Vor 75 Jahren: Erstbegehung des Mittellegigrates
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Vor 75 Jahren: Erstbegehung des Mittellegigrates

Vorgeschichte Der Mittellegigrat war schon im letzten Jahrhundert ein Thema für die besten Alpinisten jener Zeit. Begehungsversuche in den Jahren 1874, 1879 und 1881 scheiterten aber jeweils am grossen Aufschwung rund dreihundert Höhenmeter unterhalb des Gipfels. 1885 musste auch der Österreicher Moritz von Kuffner zusammen mit seinen Bergführern Alexander Burgener, Joseph Maria Biner und Anton Kalbermatten an besagter Stelle umkehren. Dafür gelang der gleichen Seilschaft zwei Tage nach diesem Misserfolg die Traversierung des Eigers von der Kleinen Scheidegg aus und damit die erste Begehung des Mittellegigrates im Abstieg. Fast zwanzig Jahre später wiederholten Gustav Hasler und die Grindelwalder Bergführer Christian Jossi und Fritz Amatter diesen Abstieg. Letzterer war damals Bijäh-rig und erst seit einem Jahr patentierter Bergführer. Ihn liess die Idee, den Mittellegigrat auch im Aufstieg zu begehen, nicht mehr los.

Die Erstbegehung Am 1O. September 1921 war es soweit: Der Mittellegigrat wurde zum ersten Mal auch im Aufstieg begangen. Die erfolgreiche Seilschaft setzte sich aus dem Japaner Yuko Maki, dem uns bereits bekannten, unterdessen 48jährigen Fritz Amatter, dem in der ganzen Schweiz als « Ski-Dauerläufer » bekannten Fritz Steuri und dem jungen Lehrer und Bergführer Samuel Brawand zusammen. Er schilderte 1928 diese Erstbegehung in unserer SAC-Clubzeitschrift DIE ALPEN ( S. 134ff .) wie folgt:

« Amatter hatte einen Abstieg und zwei Aufstiegsversuche hinter sich, kannte infolgedessen den Grat wie keiner. Seinem Kopf ist denn auch der ganze Angriffsplan entsprungen. Er hat gewusst, welcher Werkzeuge wir bedurften. Zu unserer Ausrüstung gehörten ausser den üblichen Hilfsmitteln einige Mauerhaken, Nägel, Hammer und Bohrer, eine 5 m lange Stange, 2 Wolldecken und 4 Paar aus alten Hosenröhren verfertigte Überschuhe. Dazu kam ein 60 m langes Reserveseil. [...] Der Morgen war schlechter als wir geglaubt, doch gestaltete sich bis 7 Uhr das Wetter so, dass wir aufzubrechen beschlossen. Der ( Grosse Turm> P.3687 lag um 10 Uhr hinter uns. Wir standen an der Stelle, wo die früheren Angriffe abgeblitzt waren. [...] Was nun folgt, ist schwer zu beschreiben. Sieben Stunden klebten wir in den nächsten 200 Metern. Stufe um Stufe wird in zäher Arbeit erklommen. Fortwährend saust loses Geröll zur Tiefe, fernem Donner gleich. Hände drohen zu erstarren.

Die vier Erstbesteiger des Mittellegigrates vom 1O.. " " .September 1921; v.l.n.r. Samuel Brawand, Yuko Maki, Fritz Steuri, Fritz Amatter Der grosse Aufschwung am Mittellegigrat, an dem bis 1921 alle Besteigungsversuche scheiterten. Heute erleichtern Fixseile den Aufstieg.

Fluhsätze bieten ihre harten Stirnen. Es schneit. Kaum wird ein Wort gewechselt. [...] 5 Uhr abends. Wir wissen, dass wir gesiegt haben. Noch sind wir nicht oben, doch grüssen wir Alexander Burgeners Pickel. Fast hätte ich den Hut gezogen vor ihm. Wen würde nicht ein tiefes Gefühl von Ehrfurcht beschleichen vor einem Pickel, der sechsunddreissig Jahre dort oben Blitz und Sturm getrotzt? [...] Wir pflanzen unsere Stange zu ihm und binden ein Tuch als Fahne daran. Morgen wird es hinunter grüssen zu Tal, Kunde geben von unserem Sieg. » Der « ganze » Mittellegigrat. Wer heute von der Mittellegihütte den Mittellegigrat begeht, macht nur eine halbe Sache! Der Mittellegigrat beginnt rund einen Kilometer weiter unten.

Das Jubiläum Seit der Erstbegehung und erst recht seit der Erstellung der Hütte hat der Mittellegigrat für die Grindelwalder Bergführer eine ganz besondere Bedeutung. Klar, dass der 75. Jahrestag der Erstbegehung gewürdigt werden soll. Am 9. und 1O.. " " .September 1996, also genau 75 Jahre nach der Erstbegehung, wollen Bergführer von Grindelwald zum Andenken an die Erstbegeher an der Mittellegihütte eine Erinnerungstafel anbringen und den Grat anschliessend begehen. Am Abend des 1O. September findet im Bergrestaurant auf Alpiglen, am Fusse des Mittellegigrates, eine kleine Feier mit gemütlichem Beisammensein statt.

Blick in die Zukunft 1998 wird der Bergführerverein Grindelwald 100 Jahre alt. Die Grindelwalder Bergführer wollen auch dieses Jubiläum feiern und dabei etwas Bleibendes für die Zukunft schaffen. Sie möchten dem Mittellegigrat und den ihm vorgelagerten Eigerhörnli wieder jene Bedeutung als Tourengebiet zurückgeben, die sie schon vor 100 Jahren hatten. Bereits ist diesen Sommer der Abstieg von der Mittellegihütte auf den Challifirn und von dort weiter nach Grindelwald neu eingerichtet und markiert worden. Dieser landschaftlich prachtvolle Abstieg eignet sich sowohl als eigenständige Tour mit einer Übernachtung in der Mittellegihütte als auch als Notabstieg von der Mittellegihütte, beispielsweise nach einem unerwarteten Schneefall. Ebenfalls neu abgesichert wurde der Grat von der Ostegg bis zur Mittellegihütte, der übrigens erst 1927, also nach dem Mittellegigrat, erstbegangen wurde und wegen seines zeitraubenden Zugangs etwas in Vergessenheit geraten ist. Aus diesem Grund planen die Grindelwalder Bergführer denn auch, an der Ostegg eine kleine Hütte zu erstellen. Diese Unterkunft rund 400 m unterhalb des nordöstlichsten Punktes der Eigerhörnli wird es ermöglichen, den Eiger in seiner vollen Länge zu traversieren. Eine Traumtour für jeden Alpinisten! Marco Bornio, Grindelwald Der Gipfelgrat am Eiger -krönender Abschluss des Mittellegigrates 01 Q

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