«Spannend, aber auch ziemlich hart»
Annette Marti: Artifklettern – also das Klettern mit Hilfsmitteln – gehört zu den Disziplinen, die ihr speziell trainiert habt. Was war für dich die wichtigste Einsicht?
Rahel Schönauer: Artifklettern war mir bisher nicht sympathisch. Aber ehrlich gesagt, habe ich vorher gar nicht richtig begriffen, wozu es nützlich ist. Ich dachte, Artifklettern komme zum Zuge, wenn eine Passage nicht mehr kletterbar ist. Dabei hilft es dann weiter, wenn ein Abschnitt nicht absicherbar ist. In unserer Wand bei der Göscheneralp, wo wir eine neue Route eröffnet haben, ist mir genau das passiert: Ich konnte keine Sicherungen mehr setzen und musste deshalb auf diese Technik wechseln.
Wie war es, eine neue Route zu eröffnen, also Neuland zu betreten?
Es ist wirklich etwas anderes, sich zu überlegen, wo man durchkommen könnte, als einfach einem Topo zu folgen. Nachdem wir die Wand besichtigt hatten, brannten wir regelrecht darauf, die Herausforderung anzugehen. Es fühlt sich auch während des Kletterns anders an, wenn man nicht weiss, ob die Route überhaupt kletterbar ist. Das fand ich genial am Big-Wall-Camp: Wir mussten sozusagen unser Auge schulen, um Neues zu entdecken. Solche Erfahrungen sind Gold wert.
Wie habt ihr das im Team bewältigt?
Wir haben zwei Gruppen gemacht, jede kletterte eine eigene, neue Linie. Bei der anderen Gruppe war unser Ausbildner dabei, wir hingegen waren auf uns selbst gestellt. Das fand ich sehr spannend, aber auch ziemlich hart. Big-Wall-Klettern ist körperlich anstrengend, das Jümaren, Haulen und Hämmern braucht viel Kraft. Genauso ist auch Energie nötig, um die Unsicherheit auszuhalten. Es sind ein paar Sachen passiert, die uns auch stressten: Einmal ist ein Friend rausgefallen, ein andermal ein grosser Stein weggebrochen. Das sind wohl genau die Dinge, mit denen wir einfach umgehen müssen.