen war sie oft überdurchschnittlich. Die Nordwestlage Dank dem optimalen Zusammenspiel von Stauwirkung und Luftmassenherkunft vom Nordmeer ist die Nordwestlage der « Schneebringer » schlechthin, diese Wetterlage war auch für die verheerenden Schneemengen im Lawinenwinter 1999 verantwortlich. Damals waren Dörfer und Täler in weiten Teilen des Alpenraumes tagelang von der Umwelt abgeschnitten. Zahlreiche Häuser wurden zerstört, es gab über 60 Lawinentote in Siedlungen und auf Verkehrswegen. Nordwestlagen sorgen vor allem am Alpennordhang vom Berner Oberland bis zum Alpstein, in der Gotthardregion sowie dem nördlichen Bündnerland für ergiebige Schneefälle. Bei starken Höhenwinden werden auch die inneralpinen Regionen vom Schneefall erfasst ( nördliches Wallis, Unterengadin, Mittelbünden ), der oft bis in tiefe Lagen reicht. Sind jedoch Warmfronten in der Strömung eingelagert, nimmt zwar meist die Niederschlagsintensität zu, die Schneefallgrenze kann aber vorübergehend markant ansteigen. Dreht die Höhenströmung mehr auf Nord oder gar Nordost, wäre die Stauwirkung weiterhin vorhanden; allerdings nimmt das Feuchteangebot ab, da die Luftmasse vom Kontinent her kommt. Dafür ist die herangeführte Luft kälter, und der Schnee fällt meist locker und pulvrig bis in tiefe Lagen. Im Beispiel vom 21. November 2008 sind einige klassische Elemente einer Nordwestlage erkennbar. Das Hoch über dem Atlantik blockiert die Westdrift, die Luftmasse strömt direkt vom Nordmeer zu den Alpen, wo sie gestaut wird. Die in der Strömung eingelagerte Kaltfront erfasst die Alpen von Nordwesten her ( Grafik 4 ). Aufgrund der starken Höhenwinde werden die Niederschläge weit in die Alpen hinein verfrachtet. Tags darauf hat sich die Strömung abgeschwächt, und der Schwerpunkt der Niederschläge verlagert sich gegen die Voralpen. Dementsprechend zeigt die 3-Tages-Niederschlagssumme ein relativ grosses Gebiet mit Neuschneemengen von mehr als 50 Zentimetern ( Grafik 5 ). Die Süd- bis Südwestlage Ausgeprägte Süd- bis Südwestlagen sorgen auf der Alpensüdseite fast immer für starke, zum Teil auch für extreme Niederschläge. Im Vergleich zur Nordwestlage ist die Luftmasse in der Regel deutlich milder, dafür ist der Feuchtegehalt und damit die Niederschlagsintensität höher. Trotzdem fällt in den Alpentälern oftmals Schnee bis auf den Talboden, dies vor allem im Spätwinter. Dafür gibt es zwei Gründe:Der Aufbau einer Südlage geht oft mit einer nach Osten abziehenden Hochdruckzelle einher. Dadurch gelangt in den unteren Luftschichten aus Osten Kaltluft zur Alpensüdseite. Diese kann in der Folge als Kaltluftpolster liegen bleiben. Aufgrund der meist recht hohen Niederschlagsintensität macht sich vor allem in den Alpentälern bei Windstille die sogenannte Niederschlagsabkühlung bemerkbar. Dabei entziehen die schmelzenden Schneeflocken der Umgebung Wärme, und die Schneefallgrenze arbeitet sich sukzessive nach unten. Am Ende dieses Prozesses kann die Schneefallgrenze im Extremfall 1500 Meter tiefer sinken, als es von der Luftmasse her eigentlich zu erwarten wäre. Der Niederschlagsschwerpunkt am Alpensüdhang befindet sich meist im westlichen Tessin ( Langensee, Centovalli, Maggiatal ). Aber auch die Regionen am Alpenhauptkamm und unmittelbar nördlich davon erhalten bei diesen Lagen in der Regel reichlich Schnee ( Simplongebiet bis Gotthardregion, Südtäler der Surselva, Rheinwald, Avers sowie das Oberengadin ). Erst weiter nördlich setzt die abtrocknende Wirkung des Föhns ein. In speziellen Fällen können die starken Schneefälle aber auch Teile der Alpennordseite erfassen. Wenn der Föhn Schnee bringt Am 29. November 2009 hat sich im Alpenraum eine klassische Föhnlage eingestellt. In den Föhntälern der Alpennordseite zeigte das Thermometer 16 Grad Celsius, gleichzeitig intensivierten sich die Niederschläge am Alpensüdhang. Die feuchte Luftmasse wurde dort mit einem Überdruck von zwölf Hektopascal gestaut. Mit Niederschlagsabkühlung konnte die Schneefallgrenze in den Alpentälern zeitweise auf etwa 500 Meter sinken, während es im Südtessin bis in eine Höhe von 1800 Metern regnete. Innert 48 Stunden fielen 100 bis 150 Millimeter Niederschlag und in den Bergen dementsprechend bis zu 150 Zentimeter Neuschnee. Tags darauf endete die Föhnlage, da sich bei Genua ein Tief entwickelte ( Grafik 1 ). Die Druckgegensätze über den Alpen drehten sich um, in den unteren Luftschichten kamen nördliche bis nordöstliche Winde auf. Dadurch ist auf der Alpennordseite Kaltluft eingeflossen. In der Höhe blieb die starke Südströmung jedoch erhalten. Damit waren die Zutaten für eine sogenannte « Gegenstromlage » gegeben, und die Starkschneefälle griffen auch auf die Alpennordseite über ( Grafik 3 ). Aufgrund der südlichen, vorübergehend auch südöstlichen Höhenströmung war der Aufgleitprozess vor allem in der Zentralschweiz und im östlichen Berner Oberland wirksam. Die Zone mit starken Schneefällen konnte sich hier weit nach Norden ausdehnen. Selbst in Oberiberg ( SZeiner klassischen Region für Nordstauschneefälle – wurden noch gut 50 Zentimeter Neuschnee gemessen ( Grafik 2 ). Die Westlage Westlagen kommen relativ häufig vor, vielfach treten dabei auch Sturmwinde auf. Eine Folge des Westwinds ist beispielsweise auch das als Singularität ( Witterungsregelfall ) bezeichnete Weihnachtstauwetter. Dabei sind zeitweise recht milde Luftmassen atlantischen Ursprungs mit im Spiel. Aufgrund der höheren Temperatur sind diese auch in der Lage, mehr Feuchtigkeit zu transportieren. Dementsprechend können westliche Winde starke Niederschläge auslösen. Meist ziehen in rascher Abfolge Warm- und Kaltfronten über die Schweiz hinweg. Im Bereich der Warmfronten kann die Schneefallgrenze auch im Hochwinter vorübergehend gegen 2000 Meter und darüber hinaus steigen, dies vor allem von den Waadtländer und Freiburger Alpen bis zum Berner Oberland. Einzig im windgeschützten Goms schneit es in diesen Fällen oft bis in den Talgrund. Hauptsächlich betroffen von solchen Starkniederschlägen sind meist die Regionen vom Chablais bis zum Berner Oberland sowie das Wallis. Die Südostlage Winterliche Südostlagen bringen vor allem am Walliser Alpenhauptkamm starke Schneefälle. Am stärksten betroffen sind in der Regel die Berge entlang einer gedachten Linie Matterhorn–Monte Rosa–Weissmies–Simplon–Nufenenpass. Ebenso erhalten die nordwestlichen Tessiner Berge ( Val Bavona, Valle Maggia, Bosco Gurin ) meist recht viel Schnee. Gegen das Zentralwallis hin ist der Niederschlag oftmals scharf abgeschnitten, und es weht der Föhn. Eine markante Südostlage gab es Mitte Dezember 2008: Innert dreier Tage fielen im Simplongebiet bis zu 130 Zentimeter Neuschnee, während weiter nördlich ein Föhnsturm tobte. Auf der Kleinen Scheidegg im Jungfraugebiet wurden Böenspitzen von 200 Stundenkilometern gemessen – das Resultat des berüchtigten Guggiföhns, der bei Südostlagen immer wieder sehr markant in Erscheinung tritt. Eindrücklich bei dieser Wetterlage ist vor allem, wie sich der Wettercharakter zwischen zwei Regionen über eine Distanz von gerade mal 40 bis 50 Kilometern Luftlinie ändern kann. Weitere Wetterlagen mit starken Schneefällen Selbstverständlich gibt es noch ( viele ) weitere Wetterlagen, die starke Schneefälle verursachen können. Genau wie die oben beschriebenen Fälle laufen sie aber nicht immer « nach Schulbuch » ab, und es existieren zahlreiche Sonderfälle, die – wie beispielsweise die Südostlage – nicht jeden Winter vorkommen. Gut zu wissen Gewicht von Neuschnee Neuschnee, der bei etwa null Grad Celsius fällt, hat eine Dichte von circa 100 Kilogramm pro Kubikmeter. Ein Wasserwert von einem Millimeter oder einem Liter Regen pro Quadratmeter ergibt damit eine Schneemenge von etwa einem Zentimeter. Bei sehr tiefen Temperaturen kann derselbe Wasserwert einer Neuschneemenge von ungefähr drei Zentimetern entsprechen. Schneemessung An den meteorologischen Stationen erfolgt die Messung der Neuschnee- und der Gesamtschneehöhe zweimal täglich. Am Morgen ( ca. 7 h ) wird dabei die 24-Stunden-Neuschneemenge gemessen, am Abend ( ca. 19 h ) die 12-Stunden-Neuschneemenge. Kalte Luft enthält sehr viel weniger Wasserdampf als warme Luft. Bei 20 Grad Celsius kann ein Kubikmeter Luft maximal 18 Gramm Wasserdampf enthalten. Bei minus zehn Grad Celsius sind es nur noch zwei Gramm, die Abnahme erfolgt exponentiell. Schneereichste Regionen Im langjährigen Mittel liegt in den zentralen Alpen ( Obergoms, Grimsel, Haslital, Bedretto, Urserental, Meiental, oberes Maggiatal ) sowie im Glarnerland und im Alpsteingebiet am meisten Schnee. Meteorologische Parameter Die drei wichtigsten meteorologischen Grössen, die bei der Vorhersage berücksichtigt werden müssen, sind: Windrichtung in der Höhe,. " " .Stärke des Höhenwindes, Krümmung der Strömung. Windstärke und Windrichtung entscheiden über das Feuchteangebot und die Temperaturverhältnisse. Sie helfen zudem, zu bestimmen, welche Regionen betroffen sein werden. Zur Bildung von stärkeren Niederschlägen sollte die Strömung mehr oder weniger tiefdruckbestimmt sein ( zyklonale Krümmung der Strömung ). Eine Strömung kann eine antizyklonale ( hochdruckbestimmte ), indifferente oder zyklonale ( tiefdruckbestimmte ) Krümmung aufweisen. Bei der zyklonalen Krümmung weht der Wind im Gegenuhrzeigersinn. Im konkreten Fall muss natürlich noch eine Vielzahl von weiteren Parametern beachtet werden ( Fronten, Schichtung der Atmosphäre, Druckverteilung, Dauer, Luftmasse in den Tälern usw. ). Klimaänderung und Schnee Verschiedene Untersuchungen zeigen, dass in den Schweizer Alpen unterhalb von 2000 Metern die Neuschneesumme in den vergangenen 50 Jahren signifikant abgenommen hat. Insbesondere Ende der 1980er-Jahre gab es einen markanten Sprung. Dieser ist auch in den Temperaturreihen mit einer deutlichen Zunahme der mittleren Lufttemperatur im Winter abgebildet. Bei der Neuschneesumme wurden bereits zwischen 1930 und 1940 ähnlich tiefe Werte gemessen. Die maximale Neuschneehöhe ( als Ergebnis eines Starkschneefalls ) weist von Winter zu Winter sehr grosse Schwankungen auf, und die meisten Stationen zeigen ebenfalls eine leichte Abnahme. Dieser Trend ist jedoch statistisch nicht signifikant. Mehr Infos www.slf.ch > Schnee- und Lawineninfo > Wochenbericht; www.meteoschweiz.ch > Wetterereignisse

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