Funktionsshirts im Test Die perfekte unterste Schicht
Die erste Schicht am Körper ist ein unterschätztes Bekleidungsstück. Oft entscheidet sie über Freude oder Frust auf der Tour. 21 Shirts im Test.
Ein optimales Funktionsshirt schützt vor Wind und Kälte und kühlt bei Hitze. Schweiss leitet es zügig vom Körper weg, und die Haut fühlt sich trocken an. Federleicht ist so ein Shirt, weich und abriebfest. Es muss kaum gewaschen werden und wird aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt. Recyclebar ist es selbstverständlich auch noch. So weit der Traum vom Ideal.
In der Praxis sind die Funktionsshirts meist auf ein oder zwei dieser Eigenschaften spezialisiert. Und damit ist auch schon klar: Das ideale Shirt für alle gibt es nicht. Wer aber den Einsatzbereich seines Shirts ein wenig kennt, findet dank dieser Testreihe einfacher sein Idealmodell.
Der Schweiss muss weg
Unser Körper hat eine optimale Betriebstemperatur von 37 °C, und die versucht er unter allen Umständen beizubehalten. Aufgabe der ersten Bekleidungsschicht ist es, ihn dabei zu unterstützen. Wenn wir beim Sport stark frieren oder schwitzen, sinkt die Leistungsfähigkeit. Bei normaler Aktivität läuft der menschliche Körper mit etwa 100 Watt. Bei körperlicher Anstrengung jedoch produzieren wir bis zu 1000 Watt. Mehr Schweiss entsteht, um über die Verdunstung den Körper abzukühlen. Dieses Prinzip funktioniert gut bei nackter Haut oder mit sehr luftdurchlässigen Textilien. Wenig luftdurchlässige Bekleidung dagegen behindert diesen Ausgleichsmechanismus. Wie sehr, zeigt ein kleines Experiment. Zieht man eine Plastiktüte über die Hand, entsteht rasch ein nasses Gefühl auf der Haut: Der Schweiss rinnt. Es entsteht «Hitzestress».
Gut funktionierende Sporttextilien sollten darum den Schweiss schnell vom Körper wegbefördern, im Stoff verteilen und an die Umgebung abgegeben. Wie gut das funktioniert, hängt vom Material und von der Strickart ab. Wollfasern sind durstig: Sie können zwischen 20 und 35% ihres eigenen Gewichts an Wasser aufnehmen, Kunstfasern nur etwa 5 bis 15%. Deshalb fühlt sich Wolle beim Schwitzen länger trocken an. Kunstfasern nehmen zwar weniger Wasser auf, sie sind jedoch darauf spezialisiert, die Feuchtigkeit über ihre Oberfläche vom Körper wegzuleiten.
Kunstfasern führen beim UV-Schutz
In den Bergen ist auch der Schutz vor der dort besonders intensiven ultravioletten Strahlung wichtig. Deshalb hat die Testfirma eine UV-Schutzprüfung in den Labortest integriert (siehe Kasten «So wurde getestet»). Dabei spielt es eine Rolle, wie weit die Maschen auseinandergezogen werden können. Am wenigsten weit geht das bei reinen Kunstfaserprodukten. Sie führen deshalb in diesem Bereich.
Bei den Kunstfasern wird am häufigsten Polyester verwendet. Es ist preiswert, pflegeleicht, trocknet schnell und lässt sich gut verarbeiten. Kunstfasern sind meist wasserabweisend und müssen chemisch behandelt werden, um Feuchtigkeit vom Körper wegleiten zu können. Wollfasern sind durch ihre Oberflächeneigenschaften hydrophob, also wasserabweisend, sie können aber Wasser in ihren Hohlräumen speichern und das Körperklima in einem gewissen Bereich puffern. Leider sind sie nicht sehr robust. Hersteller produzieren daher Mischfasern aus Wolle und Kunstfasern oder aus Wolle und Seide. Das soll die Abriebfestigkeit und Elastizität der Textilien erhöhen.
Gegen Gestank hilft nicht nur Wolle
Leider sind Funktionsshirts eine Sammelstelle für geruchsbildende Bakterien. Hautbakterien zersetzen den Schweiss in lästig riechende Stoffe und sorgen so für den typischen Schweissgeruch. Etwa 90% aller Kunstfasern, die in Funktionsshirts verwendet werden, sind mittlerweile mit einer geruchsmindernden Ausrüstung ausgestattet. Die ist in der Lage, verschiedene Komponenten des Schweisses umzuwandeln oder zu binden und so Gerüche zu reduzieren. Das reicht von chemischen Zusätzen bis hin zum antibakteriellen Edelmetall Silber, das entweder in Form von Fäden oder Nanopartikeln eingearbeitet ist. Wollfasern besitzen von Natur aus geruchsmindernde Eigenschaften: Sie nehmen Schweiss im Inneren auf, nicht aber Bakterien. So entstehen weniger unangenehme Düfte. Die Merinoprodukte haben im Tragetest – wenig überraschend – allesamt weniger Geruch entwickelt als die Kunstfaserstoffe.
Längeres Tragen senkt CO2-Bilanz
Im Hinblick auf die stolzen Preise, die einige Hersteller für ihre Produkte verlangen, ist die Haltbarkeit und Langlebigkeit ein wichtiges Kriterium für die Beurteilung. Je länger ein Shirt getragen wird, umso geringer fällt zudem seine CO2-Bilanz aus (siehe Kasten S. 42). Den Shirts wurde deshalb im sogenannten Martindale-Abriebtest eine besondere Abreibung verpasst: Einige Stunden lang wurden sie unter Druck mit einem Air-Mesh-Material behandelt, wie es in Rucksackträgern vorkommt. Dabei verloren vor allem die Merinowolleshirts einiges an Dicke – bis zu 18%. Obwohl die meisten Wolloberteile dünner wurden, war ihnen das optisch nicht anzusehen. Manche Kunstfaserleibchen schnitten von den Abriebwerten her besser ab, die Oberfläche wurde aber beschädigt oder aufgefilzt und sah ziemlich mitgenommen aus. Die Überraschung: Die Wolle-Kunstfaser-Mischtextilien schnitten gleich ab wie ihre Kollegen aus 100 Prozent Merinowolle. Die Mischungen aus Wolle und Seide zeigten gar eine bessere Abriebresistenz.
Dehnbar ist nicht gleich elastisch
Fast alle Shirts im Test wurden im Strickverfahren hergestellt. Gestrickte Stoffe haben den Vorteil, dass sie eine gute Bewegungsfreiheit bieten und sich den Körperkonturen anpassen. Allerdings mit Einschränkung: Ohne Elasthan sind Strickstoffe zwar dehnbar, aber nicht elastisch. Dehnbar heisst, dass sie sich in die Breite oder Länge ziehen lassen. Elastisch bedeutet, dass sie danach wieder die ursprüngliche Form annehmen.
Um die Funktionalität weiter zu erhöhen, setzen viele Hersteller auf Zonen mit verschiedenen Dicken oder unterschiedlicher Luftdurchlässigkeit. Die lassen sich mittlerweile ohne Nähte integrieren, ein «Bodymapping» entsteht. Strickstoffe haben weniger ebene Oberflächen als gewebte Stoffe. Dadurch ergeben sich weniger Kontaktpunkte mit der Haut. Zwischen Textil und Haut entsteht weniger Reibung, was gleichzeitig mehr Tragekomfort ergibt – vor allem in feuchtem Zustand.
Passform spielt wesentliche Rolle
Beim Schnitt für Funktionsshirts gibt es mehrere Knackpunkte, erklärt Annemarie Prirsch, Lehrerin für Konfektionierung an der Höheren Technischen Bundeslehr- und Versuchsanstalt in Dornbirn, Österreich: «Ein ideales Unterleibchen sollte körperbetont geschnitten sein und unter den Achseln sowie dort, wo der Rucksackträger aufliegt, keine reibenden Nähte besitzen. Bei Bewegungen sollte das Shirt nicht nach oben rutschen. Ausserdem sollte der Halsausschnitt eng anliegen, und die Ärmel sollten bis über die Handgelenke reichen, um Schutz vor Wind zu gewährleisten.» Nach diesen Kriterien wurde der Schnitt der Shirts beurteilt und in Kategorien eingeteilt, um eine Idee von der Passform zu vermitteln: Kompression, eng, normal und locker. Die Passform ist aber eine derart individuelle Angelegenheit, dass man um eine Anprobe nicht herumkommt.
Einsatzbereich kennen
Die Eier legende Wollmilchsau gibt es also bei Funktionsshirts nicht. Ganz kurz zusammengefasst lässt sich aber sagen: Für kurze, schweisstreibende Touren ist ein luftdurchlässiges, leichtes Shirt mit kurzer Trocknungszeit perfekt. Bei langen Trekkingtouren sind Shirts von Vorteil, die lange geruchsneutral bleiben und viel Wasser aufnehmen können. Beim Klettern und Bergsteigen ist der Abriebschutz entscheidend, und die Luftdurchlässigkeit sollte an das aktuelle Wetter angepasst werden. Am besten also, man deckt sich für alle Fälle mit mindestens zwei unterschiedlichen Modellen ein.
So wurde getestet
Getestet wurde im Labor und in der Praxis. Alle Laborwerte wurden in Zusammenarbeit mit dem Forschungsinstitut für Textilphysik und Textilchemie der Universität Innsbruck in Dornbirn, Österreich, ermittelt, bei 20 °C und 70% relativer Luftfeuchtigkeit. Im Labor wurden folgende Eigenschaften getestet:
Wasserrückhaltevermögen
Die Fähigkeit eines Stoffes, Wasser aufzunehmen und zu speichern, bestimmt sein Wasserrückhaltevermögen. Um diesen Wert zu messen, wird ein Textil gewogen, 24 Stunden in Wasser eingeweicht, danach unter definierten Bedingungen geschleudert und abermals gewogen. Je mehr Wasser im Verhältnis zum eigenen Gewicht im Textil verbleibt, desto höher ist das Wasserrückhaltevermögen. Je höher der Wert ist, desto länger ist die Trocknungszeit des Textils.
Luftdurchlässigkeit
Mit einem Luftdurchlässigkeitstester der Firma Textest wurde ermittelt, wie viel Liter Luft pro Quadratdezimeter Textilfläche und pro Minute angesaugt werden können. Je höher der Wert, desto luftdurchlässiger ist der Stoff. Im Test reichten die Werte von 136 l/dm2/min (sehr wenig luftdurchlässig) bis 850 l/dm2/min (extrem luftdurchlässig).
UV-Schutz
Um sich für die Bezeichnung «UV-schützend» zu qualifizieren, müssen Bekleidungsstücke nach australischem Standard AS/NZS 4399 mindestens den Schutzfaktor UPF 15 haben. Um den UV-Schutz zu bestimmen, wurde mit einem Spektrofotometer ermittelt, wie viel UV-Strahlung durch das Material dringt, und zwar im normalen Zustand sowie mit 20% Dehnung des Stoffes.
Bei UPF 15–24 spricht man von gutem UV-Schutz, UPF 25–39 bedeutet sehr guten UV-Schutz, und mit UPF 40–50+ (hier endet die Skala) hat man einen exzellenten UV-Schutz. Bei körperengen Shirts ist im Gebirge Vorsicht geboten, da der UV-Schutz durch die Dehnung des Materials reduziert wird: Das Gestrick wird auseinandergezogen, so kann UV-Strahlung durch den Stoff dringen.
Abriebresistenz
Simuliert wurde einer Wandertour von etwa 100 Kilometern mit Rucksack (ca. 10 kg). Dies gelang mit einem Martindale-Abriebtester der Firma James Heal. Damit wurde ein Air-Mesh-Rucksackmaterial 7000 Zyklen lang über den Stoff gescheuert. Um die Abnutzung zu überprüfen, wurde die Dicke der Baselayer vor und nach dem Abriebtest gemessen. Bei Produkten aus unterschiedlichen Materialien wurde jeweils das schwächste Material dem Abriebtest unterzogen, beim Skyclimb Top von Adidas beispielsweise das Rückenteil aus Polartec.
Praxistauglichkeit
Je nach Sportart sind andere Qualitäten zentral. Um herauszufiltern, welches Shirt für welchen Sportler und für welche Outdoordisziplin am besten geeignet ist, hat ein zwölfköpfiges Testerteam (drei Frauen, neun Männer) die verschiedenen Baselayer beim Sport und im Alltag einem intensiven Praxistest unterzogen. Alle Erfahrungen aus insgesamt fast 3000 Teststunden hat das Team in Fragebögen dokumentiert. Besonders Passform, Klimakomfort und Geruchsentwicklung waren zu bewerten. Die getesteten Grössen waren M und XL bei den Männern sowie M bei den Frauen. Zu Beginn und am Ende der zweimonatigen Testphase haben wir zudem die Verarbeitung der Produkte analysiert.