Horizontal ist die neue Vertikale Durchquerung der Siggenthaler Flue
Eine Traversierung der Siggenthaler Flue? Schnapsidee, denken viele. Doch die Aktion wird Cédric Würsten und Erik Zubler vom SAC Brugg in Erinnerung bleiben. Schliesslich klettert man nicht jeden Tag seitwärts statt in die Höhe, rettet dabei auch noch einen Gleitschirmflieger aus der Misere und kämpft mit Polizisten.
Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute doch so nah liegt? Das müssen sich Erik Zubler und Cédric Würsten vom SAC Brugg gedacht haben, als sie nach einer Tour für die Aktion «150 Seile» von Mammut gesucht haben (siehe Box). Und was liegt ihnen näher als die Siggenthaler Flue? Der kleine Klettergarten ist nur sieben Autominuten von Brugg entfernt. Um dem Projekt die nötige Würze zu verleihen, wollten die zwei Kletterbegeisterten die Wand für einmal nicht vertikal, sondern horizontal erklettern. «Uns schwebte eine zweitägige Traversierung mit Biwak in der Wand vor», erzählt der 22-jährige JO-Leiter Cédric Würsten. Die Schnapsidee war geboren, wurde auf Papier gebracht, eingeschickt und überzeugte schliesslich die Jury von Mammut und dem SAC.
Diebe am Werk?
Drei Monate später, Anfang Juli, standen Würsten und Zubler auf dem Parkplatz beim Klettergarten. Rekognoszieren stand auf dem Programm. Vor den beiden lag ein Berg brandneuer Mammut-Seile, ein Haufen Keile, Friends und das Biwakmaterial. Hinter ihnen stand ein Polizist. Die noch original verpackte Ware hatte die Aufmerksamkeit des Ordnungshüters geweckt. Waren da etwa Diebe am Werk? Oder wie sonst kommen sechs teure Kletterseile auf diesen Parkplatz? «Erst nachdem wir ihm die ganze Aktion erklärt hatten, fuhr er beruhigt wieder davon», so Würsten.
Noch nicht einmal einen Fuss am Felsen und schon die erste Aufregung. «Das kann ja heiter werden», dachten sich die beiden. Sie machten sich daran einzusteigen. Der Plan war simpel: 10 bis 15 Meter an einer bestehenden Route in die Höhe klettern und dabei zur Sicherung auch die Haken benutzen. Danach mithilfe von Cliffs quer einem Felsband entlangklettern. Doch schon nach wenigen Metern Querung geriet Vorsteiger Würsten in die erste brenzlige Situation: Ein Brocken löste sich vom Fels – und der 22-Jährige flog gleich mit. «Der Kalk ist an einigen Stellen etwas brüchig – zum Glück passierte nichts», erzählt er.
Gestrandeter Gleitschirmpilot
Mit dem Nachklettern brauchte die Durchquerung ihre Zeit.
Zwar war die Fluh noch nicht in ihrer ganzen Länge durchquert, doch ein erster Versuch war gemacht. Gegen Abend machte sich das mittlerweile an den neuen Stil gewöhnte Duo daran, runterzuklettern. Ein Blick nach oben zeigte jedoch: Noch war der Tag nicht vorbei. Ein Gleitschirmflieger rief um Hilfe. Rasch kletterten sie zum Gestrandeten hoch. Dieser war in einen Baum geflogen. Zwar war weder ihm noch dem Schirm etwas passiert, doch er konnte vom Felsband ohne Hilfe nicht runter. Würsten und Zubler seilten ihn ab. «Zum Glück hatten wir ja genügend Seile mit dabei», erzählt Würsten lachend. Dann machten sie sich selbst an den Abstieg. Sie waren sich einig: Im nächsten Jahr werden sie die Tour ins JO-Programm des SAC Brugg aufnehmen. Denn es braucht nicht immer eine grosse Expedition, um Grosses zu erleben.