Tendenzen des Bergsteigens im Himalaya
Oswald Oelz, Wernetshausen
.' wird Kukuczka von seinen Freunden genannt. In der alpinen Literatur wird nun meist dieser Vorname verwendet, obschon es richtigerweise Jurek Kukuczka heissen sollte. ( Red. ) Die in den letzten 25 Jahren In den letzten 25 Jahren hat sich die Geschichte des Alpenbergsteigens im Zeitraffer in den Bergen des Himalaya wiederholt: 1964 wurde der letzte Achttausender, der Shisha Pangma, von einer chinesischen Grossexpedition ( erobertin den Alpen entspricht dies in etwa der Erstbesteigung des Matterhorns um 1865. 1986 hat Reinhold Messner als erster Mensch alle 14 Achttausender-Gipfel erreicht und damit Blodigs Viertausendererfolg in den Alpen von 1921 auf den Himalaya übertragen. Messner blieb damit nicht lange allein, denn bereits 1987 tat es ihm Jurek Kukuczka1 gleich. In diesen 25 Jahren wurden auch die meisten attraktiven Siebentausender, so im besonderen der Gaurishankar erklettert und damit die Phase des Eroberungsalpinismus abgeschlossen. In erster Linie politische Barrieren haben es bislang verhindert, dass die hohen und schwierigen Siebentausender an der bhutane-sisch-tibetischen Grenze sowie der Namche Barwa ( 7762 m ) noch ( jungfräulich ) geblieben sind.
In diesen 25 Jahren hat sich auch eine dramatische Änderung im Stil vollzogen: Es ist die Zeitspanne, in der Monzino 1973 noch mit 2000 Trägern, 100 Sherpas, Helikoptern und geheizten Basislagerzelten auszog, um von 64 Italienern schliesslich drei über den Normalweg auf den Gipfel des Mount Everest zu bringen. Nur sieben Jahre später stieg ein anderer Italiener auf teilweise neuer Route im absoluten Alleingang und ohne jegliche Hilfe von Technik oder anderen Kameraden auf den höchsten Gipfel der Welt.
1962 wurde erstmals an einem Achttausender, dem Nanga Parbat, eine schwierigere Route als die Normalroute erklettert, 1963 taten die Amerikaner dasselbe am Mount Everest. Heute werden am Everest 22 Routen und Nebenrouten gezählt. Die meisten grossen Wände an den Achttausendern und viele schwierigste Routen an den anderen Gipfeln wurden in diesen Jahren erklettert. Hier hat die Entwicklung im Himalaya einen Stand erreicht, der in den Alpen in etwa dem von 1938, dem Jahr der Durchsteigung der Eiger-Nord-wand, entspricht.
Blick auf Everest, Lhotse und Makalu Es ist absolut unmöglich und hiesse auch die Geduld des Lesers bei weitem überfordern, wenn hier nun all die enormen Leistungen der letzten 25 Jahre in den Bergen des Himalaya und des Karakorum auch nur erwähnt werden müssten. Zudem wäre eine solche Auflistung ermüdend und langweilig. Aus diesem Grunde sollen nur einige Entwicklungen ohne jeglichen Anspruch auf Vollständigkeit aufgezeigt werden.
Der Weg ist das Ziel - die grossen Wände Am 22. Juni 1962 erreichten Toni Kinshofer, Sigi Loew und Anderl Mannhardt bei einer von Karl Maria Herrligkoffer organisierten Expedition den Gipfel des Nanga Parbat über die Diamir-Flanke und eröffneten damit die erste Alternativroute zum Normalanstieg auf einen Achttausender.
1963 kletterten die Amerikaner Tom Hornbein und Willi Unsoeld über den Westgrat auf den Mount Everest, stiegen über den Südgrat ab und vollbrachten so die erste Überschreitung eines Achttausenders. Die Klasse des kleinen, drahtigen Hornbein wird dadurch illustriert, dass er mit Unsoeld unterhalb des Südgipfels zwei Kameraden im Abstieg fand, denen wie ihnen, der Sauerstoff ausgegangen war. Es wurde auf 8700 m ohne jeden Schutz das bis dahin höchste Biwak der Bergsteigergeschichte bezogen. Hornbein war dabei die entscheidende Persönlichkeit für das Überleben aller und kam dann auch als einziger ohne Erfrierungen davon.
1970 gelang nach Vorversuchen in einer wiederum von Herrligkoffer geleiteten Expedition den Messner-Brüdern der erstmalige Aufstieg über die Rupalflanke am Nanga Parbat. Als Günter Messner nicht mehr in der Lage war, den obersten Teil der Rupalflanke ohne Photo Oswald Oelz Seil zurückzuklettern, stiegen die beiden Brüder kurz entschlossen über die Diamir-Flanke ab und vollbrachten damit die zweite Überschreitung eines Achttausenders. Ihnen war jedoch nicht dasselbe Glück beschieden wie den Amerikanern am Everest, denn Günter wurde in Reichweite des rettenden Talgrundes von einer Eislawine verschüttet.
Die Gruppe von Chris Bonnington durchstieg 1970 die riesige Annapurna-Südwand, wobei die unvergessenen Don Whillans und Dougal Haston als Krönung einer perfekten Mannschaftsleistung den Gipfel erreichten. Bonnington organisierte dann noch zahlreiche weitere Expeditionen, teils mit Hilfe von Computern, die bei der Everest-Südwestwand bis 6800 m mitgeführt wurden, teils in Zweierseilschaft wie am Shivling.
Auch die Franzosen wurden an Berg, dem Makalu auf Alternativrouten aktiv und durchstiegen 1971 den Makalu-Westpfei-ler, sicherlich eine der schönsten Routen des Himalaya mit Kletterschwierigkeiten im oberen 5. Grad und langen technischen Passagen. Yannik Seigneur und Bernard Mellet standen bildlich gesehen auf den Schultern ihrer Kameraden, als sie schliesslich zum Gipfel gelangten.
1972 führte der Himalaya-Neuling Wolfgang Nairz in tirolischer Unbekümmertheit eine Gruppe von Tiroler Bergführern zur Südwestwand des Manaslu. Diese Seite des Berges war der Mannschaft nur von Photos aus weiter Entfernung bekannt. Der Anmarschweg zur Südwand musste aus dem Unterholz herausgehackt werden. Die Schwierigkeiten im Fels erreichten den 6. Grad. Diese Routenwahl ermöglichte es aber, wenigstens einen einigermassen lawinensicheren Durchstieg zu finden. Reinhold Messner, der einzige Teilnehmer mit Himalayaerfahrung, erreichte am 25. April im Alleingang den Gipfel, nachdem Franz Jaeger in der Gipfelzone umgekehrt war. Im bald darauf einsetzenden Schneesturm verloren Franz Jaeger und Andi Schlick, der aufbrach, um Jaeger zu suchen, ihr Leben.
Drei ernsthafte Versuche waren nötig, bevor es Chris Bonningtons Expedition 1975 gelang, die Everest-Südwestwand erstmals zu durchsteigen. Dabei hatten schon die Gegensätze innerhalb der internationalen Expedition von 1971 unter Norman Dyrenfurth gezeigt, dass bunt zusammengewürfelte Spitzenbergsteiger aus allen möglichen Nationen nicht unbedingt fähig sind, ein harmonisches Team zu bilden. Trotzdem war dann die von Japanern unterstützte Spitzengruppe von Whillans und Haston in der Lage gewesen, die Route bis 8200 m vorzutreiben. Auch die europäische von Herrligkoffer organisierte Südwestwand-expedition kam nicht weiter, ebensowenig wie Bonnington in einem ersten Versuch. Erst die Härte zu sich selbst und die stoische Ruhe von Doug Scott und Dougal Haston, die trotz zu Ende gehender Sauerstoffvorräte in der Scharte zwischen Süd- und Hauptgipfel eine Nachmittags-Teepause einlegten, brachten schliesslich den entscheidenden Durchbruch, der die Ersteigung der Everest-Südwestwand gelingen liess.
Doug Scott, neben Chris Bonnington einer der ganz wenigen Überlebenden jener britischen Höhenbergsteigergeneration, war das treibende Element bei weiteren grossen Aufstiegen, die er jetzt allerdings im Rahmen kleinerer Gruppen unternahm: Kangchenjunga-Nordwestwand ( 1979 ) mit Bettembourg, Tasker und Boardman sowie Shisha-Pangma-Südwestwand ( 1982 ) mit Alex Maclntyre und Roger Baxter-Jones. Beinahe wäre ihm ( 1984 ) auch noch die erste Überschreitung des Makalu im alpinen Stil gelungen, allein in Reichweite des Gipfels kehrte einer seiner Partner plötzlich um und zwang damit auch Scott zum Abstieg.
Weitere bedeutende Begehungen im Expeditionsstil waren die Durchkletterung der Ma-kalu-Südwand durch die Jugoslawen unter Kunaver ( 1974 ), der Erfolg der Inder an der seit dem Versuch der Deutschen unter Paul Bauer ( 1929 ) unerstiegen gebliebenen Südrippe des Kangchenjunga, der Aufstieg über den Eve-rest-Südpfeiler durch die Polen mit Kukuczka an der Spitze ( 1980 ) sowie der Japaner am Westpfeiler des K2 und der Amerikaner am selben Berg ( 1979 ). Diese zuletzt aufgezählten Besteigungen erfolgten im Expeditionsstil mit grossem Aufwand, insbesondere auch die zu 95% durchgeführte Durchkletterung der Lhotse-Südwand durch die Jugoslawen ( 1981 ) unter Kunaver. Diese Wand ist heute, nachdem sich die weltbesten Bergsteiger aus Polen mehrfach daran versucht haben, aber immer noch nicht zur Gänze gemacht.
Weitere grosse Wände wurden von kleinen Gruppen teils im alpinen Stil erklommen: 1982 kletterten Polen im linken Teil der Makalu-Westwand, Andrzej Czok erreichte schliesslich im Alleingang den Gipfel.
Alex Maclntyre, Jurek Kukuczka und Voytek Kurtyka scheiterten beim Versuch, 1982 einen direkten Weg durch diese Wand zu ziehen. Die direkte Makalu-Westwand ist neben der Lhotse-Südwand eines der ganz grossen Wandprobleme des Himalaya und sollte in Würdigung des ersten Versuches auch nur im alpinen Stil erneut angegangen werden. Erstmals hatten Boardman und Tasker 1979 die Möglichkeiten des Alpinstils an der Changa-bang-Westwand aufs eindrücklichste vorexer-ziert. Kurtyka kletterte 1983 in Seilschaft mit Robert Schauer durch die riesige Westwand des Gasherbrum IV. Die beiden Spanier, Enric Lucas und Nil Bohigas, durchstiegen 1984 die Südwand des Annapurna-Südgipfels in sieben Tagen. Kukuczka und Pietrowski eröffneten 1986 am K2 im alpinen Stil eine neue Route in der Südwand. Dabei wurden zwischen 8200 und 8300 m Schwierigkeiten bis zum 6. Grad bewältigt.
Überschreitungen Das Zeitalter der Überschreitungen begann wie erwähnt 1963 mit Hornbein und Unsoeld am Mount Everest. Diese Traversierung war geplant, während diejenige von Messner am Nanga Parbat ( 1970 ) einer Notsituation entsprang. Eine der grossartigsten geplanten Gipfeltouren war die Überschreitung der An-napurnagipfel von der Tête Noir aus durch Erhard Lorétan und Norbert Joos im Herbst 1984. Dies war überhaupt das Jahr der Überschreitungen: Im Rahmen einer japanischen Grossexpedition überschritten die Japaner S. Wada und T. Mitani Kangchenjunga-Süd-und -Mittelgipfel, stiegen in ein Sturmcamp ab, traversierten, errichteten ein weiteres und kletterten noch auf den Hauptgipfel. Diese drei Tage beanspruchende Überschreitung wurde von einer grossen Expeditionsmannschaft unterstützt.
Auf einen Achttausender hinaufzusteigen und dann gleich noch einen zweiten eigenständigen in Serie anzuschliessen, entsprang einmal mehr einer Idee von Reinhold Messner: Im Sommer 1984 verband er zwei solche Gipfel, nämlich Gasherbrum I und II, zusammen mit Hans Kammerlander. Nur wer die unendliche Müdigkeit und den alles überwältigenden Wunsch nach Ruhe, Flüssigkeit und einem sicheren Platz nach der Besteigung eines Achttausenders kennt, kann ermessen, was es bedeutet, auf solches zu verzichten und den Aufstieg auf einen weiteren derartigen Berg in Angriff zu nehmen. Im gleichen Sommer verbrachten Kurtyka und Kukuczka 5 Biwaks am Gipfelgrat des Broad Peak und überschritten dabei alle drei Gipfel. Der Karakorum scheint generell zur Aneinanderreihung von Besteigungen zu motivieren. So erstiegen 1983 anlässlich Stefan Wörners Baitororeise Marcel Rüedi und Erhard Lorétan hintereinander Gasherbrum II, Gasherbrum I und Broad Peak, die anderen Teilnehmer meist je zwei dieser Gipfel.
Winterbesteigungen Die grossen Meister und Vollzieher des Himalaya-Bergsteigens im Winter sind die Polen. Das Klettern in der winterlichen Tatra, vielleicht widrige Lebensumstände und eine angeborene Härte haben ihnen in dieser härtesten aller Spielarten unglaubliche Erfolge gebracht. Persönlich erinnerlich ist mir die Erzählung von Kurtyka, der an der ersten polnischen Winterexpedition zum Lhotse 1979 teilnahm. Diese Bergsteiger gelangten zwar nur bis ca. 8200 m, massen dabei aber Temperaturen von minus 50 Grad. Die Rückkehr durch das Tal des Schweigens musste teilweise kriechend zurückgelegt werden, da der Wind jeden stehenden Mann glattweg umwarf. Unter Leitung von Andrzej Zawada erreichten die Polen dann im Februar 1980 erstmals im Winter den Gipfel des Mount Everest. Leszek Cichy und Krzysztof Wielicki standen am 16. Februar bei minus 50 Grad auf dem höch- sten Punkt der Welt. Krzysztof Wielicki war schon unterhalb des Gipfels der Sauerstoff ausgegangen, trotzdem kam dieser Aus-nahme-Mann ohne Schäden vom Gipfel zurück. Am 27. Dezember 1982 wiederholten die Japaner die Winterbesteigung. Jedoch verschwanden die beiden Bergsteiger, unter ihnen Yasuo Kato ( der den Everest in drei verschiedenen Jahreszeiten bestiegen hatte ) noch in der Gipfelregion. Japaner waren im Winter 1980 auch am Baruntse sowie 1982 am Dhaulagiri erfolgreich. Lorétan und Gefährten erstiegen den Dhaulagiri im Winter auf neuer Route. Die meisten grossen Wintererfolge fielen aber auch weiterhin den Polen zu: Sie erstiegen 1983 den Manaslu über die Tiroler Route und Jurek Kukuczka schaffte im Winter 1984/85 sogar zwei Achttausender, nämlich den Dhaulagiri sowie wenige Wochen später den Südpfeiler des Cho Oyu. Auch den Kangchenjunga erstieg er zusammen mit Wielicki im Winter 1986.
Stilentwicklungen durch Reduktion der Mittel Der moderne, der Alpenstil ( oder alpine Stil ) im Himalaya ist geprägt durch Verzicht auf schweres Gepäck, Sauerstoff, Unterstützungsmannschaft und Lagerhilfe, ja selbst auf einen Partner wird mitunter verzichtet. Kom-pensiert wird dies dann durch die bedeutend grössere Beweglichkeit und - vor allem -durch das damit auch notwendig gewordene ungleich höhere Tempo.
Messner war es, der 1975 demonstrierte, dass schwerfällige Expeditionen ein Anachronismus sind. Er war frustriert von seinen Erfahrungen bei Cassins Expedition in der Lhotse-Südwand und versuchte mit Peter Habeler erstmals einen Achttausender in Seilschaft zu ersteigen. Zur Überraschung all jener, die Messner nicht kannten, gelang dies, und die beiden erreichten nach 2V2tägigem Aufstieg den Gipfel des Hidden Peak.
Dieser Stil wurde in der Folge in vielen grossen Wänden perfektioniert.
Als Messners entscheidendster Beitrag zum Himalaya-Bergsteigen darf hier sicher die Überwindung des Dogmas gewertet werden, dass der Mensch auf Höhen über 8500 m auch für kurze Zeit nicht ohne Sauerstoffgerät auskommen kann. Die Unverfrorenheit, mit der Messner sich über derartige Vorstellungen hinwegsetzte, kennzeichnet seinen Stil wie kaum etwas und illustriert sein Erfolgsrezept. Schwerste Zweifel waren von verschiedenen Seiten über die Durchführbarkeit einer Everestbesteigung ohne Sauerstoffgerät geäussert worden ( nicht zuletzt unter dem Hinweis auf die Gefahr von irreversiblen Hirnschäden ). Allein, Messner war schon damals so selbstbewusst, dass er sich von solchen Prophezeiungen nicht abhalten liess. Der Verzicht auf die schweren Sauerstoffflaschen hat dann die bereits erwähnte Temposteigerung ermöglicht, womit seinerseits die Voraussetzung für ein ( kürzeres ) Verweilen in extremer Höhe physiologisch überhaupt erst geschaffen wurde.
Das Tempobergsteigen erlebte einen Höhepunkt mit der Ersteigung des Broad Peak an einem Tag. Krzysztof Wielicki verliess kurz nach Mitternacht das Basislager, erreichte den Gipfel um 17.00 Uhr und kehrte um 22.30 Uhr ins Hauptlager zurück. Trotzdem er dabei die Zelte seiner Kameraden sowie eine Spur benützen konnte, zeigt dies seine ungeheure Leistungsfähigkeit. Aus welchem Holz er geschnitzt ist, hat er ebenfalls mit seiner Eve- Blick vom Everest-Südwestgrat hinüber zum Makalu rest- und Kangchenjunga-Winterbesteigung, in der Lhotse-Südwand und am Makalu demonstriert.
Der K2 wurde 1985 von einem jungen Franzosen ebenfalls in einem Tag erklettert.
Die neueste Demonstration von Schnelligkeit lieferten Erhard Lorétan und Jean Troillet als sie die Everest-Nordwand meist bei Nacht erkletterten und in insgesamt 38 Stunden nach Verlassen des Basislagers bis zum Gipfel durchstiegen. Für den Abstieg brauchten sie nur noch 31/2 Stunden, da sie fast die ganze Wand auf dem Hosenboden abrutschten.
Solobesteigungen Schon oft haben Teilnehmer einer Expedition den letzten Abschnitt zum Gipfel allein geklettert, weil niemand mehr mithalten konnte oder mochte. Dies war der Fall bei Hermann Buhls berühmtem Alleingang am Nanga Parbat ( 1953 ), bei Messners Besteigung des Manaslu ( 1972 ) sowie bei Yasuo Kato am Everest. Die wirklichen Alleingänge beginnen jedoch mit der Idee, den Berg von der Basis an allein zu besteigen. Solche Versuche gab es auch im Himalaya schon lange, allerdings wurden sie von naiven Exzentrikern gemacht, wie dem Amerikaner Farmer, der 1929 versuchte, den Kangchenjunga allein zu besteigen und nicht mehr wiederkam. Das gleiche gilt auch für den Engländer Morris Wilson, der 1934 den Everest von Norden aus anging und dort starb.
Einmal mehr kam die erste erfolgreiche Durchführung eines solchen Planes von Messner, der 1978 wenige Wochen nach seinem Erfolg am Everest allein auf einer neuen Route die Diamir-Flanke des Nanga Parbat durchkletterte und nach sechs Tagen zurückkehrte. Auf diesem Weg hatte er in unglaublich kurzer Zeit die gefährlichsten Lawinenbahnen überwunden, war dann den Auswirkungen eines Erdbebens entkommen und hatte schliesslich nach dem Gipfelerfolg in einer Sturmpause in wenigen Stunden einen neuen Abstieg durch die 3000 m hohe Flanke gefunden.
Der bedeutende französische Solokletterer Nicolas Jaeger durchkletterte 1980 einen grossen Teil der Südwand des Lhotse Shar und hatte den Plan, den unbegangenen Grat zum Lhotse hinüber zu traversieren. Er wurde letzt-malig auf einer Höhe um 8000 m gesehen. Im gleichen Jahr erklomm Messner den Everest im absoluten Alleingang. Der Aufstieg in 2Vi Tagen zum Gipfel, wo er sich fallen liess, ( schwer wie ein Stein>, und der Abstieg, der weitere 20 Stunden dauerte, werden für immer ein Markstein für die Entwicklung des Kletterns im Himalaya sowie für die Grenzen, bis zu denen sich ein Mensch quälen kann, bleiben. Messner profitierte dabei jeweils von seinem Instinkt, der ihn bei der Beurteilung der für seine Unternehmungen günstigsten Wetterlage leitete, sowie von seiner immensen Erfahrung in der Höhe und der Kenntnis seiner körperlichen Möglichkeiten. 1980 wurde ferner der Dhaulagiri durch Hirondru Kamure mit fünf Biwaks erklettert und 1987 der Broad Peak durch Norbert Joos.
1981 eröffnete Jurek Kukuczka allein eine neue Route am Nordwestgrat des Makalu in vier Tagen. Auf ähnlicher Route stieg 1984 Romolo Nottaris allein zum Gipfel. 1983 folgten Huh Yong-Ho aus Korea mit einer Alleinbesteigung des Manaslu und Pierre Beghin mit einer Solobesteigung des Kangchenjunga. Die erste Ersteigung des Broad Peak-Nordgipfels ( 7600 m ) durch Renato Casarotto über den Nordgrat war ein weiterer Höhepunkt jenes Jahres, dem mit der Solobesteigung der Südwand des Pumori durch Jeff Lowe im Dezember ein weiteres Glanzlicht aufgesetzt wurde. Wobei Lowe zusätzlich zu den Problemen des Solokletterns in einer unbekannten Wand noch die Schwierigkeit eines Aufstieges bei winterlicher Kälte auf sich nahm - und damit eine weitere Dimension einführte.
Roger Marshall, der 1984 allein auf dem Kangchenjunga war, stürzte 1987 bei einem Alleinversuch in der Everest-Westflanke ab.
Persönlichkeiten Unter allen Bergsteigern, die in den letzten 25 Jahren die Entwicklung des Himalaya-Berg-steigens geprägt haben, ragen zwei, nämlich Reinhold Messner und Jurek Kukuczka, hervor. Sie sind gänzlich verschiedene Charaktere, und dementsprechend sind auch die Marksteine, die sie setzten, verschieden. Messner ist der Visionär, der Ideen hatte und das verwirklichte, wozu andere nicht einmal die Phantasie aufbrachten, auch nur daran zu denken. Er besitzt die Respektlosigkeit gegenüber Tabus, die dazu führt, dass die Grenzen des Machbaren verschoben werden. Demgegenüber ist Kukuczka der Vollzieher, der mit gnadenloser Härte gegenüber sich selbst und konsequentem, absolut unbeirrbarem Vorwärtsgehen solche Ideen in Perfektion verwirklicht.
Als Persönlichkeit hervorzuheben ist hier ebenfalls noch Doug Scott, einer der wenigen überlebenden britischen Höhenbergsteiger, der, abgestossen vom Riesenaufwand der Britischen Everest-Südwestwand-Expedition 1975, vollends zum Alternativen wurde und die Beschränkung der Mittel bei seinen Besteigungen der Kangchenjunga-Nordwand und der Shisha-Pangma-Südwand, um nur zwei zu erwähnen, zum Prinzip erhob.
Von den Bergsteigern können hier bloss ein paar wenige Erwähnung finden: Kurt Diemberger, der mit 22 Jahren zusammen mit Hermann Buhl 1957 seinen ersten Achttausender, den Broad Peak, bestieg und der 1986 als einer der ganz wenigen die Sturmhölle am K2 überlebte. Dazwischen lagen Erfolge am Dhaulagiri, Everest, Makalu und anderen. Aus-nahmeerscheinungen sind auch Michel Dacher, der jetzt mit weit über 50 Jahren sich daranmacht, die Summe der ( Vierzehn ) anzustreben, sowie Fredy Graf, auch über 50, der nun Jahr für Jahr einen Achttausender cabzu-haken ) versucht.
Dem herausragendsten Höhenbergsteiger Amerikas, John Rosekelly, will nach dem Dhaulagiri, dem Makalu-Westpfeiler und der Amerikaner-Route am K2 in extremer Höhe nichts mehr gelingen, weswegen er nun seinen Spielplatz in die Trangotürme verlegt hat. Bei den Schweizern ist Erhard Lorétan mit der Annapurna-Überschreitung, der Dhaulagiri-Winterbesteigung, dem Everest-Blitzaufstieg, um nur einige zu nennen, die herausragende Persönlichkeit, während der unvergessene Marcel Rüedi durch die scheinbare Leichtigkeit seiner Besteigungen und seine unbekümmerte Fröhlichkeit Freunde und Bewunderer stets wieder beeindruckt hat.
Eine schreckliche Statistik Der Preis für die skizzierten Entwicklungen ist erschreckend. Ein Drittel bis die Hälfte der besten Bergsteiger, die immer wieder in den Himalaya gefahren sind, ist nicht mehr zurückgekehrt. Bei den Briten liegt dieser Prozentsatz sogar bei 80 Prozent. Manche dieser Todesfälle wären vermeidbar gewesen, wie jener von Sigi Loew 1962 am Nanga Parbat, der sich mit Amphetaminen aufpeitschte und dann abstürzte. Der Verzicht auf Sauerstoff führt in den extremen Höhenlagen zu Ungeschicklichkeit wegen Minderfunktion des Gehirns und kann als Ursache für die Abstürze in den Gipfelregionen des Everest und des K2 gelten.
Beim Gang an der Leistungsgrenze, wie zum Beispiel von Boardman und Tasker 1982 am Everest-Nordostgrat, Kato im Winter am Everest, oder Marcel Rüedi 1986 am Makalu, schliesst der praktizierte Stil die Möglichkeit des tödlichen Scheiterns mit ein. Dies beinhaltet auch das bewusste In-Kauf-Nehmen des Risikos von Eislawinen und Steinschlag, welches zum Tod von Reinhard Karl, Nejc Zaplotnik ( dem Erstbegeher der Makalu-Süd-wand, des Hidden-Peak-Westgrates und des Westgrates am Everest ) sowie von Alex Mac-Intyre geführt hat. Auch die Höhenkrankheit und das Höhenlungenödem lassen sich nie mit Sicherheit vermeiden. Hervorragend höhentaugliche Bergsteiger wie Chris Chandler, Pete Texton und vor allem der Pole Andrzej Czok sind daran gestorben. Wer zu den hohen Bergen der Welt fährt, ist bewusst oder unbewusst dem Leistungsdruck unterworfen, und darum wird sich diese traurige Statistik auch in Zukunft nicht verbessern.
Die Zukunft Auch die weitere Entwicklung im Himalaya wird mit derjenigen im Alpenraum vergleichbar sein. Der Trekkingtourismus wird hier noch für einige Zeit zunehmen, bevor ökologisches Bewusstsein und Zwangsmassnahmen Besserung schaffen. Trampelpfade auf leichte Achttausender wie Gasherbrum Il werden jenen am Zermatter Breithorn zumindest ähnlich sein und das Solo Khumbu wird von Hotels und Zweitwohnungen im Stil von Zermatt geprägt werden. Zum Trost für alle, die Einsamkeit suchen, wird diese auch in Zukunft etwas abseits der Trekkingstrassen stets noch zu finden sein, entsprechend den Verhältnissen in unseren Alpen im November oder in der Gspaltenhorn-Nordwand. Der Everest wird noch mehr als jetzt von einem Variantennetz überzogen sein und die Einführung des 7. und B. Grades an den Trangotürmen wird dort zur Eröffnung einer Unzahl von Aufstiegslinien führen, ähnlich jenem dichten Gewebe, das heute die Marmolata-Südwand überzieht. Die Limiten für den Menschen werden weiterhin im extremen Höhenbergsteigen liegen: Trotzdem die Lhotse-Südwand in den nächsten Jahren und die direkte Westwand des Makalu bis zum Beginn des nächsten Jahrtausends durchstiegen sein werden, bleibt die zusammenhängende Überschreitung vom Lhotse Shar über Lhotse und Everest ohne Unterstützungsmannschaft und Sauerstoff im Grenzbereich der menschlichen Toleranz gegenüber Sauerstoffmangel. Ob unsere Generation dieses Ereignis erleben wird und welchen Preis die Überschreiter zu entrichten haben werden, bleibt abzuwarten.