Rosenhorn-Nordflanke
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Rosenhorn-Nordflanke

Hinweis: Dieser Artikel ist nur in einer Sprache verfügbar. In der Vergangenheit wurden die Jahresbücher nicht übersetzt.

Von Ernst Reiss

Mit 1 Bild ( 130).Unterbach, Sektion Davos ).

27. Juli 1942. Was mochten meine Zehnzacker wohl denken, als ich sie so spät aus ihrem Winterschlaf aufschreckte? Es war in den Bündner Bergen, wo wir das letzte Mal zusammen im Eis standen, und morgen gilt es dem Rosenhorn in der Wetterhorngruppe.

Schon als ich mich im Frühjahr in diesem Gebiet aufhielt, glaubte ich in jener Nordflanke einen interessanten, ja vielleicht einen neuen Pfad zu finden. Mein Meiringer Seilgefährte, Alfred Zürcher, wollte mich auf dieser Neufahrt begleiten.

Dossenhütte. Bereits zum zweitenmal gräbt mich Fred aus meinen warmen Wolldecken hervor und lädt mich zum Morgenessen ein. « Zeit genug! », erkläre ich, indem ich durch das Hüttenfenster in die schwarze Nacht blicke. Kalt, gleich einer Silhouette zeichnen sich die Wellhörner vom Dunkel des matten Sternenhimmels ab. Bald aber ahnt man in der grauen Wolkenbank des Ostens das erste Licht.

Die sechste Morgenstunde ist überschritten, als wir durch den hartgefrorenen Firnhang dem Dossenhornsattel zustreben. Eben stösst der feurig rote Sonnenball durch das Gewölk über dem Titlismassiv in den freien Himmel. Bevor wir den jenseitigen Schattenhang betreten, grüssen wir noch die felsdurchsetzte Eisflanke unseres Berges, das heutige Ziel.

iOR>-NORDFLANKE.

Auf dem ausgedehnten Plateau des Rosenlauigletschers überholen wir eine Seilschaft, um dann gleich links du ch den Eisbruch gegen das Rosenhorn abzubiegen. Wenig unterhalb der Wandrandspalte gibt es eine letzte Rast. Nach einer kurzen Besprechung folgt das Ausrüsten. Wie immer ist es das schönste, bevor wir mit unseren friedlichen Waffen in den Kampf mit dem Element treten dürfen.

Etwa hundert Meter links der Gipfelfallinie übersteigen wir auf der einzigen, schmalen Schneebrücke die Randkluft, um dann schnell wieder in die direkte Mittelzone zu gelangen. Nur mit grösster Vorsicht, Seillänge um Seillänge, jedoch ohne Stufen, können wir bei diesem starken Neigungswinkel rittlings über das verfirnte Eis vordringen.

Schon bevor wir die zweite Eisrinne rechts der auslaufenden Felspartie des Nordostkammes erreichen, verlangt Fred die Führung. Nach zwei steilen Kehren gelangen wir so an den linken Rand der schwach ausgeprägten Felsrippe. Wir ziehen es vor, hier in dem wenigen Fels vorwärts zu kommen; denn bis jetzt war die Arbeit für die abgewinkelten Fussgelenke schmerzhaft.

Nun kommt die Frage, wollen wir uns hier einen Pfad zur Linken im Gneis und Schnee suchen, oder können wir die totale Fallirne beibehalten Ich wähle rechts, in der Annahme, den Eiskamm in der Wandmitte zu be- treten. Oft muss ich mit den Fingerspitzen die Eislippen hinter den Felsgriffen eindrücken und mit dem Pickel Stufen schlagen und Wühlarbeit leisten. Ein kleiner Felsüberhang wehrt uns den Austritt auf das Eis. Gut gesichert lässt sich dieses Hindernis aber übersteigen. Grün schimmert der Eiskamm mit seiner steilen Neigung :u uns herüber. Schon lange wollten wir ihn durch einen Quergang nach rechts erreichen, doch immer wieder werden wir nach oben gedrängt. Jetzt aber müssen wir mit dieser ausgesetzten Stufenreihe beginnen. Lustig Springer und klirren die Splitter aus dem blanken Eis in den Rachen der steilen Eiskehle, während Fred das Doppelseil frei durch die Hände laufen lässt. Wie ich einmal einen Augenblick das Gleichgewicht verliere, durchläuft mich ein kalter Schauer. Nein, wir dürfen die zwei einzigen Haken, die wir besitzen, noch nicht gebrauchen.

Wir sind nun wieder im Bereich der Sonne; aber die fortgeschrittene Mittagsstunde und das heftige Wolkentreiben verlangen unaufhörliches Vorwärtsdrängen. An wenigen Metern vor dem Eisgrat verlieren wir infolge der schlechten Schichtung des hervortretenden Felses neuerdings kostbare Zeit.

Fast glaubten wir, das Schwerste überwunden zu haben, als wir erst jetzt auf glasigem Eis unseren Irrtum erkennen. Die Spitzhaue meines Pickels ist stark abgebogen, und der Schaufelseite sind beide Ecken ausgebrochen. Das Unwetter eilt. Es droht die blasse Sonnenscheibe bald ganz zu verdecken. Nun beginnt ein hartes Ringen; denn wir wollen die Sieger bleiben! Tanzend fliehen die Eissplitter aus meinen Stufen. Die Zeit eilt. Matt lasse ich meinen Arm zur Seite fallen. Was sagt mir aber ein Blick in die Tiefe? Das blaugefrorene Gesicht von Fred ist von Blut überronnen. Wortlos richtet sich sein Blick auf mich. Fast stammle ich Worte der Ent- :A:li.,r...„ schuldigung, doch Fred weiss, worum es geht: diesen Splitterregen muss ich über ihn niedergehen lassen. Die Stufen stehen nun derart weit auseinander, dass mein Seilgefährte mit der Hand zum Spreizschritt nachhelfen muss. Fünf Seillängen halten uns in atemloser Arbeit, bevor wir in die nahen Gipfelfelsen steigen können. Neben einen festgefrorenen Stein treibe ich einen Eishaken ein, den ich mühsam unter dem Arm hinweg dem Rucksack entriss. Die ersten Windstösse treiben über die Wand hinweg. Mich dauert der wartende Fred, während mir fast der Schweiss auf die Stime tritt. Der zweite Eishaken dringt langsam neben meiner Standstufe in die glasige Wand. Wir müssen durch, obwohl schon einige Schneeflocken herumjagen. Mit dem Auftreten der ersten Nebelfetzen sind die Felsen etwa achtzig Meter unter dem Gipfel erreicht. Erleichtert schaffen wir die letzten Seillängen.

Da steht er nun, der einsame Wächter, der Gipfelsteinmann, zu dem wir nun bald siebeneinhalb Stunden ohne Unterbruch emporstrebten.

Ein harter Händedruck. Es ist gelungen! Noch bevor wir das gefrorene Seil zur Seite legen können, bricht mit heftigen Windstössen der Schneesturm los, um unsere Spur zu verwischen.

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