Wein aus feuerroten Vitamin-C-Bomben
Die Menschen in den Alpen sammelten und pflückten früher alles Essbare, was der Wald hergab. Dieser bot einen grossen Fundus an vitaminreichen Naschereien, aber auch Zutaten für einen Weinersatz. Etwa die sauren Berberitzenbeeren.
Vor gut 2000 Jahren haben die Römer die Tradition des Weinbaus über die Alpen in die Schweiz gebracht. Damit wurde Wein für immer mehr Menschen erschwinglich. Doch in den Bergregionen war das Klima zu rau, um Weinreben anzubauen. Den alpinen Selbstversorgerinnen und -versorgern mangelte es aber nicht an Kreativität: Sie sammelten verschiedenste Beerensorten im Wald, um daraus Weinersatz herzustellen.
In der Literatur finden sich etwa Hinweise zu Brombeeren und Hagebutten, aus denen Wein hergestellt wurde. Und der Schweizer Sprachwissenschaftler Fritz Gysling, der unter anderem das Leben und den Dialekt der Walser studierte, schrieb 1973 in den «Alpen»: «Die Kargheit seiner Umwelt zwang den Bergbewohner (und tut es zum Teil heute noch), nach Nahrungsquellen zu greifen, die für uns zum mindesten ungewohnt oder nur aus alter Zeit und Kriegsläuften bekannt sind: Er [...] trinkt etwa als Weinersatz den Saft des Sauerdorns.»
Vergessenes Getränk aus «Schwiderbeeri»
Dass aus Sauerdorn, wie die Vitamin-C-reichen Berberitzenbeeren auch heissen, im Wallis ein Weinersatz gegärt wurde, wissen auch die Autoren des Buchs Hüterbueb und Heitisträhl. Erzählt hat ihnen das ein Zeitzeuge aus Embd, einem kleinen Dorf oberhalb von Visp. Die Beeren gedeihen bis auf 2500 Metern. Die alpine Bevölkerung sammelte sie vom Spätherbst bis in den Winter hinein und stellte daraus auch Konfitüre und Essig her.
Auch im Lötschental produzierten die Bewohnerinnen und Bewohner laut der Monografie Am Lötschberg von Friedrich Gottfried Strebel aus dem Jahr 1907 Wein aus den feuerroten Berberitzen: Der Autor erwähnt nicht nur, dass die im lokalen Dialekt auch «Schwiderbeeri» genannten Früchte besonders häufig auf den Lawinenwällen anzutreffen seien, sondern auch, dass die roten Beeren im Herbst für die Weinfabrikation gesammelt würden. Heute erinnert sich im Lötschental allerdings kaum mehr jemand an dieses Getränk – die alten Rezepturen scheinen in Vergessenheit geraten zu sein.
Zutaten:
1,5 Kilogramm frisch gesammelte Berberitzen
Weinhefe (1 Päckchen)
1 Kilogramm Zucker 6 Liter Wasser