Klettern über Kulturgrenzen hinweg. Klettern schafft Vertrauen
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Klettern über Kulturgrenzen hinweg. Klettern schafft Vertrauen

Klettern über Kulturgrenzen hinweg

Gemeinsam am selben Seil hängen – diese Erfahrung hat jugendliche Asyl-suchende und Schweizer Jugendliche einander näher gebracht. Ermöglicht hat dies eine interkulturelle Begeg-nungswoche der besonderen Art.

Sie hatten sich vorher noch nie gesehen: Shaban aus dem Irak, Ilyas aus Algerien, Dorothee und Samuel aus der Schweiz. Zusammen mit über 20 weiteren Personen aus zehn Nationen wohnten sie für eine Woche im altehrwürdigen Stock-alperturm gleich unterhalb der Simplon-Passhöhe. Sechzehn waren junge Asyl-suchende, die anderen – neben der Lei-tungscrew – Schweizer Jugendliche. Die Idee zu diesem neuartigen Lagerprojekt stammte von Annamarie Würms, Leiterin eines Durchgangszentrums von Caritas Schweiz.. " " .Ihr Ziel:Vorurteile und Fremdenangst abbauen und gleichzeitig jugendlichen, unbegleiteten Asylsuchen-den einen Unterbruch in ihrem oftmals belastenden Alltag im Durchgangszent-rum ermöglichen mit Spiel, Plausch und – Klettern.

Vertrauen... Sorgfältig übt eine Dreiergruppe den gesteckten Achter, während die andere Dreiergruppe die ersten Schritte mit den Kletterfinken unternimmt. Unglaublich, wie grazil sich Joyce die Granitplatten hinaufbewegt. Trotz ihrer Körperfülle trippelt sie behände nach oben, als wäre sie mit dem Fels verwachsen. Dabei hat die junge Frau aus dem Sudan hier auf dem Simplon zum ersten Mal Berge gesehen. Ilyas aus Algerien staunt, ebenso Samuel, der Gymnasiast aus der Innerschweiz. Ihre Versuche, Joyce nachzufolgen, sind eher ungelenk. Nur langsam fassen sie Vertrauen zum Fels, zur Haftung ihrer profillosen Schuhsohlen. Gruppenwechsel. Diesmal geht es darum, die Kollegin oder den Kollegen

auf der ersten Route zu sichern. Die Gruppenzusammensetzung wird durch die verfügbaren Kletterfinken bestimmt. Aber diesmal ist es mehr als ein Spiel. Es geht darum, am selben Seil zu hängen. Der Respekt ist gross, die Konzentration auch. Obwohl gut überwacht, spüren die Teilnehmenden die Verantwortung füreinander. Vor allem das Abseilen wird für viele zur Mutprobe. Der Technik und dem Kletterpartner oder der Kletterpartnerin einen Vertrauensvorschuss geben, sich nicht mehr halten, nur in den Sitzgurt liegen und in die Tiefe gleiten – ein sonderbares Gefühl! Schöne Bilder prägen das Geschehen: Schweiz sichert Algerien, Kosovo kontrolliert den Knoten von Schweiz, Schweiz lässt sich von Angola hinunterseilen. Zum Schluss ein Boulderproblem im siebten Schwierigkeitsgrad: Der Sieger kommt aus Sierra Leone.

... Toleranz... Einen Hochseilakt der anderen Art erlebt die Gruppe an den Abenden. Dann stellen die Teilnehmenden ihr Heimatland vor, nachdem sie für die ganze Gruppe ein Gericht aus ihrem Land zubereitet haben. Jeder und jede steht in dieser Woche also einmal vor der Gruppe, mit seiner oder ihrer Geschichte, und gibt Auskunft, die einen auf Deutsch, andere auf Französisch oder Englisch. Im Raum ist es still, alle versuchen zu verstehen, nehmen jede Regung wahr. Behutsam lotet die Gruppe aus, was gefragt werden kann und darf. Wo nötig, wird übersetzt, das meiste versteht die Gruppe jedoch auch ohne Worte.

... und gemeinsames Erleben Trotz der langen Abende melden sich vier Teilnehmende für die Sonnenauf-gangstour aufs Magehorn. Um vier Uhr ziehen wir los. Die Grenzen verwischen sich vollends in der Dunkelheit – die topografischen, aber auch die nationalen Grenzen. Shaban aus dem Irak springt übermütig von Felsblock zu Felsblock. Er erinnert sich an sein Zuhause in den Bergen Kurdistans, wo er als Kind die Ziegen seines Onkels gehütet hatte. Momente der Heiterkeit dann auch auf dem Gipfel beim Sonnenaufgang. Und ein tiefes Gefühl der Verbundenheit mit der Natur und auch untereinander. « Beim gemeinsamen Wandern ergaben sich oft gute Gespräche mit Menschen, die ich sonst nie kennen gelernt hätte. Es war ein wundervolles Erlebnis, mit Menschen aus so vielen verschiedenen Nationen und Kulturen eine Woche lang zu-sammenzuleben », wird Désirée Peter aus Merlischachen SZ nach dieser Begeg-nungswoche schreiben. Auch Ilyas ist glücklich über diese gemeinsame Erfahrung: « Bei der Besammlung sah ich viel mehr junge Schweizer, als ich erwartete. Ich dachte, dass sie unter sich bleiben würden. Das Gegenteil war der Fall: Wir machten so schnell Bekanntschaft wie mit neuen Kollegen zu Hause in Algerien. » 1 a

David Coulin, Horw 1 Vom 4. bis 11. August 2004 findet die zweite Begegnungswoche statt, diesmal in Kandersteg. Wer zwischen 17 und 22 Jahren hat Lust, an diesem interkulturellen Lager vor der eigenen Haustüre teilzunehmen? Informationen und Teilnahmebedingungen beim Autor, Tel. 041 340 17 11, E-Mail alibaba(at)freesurf.ch Bereits das Anseilen bringt die Kulturen einander näher. Ilyas aus Algerien. Im Hintergrund Monte Leone und Wasenhorn Gemeinsam am selben Seil: Sichern ist Vertrauenssache – unabhängig von der Nationalität.

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