J. L. Brandstetter: Die Namen der Bäume und Sträuche in Ortsnamen der deutschen Schweiz
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J. L. Brandstetter: Die Namen der Bäume und Sträuche in Ortsnamen der deutschen Schweiz

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Dr. A. Kubier: Berg- und Flurnamen der Gemeinde Chamonix, gesammelt und erklärt. Ein Beitrag zur Kenntnis des Frankoprovenzalischen. Programm des k. humanistischen Gymnasiums in Münnerstadt für das Schuljahr 1900/01. Münnerstadt 1901.

Das Schulprogramm des bekannten Luzerner Erziehungsrates beschäftigt sich, wie sein Titel erwarten läßt, nur ausnahmsweise mit dem Hochgebirge; immerhin reichen doch einige in demselben besprochene Namen in diese Region, soweit sie dauernd bewohnt ist, hinauf, und anderseits empfiehlt sich die Lektüre der Schrift und ihre Benutzung für die Toponomasie der Schweizeralpen durch die Klarheit und Sicherhit der darin befolgten wissenschaftlichen Methode. In der Anleitung wird mit Recht hervorgehoben, daß solche Untersuchungen über die Orts- und Flurnamen nicht nur der ( deutschen ) Sprachforschung im allgemeinen, sondern auch der Dialektkunde zu gute kommen, den Botaniker interessieren und der Pflanzengeographie willkommen sein dürften und schließlich auch für die Kulturgeschichte von Wichtigkeit sind. Auch nichtdeutsche Gebiete der Schweiz werden zur Vergleichung herangezogen; leider fehlten dem Verfasser für diese Gegenden möglichst vollständige Ortsverzeichnisse, besonders für den Kanton Graubünden. Für die deutschen Teile hat Brandstetter etwa 100,000 Namen von im topographischen Atlas vorkommenden Orts- und Flurnamen in 5 Manuskriptbänden zusammengestellt, arbeitet also mit einem reichen Material und, da er ein tüchtiger Linguist, speziell Germanist ist, kann man sich auf seine etymologischen Deutungen verlassen. Interessieren wird unsere Leser, daß es ein Kriesihorn 2530 in südöstlich von Mörel gibt, in einer Höhe also, wo man keine Kirschbäume mehr erwartet. Aber zu Thomas Platters Zeit gab es ja in Mörel noch Reben ( siehe Jahrbuch S.A.C. XXIX, pag. 352 ). Von einer Varietät des Kirschbaums, dem spanischen Weichsel, rom. Amarell, ist Brandstetter geneigt Ammerten im Lauterbrunnental abzuleiten, ebenso Ammeren bei Blizingen im Wallis. Unmöglich ist das nicht. Am ersteren Ort soll nach der Sage einst eine volkreiche Stadt gestanden haben, und solange der Bergbau dort blühte, war auch die Besiedlung wohl stärker; jetzt wachsen meines Wissens keine Weichsel- oder andere Kirschen mehr dort. Dagegen bezweifle ich die Ableitung von Öschinen ( See und Alp im Kandertal ) von der Esche. Dieser Baum geht, heutzutage wenigstens, nicht so hoch hinauf und in der gleichen Gegend gibt es auch ein Üschinentälchen, das in seinem obern Teil vergletschert ist. Am höchsten hinauf reichen die Namen, die mit Erle, Drösle ( alnus viridis ), Tanne, Föhre oder Dähle ( pinus silvestris ) zusammengesetzt sind, z.B. Drusberg ( 2283 m ) im Muototal. I6h habe Herrn B. schriftlich auch auf einige Belege im Saastal aufmerksam gemacht, wie Erlisgasse, Tanmatten, auch Antanmatten ( Personenname ), Purrwald ( Furrer, Personenname in den Vispertälern ), über die man in meinem Führer für Saas-Fee und Umgebung ( siehe oben, pag. 392 ) das Nähere findet. Für Eisten im Saastal ( und ähnliche Orte ) lehnt B. mit Recht die Deutung von J. Studer auf Heister = Buche ab und bezieht es auf ahd. awist, ewist, aust = Schafstall. Eisten und Fee hätten also etymologisch den gleichen Ursprung, das erstere in deutschem, das letztere in romanischem Munde. Das Studium dieses Programms kann also auch Alpinisten, die sich für Land und Leute, Ortschaft und Pflanzen der Alpentäler zu interessieren vermögen, bestens empfohlen werden.

Vor unvorsichtigem Gebrauch des Programms von Dr. Kubier habe ich im letzten Jahrbuch, pag. 387, gelegentlich seiner Empfehlung durch Dr. H. Modlmayr in den M. D. Ö.A.V. warnen zu sollen geglaubt. Es ist mir das sehr übel genommen und ich bin von diesen beiden Seiten herausgefordert worden, meinen „ kategorischen Ton ", wie man es nannte, zu begründen. Ich tue das also jetzt nachträglich, weil es sich prinzipiell der Mühe lohnt, irrige Behauptungen auf dem Felde alpiner Namens-deutung nicht auf sich beruhen zu lassen, uud weil sowohl Dr. Kubier als Dr. Modlmayr das Programm der Beachtung nichtfachmännischer, alpiner Kreise ausdrücklich und wiederholt empfehlen. Zunächst möchte ich konstatieren, daß ich gegen die linguistische Grundlage des Programms mich nicht ausgesprochen habe, mich auch jetzt darüber nicht aussprechen will, weil das nicht in dieses Jahrbuch gehört. Sie ist ja auch im ganzen und großen richtig und die Arbeit als „ Beitrag zur Kenntnis des Frankoprovenzalischen " verdienstlich. Aber alpine Kreise und besonders diejenigen unter uns, die sich mit der Geschichte der Alpen und damit auch der alpinen Namen beschäftigen, gewinnen nichts dabei, wenn offenbar falsche Volksetymologien in die wissenschaftliche Deutung von Patoisnamen als gleichwertig eingestreut werden, und das, was uns Bücher von Leuten, wie H. B. de Saussure, lehren, hochmütig beiseite geschoben wird ( M. D. Ö.A.V. 1902, pag. 260 ), weil „ meist keine Einheimischen darin berichten, sondern Reisende, die, aus der Ferne kommend, sich nur selten um Volksüberlieferung und Patois bekümmern ". Hätte Dr. Kubier diese Literatur und auch das Cartulaire von Chamonix zur Vergleichung herangezogen, was die wissenschaftliche Methode des Kontrollbeweises absolut verlangt, so hätte er eine Reihe von Fehlern nicht begangen und die „ Neugierde des Alpenwanderers " nicht mit falschen Rätsellösungen befriedigt, was schlimmer ist, als sie unbefriedigt zu lassen. Nebenbei würden ihm diese alte Flurnamen geboten haben wie Pechleray ( Paiclerais auf der Karte von Martel ), die jetzt im Verzeichnis fehlen. Methodisch wäre es auch richtig gewesen, von den einheimischen Namen der Gipfel, Alpen und Pässe diejenigen scharf zu trennen, die durch den Fremdenverkehr und die Besteigungen, also von außen, eingedrungen sind. Auch hier wieder hätte die Literatur Aufschluß gegeben und vor Miß-griffen bewahrt. Nun zu diesen kritischen Bemerkungen einige Belege, die ich größtenteils meinem Freunde Mr. Coolidge verdanke.

Kubier, pag. 14: „ Aiguille à Bochard erinnert an die cham. Familie Bochard. " Das ist richtig, erklärt aber nicht, wie die Familie zu der Aiguille gekommen ist, die doch nicht ihr gehörte. Die frühesten Erwähnungen sind nach Coolidge ( siehe oben, pag. 264 ) bei Bourrit und Saussure 1785 und Berthout van Berchem 1790. Aus dieser Zeit stammt also wohl auch die Benamung und ist vielleicht auf Familienbesitz am Fuß der Aiguille zu deuten. Pag. 16: Argentière wird auf Argentana = Silberbergwerk gedeutet. Argentarium bedeutet im Ml. überhaupt Minen, auch Gold- oder Bleiminen ( siehe meinen obgenannten Führer, pag. 36 ). Pag. 26: „ Dôme du Goûté = Kuppel des Vesperbrotes. " Das kann man wissen, ohne Patoisforscher zu sein. Interessant wäre aber eine Hinweisung gewesen, warum die Chamoniarden den Gipfel so nennen, und eine Bemerkung über die Orthographie. Beides hat nun Herr Coolidge besorgt. Pag. 27: „ Les Bosses du Dromadaire ( 4654 indieser Name erklärt sich aus der Form des Berges. " Unstreitig, aber die Sache ist doch nicht so einfach, weder in bezug auf die Höhe noch auf den Ursprung des Namens, der sicherlich von auswärts kommt, vielleicht von Bourrit 1785. Pag. 29: Daß die „ Aiguille de Charmozzu and. Gamuz, Gemse und fr. chamois — nicht zu tsarmo = charme gehöre, glaube ich Herrn Kubier erst, wenn er mir beweist, daß das r nicht stammhaft und der Name der Aiguille nicht, wie sonst fast immer, von einem Ort am Fuß des Gipfels oder von einer Verbildlichung herrührt. Pag. 29: „ Aiguille du Géant; sie wurde nach dem Führer Cachât benannt, der wegen seiner großartigen alpinen Leistungen im Volksmunde den Beinamen ,le Géant'bekam. " Und bei dieser These ist Herr Kubier ( M. D. Ö.A.V. 1902, pag. 260 ) geblieben, nachdem ihm nachgewiesen war, daß die Aiguille du Géant seit 1773 unter diesem Namen bekannt ist, daß Bourrit 1791 vom Col du Géant ausdrücklich sagt: Cette route a été rouverte depuis peu de temps ( se. 1787 ) par le courage du guide Michel Cachât à qui le surnom de Géant est resté pour avoir tournée l' Aiguille connue sous ce nom, daß auch Saussure seine Umtaufe 1796 damit motiviert, daß der Col du Géant von einer „ Cime " dieses Namens dominiert werde, der nämlichen, die er 1779 Mont Mallet ou Géant nennt. Wie man bei solcher Sachlage noch meinen kann, der Berg habe seinen Namen von dem Führer und nicht umgekehrt, das geht über meinen Horizont. Dazu kommt, daß solche Übernamen in Chamonix seit alter Zeit gebräuchlich sind. Saussure nennt mehrere seiner Führer so, und Bourrit zählt sie 1791 auf, wie folgt: Lombard, dit le Grand Jorasse; Jaques Balmat ou Mont-Blanc, parce qu' il est le premier qui est parvenu sur ce mont; Jaques Balmat, dit des Dames; Jean Michel Cachât, dit le Géant; Tournier, dit l' Oiseau; Chariot Charlet, dit Mercure; Pierre Cachât des Pras, dit l' Aiguille; Carrier, dit le Bouquet; Jean Louis Devouassou, le Professeur et le Baron du Montanvert. Pag. 31: „ Col des Hirondelles; diese Paßhöhe ist so schwierig zu erreichen, daß man früher glaubte, nur den Schwalben sei dies möglich, daher der Name.a Der Name wurde von Mr. ( jetzt Sir ) L. Stephen dem Paß gegeben, weil er bei seiner ersten Überschreitung auf demselben eine tote Schwalbe fand ( siehe Alpine Journal VI, pag. 358 ). Pag. 32 und 37: Die Zurück- Redaktion.

führung des Namens „ Glacier de Pierre Joseph " auf lateinisch Petrus und Josephus wäre kaum nötig gewesen; den alpinen Leser hätte mehr interessiert, zu erfahren, was man sich in Chamonix von diesem Pierre Joseph erzählt. Pag. 34 wird Mont Maudit richtig mit maledictus gedeutet, aber pag\ 48 wird gesagt: „ Mont Mallet; Mallet ist Personenname. " Mont Malay oder Mallet ist ursprünglich der in Courmayeur gebräuchliche Name für den Géant ( siehe Jahrbuch XXXVII, pag. 249 und 262 ). Pag. 40 wird le Rognon nicht auf renio, Niere, sondern auf „ rogner ", zerklüften, zurückgeführt. Das wäre besser bei der Aiguille de la Rogne, die K. nicht erwähnt, angebracht worden, während bei les Rognons ( sic ) schon die Pluralform und die späte Erwähnung auf Volksetymologie und Namengebung im Fremdenverkehr zu deuten scheint. Das nämliche gilt mutatis mutandis auch von pag. 52: „ Les Grands Mulets ". In der Literatur hätte K. neben „ Jardin ", pag. 29, auch „ Courtil " für die nämliche Örtlichkeit, im Cartulaire wegleitende Formen für „ Brévent ", pag. 52, Burivina und für „ Bossons ", pag. 20, lu Beyssum gefunden, überhaupt manche von ihm nicht erwähnte Flurnamen. Das Gesagte wird genügen, um mein Urteil, daß ich in dem Programm nicht alles gefunden habe, was es verspricht, zu erhärten. Zum Schluß will ich noch bemerken, daß auch Küblers Deutung von Chamouny = campus molinarius mir nicht einleuchten will und daß „ campus munitus " eben nicht als „ Champ fortifié ", pag. 51, gemeint war, sondern, ähnlich wie Praborgne, eine von hohen Bergen eingeschlossene Ebene. Chamonix ist freilich eine unsinnige Schreibung, aber schon ziemlich alt.

Redaktion.

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