Fels-Rhapsodie
Von Hans Ulrich.
Der Föhn fegt jede Ferne hell.
Die Felsen stehen stechend grell
im Licht. Die Starre taut von Eis
und Stein. Die Schatten flackern heiss,
an allen Flanken angefacht.
Aus samtener Dämmernacht erwacht
die graue alte Urgewalt,
die Feuerglut zum Wall geballt.
Mit Kobaltblau und Sonnenglanz
formt sie den hohlen Totentanz
der längst vergilbten Menschheitszeit
in die granitne Ewigkeit:
die Urwelthexe und der Zwerg
verstemmen zäh den schweren Berg.
Die Königstochter aus Bagdád
schmiegt schirmend sich am scharfen Grat.
Von ihrer Gunst behütet, bäumt
im Auferstehungskrampf ein Leib
sich auf. In seinem Schutze träumt
Ägyptens hoheitsvolles Weib
dem Duft verwelkter Schönheit nach.
Zum kriegdurchfurchten Schädeldach
des Nubierfürsten wölbt sich jäh
die Felsenschulter; aber weh!
aus seiner wildzerrissnen Stirn
grinst fratzenhaft zerfetzt sein Hirn.
Der Gipfelfelsen aber schraubt
als würdiges Patriarchenhaupt
sich himmelan. In seinen Bart geduckt
Hockt eine Hütte. Sieh! da spukt
ein hämischer Kerl, ein Sack abseits:
Wo Menschen sind, greint auch der Geiz!
Wo Menschen gehn, fehlt der Respekt:
Ein keckes Murmeltier beleckt
den Bart des Zeus. Im Lockenhaar
des hohen Gottes nistet gar
ein muntres Murmeljungenpaar.
Indessen rollen Kopf um Kopf
aus Moiras vollem Schicksalstopf
und haften an der glatten Wand
und glotzen qualverzerrt ins Land.
Und über ihr gebleichtes Sein
kriecht still ein Wurm zum Sonnenschein.
Selbst Drache, Geier, Greif und Hund
entflohen aus dem Höllenschlund.
Die Teufel lockt der laue Tag
sogar aus ihrem Schmachtverschlag.
Verdammte haben unbewacht
sich in die Spalten aufgemacht:
von Sehnsuchtsschmerzen hochgeschwemmt,
durchschwebt ihr Schemen ungehemmt
die lebensferne Leere und
durchfackelt fahl den schwarzen Schrund.
Doch von verborgnem Throne droht
.. .irgendwo der Tod.