Fliegender Jungspund
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Fliegender Jungspund

Mittagszeit. Wunderbares, klares Wetter. Da kommt er herangestürmt, der athletische Jungspund mit Camelbak-Schlauch, Carbonstöcken und rasierten Unterschenkeln. Vom Tierfehd aus, natürlich. An die 2000 Höhenmeter sind das. Er trinkt eine Cola. Und noch eine. Sein Kompagnon ist in ähnlich blendender Form.

Eine Stunde später: Der eine liegt flach auf dem Holzbänklein auf der Terrasse. Zwei Stunden später sagt er nichts mehr. Ich erkundige mich nach seinem Befinden. Er stürzt auf die Toilette. Oben raus. Unten raus. Ich schlage ihm vor, sich im Schlafraum hinzulegen. Er tut es. Nach dreifacher Fenster-auf-übergeben-Fenster-zu-Aktion steht er taumelnd in der Gaststube und teilt mir mit, dass sie um 17 Uhr das letzte Bähnlein im Chalchtrittli erwischen wollen. Es bleiben also knappe eineinhalb Stunden Zeit für den Abstieg. Wäre möglich. Im Laufschritt.

Ich konstatiere einen schwachen, schnellen Puls. Er ist weiss im Gesicht und kann sich kaum auf den Beinen halten. Nach kurzer Diskussion entscheide ich und setze den Funkhelm auf. Die Rega ist unterwegs. Knapp schafft er die 20 Stiegen hinauf zum Helilandeplatz. Sein Begleiter ist bereits zu Fuss unterwegs Richtung Chalchtrittli. Ich tausche mich per Funk mit dem Notarzt aus, erwähne meine Unsicherheit in Bezug auf die Notwendigkeit des Einsatzes. Er beruhigt mich, schaut sich den Patienten an und meint, dass die Entscheidung klug gewesen sei. Auf 2700 Metern über Meer könne man sich nicht mehr genügend erholen.

Wie jedes Mal erkundige ich mich später nach dem Gesundheitszustand des Patienten. Und erfahre: Der Mann habe darauf bestanden, im Tierfehd auszusteigen, habe wortlos die Maschine verlassen und sei taumelnd ins Auto seines Begleiters gestiegen. Und weg seien sie gewesen.

Was ich danach tat? Fenster und Fensterbrett im Schlafraum schrubben.

Gschichte usem Chischtli

Maurice Caviezel war bis letzten Sommer Hüttenwart auf der hoch über dem Limmernstausee gelegenen Kistenpasshütte (2714 m). Er erzählt euch hier ein Jahr lang in loser Folge von Erlebnissen, wie sie sich wohl in jeder Hütte zutragen.

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