Rückblick auf den Lawinen-Februar 1999
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Rückblick auf den Lawinen-Februar 1999

Der Februar 1999 brachte der Schweiz Rekord-Schneemengen, mehrere hundert Schadenlawinen, 17 Todesopfer und materielle Schäden von rund 1 Mrd. Franken.

Wie hat die dreigliedrige Gemeinde Silenen/Amsteg/Bristen den Lawinen-Februar erlebt? Wie bewältigt man dort dieses Ereignis und seine Folgen? Welche Ein-zelschicksale stehen hinter solchen Zahlen? Ein Augenschein im Urnerland.

Beeindruckende Grössenverhältnisse: der Berg und die menschlichen Behausungen an seinem Fuss ständig verschärfende Situation; von der Unsicherheit am Tag und der Angst in der Nacht, wenn es rundum dumpf-bedrohlich rumpelte. Und man spricht vom Franz, der vor kurzem noch da war, oben in seinem Haus, bei den Geissen. Und der jetzt fehlt, weggefegt von der unerklärlichen, unsichtbaren Gewalt der Lawine. Weggefegt wie sein Haus, dessen Trümmer mehrere hundert Meter weit über den Abhang verstreut wurden, als hätte eine gewaltige Explosion das Haus in Stücke gerissen.

Mit dem Unfassbaren leben Knapp drei Wochen nach der Schneekatastrophe; es ist Frühling geworden. Die Sonne scheint, nur die Erinnerung an den Verlust ist noch da, als wäre es gestern gewesen. « Als es geschah, da wussten wir sofort, diesmal ist es ernst », sagt Frieda Jauch. Wie weiss man das? Die Frau zuckt mit den Schultern: « Das spürt man. » In ihrer Stimme klingt die Gewissheit vieler Generationen an, die hier am Berg lebten. Ihr Mann zeigt auf die Stelle unter seinem Haus, wo er den Nachbarn gefunden hat. Ob er Angst gehabt habe, der Franz? Kopfschütteln. Angst habe er nie gehabt. Er habe auch nicht fortgehen wollen von seinem Haus und den Tieren, sagen die Nachbarn. Haus und Stall hätten seit über zweihundert Jahren hier gestanden. Der Berg gehöre hier zum Leben, das wissen die Leute.

Der junge Mann und seine Familie hatten mit ihren Eltern ebenfalls auf Golzern ausgeharrt, in ihrem durch einen grossen Felsblock geschützten Heimet. « Die Leute hier haben einen starken Glauben, das gibt ihnen die Kraft, mit dem Unfassbaren zu leben », sagt Gusti Tresch, der ebenfalls an einem steilen Hang über dem Maderanertal aufgewachsen ist und jetzt unten im Tal wohnt.

Leben und Tod Der Gemeindearbeiter geht von Haus zu Haus und verteilt Formulare: Blätter zum Aufschreiben der Stunden, die beim Aufräumen von nicht durch die Versicherung gedeckten Schäden geleistet wurden. Einige haben noch Formulare aus früheren Jahren: Lawinen, Orkane, Wildbäche, Erdrutsche - Naturkatastrophen haben hier oben keinen Seltenheits- wert. Die Macht des Berges ist körperlich spürbar. Man muss den Kopf weit in den Nacken legen, um über die kirchturmsteilen Hänge bis zum 1500 Meter höher gelegenen Gipfel der Chli Windgällen hinaufsehen zu können. Man schaudert, auch als Bergler. Der Frühling ist da, und die Zeit hilft zu vergessen -vielleicht. Doch die kurze Distanz zwischen Winter und Frühling, zwischen Leben und Tod ist brutal. « Hier wird es nicht mehr sein wie früher », sagt ein junger Bauer auf Golzern.

Die Erinnerung wachhalten Zur Aufgabe des Gemeindeschrei-bers von Silenen, Josef Zurfluh, ► T Wie eine Explosion hat der Druck der Geisslaui ein Wohnhaus auf Golzern oberhalb von Bristen auseinandergerissen und dabei einen Menschen getötet. Die Trümmer sind im Umkreis von mehreren hundert Metern verstreut.

Die Menschen haben den Lawinen Namen gegeben: die Breitlaui am Dorfrand von Bristen.

gehört es, dafür zu sorgen, dass in der Gemeinde die Erinnerung an den Jahrhundert-Winter wachgehalten wird. « Jetzt, unmittelbar nach der Katastrophe, wollen alle helfen », sagt Josef Zurfluh, « doch erst muss der Schnee schmelzen, damit wir den ganzen Schaden erfassen können. » Nach einem Erkundungsflug über dem Maderanertal stellt er fest: « Die Schäden sind noch schlimmer, als wir anfänglich gedacht haben. Jetzt, wo im Unterland die Blumen blühen, kann man sich dort aber gar nicht mehr vorstellen, dass hier oben Ende Februar die Hölle los war und - vor allem - welche Folgen das für unsere Gemeinde hat. » ALPEN-Nachrichten Viel Arbeit, viel Zeit und hohe Kosten « Vorerst heisst es aufräumen, aufräumen, aufräumen », sagt Gusti Tresch. Die Weiden müssen in aufwendiger Handarbeit wieder « repariert » werden, um die Erosion zu verhindern und eine neue Ertragsbasis für die Landwirtschaft zu schaffen. Vieles wird nicht so rasch heilen. Oder gar nicht, wie die Bäume, die hier, auf einer Höhe von gegen 1200 Metern über Meer, Jahrhunderte brauchen, bis sie ihre Schutzwirkung für die Menschen und ihre Behausungen entfalten können. Tausende von Arbeitsstunden werden notwendig sein, um die Löcher und Gräben aufzufüllen, die Steine herauszulesen und das geschlagene Holz zu entfernen.

Für die notwendigen Aufräumarbeiten hat die Gemeinde 2500 bis 3000 Manntage veranschlagt, Kostenpunkt: eine halbe Mio. Franken. Insgesamt muss sogar mit mehreren Millionen Franken gerechnet werden. Diese Kosten werden vom Schweizerischen Fonds für nicht versi-cherbare Elementarschäden ( Bund/ Kanton ) und von der Gebäudeversi-cherungsanstalt getragen. Wo keine Versicherungsdeckung besteht, werden Spendengelder eingesetzt, und weitere Hilfe kommt von Institutionen wie die Schweizerische Patenschaft für Berggemeinden.

Schlussfolgerungen und Stimmen zum Lawinen-Februar 1999

Eine erste Bilanz des WSL « Lawinen bleiben ein Risiko. Man kann es managen, aber nicht ausschalten », so betitelte die Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee- und Landschaft ( WSL ) ihr Fazit zum Lawinen-Februar 1999. Das heisst, der Mensch muss wieder lernen, die Natur zu beobachten und mit ihren Risiken vernünftig umzugehen.

Die Schweiz sei trotz Rekord-Schneemengen, mehreren hundert Schadenlawinen, 17 Todesopfern und einem materiellen Schaden von rund 1 Mrd. Franken ( 200 Mio. Franken direkte Schäden und 800 Mio. Franken indirekte Schäden in den Bereichen Tourismus, Verkehr und Stromversorgung ) « glimpflich » davongekommen, sagen die Lawinen-Experten.

Die Wilerlaui gegenüber von Silenen kam nur wenige Meter vor der Gotthard-autobahn im Reusstal zum Stillstand.

Auch der Schutzwald hat gelitten: 600 Hektaren Wald wurden vernichtet, wobei rund 100000 Kubikmeter Schadholz anfiel; das ist viermal weniger als im letzten grossen Lawinenwinter 1951. ( Zum Vergleich: Der Wirbelsturm Vivian knickte 1990 landesweit 4,3 Mio. Kubikmeter Holz. ) Der Wald, kombiniert mit künstlichen Verbauungen, habe damit den Lawi-nentest bestanden.

Weiter schreibt die WSL, dass sich die verbesserten Wetter- und Lawi-nenprognosen bewährt hätten. Obwohl sich im kritischen Februar dieses Jahres rund fünfmal mehr Menschen im Alpenraum aufhielten als 1951, war die Zahl der Todesopfer kleiner ( 1951:98 Todesopfer, 1999: 17 Todesopfer ).

In welche Richtung soll es gehen?

So oder ähnlich lautet eine Frage in der Zeit danach. Werden wir beispielsweise in eine Grundsatzdebatte über touristische Sicherheitsanforde-

TA*

Viele Lawinenverbauungen und -galérien haben ihre Bewährungsprobe bestanden. Wieviele weitere braucht es nach dem Lawi-nen-Februar 1999?

rungen im Stil amerikanischer Konsu-mentenschützer hineinschlittern, wie dies ein Zeitungskommentator bange fragte? Werden wir weiter technisch schützen und den Schutzwald, wo er gefährdet ist, durch Bauwerke ersetzen, mit geschätzten Kosten von jährlich 2,1 Mio. Franken? Oder werden wir in die Natur investieren, in die Pflege des Waldes? Auch das ist eine grosse Aufgabe, denn nach Angaben der WSL weisen 67 Prozent des Schutzwaldes in der Schweiz bedeutende Schäden auf. Ausserdem braucht der Wald Zeit und gute Luft zum Wachsen.

Schutzwälder fördern Diese Variante wird von vielen Fachleuten bevorzugt, weil es die sanfteste, langfristig erfolgverspre-chendste und kostengünstigste Lösung ist: Konzentration auf Pflege, Verjüngung und Wiederaufforstung der Schutzwälder - neue Lawinenverbauungen nur da, wo Sicherheits-lücken es erfordern. Gemäss einer Umfrage im Rahmen des 2. Landes-forstinventars bezeichneten allerdings nur 26 Prozent der Schweizer Bevölkerung die Schutzwirkung des Waldes als prioritär.

Vorprogrammierte Interessen-konflikte « Das Risiko managen », diese Formulierung markiert eine neue Dimension im Leben der Menschen. Damit einhergehen muss mehr Verständnis, vielleicht sogar Demut vor der Natur. Was aber, wenn ein Wohnhaus in der roten Lawinenzone liegt oder ein dort liegendes, zerstörtes Gebäude wiederaufgebaut werden soll? Wenn ein neuer Skilift gebaut werden soll, der Arbeitsplätze in die Bergregionen bringt? Die Debatte über diese Fragen hat kaum begonnen.

Nach der Katastrophe wurde in Zeitungen, Radio und Fernsehen mehr « Naturverständnis » gefordert. « Unsere Gesellschaft hat den vernünftigen Umgang mit der Natur ein Stück weit verlernt », meinte Philippe Roch, der Direktor des Bundesamtes für Umwelt, Wald und Landschaft. Er stellte aber auch fest: « Wenn Strassen gesperrt werden müssen, endet die Liebe zur Natur. » Peter Donatsch, Maienfeld Bevor die Bristener in ihre Häuser zurückkehren konnten, mussten viele von ihnen zuerst einen Tunnel durch die meterhohen Schneemauern fräsen.

I Für Skitourenfahrer, Bergsteiger und -wanderer i Per l' alpinista, lo sciatore e l' escursionista i Pour l' alpiniste, le skieur et le randonneur

^m Das im Herzen des Kaukasus gelegene Elbrus-Mas-24 sw wird wenig besucht, dabei ist der Elbrus mit seinen 5642 Metern der höchste Gipfel Europas. Er ist für alle, die die höchsten Gipfel der sieben Kontinente - Denali/Mount McKinley ( Nordamerika ), Aconcagua ( Südamerika ), Kilimandscharo ( Afrika ), Mount Vinson ( Antarktis ), Mt. Everest ( Asien ), Carstensz-Pyramide ( Ozeanien ) und eben der Elbrus ( Europa ) -besteigen wollen, eine Herausforderung. Viele betrachten ihn als Spielverderber, weil er dem Montblanc die Schau stiehlt. Der technisch nicht besonders schwierige Eisvulkan war das Ziel einer Zweierexpedition im Juni 1998.

Bedeutung, Besonderheiten, Erschliessung

Selbstverständlich gehört der Elbrus zu Europa, denn er liegt zwischen dem Schwarzen und dem Kaspischen Meer am nördlichen Rand des Kaukasus, und alle Atlanten ziehen die Ostgrenze Europas vom Ural zum Kaspischen Meer und die südliche Grenze vom Kaukasus zum Mittelmeer.

Das kreisförmige Massiv mit einem Durchmesser von 18 km, das sich zwischen den Ebenen im Norden und den hohen Gipfeln im Süden erhebt, wird von zwei Hauptgipfeln dominiert: dem West Peak ( 5642 m ) und dem East Peak ( 5621 m ) mit dem Krater. Der Elbrus wird auch « kleine Antarktis » genannt, weil seine Flanken von mehr als 70 Gletschern bedeckt sind, deren Eisschicht an gewissen Stellen mehrere hundert Meter dick sind.

Das Massiv kann zwar von allen Seiten bestiegen werden, aber die vielen Spalten, die Höhe und die plötzlichen Wetterumstürze, kombiniert mit extremer Kälte, hielten die Menschen lange Zeit vom Berg fern. Nach der Legende war der Elbrus das Refugium der Götter. Hier kettete der wutentbrannte Zeus Prometheus, der das Feuer gestohlen hatte, an den Felsen und überliess ihn den Geiern. Erst am 1O. Juli 1829 wurde der Gipfel erstmals von einem Menschen, nämlich dem Russen Khaschirow, betreten. Er war der Leiter einer militärisch-wissen-schaftlichen Expedition. Mit seiner Premiere markierte Khaschirow den Beginn des Alpinismus in Russland.

Der Westgipfel wurde 1868 von einer englischen Expedition erstbestiegen, und die Doublette schliesslich, die Besteigung beider Gipfel, gelang zwei Schweizern: Gugi und De Remy im Jahr 1910 am gleichen Tag.

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