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Mit leichter Hand Mit Ji-Young Demol Park bei den Gastlosen

Die südkoreanische Künstlerin Ji-Young Demol Park findet in den Alpen endlose Inspiration. Sie hat uns mit ihren Rohrfedern und Pinseln auf eine anregende Wanderung zu den Gastlosen mitgenommen.

Nur die beiden Pinsel, die aus ihrem Rucksack ragen, sind etwas ungewöhnlich, ansonsten unterscheidet sich Ji-Young Demol Park nicht von einer normalen Wanderin. Ausser vielleicht, dass sie etwas häufiger stehen bleibt. Aber nicht etwa für einen schnellen Imbiss, sondern um die Berge zu skizzieren. Für eine Zeichnung der Gastlosen, dieser Bergkette, die sie heute entdeckt, braucht sie nicht viel länger als für das Essen eines Getreideriegels.

Im braunen Gras des Spätfrühlings stehend, mit dem Skizzenbuch in der einen und einem schwarzen Stift in der anderen Hand: So fängt die Künstlerin in wenigen Minuten die Silhouette der berühmten Freiburger Bergkette ein. «Die Kammlinie ist das Elektrokardiogramm des Bergs, es geht auf und ab, wie das Leben», sagt sie, während sie das Skizzenbuch zwischen Rucksack und Rücken schiebt und wieder aufbricht. «Das ist nicht ideal, so habe ich schon mehrere Skizzenbücher verloren», lacht die Südkoreanerin, die durch Heirat die französische Staatsbürgerschaft erworben hat.

Endlose Inspiration

Seit rund zehn Jahren gehören die Wanderschuhe zur Grundausstattung der Künstlerin, wie ihre Pinsel. Die Alpen sind ihr bevorzugtes Sujet. Jede Woche unternimmt sie Wanderungen, manchmal biwakiert sie auch, immer auf der Suche nach einem neuen Blickwinkel. «Die Form der Berge ist unendlich variantenreich, das Licht, die Reflexe, die Schatten, alles ändert sich ständig - ich finde hier endlose Inspiration», schwärmt sie, während wir zu einem Aussichtspunkt gehen, von dem aus sich ein Blick auf die Wand der Gastlosen auftut.

Der Weg führt durch ein Stück Wald, das sehr mitgenommen aussieht. «Auch Bäume finde ich mit ihren verschiedenen Formen sehr faszinierend», erklärt sie, während sie wieder das Skizzenbuch und den Stift zückt, um einen der verwachsenen Nadelbäume zu skizzieren. «Dieser hier spricht mich an. Er ist besonders dünn und schlicht, er wächst gerade hinauf und sieht gleichzeitig jung und tot aus.» Drei Minuten später ist das Skizzenbuch in ihrem Rücken um eine filigrane Zeichnung reicher, und die junge Fünfzigjährige marschiert weiter. «Pardon», entschuldigt sie sich bei den Krokussen, deren Ruhe sie mit ihren Stöcken stört.

In ihrer Familie erzählt man, dass Ji-Young mit einem Bleistift in der Hand geboren wurde. Als kleines Mädchen verbrachte sie die Tage damit, Illustrationen aus Kinderbüchern abzuzeichnen, noch bevor sie lesen konnte. Ein Vierteljahrhundert später, mit ihrem Abschluss in westlicher Kunst in der Tasche, verliess die junge Zeichenlehrerin Korea und ging für ein Sabbatical nach Europa, «um die Kunstwerke in natura zu sehen», die sie aus Büchern kannte.

Sie blieb, um zuerst in Annecy und danach in Genf ein Nachdiplomstudium zu absolvieren. Dabei begegnete sie ihrem Mann, der ebenfalls Künstler ist. Damals beschäftigte sie sich mit Videokunst und Fotografie, aber ihre drei Töchter führten zu einer «Wende in ihrem persönlichen und künstlerischen Leben». Als junge Mutter griff sie wieder zum Skizzenbuch und begann zu zeichnen, während die Kleinen spielten. Badende am See, die Ufer des Genfersees, dann, als ihre Töchter Skifahren lernten, die Berge vom Restaurant aus, am Rand der Pisten.

Heute widmet sich Ji-Young Demol Park der Malerei und dem Zeichnen. «Ich habe wieder zu den traditionellen Mitteln gegriffen, weil ich ihre Ehrlichkeit liebe.» Tusche in Lasurtechnik auf Papier; dabei wird nur eine einzige Farbe verwendet, die mehr oder weniger verdünnt aufgetragen wird, um verschiedene Intensitäten zu erzielen. Diese Technik sei einerseits beruhigend und anderseits schwer zu beherrschen. «Aber das gefällt mir», sagt Ji-Young Demol Park, die den Akzent ihrer Heimat auch an ihrem Wohnort in Hochsavoyen nicht verloren hat.Der Aussichtspunkt mit Blick auf die Gastlosen scheint perfekt. Kaum hat Ji-Young einen Schluck Wasser getrunken, packt sie schon ihren «Werkzeugkasten» aus. Sie setzt sich auf ein kleines Sitzkissen, klemmt den Rucksack zwischen die Beine, füllt einige Schalen mit Wasser aus ihrer Trinkflasche und öffnet zwei alte Hustensirupflaschen, in denen sie die Tusche dabeihat. «Alle Behälter sind undicht, ausser die für Medikamente», schmunzelt sie. «Die sind zwar nicht so chic wie die schönen Tuschegläser, aber so ist es eben!» Einige frühsommerliche Fliegen stören die vollkommene Stille um uns. «Windstille, das ist perfekt. Los gehts!», spornt sich Ji-Young an, während sie den grossformatigen Papierbogen auf ihren Knien ausrollt.

Der Aussichtspunkt mit Blick auf die Gastlosen scheint perfekt. Kaum hat Ji-Young einen Schluck Wasser getrunken, packt sie schon ihren «Werkzeugkasten» aus. Sie setzt sich auf ein kleines Sitzkissen, klemmt den Rucksack zwischen die Beine, füllt einige Schalen mit Wasser aus ihrer Trinkflasche und öffnet zwei alte Hustensirupflaschen, in denen sie die Tusche dabeihat. «Alle Behälter sind undicht, ausser die für Medikamente», schmunzelt sie. «Die sind zwar nicht so chic wie die schönen Tuschegläser, aber so ist es eben!» Einige frühsommerliche Fliegen stören die vollkommene Stille um uns. «Windstille, das ist perfekt. Los gehts!», spornt sich Ji-Young an, während sie den grossformatigen Papierbogen auf ihren Knien ausrollt.

Zeichnen, um sich die Landschaft anzueignen

Drei Pinselstriche und einige Züge mit der Rohrfeder - einem Stück zugeschnittenem Schilfrohr - genügen, damit die ersten Zacken der Gastlosen auf dem Papier Gestalt annehmen. «Ich trage Wasser und Tinte aufs Papier auf, und nach und nach entstehen Formen, Umrisse, etwa so, wie wenn man ein Foto in der Dunkelkammer entwickelt», sagt die Künstlerin. «Das Wasser und das Papier lassen die Tusche zerfliessen, während die Rohrfeder ein bisschen kratzt und klare, kräftige Linien zieht.» Und wie immer, wenn ein Virtuosin an der Arbeit ist, geschieht alles mit unglaublicher Leichtigkeit.

Ein Marienkäfer taucht auf, um das Panorama zu erkunden, das da auf dem Papier entsteht. «Die Berge zu zeichnen, das ist meine Art, sie mir anzueignen», erklärt Ji-Young, die während der Arbeit durchaus redselig ist. «Wenn alle ihren Zugang auf ihre Art finden, sind die Berge geschützt», fährt die Künstlerin fort und erklärt, dass sie die Kletterer und Bergsteiger bewundere und ihre «Art, die Berge zu würdigen».

Geteilte Schönheit

Ji-Young ist weder Bergführerin noch Naturforscherin, doch auch sie ist manchmal eine Botschafterin für die Bergwelt. «Manche Leute erzählen mir, dass sie eine Landschaft schon tausendmal betrachtet haben, aber erst über sie zu staunen begannen, als sie diese in einer meiner Zeichnungen gesehen haben. Dann ist meine Mission erfüllt!»

Eine Wolke taucht bei den Gipfeln auf. «Warte, warte noch», fleht Ji-Young. Geduldig zeichnet sie die letzten Flanken der Gastlosen fertig, dann legt sie ihr Werk ins Gras, während uns von unten eine Gämse beäugt. «Voilà, es kann trocknen, und ich esse jetzt etwas», ruft sie und zieht ein vakuumverpacktes Sandwich aus dem Rucksack. «Normalerweise mache ich mir Gimbap, eine Art koreanisches Sushi, aber heute hatte ich keine Zeit dazu.»

Zwischen zwei Bissen erzählt sie, dass sie davon träumt, im Engadin zu malen und ein Reisebuch über Südkorea zu realisieren, dass sie ihre Töchter nicht zu einer künstlerischen Karriere ermutige, die oft sehr beschwerlich sei, und sie schwört, dass sie keinen Lieblingsberg habe, denn sie verliebe sich regelmässig in neue Gipfel.

Ji-Young ist nicht zu bremsen, wieder holt sie das Skizzenbuch hervor, um eine letzte Skizze der Gratlinie zu machen. Und auch diese führt sie in zwei Minuten völlig perfekt aus. «Gehen wir, sonst tut uns noch der Hintern weh!» Sie rollt ihren grossformatigen Papierbogen auf, der auf dem Boden getrocknet ist. Vielleicht wird er bald in einer ausgewählten Galerie zu sehen sein und dem einen oder anderen Betrachter, der die Bergkette seit Jahren kennt, ohne sie wirklich zu beachten, die Schönheit der Gastlosen offenbaren.

Wo sind ihre Arbeiten zu sehen?

Ji-Young Demol Park stellt ihre Arbeiten derzeit bis zum 28. November im Musée Hébert in La Tronche bei Grenoble aus. Auch in der Schweiz kann das Publikum ihre Werke entdecken: Für 2023 sind Ausstellungen in Carouge, Montreux und Morges geplant.

Weitere Informationen: www.jiyoungdemolpark.com

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