Skitraversierung SAC 1951 : Jungfraugebiet
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Skitraversierung SAC 1951 : Jungfraugebiet

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Mit 2 Bildern ( 174, 175Von J# Rüd,süh|i

( Sevelen, S. G. ) 14. April. Frutigen. In strömendem Regen fahren 3 SACler im Lötschberg-zug das tiefverhängte Kandertal hinauf. In Kandersteg fällt Schnee. Wir sausen zum Loch hinaus. Goppenstein! Trostlos sieht es in diesem Felsenkessel aus. Es schneit immer noch. Im Bahnhofbuffet, das zugleich Wartsaal ist, treffen wir einige Bergkameraden, darunter einen Engländer, den wir später stets « Old England » riefen, und einen Handelslehrer, der « das Militär aus dem Wallis vertrieb ». Schon geht das Geplauder los, in allen internationalen Sprachen. Wie wird wohl alles werden? Ein gebildeter Gastwirt und eine rassige Serviertochter helfen die Langeweile vertreiben, bis die ganze Gruppe komplett ist. Der Bergführer, Hermann Steuri, Grindelwald, und der Apotheker Ch. Golay, von Pontresina, ein Sprachwunder, das zweimal aus einer Lawine heil davongekommen ist, sind auch dabei. Beim vorzüglichen Mittagessen überbringt in Ermangelung eines CC-Vertreters der Gastwirt, Theo Schröter, die Grüsse des Organisationskomitees, insbesondere des Organisators der Traversierung, Jules Rindlisbacher. Den unvorsichtigen Ausdruck eines Teilnehmers « Wo ist da die Aussicht? » kommentiert er in feinsinniger Weise folgendermassen: « Wo die Aussicht fehlt, kommt man zur Einsicht. » Kurz vor 3 Uhr nachmittags ( die Gruppe zählt jetzt total 13 Mann ) beginnen wir den Marsch über Lawinenschnee und Schutt ins Lötschental hinein. Rucksäcke und Ski werden auf zwei Maultiere verladen. Nicht mehr Regen und Schneefall, sondern Sonnenschein begleitet uns jetzt durch die immer noch tief verschneiten Dörfer Ferden, Kippel, Wiler, Ried, Blatten, Eisten. Wer zum erstenmal diese in sich geschlossene Kulturlandschaft betrachten kann, bleibt fast in jedem Dörfchen vor den verwetterten, schwarzbraunen Häusern verwundert stehen. Auch neue Holzhäuser befinden sich darunter, leider vielfach in anderm Stil erbaut und nicht so recht zur Ehr- Würdigkeit der Lötschentaler Häuser passend. Diesen Eindruck können auch die sinnreichen Sprüche nicht verwischen. Trostlos ist der Anblick der Wege. Meterhoch türmt sich noch Schnee zwischen Häusern und Ställen, darauf liegen Schmutz und Abfälle. Zu jeder andern Zeit wäre der Anblick der Dörfer wohl angenehmer gewesen. Zahlreiche Lawinen sind im Laufe des Winters und Vorfrühlings von den nahen Hängen und durch die Runsen niedergegangen. Ungefähr hundert Ställe wurden verschüttet. Wir wandern an Stalltrümmern vorbei. Balken, Bretter und Heu liegen verstreut herum. ( Ausserhalb Ried konnten mehrere Kühe lebend aus einem solchen verschütteten Stall geborgen werden. ) Viel Schmelzwasser, mächtige Quellen ergiessen sich in die alten Rinnsale und über die Wiesen. Frösche laichen. Auch hier wird 's Frühling. Apere Stellen sind erst spärlich vorhanden. Je höher wir steigen, um so massiger liegen die Schneemengen auf Wiesen und Wegen. Wir holen die Maultiere ein. Einige Skitouristen eilen voraus. Der Weg wird schmaler. Die Maultiere sinken mit ihren Lasten im Schnee tief ein. Ihre Lasten müssen mehrmals abgeladen und wieder aufgebürdet werden. In Blatten schnallen wir die Bretter an und die Rucksäcke auf. Die Einwohner dieses Dorfes holen gemeinsam Sand am Bache. Gemütlich gleiten wir talaufwärts. Nach vier Stunden leichten Anmarsches haben wir die Fafleralp erreicht, den ersten Rastort unserer Wanderung. Nach einem feinen Nachtessen kriechen wir beizeiten unter die Decke. Welch ein Wunder! In jedem Bette liegt eine Bettflasche!

15. April. Um 5 Uhr ist Tagwache, und schon nach einer Stunde befinden wir uns am Fusse der Hütten auf Gletscherstafel. Die ersten Strahlen der Morgensonne beleuchten rosig das mächtige Bietschhorn. Zur Linken erscheint das innere Faflertal mit dem Petersgrate. Langsam steigen wir empor zum wirklich langen Langgletscher. Eisiger Wind weht von der Lötschenlücke her. Lange marschieren wir im Schatten der grossartigen Flühe des Lötschentaler Breithorns und Schinhorns. « Old England » bleibt zurück. Da wir mit Sehnsucht die Sonne erwarten, wechseln wir auf halber Höhe zur Sonnenseite hinüber. Nach etwas mehr als fünf Stunden Aufstieg erreichen wir die Lötschenhütte ( 3238 m ), auch Hollandia-Hütte genannt, und geniessen mit Wonne die strahlende Sonne, die wohltuende Wärme.

Um den Nachmittag auszufüllen, beschliesst die Mehrzahl, das Mittaghorn ( 3897 m ) zu besteigen. Nach einer Stunde Marsch ist das Anenjoch erreicht. Vor einem vereisten Felsklotz bleiben einige zurück, während die Hälfte den Aufstieg auf den Gipfel wagt. Befriedigt begeben wir uns in die Hütte zurück. Eine « Rote Jacke » liegt immer noch ohne Schutz an der Sonne. Am andern Morgen zierten Blasen von der Grösse eines Einfrankenstückes ihr Gesicht. Die ersten Jassgruppen formieren sich. Beim Lampenschein erhitzt man sich über den « Oberaacher Steuerfall ». Golay erzählt seine wunderbare Rettung aus zwei Lawinen.

16. April. Wir steigen ohne « Old England » auf den Ebnefluhfirn hinauf. Das Aletschhorn ( 4195 m ) mit der jähstotzigen Nordwand sinkt immer weiter zurück. Nach zwei Stunden Aufstieg erreichen wir den flachen Grat der Ebnefluh ( 3960 m ). Ein einzigartiger Skiberg! Da aber ein scharfer Wind weht, rasten wir nur kurz und ziehen einen langen Bogen nach Westen über den Ebnefluhfirn hinunter. Im Gletscherabbruch hält immer wieder einer an.

Diese blaugrünen, ungeheuerlichen Eisklötze! Nur zu rasch sind wir auf der Höhenlinie 2800 m unten, Ecke Grosser Aletschfirn-Jungfraufirn. Soll man da oder weiter oben den Lunch vertilgen? That is the question. Die Einigung kommt nicht zustande. Es beginnt heiss, sogar sehr heiss zu werden. Der Jungfraufirn ist ein zum Sterben langweiliger Anstieg, vor allem in der Nachmittagshitze. Diejenigen, die hoch erhobenen Hauptes an uns vorbeimarschieren wollten, müssen froh sein, uns weiter oben einholen zu können, und sind sicher glücklich, von da an sich unserm Tempo anzupassen. Mr. Allinson ( Old England ) ist weit oben als kleiner Punkt sichtbar. Die braune Fassade des Jungfraujochhotels ( 3454 m ) wird immer deutlicher. In blendend weiser Reinheit streben links die Jungfrau und rechts vorn der Mönch in die Höhe. Eine ursprünglich geplante Variation, über Kranzbergfirn und Lauitor das Jungfraujoch zu erreichen, wurde glücklicherweise nicht ausgeführt. Ein Loch wird sichtbar. Der Sphinxstollen! Endlich! Und der Bauch des Berges nimmt uns auf. Die Dunkelheit wirkt angenehm. Wir betreten den stark geheizten Lagerraum. Die einen machen sofort Toilette. Andere stürzen sich auf die Getränke. Mit Plaudern, Rauchen und Betrachten verrinnt die Zeit. Wir geniessen alles, was man hier oben erhält: guten Wein, ein splendides Nachtessenund einen unvergesslichen Sonnenuntergang. Die Berge im Süden des Aletschgletschers sind bereits in Rot getaucht. Auch am Rottalhorn steigen die Schatten immer höher.

17. April. Wir machen uns zur Besteigung des Mönchs bereit. Die Rucksäcke und alles überflüssige Material lassen wir im Matratzenlager. Auf dem Obermönchsjoch ( 3626 m ) errichten wir das Skidepot, schnallen die Steigeisen an die Schuhe und seilen uns an. In vier Dreiergruppen steigen wir ziemlich rasch über den Südostgrat ( Normalroute ) auf. Auf dem Vorgipfel, auf etwa 4010 m, treffen wir den Gipfelgrat völlig vereist und schwer begehbar an. So halten wir hier an und geben uns dem herrlichen Erlebnis einer weiten Rundsicht hin. Zum drittenmal seit vier Tagen haben wir dieses Glück. Vom Mont Blanc bis zum Bernina ist die Hochwelt zu sehen. Wir steigen ab.

Nach einer warmen Suppe und Stärkung fahren wir den unendlich langen Jungfraufirn hinunter.Wir haben auf allen Fahrten nirgends Gletscherspalten gesehen. Seil und Steigeisen wurden nur zur Besteigung des Mönchs gebraucht und nachher wieder nach Hause gesandt, ganz im Gegensatz zur Haute Route des Jahres 1949. Die Konkordiahütte winkt vom Felsen herab. Wir aber lassen sie rechts liegen und pusten langsam, fast im Schneckentempo, gegen die Grünhornlücke hinan. Während die ganze Gruppe von 12 Mann bisher immer aufgeschlossen war, verzettelt sie sich nun. Mit Bedenken stellen wir jetzt schon, am frühen Nachmittag, eine gewisse Wetterverschlechterung fest. Der Himmel überzieht sich mit Schäfchenwolken. Morgen käme das Grosse Fiescherhorn an die Reihe! Nochmals begegnet uns in der Grünhornlücke eine « Rote Jacke », die letzte — bis zum Abschluss der Traversierung. Viel zu kurz dünkt uns die Abfahrt zur Finsteraarhornhütte ( 3050 m ). Es folgen etwa 40 m Anstieg, mit den Ski auf dem Rücken, und wir können wieder der Ruhe pflegen.

18. April. Es schneit. Die Sicht ist gleich Null. Das Wetter ist wirklich ganz schlimm geworden. Was soll man tun? Wir halten Ruhetag. Das Grosse Fiescherhorn fällt aus. Man jasst, raucht, liest und schläft. Aber vor allem wird gejasst, wobei « Old England » sich als recht guter Spieler zeigt. Er kommt nicht nur der Gipfel wegen immer wieder in die Schweiz! Und man hält Bergkameradschaft bei viel Gerede und Humor.

19. April. Die Besteigung des Fiescherhorns fällt aus. Dafür machen wir uns beizeiten auf gegen das Grosse Wannenhorn ( 3906 m ). In regelmässigen, nicht zu steilen Kehren steigen wir ziemlich aufgeschlossen vom Sackdepot etwa 1000 m in die Höhe. Die Nacht ist kalt gewesen, 15 cm Pulverschnee liegen auf Altschnee. Das wird eine stäubende Abfahrt werden! Über Italien liegt ein geschlossenes Wolkenmeer. Nur die Dreitausender stechen daraus hervor, markant der Basodino und im Osten einige Bündner Gipfel. Nebel kriecht vom Rotloch her über den Fieschergletscher zeitweise bis zur Finsteraarhornhütte hinauf. Bald sind wir aus dem Nebel heraus und steigen zwischen Wolkenschichten, denn über uns kriechen Nebelschwaden träge um die höheren Gipfel, die Ost- und die Zentralschweiz sind tief verhängt. Nach etwa zweieinhalb Stunden sind wir auf dem flachen Gipfel, einem kleinen Plateau, und geniessen wieder eine grossartige Rundsicht: die Walliser Viertausender grüssen eindrucksvoll herüber. Dann beginnt die schönste Abfahrt der ganzen Traversierung: eine stäubende, rauschende Fahrt durch wunderbarsten Pulverschnee. Wir ziehen Bogen an Bogen. Einige ältere Fahrer ziehen Dutzende von wunderschönen Telemarks. Ein Pistenraser versteht das nicht, derweil wir sie beneiden. Öfters halten wir an. Wir fahren nahe an wuchtigen Eisblöcken und massigen Eiswänden vorüber. Alle Spalten sind meterhoch zugedeckt.

Es folgt der Aufstieg vom Rotloch gegen die Oberaarjochhütte ( 3258 m ) bei dunstiger Wärme im Laufe des Nachmittags. Helle Jauchzer eines Unermüdlichen in der Führerpartie muntern die stark zerrissene Kolonne zum Durchhalten auf, bis die Hütte, die stolz und kühn auf einem Felsvorsprung steht, erreicht ist. Der Osten ist in Wolken gehüllt, gegen Westen gewährt die Sonne noch einige Male wunderbare Ausblicke.

20. April. Statt über den Oberaargletscher langsam abzufahren, um nachher wieder hinanzusteigen und in Oberwald zu landen, beschliessen wir, das Galmihorn ( 3518 m ) zu erklimmen und gegen Münster abzugleiten. Trotzdem der Bergführer noch einem Ski nachjagen muss, der mehrere hundert Meter über den Firn hinuntergeglitten, ist er bald wieder an der Spitze. Die ersten erreichen das Plateau des Galmihorns um 7 Uhr morgens. Welch herrliche Rundsicht bietet sich uns nochmals! Wir sind höchst erstaunt, dass dieser kleine Gipfel so viel bietet. Aber das Galmihorn steht etwas isoliert im Oberwallis, deshalb die prächtige Aussicht nach Osten, Süden und Westen. Es herrscht Windstille. Wir geben uns in geniesserischem Entzücken dem Erleben hin. Ein herrlicher Vormittag! Wir verzögern die Abfahrt, verweilen lange in der Galmilücke, bis wir überzeugt sind, dass der Schnee an den sonnigen Stellen in Sulz verwandelt ist. In rasanter Fahrt jagt da eine Gruppe, dort wieder eine, über die verschneiten Alpen hinunter, Kristiania an Kristiania hängend. Diese Abfahrt ist höchster Genuss. Sulz deckt die Südhänge. Wie wir in der Waldzone ankommen, sinken wir ein; der Schnee ist faul geworden. Die Bodenwärme frisst ihn von innen auf. Aber noch liegen im Dorfe Münster ( 1388 m ) überall, ähnlich wie im Lötschental, meterhohe Schneemassen in Strassen und Gassen, auf Dächern und Wiesen.

Unsere Traversierung ist zu Ende. Wir müssen die Ski von den Füssen schnallen. Zwischen meterhohen Schneemauern begeben wir uns zur Furkabahn. Wie wir talwärts fahren, sehen wir überall dasselbe Bild: Massen von Lawinenschnee liegen herum, an Orten, wo sonst in normalen Wintern keine Lawinen niedergehen, überall noch meterhoch Schnee auf Wiesen und Wegen. Erst gegen Fiesch begegnen wir allmählich dem sieghaften Frühling, und in Brig glauben wir uns vollends in ihn hinein versetzt. Die Skitraversierung war zu Endel

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