© Bernard van Dierendonck’
SAC-Hütten erproben die Abwasserreinigung der Zukunft Innovation in den Bergen
Bei der Reinigung der Hüttenabwässer hat es in den letzten Jahren Fortschritte gegeben. Innovative Verfahren wurden und werden entwickelt, getestet und verbessert. Die Erkenntnisse dürften dereinst auch die Abwasserreinigung im Flachland verändern.
«Die Hütten testen neue Technologien, die dann irgendwann auch im Tal eingebaut werden», sagt Bastian Etter, Geschäftsführer der Vuna GmbH. Seine Firma plant und baut Abwassersysteme für Berghütten und im Flachland. Dass die Innovation noch primär in den Bergen stattfindet, hat drei Gründe. Erstens lassen es Umweltbewusstsein und -vorschriften heute nicht mehr zu, die Abwässer einfach über einen Felsen oder in einen Bach fliessen zu lassen. Zweitens fehlt es in vielen Hütten an Wasser – ein Problem, das sich mit dem Klimawandel verschärfen wird. Und drittens ist die nächste Abwasserreinigungsanlage (ARA) meist so weit weg, dass es zu aufwendig wäre, eine Leitung zu legen. So liegt es nahe, Lösungen zu suchen, mit denen das Abwasser vor Ort geklärt werden kann. Und weil kilometerlange unterirdische Kanalisationsrohre auch in tieferen Lagen ihre Nachteile haben, interessieren sich Abwasserfachleute im Tal zunehmend für das, was sich im Gebirge tut.
Die schwierige Wasserbeschaffung in SAC-Hütten hat zu einem regelrechten Boom von Trockentoiletten geführt. Seit 2013 wurden diese in zwölf SAC-Hütten als Ersatz für Spültoiletten eingebaut, in weiteren zehn soll das in den nächsten Jahren geschehen. In den meisten Hütten mit dem Trockentoilettensystem werden die Fäkalien von Würmern zu Kompost verarbeitet. Wo das nicht geht, wird das Material getrocknet und ausgeflogen. Für die Feststoffe gibt es also eine Lösung. Beim Urin sieht es anders aus. Man mischt ihn meist mit dem Grauwasser (Abwasser aus Küche, Lavabos, Duschen und Waschmaschinen). Gelangt dieser Mix ungefiltert in die Natur, kommen viele Nährstoffe in den Boden, was die heimische Pflanzengesellschaft negativ beeinträchtigt. Noch weitreichender sind die Auswirkungen, wenn das Gemisch in ein Gewässer gelangt. Führt man es hingegen zum Beispiel in einen Sickergraben, wird es auf natürliche Art teilweise gereinigt.
Urin verdunsten
Vor allem der Urin enthält aber viele Nährstoffe. Vuna hat deshalb letztes Jahr bei der Leglerhütte SAC ein Gerät getestet, das Urin verdunstet. Der vom Wasserforschungsinstitut Eawag entwickelte Prototyp wurde dabei erstmals in einer alpinen Umgebung eingesetzt. Beim Verdunsten von Urin gibt es zwei Schwierigkeiten: Es stinkt; und der Stickstoff geht in Form von Ammoniak in die Luft und setzt sich später auf dem Boden ab. Verzögert tritt also auch so eine Überdüngung ein. Um das zu verhindern, wurde dem Urin eine Säure beigemischt, die bewirkt, dass der Stickstoff beim Verdunsten als Feststoff zurückbleibt.
Etter zieht nach einem Jahr eine positive Bilanz: «Das Prinzip funktioniert, aber es braucht noch ein paar Anpassungen.» Zum Beispiel möchte er, dass das Verdunstungsmodul im Keller der Hütte installiert werden kann statt auf dem Dach, damit es auch im Winter brauchbar ist.
Alpines Abwasser ist anders
Auch für das Grauwasser sehen Etter und seine Kolleginnen und Kollegen eine Lösung. Sie wollen die Flüssigkeit durch ein Substrat aus Holzschnitzeln und Kohle fliessen lassen, wobei lebende Bakterien die Schadstoffe abbauen. Das Prinzip ist bekannt und erprobt, allerdings nicht mit Grauwasser aus Berghütten. Weil dort weniger geduscht und gewaschen wird, ist die Zusammensetzung des Grauwassers anders als im Tal. «Für stärker verschmutztes Abwasser braucht es grössere Anlagen», sagt Etter.
Für die Martinsmadhütte SAC hat Vuna einen anderen Ansatz gewählt: Statt die verschiedenen Komponenten fein säuberlich zu trennen, ist ein System für das ganze Abwasser geplant. Die Basis ist wieder das Substrat aus Holzschnitzeln und Kohle, wobei die Feststoffe (u. a. Papier, Speisereste und Fett) von Kompostwürmern gefressen und der Rest von Bakterien abgebaut wird. Die Anlage soll nächstes Jahr eingebaut werden.
Vergleichbare Anlagen gibt es schon in Privathäusern in den Waadtländer Alpen und im Waadtländer Jura. Und auch in Genf bewältigt eine Genossenschaftssiedlung mit 100 Bewohnerinnen und Bewohnern seit 2017 die Abwasserreinigung auf diese Weise.
ARA fürs Gebirge
Ein Klärverfahren, das bereits im Flachland Erfolg hatte und erst dann auf den Berghütten eingesetzt wurde, ist die sogenannte SBR-Anlage. Es handelt sich dabei um eine Minikläranlage, und SBR steht für Sequencing Batch Reactor. Die Reinigungsstufen, die in einer grossen ARA in verschiedenen Becken ablaufen, geschehen hier zeitlich gestaffelt in nur einem Behälter. Für grössere bewartete Hütten, die genügend Wasser hätten, um Spültoiletten zu betreiben, sei das ein geeignetes System, sagt Etter. Vuna hat im Jahr 2018 die neu installierte SBR-Anlage in der Bächlitalhütte SAC auf Herz und Nieren geprüft. Dabei hat sich gezeigt, dass die elektronisch gesteuerte Einrichtung gut mit den stark schwankenden Abwassermengen zurechtkommt. Etter: «Die Reinigungsleistung war ziemlich konstant und entsprach fast immer den Richtwerten.»
Allerdings wurde festgestellt, dass mit der Minikläranlage relativ viel Nitrit produziert wird, ein Schadstoff, der bisher kaum gemessen wurde. Er entsteht beim Verarbeiten des Urins durch die Bakterien und ist schon in kleinen Konzentrationen toxisch für Fische und andere Wasserlebewesen. Da das gereinigte Wasser von den Hütten nicht direkt ins Gewässer gelangt, sondern versickert, ist das zum Glück nicht hochproblematisch. Im Boden werden die toxischen Stoffe abgebaut. Trotzdem wäre es besser, das Nitrit würde gar nicht erst entstehen. Vuna sei nun dabei, die Steuerung der Anlage entsprechend umzuprogrammieren, sagt Etter. Sollte es gelingen, wird vielleicht bald eine weitere Entwicklung aus der alpinen Abwasserreinigung diejenige im Tal verbessern.