Trotz Kindern zum Gipfel
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Trotz Kindern zum Gipfel Berge mit der Familie erleben

Früher war klar: Kommen Kinder, bleibt die Frau zu Hause, und der Mann geht weiterhin in die Berge. Heute wollen beide aktiv bleiben. Das fordert ein kreatives Umdenken und viel Bereitschaft zu Kompromissen.

Es war einmal ein «alterfahrener Gipfelstürmer», und er hiess Bertrand Semelet. Eines Tages traf er Agnès, seine Prinzessin, die die Berge ebenfalls über alles liebte. Zusammen bestritten sie an die 400 Touren. Dann gründeten sie eine Familie: Arnaud und Cécile, heute 12 und 15 Jahre alt, kamen auf die Welt.

Die Geburt eines Kindes verändert das gewohnte Paargefüge, vielleicht noch mehr bei Paaren, die aktiv in der Bergwelt unterwegs sind. Einige entscheiden, dass Kind und Bergsport erst einmal nicht zusammenpassen und legen ihre Leidenschaft auf Eis. Anderen wiederum glückt es, die Liebe zum Kind und zum Berg miteinander zu vereinigen.

Schon als Baby kann ein Kind an Outdooraktivitäten teilnehmen. Das Wichtigste ist, abgesehen davon, dass es Spass machen soll, dass die Aktivitäten dem Alter und den Kapazitäten des Kindes angepasst werden.

Bei Simon und Brice Schaffner-Tschanz verbringt Noé, gerade mal ein Jahr alt, viel Zeit auf dem Rücken seines Papas. «Als er noch ganz klein war, konnte er seinen Kopf noch nicht selbst halten, und darum trugen wir ihn in einem Tragetuch. Jetzt, wo er grösser ist, können wir problemlos vier, fünf Stunden mit ihm laufen. Solange es sich bewegt, ist er zufrieden!» schmunzelt Brice. Das Gleiche gilt auch für Emilien Arnaud, Vater der 20 Monate alten Louise. «Als sie sieben Monate alt war, dauerten unsere ersten Spaziergänge mit ihr in den Vogesen nicht länger als eine halbe Stunde. «Da sie es liebt, in der Babytrage zu sitzen, konnten wir nach und nach unsere Ausflüge verlängern.» Und Louises Lächeln verrät das Glück und die Neugier, mit der sie ihre ganze Umgebung wahrnimmt.

Beide Väter, Bergsteiger und leidenschaftlicher Kletterer, zögerten nicht, ihre Bergaktivitäten den Umständen der Elternschaft anzupassen. Seit der Geburt von Louise hat Emilien das Bergsteigen und Klettern erst einmal zur Seite gelegt. «Es fehlt mir nicht! Im Moment ist es nur wichtig, dass ich Zeit mit Louise verbringen und sie für die Natur begeistern kann, so wie es mein Vater mit mir gemacht hat.»

Weil man als junge Eltern zu wenig Zeit fürs Training hat, kommt es häufig vor, dass gerade die physisch an­spruchsvollen Bergsportarten nicht mehr ausgeübt werden. Auch der Faktor Risiko nimmt den waghalsigsten Berggängern den Wind aus den Segeln. «Wir sind viel vorsichtiger geworden! Eine Familie zu haben, bedeutet Verantwortung. Seit wir Eltern sind, gehen wir längst nicht mehr so viele Risiken ein», sagen Céline und Vincent Stern, Eltern von Justin (7 Jahre) und Nathan (4,5 Jahre).

Kletterrouten mit Sandplatz

Als es ganz klein war, plapperte ihr erstes Kind friedlich in seiner Cosy-Schaukel vor sich hin, während Céline Vincent sicherte. «Als ich noch stillte, haben wir uns beim Klettern dem Stillrhythmus angepasst», erinnert sich die Mutter, «Manchmal ging es schief, und er fing mittendrin an zu weinen.» Später, als die anderen Kinder anfingen, Sandburgen zu bauen, wollte Justin mit seinem Spielzeuglastwagen direkt beim Routenzugang spielen. «Damit auch er seinen Spass hatte, haben wir den Kletterspot danach ausgesucht, ob es einen schönen Sandboden gab.»

Wenn dann in schneller Folge ein zweites Kind auf die Welt kommt, verkompliziert sich die Situation leicht. Elodie Schaffner-Lovis, Mutter von zwei kleinen Knirpsen, erinnert sich an diese Zeit: «Es ist schwierig, allen Bedürfnissen gerecht zu werden, wenn es ein Neugeborenes gibt, das man wiegen muss und nur dann reklamiert, wenn es Hunger hat, und einen Zweijährigen, der alles erkunden will und in alle Richtungen ausbüxt.» Mit der Ankunft des zweiten Kindes hat Elodie ihre Bergsportausflüge reduziert. «Die Berge und die Erlebnisse, die ich dort hatte, haben meinem Leben Wür­ze verliehen. Heute sind es meine Kinder, die mir das geben!»

Mittlerweile bevorzugen die Schaffner-Lovis kurze Wanderungen. «Weil es immer damit endet, dass wir zwei Jungs und die Sachen von allen tragen, schien es uns doch aufwendig, grössere Wanderungen zu unternehmen.»

Agnès und Bertrand Semelet kennen die Packeselsituation. «Seit sie sechs Jahre alt sind, nehmen wir unsere Kinder auf leichte, gefahrlose Skitouren mit», erzählt Bertrand. «Weil es für die Kleinen noch keine entsprechende Ausrüstung gibt, liefen sie auf Schneeschuhen. Dann begann ich, Felle auf Langlaufskiern aufzuziehen, damit sie mit uns auf den Berg konnten. Meine Frau und ich haben dann zusammen das ganze Material auf den Gipfel geschleppt!» Diese damaligen kleinen Herausforderungen sind den Kindern bestens im Gedächtnis geblieben. Der Beweis: Cécile ist immer noch ein Skitourenfan. Sie bedauert es sogar ein wenig, dass sie sich nicht besser an die Trekking-Tour in den Siminens-Mountains in Äthiopien erinnert, bei der sie mit sieben Jahren dabei war. Es war eine Reise, die der Familie Semelet einige Aufregung bescherte. «Unsere Eltern fanden es fahrlässig, Kinder dorthin mitzunehmen», erinnert sich Bertrand. «Und tatsächlich fühlte ich mich verantwortungslos, als Cécile mitten im Nirgendwo krank wurde. Zum Glück erholte sie sich nach drei Stunden wieder, und wir erleb­ten eine aussergewöhnliche Reise.»

Erstaunliche und unterschätzte Kräfte

Immer bereit, sich zu bewegen, wenn man sie anregt, gewöhnen sich die Kinder gut an die Situationen und strengen sich gern körperlich an, solange es spielerisch bleibt und es immer wieder Pausen gibt. «Man sollte sich keine Stoppuhr umhängen und erwarten, schnell vorwärtszukommen», erklärt Françoise Funk-Salamí, Mutter von vier Kindern im Alter von drei bis 16 Jahren. Bei der Auswahl der Route solle man lang gezogene, ebene und monotone Wegstrecken vermeiden. Die Kinder bevorzugten meist felsigere Wege, auch wenn man dabei klettern musste. «Wenn wir zu einer Hütte wollen, versuchen wir die Kleinsten so zu motivieren, dass wir eine Route wählen, von der aus man das Ziel sehr bald erblicken kann», sagt sie. Eine Art psychologisches Täuschungsmanöver: Wenn man etwas sehen kann, scheint es schon nah, und alle bleiben schön motiviert.

Auch bekannt sind die langen Gesichter, die gezogen werden, wenn am Morgen die Wanderschuhe geschnürt werden. Jede Familie hat ihre eigenen Methoden, um die Truppe in Laune zu bringen. Florence und Julien Lucchina, die Eltern von Augustin (10), Capucine (7) und Emile (5), haben eine Menge Tricks auf Lager: «Zu Capucine haben wir gesagt: Du bist drei Jahre alt und läufst jetzt drei Stunden, so wie dein grosser Bruder in deinem Alter! Das ging dann so weiter mit vier und fünf Jahren. Kinder können weit und lange gehen. Sie haben unglaubliche Ressourcen und werden oft unterschätzt», meint Julien. Es ist auch eine Frage des Temperaments. «In ein und derselben Familie kann es ein Kind geben, das die Ausflüge in die Berge liebt und das andere gar nicht. Das war so bei Augustine und Capucine, obwohl wir sie absolut gleich erzogen haben», erklärt Julien.

Als Jugendliche entwickeln manche Kinder eine regelrechte Abneigung gegen die Berge. Dann wird es schwierig, zu akzeptieren, dass ihr Widerwille derart wächst, dass sie am Ende nicht mehr mitkommen. Cornelia und Koni Ehrbar, Eltern von Josie (17) und Maude (15), erinnern sich an wunderbare Ausflüge mit ihren Kindern. «Aber eines Tages hatte Josie keine Lust mehr, mitzukommen. Bei einem Familien-Bergsteigerlager, das vom SAC organisiert worden war, schmollte sie eine ganze Woche lang. Das war uns eine Lehre, und seitdem haben wir sie nie mehr gezwungen, uns zu begleiten.» Das Resultat war, dass sie die Berge wieder für sich entdeckte und begann, nunmehr mit ihren Freunden Ausflüge zu unternehmen.

Plan B, um Zeit für sich zu gewinnen

Mit der Familie in die Berge fahren ist eine tolle Sache. Aber hin und wieder ist es auch schön, ohne die Kinder unterwegs zu sein. Familie Semelet vertraute ihre Sprösslinge, als sie noch klein waren, den Grosseltern an. «Für uns war es unvorstellbar, sich zu sehr einzuschränken. Und unsere Eltern haben sich gern alle zwei Wochenenden um die Kleinen gekümmert.» Diese Lösung kam allen gelegen: «Agnès und ich konnten anspruchsvollere Routen machen, und die Eltern profitierten von ihren Enkeln.»

Die Aufsicht über die Kinder auf verschiedene Parteien zu verteilen, erweitert auch das Feld der möglichen Aktivitäten. «Wir gehen auch oft mit Freunden in die Berge, die ebenfalls Kinder haben», erklärt Céline Stern. «Im Winter zum Bei­spiel, unternehmen die Erwachsenen eine Skitour, während ein Elternpaar bei der Skistation bleibt, um mit den jüngsten Kindern Ski zu fahren.» Auf diese Weise kommt jeder auf seine Rechnung.

Auch die alternierende Rollenverteilung kommt zur Sprache. Wenn der eine bei den Sterns zu Hause festgenagelt ist, kann der andere mit Freunden einen Ausflug machen. «Das passiert ganz natürlich und ohne Spannung. Und wir versuchen, uns abzuwechseln», meint Céline. «Auch wenn wir nicht mehr so oft in die Berge gehen wir früher, denke ich, dass wir ein gutes Gleichgewicht gefunden haben. Um jegliche Form von Frust zu vermeiden, sagen wir uns auch, dass die Berge ja nicht weglaufen!»

Und sie haben sich versprochen, dass sie die ganzen grossen Touren später nachholen werden, dann, wenn die Kinder gross sind.

Tipps und Tricks von "Profis"

Danielle und François NicoleStephan SiegristTipps für Bergtouren mit Kindern

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