Erinnerungen aus dem Clubgebiet
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Erinnerungen aus dem Clubgebiet

Hinweis: Dieser Artikel ist nur in einer Sprache verfügbar. In der Vergangenheit wurden die Jahresbücher nicht übersetzt.

Dr. Emil Burckhardt ( Section Basel ).

Erinnerungen aus dem Clubgebiet Von Wohl wenig Theile unserer Schweizeralpen sind in den Jahrbüchern so einläßlich und vielseitig behandelt worden, wie das letzte und das diesjährige Excursionsgebiet des S.A.C.: die Lötschthalergebirge und das Centralmassiv der Berner Alpen. Und doch weist unser einziges officielles Organ, das Jahrbuch, auch für diese Gebiete noch mehrfache Lücken auf. Dieselben auszufüllen kann eines Einzelnen Aufgabe nicht sein. Immerhin aber scheint eine Ergänzung unserer Jahrbücher im Sinne möglichster Vollständigkeit der Originalberichte schweizerischer Bergsteiger über das jeweilige Clubgebiet wünschenswerth.

Meine Notizen aus dem letzten und dem jetzigen Clubgebiete, in dem ich schon 1862 meine Anfänger-touren machte, gehen zum Theil weit zurück, vom Jahre 1885 bis in das Jahr 1867, bei der raschlebigen Entwicklung der modernen Bergsteigerei ( „ Alpinismus " oder gar „ Hochalpinismus " in der Sportspraclie der jüngeren und jüngsten Schule ) eine längst vergangene Zeit. Ich glaubte aber, auch ältere Aufzeichnungen hervorsuchen zu dürfen, nicht sowohl, um mit „ Mountaineering in the old style " zu cokettiren — dazu wären meine Mittheilungen schon ihren Inhalte, wie ihrer Form nach wenig geeignet —, sondern vielmehr, um sie im Vereine mit Notizen aus neuerer und neuester Zeit meinen Collegen zur Verfügung zu stellen, als. einen Beitrag zur Ausfüllung einiger Lücken und zur Ergänzung schon vorhandener Berichte in unseren Jahrbüchern über das letzte und das diesjährige Clubgebiet.

I. Das Grosshorn ( 3765 in .) von Ried im Lütschthale aus.

1885.

Als zweite Spitze, von Westen an gerechnet, entragt der mächtigen Lauterbrunner-Lötschener-Grenz-kette, welche Bern und Wallis scheidet, das Großhorn, in jähem Felsabsturze gegen Norden und in steiler, schön entwickelter Firnbildung gegen Süden, zu 3765 mHöhe sich aufschwingend.

Wie sein Nachbar, das Lauterbrunner Breithorn, fand das Großhorn in den Sechzigerjahren seine Ueberwinder. Am 9. September 1868 standen zwei Schweizer Clubisten, die Herren Heinrich Dübi und Emil Ober, damals Studenten in Bern, mit den Führern Johann Bischoff aus Lauterbrunnen und Josef Siegen aus Ried, als die ersten Besteiger, auf der jungfräulichen Spitze.

Ueber diese von Ried aus unternommene Bergfahrt hielt Herr Ober im Winter 1868/69 einen Vortrag in der Section Bern, S.A.C., der aber leider niemals im Jahrbuche zum Abdrucke kam. Das Einzige, was veröffentlicht wurde, war eine von dritter Seite herrührende kurze Notiz im „ Anzeiger von Interlaken " 1868, Nr. 75, wonach die Besteigung eine höchst anstrengende und mitunter gefährliche Expedition von 22 Stunden gewesen sein soll.1 ) Sieben Jahre ging es, bis das Großhorn, 1875, seinen zweiten Besuch erhielt, diesmal von Norden, vom Lauterbrunnenthale, bezw. Trachsellauenen, und zwar über das Schmadrijoch, durch Herrn Wyß-Wyß ( S.A.C., Bern ) mit Fuchs und Gertsch von Lauterbrunnen.2 ) Seither wurde, soweit ich feststellen konnte, das Großhorn nicht mehr gemacht, bis am 12. August 1885 Herr Otto Schifferdecker ( S.A.C. ) von Worms a.IRh. und ich es bestiegen. Unsere Expedition war eine durchaus improvisirte.

Am 11. August 1885 war ich auf dem Wege vom Berner Oberlande nach Zermatt über den Petersgrat nach Ried gekommen, wo ich zufällig meinen Sections-genossen Schifferdecker antraf. Wir einigten uns, zusammen über die Lötschenlücke einen Abstecher nach dem Eggischhorn zu unternehmen. Am folgenden Morgen, den 12. August 1885, früh 3 Uhr 30, gingen wir von Ried das obere Lötschthal hinauf dem Langengletscher entgegen. Unseres ziemlich schweren Gepäckes wegen hatten wir, zu unseren Führern Josef Rubin von Ried und Peter Schlegel von Grindelwald, noch einen Träger Schlunegger von Lauterbrunnen, somit Ueberfluß an Mannschaft. Das anfangs zweifelhafte Wetter wurde nach Sonnenaufgang sehr schön, so schön, daß es uns als eine Thorheit erschien, einen so prachtvollen Tag an einen Paß zu wenden. Ich hatte auf Eggischhorn nichts zu suchen, zudem die Lötschenlücke schon wiederholt gemacht, und mein Clubgenosse war gerne bereit, dieselbe für diesmal zu opfern. So entschlossen wir uns denn zum einzig Richtigen: zu einer Spitze, und zwar zum Großhorn, dessen feine Firnschneide hellleuchtend zu uns her-niederblickte, als wir oberhalb Gletscherstaffel den Guggiboden ( zwischen Guggisee und Punkt 2182 ) erreichten. Unsern Leuten war der Weg so unbekannt, wie uns, desto größer also der Reiz der improvisirten Bergfahrt.

Unser Gepäck ließen wir im Guggiboden zurück und behielten den nun entbehrlich gewordenen Schlunegger auf seine Bitte hin bei uns. Bei Punkt 2182 bogen wir links vom Wege ab und wandten uns über „ Heimischeggenu dem Jägigletscher zu, den wir um 61/2 Uhr in seiner untern Hälfte überschritten. Dieser Gletscher, den ich 1872 von Trachsellauenen über das Schmadrijoch l ) kommend begangen hatte, ist in diesen 13 Jahren sehr stark zurückgewichen. In directester Linie ging es über schlechtes Geröll, Schutthalden und steile, gefrorene Rasenköpfe und dann über Gletscher am oberen Fuße des Jägiknubels empor. Derselbe gehört zum Jägifirn, dessen südöstlichen Theil er bildet. Etwas vor 8 Uhr war die sehr ausgeprägte Einsattelung zwischen dem Südfuße des Großhornes und dem Jägiknubel ( 3143 ) erreicht. Sie ist auch vom Ahnengletscher ( Exk. Anenfirn ), also von der Ostseite, leicht zugänglich. Als Verbindung zwischen den vergletscherten Hochthälern des Jägi- und des Ahnenfirnes würde sie passend „ Jägilttcke " genannt. Dieser Name wäre meines Erachtens dem mir von Rubin mitgetheilten „ Jägieck " vorzuziehen. Fesselnd ist der Blick von der Lücke auf die furchtbar wilde Ostwand des Lauterbrunner Breithornes und nach dem zerrissenen Jägifirn, während auf der andern Seite Mittaghorn und Ahnengrat weniger zur Geltung kommen. Ueber das Sattelhorn neben der Lötschenlücke ragt mächtig das Aletschhorn hervor. Es sah jetzt in warmem Hoch-sommerglanze anders aus als an jenem Herbsttage vor 10 Jahren, wo es, in starrem Schnee und Reif, mir auf seiner Spitze einen frostigen Willkomm bot. Unsere Rast war keine lange, denn über dem Schmadrijoch stieg eine dunkle Wolkenwand auf und um die Schneehaube des Breithornes begannen röth-lichgraue Nebel ihr Spiel zu treiben. Um 8 Uhr 10 horn und verloren dort viel Zeit. Ich führte diese Ueberschreitung den 20. August 1872 aus. Das Itinerar erwähnt ihrer nicht, wohl aber derjenigen von Dr. Dübi und Wyß-Wyß, 1875, welche die vierte oder fünfte war.

brachen wir auf. Der AufstieaJiegt klar vor Augen: stets in nördlicher Richtung die Firnhänge hinauf nach dem Gipfelgrate und auf diesem zur Spitze. Unsere Leute machten sich auf langes Stufenschlagen gefaßt; doch kam es besser, als wir nur irgendwie hoffen durften. Zwar gab es an den tieferen Firnpartien, wo unter wässerigem Schnee Eis zu Tage tritt, mehrfache Hackarbeit, aber nie für längere Strecken. Weiter oben lag reichlicher, sehr weicher Schnee. Da, wo der Bergkamm sich zu einem breiten Rücken weitet, verursachte die starke Zerrissenheit des Hochfirnes einigen Aufenthalt. Später wird der Rücken schmäler und nimmt ausgeprägte Gratbildung an. Der wenige Tage zuvor gefallene Neuschnee wurde, je höher wir kamen, um so besser; zäh, von ausgezeichneter Tragfähigkeit, haftete er fest auf dem vereisten Untergrunde Wir hielten uns zuerst an die Kammhöhe selbst, dann, als sie zu schmal und verdächtig bewachtet wurde, traversirten wir unter derselben, auf der Westseite, über dem Jägifirn. Der Schnee war so gut, daß nur selten durch denselben hindurch bis in 's blanke Eis gehackt werden mußte. Das Wetter hatte sich nachgerade ziemlich ungünstig gestaltet, und wir waren öfters in dichten Nebel eingehüllt, der, hie und da vom Winde zerrissen, die Sonne durchbrechen ließ. Es lag ein eigener Reiz in diesem Gange, gleichsam in 's Ungewisse hinein, in den wogenden Dunst, in dem man nichts sah, als die feine Linie des Schneegrates, wie in 's Unendliche sich verlierend. Auf Augenblicke glänzten dann unter uns die Firnfelder des Jägigletschers mit ihren weit offenen Spalten, um Erinnerungen aus dem Clubgebiet.9> gleich darauf wieder hinter dem grauen Schleier zu verschwinden.

Der Anstieg dauerte schon über 31/* Stunden von der Jägilücke aus. Es war H1/2 Uhr, als wir die Depression am Fuße des letzten Gipfelkammes gewonnen hatten und eine kurze Rast von 10 Minuten hielten. Ein frischer Wind trieb den Nebel auseinander und zeigte uns den Grat, in schneidiger Schärfe sich? scheinbar noch weit und hoch hinaufziehend, bis zuoberst abgedeckt.

Nichts ist trügerischer, auch für den erfahrenen Bergsteiger, als die Schätzung der Länge und Höhe solcher Schneegräte. „ Noch zwei Stunden ", meinten die Einen von uns, „ noch drei " die Anderen. Ich wußte, daß, wenn der Schnee gut blieb, wir viel früher oben sein würden; mein Aneroid wies schon über 3600 m. 11. 40 nahmen wir das letzte Stück Weges in Angriff. Es war doch etwas länger, als ich glaubte, denn es kostete uns für die noch circa 150™ Steigung 1 Stunde 20 M. Auch da traversirten wir fast bis zuoberst, hart unter der Grathöhe, an der Westwand. Einige Partien derselben sind sehr steil und erfordern große Vorsicht. Ganz zuletzt vertrauten wir uns für einige Schritte der Gratgwächte an, welche festhielt, dann kamen uns ein paar Felsen, die von der ziemlich aperen Ostseite hinauf den Grat durchbrachen, zu Statten. Um 1 Uhr ebnete Rubin die zierliche Schneenadel — ein Weißhorn en miniature — in welche die drei Kanten des Berges zusammenlaufen, mit dem Pickel, um Raum für den Fuß zu gewinnen, und wir betraten wechselweise die Spitze.

Der Nebel hatte sich wiedjgr über das Schmadrijoch verzogen und der größte Theil des Horizontes war frei. Zu unseren Füßen lagen das tiefe Thal von Lauterbrunnen und die grünen Weiden von Mürren, hinter uns die Riesen des Lötschthales, zur Seite die Firnfelder des Ahnengletschers und der Lötschenlücke, des Eingangsthores zum größten Eisgebiet der europäischen Alpen. Der Ausspruch eines englischen Bergsteigers: „ Wenn wir in den Bergen auch nichts gelernt haben, als die Aussicht von einem Hochgipfel Tucht mit Worten beschreiben zu wollen, so haben wir doch schon ziemlich viel gelernt ", hat nicht so ganz Unrecht. Es gibt Lieder ohne Worte, aber keine Bilder ohne Stift und Farbe.

Anderthalb Manneslängen unter dem Gipfel, auf der Walliserseite, in den höchsten aperen Felsen des Ostabhanges, lagerten wir uns neben einigen, wie von Menschenhand zusammengelegten Steinen, wohl den Resten eines Steinmannli der ersten Besteiger vor 17 Jahren. Ihr Wahrzeichen fand sich vor, nicht aber das ihres Nachfolgers von 1875. Einem halbver-Jbliehenen, durchfeuchteten Papierstreifen entzifferten wir die Notiz:

„ Den 9. September 1868. Heinrich Dübi, stud, phil., Emil Ober, stud, med., mit den Führern Johann Bischoff aus Lauterbrunnen und Josef Siegen von Ried. Abgang von Ried um 3. 20. Ankunft hier um 2. 30. Erste Besteigung. "

Ich nahm den Zettel, der sonst wohl ganz zu Grunde gegangen wäre, nach Ersetzung durch eine Abschrift, an mich, um ihn Dr. Dtibi, nunmehrigem Präsidenten der Section Bern S.A.C., dem einzigen Ueberlebenden der vier ersten Besteiger von 1868, als Andenken an seine Gefährten, zuzustellen.Rubin und ich, wir blickten hinüber zum Bietschhorn, das in starrem Ernste uns noch um mehr als ein halb'Tausend Fuß überragte. Am 18. September 1878 standen Dr. Moseley vom A. C. und ich mit unseren Leuten auf der wilden Spitze, die wir bei frischem Schnee und in starkem Sturme recht eigentlich erzwungen hatten. Moseley hatte Rubi und Roth aus Grindelwald, ich Egger von dort und Rubin aus Ried als Führer und Träger. Von diesen sechs Mann waren Rubin und ich allein noch am Leben, die andern vier hatten seither den Tod im Hochgebirge gefunden.2 ) l'/a Uhr traten wir den Rückweg an. Ich wäre am liebsten durch ein Felscouloir auf der Ostseite nach dem oberen Ahnenflrne abgestiegen, wie dies auch Ober und Dübi gethan haben. Der in Folge des heißen Sommers 1885 sehr zerrissene Zustand dieses Gletschers ließ uns davon absehen. Wir stiegen darum in unseren alten Stufen wieder den Gipfelgrat, bezw. dessen Westwand ab. Der Schnee war weich, doch machte sich die Sache wider Erwarten rasch und gut und schon 3. 20 Nachmittags waren wir wieder in der Jägilücke.Von hier aus hatte somit die Spitze hin und zurück 7 St. 10 M. Zeit, einschließlich zwei Halte von zusammen 40 M., erfordert. Eine Gesellschaft von nur zwei oder drei Mann wird, wenn sie guten Schnee trifft, die Besteigung in noch erheblich kürzerer Zeit, als wir, ausführen können. Ungünstiger Schnee oder blankes Eis werden dagegen einen Mehraufwand von mehreren Stunden bedingen. Das Traversiren an der West wand, besonders in den steilen letzten Partien des Gipfelgrates, das uns so gut gelang; dürfte nur bei vorzüglichem Schneezustande ausführbar sein, andernfalls läge die Gefahr des Abrutschens nahe.

Nach 20 M. Aufenthalt in der Lücke stiegen wir 3 Uhr 40 M. leicht und kurz über Felsen auf der Ostseite zum untern Ahnenfirn herab, ein Weg, der unserem steilen Aufstieg von der Westseite, vom Jägigletscher her, weit vorzuziehen ist. Wir mußten uns, um dem Gletscherbruche zwischen Punkt 3000 und 2650 auszuweichen, hart an den Fuß des Jägiknubels halten; auch hier war wider Erwarten der Gletscher stark zerrissen. Der unter dem Drucke der brennenden Mittagshitze etwas schläfrig vorausgehende Führer, dem sein Hintermann mit nachgeschlepptem Seile, die Pfeife im Munde, dicht und sorglos auf dem Fuße folgte, stürzte hier ganz unnöthiger Weise in eine Spalte. Das Herauslootsen des 12—15 Fuß tief gefallenen, schweren Mannes aus dem gewölbten Schrunde verursachte Mühe und Aufenthalt, eine gerechte Strafe für unsere Bummelei.

Etwas nach 41/2 Uhr betraten wir die Moräne bei Krumm-Kück; über die steilen Halden „ in der Anen "

und den Schafweg beim Jägibach herab wurde der Cruggiboden erreicht, von dem aus wir 11 Stunden zuvor zum Angriff auf das Großhorn angesetzt hatten. Abends 7. 20 waren wir in Ried, das ich am folgenden Morgen in aller Frühe verließ, um auf dem Thalwege Abends Zermatt zu erreichen.

Das Großhorn kann ich als schöne, überaus lohnende Bergfahrt warm empfehlen. Obschon an Höhe und an Schwierigkeit nur zweiten Ranges, bietet es dennoch selbst dem Bergsteiger, der nicht mehr leicht zu befriedigen ist, in seinem Gipfelgrate eine sehr anziehende, reizvolle Partie. Wem der Berg von Lötschthale aus hin und zurück nicht genügt, der mag ihn von Ried nach Trachsellauenen traversiren: U^ber den Ahnengletscher, die Jägilücke und den Südgrat zur Spitze, sodann den Westgrat und das Schmadrijoch hinunter nach Trachsellauenen; jedenfalls ein ganz anständiger Tag. Für den Durchschnittsgänger mittleren Schlages ist die Besteigung von Ried aus und zurück gerade genug; es sind immerhin 2265 m directe Steigung und der Thalweg bis zum Fuße des Berges zieht sich ziemlich weit hin. Schwächere Gänger mögen in Gletscherstaffel übernachten, wo man ganz gut aufgehoben ist.

Unsere Zeiten waren:

Ab Ried ( 15003. 30 Mgs. Jägigl. 6. 30. Jägilücke 7. 50 — 8. 10. Großhorn ( 3765 m ) 1. 1. 30 Nehm, ( außerdem am Gipfelkamme 10 M. Halt ). Jägilücke 3. 20 — 3. 40. Ahnengl., Moräne 4. 30. In Ried 7. 20 Abds. ( unterwegs 15 M. Halt ). Total: 15 Std. 50 M., wovon Marsch 14 Std. 15 M., Rast 1 Std. 35 M.

Herr Dr. Dübi hatte die Güte, mir über die erste Besteigung des Berges folgende Mittheilung zu machen:

„ Wir brachen von Ried ( 9. September 1868 ) 3 Uhr „ 20 Min. auf und waren circa um 8 Uhr am Fuß „ des Berges. Wir sind nicht, wie Sie gegangen sind, „ über den Jägigletscher hinaufgestiegen, sondern über „ die Moräne am Krumm-Rücken hinter dem Jägiknubel „ auf den Ahnengletscher. Zwischen Jägiknubel und „ Großhorn legten wir das Gepäck ab und begannen „ gegen 9 Uhr den Angriff. Wir hofften, Mittags wieder „ beim Gepäck zurück zu sein, und nahmen nur eine „ Flasche Wein mit. Aber. erst um 2 Uhr 20 Min. „ Nachmittags kamen wir auf den Gipfel. Wir stiegen „ zufo st nördlich gegen den Gipfelgrat hinauf; aber „ je höher wir kamen, desto schlimmer wurde die „ Schneide, und schließlich mußten wir in die östliche „ Wand, die wir traversirten, bis zur Schneide, die „ vom Mittagjoch hinaufzieht. Auf dieser ansteigend, „ erreichten wir den Gipfel. Beim Abstieg traversirten „ wir die Wand nicht wieder, sondern gingen durch „ ein Couloir hinunter auf den Ahnengletscher und „ über denselben zurück zu unserem Gepäck, das wir „ um 7 Uhr Abends fast verhungert erreichten. Nachts „ um 1 Uhr rückten wir wieder in Ried ein.Da die Herren Ober und Dübi 1868 jugendlich rasche Gänger waren, dennoch aber 21 Std. 40 M. für die Besteigung gebrauchten, so müssen sie auf ihrem Wege Schwierigkeiten angetroffen haben, die bei unserer Besteigung nicht vorhanden waren.

Erinnerungen aus dem Clubgebiet.15- II. Das Lauterbrunner Breithorn ( 8779 m .) von Ried aus- 1880.

Vom westlichen Nachbar des Großhornes, dem zwar nur um ein Weniges höheren, aber doch viel selbstständiger und mächtiger entwickelten Breithorn, schreibt unser Altmeister Studer anfangs 1883:J ) „ Dieser Gipfel scheint nach seiner ersten Besteigung-„im Juli 1865 nur einmal von einem Engländer bestiegen worden zu sein. "

Es ist dies ein Irrthum. Am 29. Juli 1880 bestiege ich den Berg von Ried im Lötschthale aus. Diese Tour mag hier Erwähnung finden, einmal, weil mein Weg vom Bergfuße an nicht identisch ist mit dem meines Vorgängers, Herrn E. v. Fellenberg, und seiner englischen Collegen, der Herren Philpott und Hornby vom A. C, und meiner Nachfolger, Herrn R. Lindt mit Sohn und Tochter, sodann, um zukünftigen Breit-hornfahrem, besonders jüngeren Clubgenossen, Anleitung zu geben, wie sie es nicht anfangen müssen^ wenn sie den Berg machen wollen.2 ) Die anderen Besteigungen gingen vom Lauterbrunnenthale aus und zwar die erste von Trachsellauenen mit Bivouak am Lauterbrunner Wetterhorn {„Kanzel"} und die zweite direct von Obersteinbergalp; beide führten über die Wetterlücke und hatten dieselbe sowohl zum Ausgangs-, als zum Endpunkt des letzten An- und Abstieges. Die eine wie die andere benutzte zum Hinaufwege die Südwand, v. Fellenberg mehr westlich, Lindt mehr östlich. Der Erstere stieg aufStuder ( Supplement ) 1883, 85.Jahrb. S.A.C. III, 1866, 293 ff. und XX, 103 ff.

dem gleichen Wege ab, während der Letztere direct über den Westgrat zurückkehrte. Mein Aufstieg ging ebenfalls von der Wetterlücke aus, die ich vom Lötsch-ihale erreichte, und zwar zuerst über den Westgrat, dann über die ganze Südwand in einer großen Traverse bis zum Südgrat ( genauer S. S. W. Grat ), der im rechten Winkel an das Hauptmassiv des Gipfels ansetzt, und endlich von der Gabel in dessen oberstem Theile über die Südseite der Firnhaube zur Spitze. Mein Abstieg führte wieder zur Gabel und von dort durch das große Couloir direct hinunter auf den Innerthalgletscher. Schon im Juli 1867 hatten einige Mitglieder der Section Basel S.A.C., unter denen ich mich befand, die Absicht, das Lauterbrunner Breithorn in Verbindung mit einem Uebergange über die Wetterlücke von Trachsellauenen nach dem Lötschthale zu besteigen. Zu unseren Führern zählte Joh. Bischoff, der 1865 bei v. Fellenberg gewesen war. Das Glück war uns aber nicht günstig. Bei sehr schlechtem Wetter mußten wir froh sein, nur durch die Séracs der Wetterlücke durchzukommen und den Uebergang nach dem Lötschthale zu finden. Dort wurden wir eingeregnet, und anstatt die erste Besteigung des Schienhornes zu versuchen, die auch auf dem Programme stand, mußten wir einen ruhmlosen Rückzug über die Lötschenlücke nach dem Eggischhorn an-treten. x ) Als ich später in den Siebzigerjahren wieder- holt im Lötschthale war, meist bei ungünstiger Witterung, nahmen mich andere Aufgaben in Anspruch, vor denen das Lauterbrunner Breithorn zurücktrat. Doch war mir dasselbe von meinen mehrfachen Gängen über den Petersgrat her in lebendiger Erinnerung geblieben und ich hatte mir vorgenommen, seine Besteigung gelegentlich nachzuholen. Es wurde 1880, his es dazu kam.

Den 28. Juli jenes Jahres langte ich, auf dem Rückwege aus der Simplongruppe, in Begleitung des Herrn Felix Burckhardt ( S.A.C. ), in Ried an. Als Führer hatte ich Christen Jossi aus Grindelwald. Mein Freund war augenblicklich führer- und gepäcklos; Gletscherpickel und Feldstecher waren die ganze Ausrüstung,die er noch sein eigen nannte. Sein Mann, ein gewisser Marti von Guttannen, hatte es nämlich fertig gebracht, den ihm anvertrauten Tornister seines Herrn zwischen Brieg und Gampel zu verlieren und dann auf der Suche darnach selbst verloren zu gehen. Die Sache war etwas räthselhaft, stand aber wohl mit dem trefflichen Muscateller Brieg's in etwelchem Zusammenhange. Da auf Marti's Eintreffen am gleichen Tage nicht mehr zu rechnen war, so engagirten wir für die auf den folgenden Tag festgesetzte Breithornfahrt Josef Rubin aus Ried, den bekannten Bietschhorn-führer.

Am 29. Juli früh war aber wider Erwarten der verlorene Mann nebst Sack wieder vorhanden, so daß uns nun, anstatt zwei, drei Leute zur Verfügung standen. Erst 3 Uhr 20 Min. Morgens, fast anderthalb Stunden später, als wir wollten, konnten wir auf- 2 brechen.* ) Das Wetter war schön, doch viel zu warm; die Sterne flimmerten verdächtig und deuteten auf Föhn. Der Weg führt das Lötschthal hinauf bis Pfafflernalp ( Exck. „ Fafleralp, Faflerthal " etc. ) und biegt dort links in das einsame und wilde Innerpfafflerthal ab, das von der Lonza sich nordwärts zu den vergletscherten Abhängen der Wetterlücke und des Breithornes heraufzieht. Nach dreistündigem scharfem Marsche, zuletzt pfadlos über Schafweide und Geröll, war das erste Schneefeld in der obersten Thalstufe und 20 Minuten später, 6 Uhr 40, der Innerthalgletscher erreicht. 2 ) Schon 8 Uhr 25 standen wir auf der Paßhöhe der Wetterlücke ( 3159 in ). Von Ried bis hieher hatten wir 5 Std. 5 M. Zeit, bezw. 4 Std. 35 M. guten, gleichmäßigen Ganges gebraucht. Um die Mittagsstunde spätestens hofften wir auf der Spitze und, bequem gehend, 6 oder 7 Uhr Abends wieder in Ried zurück zu sein. Wir entschlossen uns zum nächstliegenden Wege, dem Westkamm, dessen Felsen wir sofort in Angriff nahmen. Rubin führte. Der Kamm war so leicht, daß wir das Seil ablegten, um rascher und freier voranzukommen. Theils über die Kante selbst, theils auf Gesimsen oder durch kleine Couloirs dieselbe flankirend, hatten wir nach B/4Stündigem Anstiegev. Fellenberg, der 1865 für das Breithorn unterhalb der Wetterlücke an der „ Kanzel " in der Höhe von circa 2900 m bivouakirte, bezeichnet seinen Aufbruch aus dem 1400 m höher als Ried gelegenen Bivouak um 6 Uhr Mgs.als „ viel zu spät ". Jahrb. S.A.C. III, 1866, 306.

a; 1867 reichte der Innerthalgletscher viel weiter herunter und die Schneefelder zogen sich bis zu den mittleren Thalstufen herab.

von der Wetterlücke aus schon eine ansehnliche Höheerreicht. Da lenkten wir auf Veranlassung von Rubin und mir, die vorausgingen, durchaus zwecklos in die steile Südwand ein. Nun kam ganz andere Arbeit und das Seil trat in seine Rechte. Erst horizontal, dann abwärts, viel an der gewonnenen Höhe verlierend, dann wieder aufwärts, ward in östlicher Richtung traversirt. Der Fels war schlecht und wurde es immer mehr, je weiter wir vorrückten; in den Ritzen lag viel Eis und dazu kam ein starker Rest von einige Tage zuvor gefallenem Schnee. Bald begann auch die Sonne und der warme Föhn zu wirken, und das ganze Terrain wurde äußerst unsicher. Mein Freund und die beiden Berner erhoben Einsprache und wollten wieder auf den Westgrat zurück; Rubin und ich widersprachen. Wir sahen zwar unseren Fehler ein; noch wäre es Zeit gewesen, ihn gut zu machen, aber ein gewisser Eigensinn, der sonst nationale Eigenschaft unserer Collegen von jenseits des Canales ist, hielt uns ab, das zu thun, was wir doch als das allein Richtige erkannten. Die Andern fügten sich, obschon etwas wie „ Unsinn " und „ colossale Dummheit " sich hören ließ. So blieb man denn in der Wand. Unser nächstes Ziel war ein scharfer Einschnitt, eine Lücke, ähnlich der „ Gabel " am Gipfelfuße des Zinal-Roth-horns, die drüben, wo der große Südgrat am Hauptmassive des Berges ansetzt, hervortrat. Die letzte Strecke bis dorthin war nicht gut. Die thauende Schnee-und Eiskruste machte ein ordentliches Klettern fast unmöglich und doch war sie nicht stark genug, um regelrechte Stufen zu ertragen.

Es war 11 Uhr 20 Min., als wir die „ Gabel " gewonnen hatten. Rechts ( östlich ) erblickten wir tief unter uns den zerrissenen Jägifirn, hinter uns, hart zu unseren Füßen, lag das große Couloir, in einer jähen Flucht zum Innerthalgletscher abfallend. Eine kleine Felswand trennte uns noch von der Firnhaube, die hier ihre steile, südliche Seite weist.

Nach kurzer Rast stiegen wir über die Felsen zum Firn, in der Hoffnung, derselbe werde uns rasch emporhelfen; doch ward unsere Erwartung getäuscht. Der Schnee erwies sich als ganz schlecht, wässerig und vom heißen Föhne zersetzt; es fehlte ihm jede rechte Verbindung mit der alten, vereisten Firnunterlage. So erforderte er tiefe und gute Stufen im unteren, festen Eise. Wir hielten uns zuerst gegen die Ostkante des Firndaches, dann traversirten wir schräg links aufwärts. Es war 11 Uhr 35 Min., als das Stufenschlagen begann, und fast zwei Stunden später, 1k 2 Uhr, als es auf der Spitze endete.

Der ganze Gipfel war stark bewachtet und keine apere Stelle vorhanden, wie sie 15 Jahre zuvor die ersten Besteiger getroffen hatten. Von der zum größten Theil verhüllten Aussicht sahen wir nur wenig, so den Niederblick nach Trachsellauenen und Mürren; dieses Wenige aber war packend und einzig in seiner Art. Unser Aufenthalt dauerte nur 10 Minuten; dunkle Gewitterwolken, die von allen Seiten heranzogen, mahnten zur Eile. Der Versuch, von der Spitze direct über den Westgrat nach der Wetterlücke abzusteigen, wie ihn vier Jahre später Lindt mit Erfolg gemacht hat, wurde zwar vorgeschlagen, unterblieb aber, da man vorzog, in den schon gehauenen Stufen wieder zur Gabel zurückzukehren.

1 Uhr 40 Min. begannen wir den Abstieg. Er erforderte fast Fünfviertelstunden, da vielfach frisch gehackt werden mußte. Der Schnee war in denkbar schlechter Verfassung und die Gefahr des Abrutschens lag nahe. Ganze Schichten lösten sich ab und fuhren zischend und tosend in die Felsen unter dem Firn-dache. 2 Uhr 50 Min. war die Gabel wieder erreicht. In einer Stunde hofften wir wieder zum Westgrat traversiren zu können, der uns leicht und rasch zur Wetterlücke hinunterfuhren mußte. Als wir uns aber anschickten, wieder in die Südwand zu gehen, sahen wir, daß die gesammte Strecke, welche unter der Firnhaube hindurchführt, dem Schneeabfall und den Steinen ausgesetzt war. Die ganze Wand unter dem Firndache schien in Bewegung zu sein. So war uns denn dieser Weg abgeschnitten und als Rückzugslinie blieb uns nur das große Couloir auf den Innerthalgletscher hinunter. Dasselbe ist mäßig breit, sehr steil und lang. Wir betraten es erst 3 Uhr 05, nachdem wir uns überzeugt, daß die Schneestürze, welche durch dasselbe abgingen, genau -ihrem natürlichen Abflußkanal in seiner Mitte folgten, und zwar schlugen wir uns auf seine linke ( östliche ) Seite, indem wir uns möglichst nahe an den Fels hielten. Zuerst kam hartes Eis, dann vereister Schnee. Obschon Rubin ein starker Mann und ein sehr tüchtiger Stufenhauer ist, war doch unser Fortschritt, da steil abwärts gehackt werden mußte, ein langsamer. So ging es über drei Stunden, bis nach 6 Uhr, immer auf der linken Seite, während wenige Schritte von uns ein Schneesturz nach dem andern die Rinne fegte und drüben in den Felsen die Steinschläge krachten. Diese Felsen wären wahrscheinlich gangbar gewesen, so aber blieben sie uns verschlossen. Erst nach 6 Uhr Abds. wurde es im Couloir ruhiger, und um 6x/2 konnten wir es wagen, über den Lawinenkanal auf die rechte Seite überzugehen, wo der Schnee viel besser und das ganze Terrain überhaupt praktikabler war. Kurz nach 7 Uhr waren wir am Bergschrunde, der noch einigen Aufenthalt bereitete, und 7. 20, 4 Std. 15 M. nach Betreten des Couloirs, auf dem flachen Gletscher. Die 700—750 m von der Spitze bis hierher hatten uns somit 5 Std. 40 M., einschließlich eines kaum viertelstündigen Aufenthaltes in der Gabel, gekostet. Damit war unsere Arbeit am Breithorn, die 11 Stunden zuvor auf der Wetterlücke begonnen hatte, zu Ende.

Erst jetzt kam das Gewitter, das den ganzen Nachmittag über gedroht hatte, zum Ausbruche, und zwar mit acht alpiner Wuth. Es peitschte uns noch auf dem Gletscher tüchtig durch und gab uns das Geleite bis weit in 's Thal hinunter. Der Abstieg durch das Innerpfafflerthal in stockfinsterer Nacht, bei strömendem Regen, der unsere Flaschenlaterne außer Ge- brauch setzte, brachte unsere Gesellschaft ganz auseinander. Erst auf der Pfafflernalp fand sich die zersprengte Colonne wieder zusammen. I114 Uhr Nachts waren wir in Ried.

Der 30. Juli war ein rechter Landregentag. Am Tage darauf begleitete ich meinen Freund nach Lauterbrunnen hinüber. Mit einiger Befriedigung blickte ich, wie wir dem Petersgrate zustiegen, nach dem Breithorn. Unser Berg glänzte wieder in frischem Schneekleide, als wollte er uns einladen, das Spiel von Neuem zu beginnen, das wir mit ihm gespielt und fast verloren hatten.

So verlief eine Bergfahrt, welche mehrfache Fehler in der Auswahl des Weges und schlechter Schneezustand zu einer unverhältnißmäßig schwierigen und langen gemacht hatten. Diese Fehler fielen unserem Lötschthaler Führer Rubin und mir, als den Leitern der Partie, zur Last. Rubin soll damit kein Tadel treffen, denn er, wie auch Jossi, benahmen sich während der ganzen Tour geradezu musterhaft. Auch Marti, der eigentlich nur Trägerdienste leistete, hat, so viel an ihm lag, seine Pflicht gethan.

Man wird vielleicht sagen, ich habe, um aus der an sich unbedeutenden Besteigung einer mittleren Spitze etwas zu machen, der Phantasie zu freien Spielraum gelassen. Dieser Vorwurf wäre unbegründet. Das Breithorn wurde von mir geschildert, wie wir es am 29. Juli 1880 auf unserem Wege und bei damaliger Bergbeschaffenheit getroffen haben, d.h. im Allgemeinen schwierig und stellenweise recht heikel. Ich weiß zwar, daß es heutzutage nicht als „ fair " gilt, in den Bergen überhaupt etwas schwierig zu finden. Es gehört mit zum Schneid der neueren hochalpinen-Schule, das als leicht darzustellen, was in That und Wahrheit oft recht schwer geworden ist. Ein gewöhnlicher, nicht mehr ganz junger Durchschnittsbergsteiger,, welcher dieser Schule nicht angehört, darf sich abei-schon das Geständniß erlauben, ein Berg sei ihm unerwartet schwierig vorgekommen.

Man wird auch die von uns aufgewandte Zeit,. 19 Std. 55 M., wovon nur 1 Std. 50 M. Rast, als. sehr lang bezeichnen. Sie ist es auch in der That. Das Breithorn hat mich mehr Zeit und Mühe gekostet, als das bedeutend höhere, an und für sich weit schwierigere Bietschhorn. Dieses letztere, der Löwe des Lötschthales, eine Besteigung ersten Banges,, erforderte für mich am 16. September 1878 bei ungünstigem Wetter und bei sehr schlechtem Gipfelgrate-von Ried aus und zurück 16 Marschstunden, also-2 Stunden weniger als das Breithorn.1 ) Ich kann nicht sagen, daß 1880 am Breithorn Herr Felix Burckhardt und ich schlechter gegangen wären, als Dr. Moseley und ich zwei Jahre zuvor am Bietschhorn, denn, wir waren Beide trainirt und gut disponirt.

Doch sind solche Vergleiche schwierig und bieten keinen sicheren Maßstab. Immerhin darf man nicht vergessen, daß nichts wechselnder ist, als ein und derselbe Berg zu verschiedener Zeit und auf verschiedenem Wege. Das zeigt auch Herrn Lindt's Breithornsbesteigung, 1884, im Vergleich zu der des Herrn v. Fellenberg, 1865.Der kürzeste und beste Weg auf das Breithorn ist unbedingt der von Herrn Lindt bei seinem Abstiege gemachte über die Westkante von der Wetterlücke aus. Wer von Ried aus den Berg besteigen will; könnte ihn, durch Combinirung meines Weges mit dem des Herrn Lindt, auf sehr lohnende Weise traversiren: Aufstieg durch das große Couloir, welches zu früher Stunde und bei gutem Schnee durchaus gefahrlos sein muß, und über die Südseite der Firnhaube, Abstieg über die Westkante zur Wetterlücke. Wer das lange Stufenschlagen im Couloir scheut, der versuche die Felsen auf seiner Westseite. Unter normalen Verhältnissen und auf dem richtigen Wege wird ein guter Granger ungefähr zwei Drittel der von uns benöthigten Zeit, also 13-14 Stunden, einschließlich 1-2 Stunden Rast, gebrauchen.

Das Breithorn ist nicht Modeberg und wird es nie werden. Dazu fehlen ihm noch einige hundert Meter an Höhe und ein schöner Name. Die great attraction des Lötschthales ist das Bietschhorn, das seit Erbauung der Clubhütte, Anfangs der Achtzigerjahre, öfters gemacht wird. Es ist unbedingt einer der interessantesten Berge der Schweiz und seine Besteigung gewährt einen mächtigen Reiz. Doch man kann das Eine thun und das Andere nicht lassen. Auch das bescheidene Breithorn, diese „ Spitze zweiten Ranges ", hat seine Anziehungspunkte und ist eines Besuches in hohem Grade werth.

Unsere Zeiten waren:

Ab Ried ( 1500 m ) 3. 20 Mgs. Innerthalgl. 6. 40 — 7. 10. Wetterlücke B.25. Gabel 11.20-11.35. Breithorn ( 3779 m ) 1.30 — 1.40 Nehm. Gabel 2.50 — 3.05. Fuß d. großen Couloirs 7. 20 Abds. Innerthalgl.Ende B. B. 15. Pfafflern-alp 9. 50 — 10. 10 Nachts. In Ried 11. 15. Total: 19 Std. 55 M. Zeit, wovon 18 Std. 10 M. Marsch und 1 Std. 45 M. Halt.

III. Vom Gross-Nesthorn ( 3820 in .) über das Gredetschjoch ( 3525 m .) nach Brieg. 1876.

Das Groß-Nesthorn, der dritthöchste Gipfel der Lötschthaler Alpen, wird in neuerer Zeit von Belalp aus häufig bestiegen, und mit Recht. Der Berg ist überaus lohnend und weder lang, noch schwierig. Auffallender Weise ist ihm bis vor wenigen Jahren von schweizerischen Clubisten nur geringe Aufmerksamkeit geschenkt worden. Während schon 1865 durch englische Bergsteiger die erste Besteigung stattfand und das Alpine Journal von 1865-1874 über drei verschiedene Auf- bezw. Abstiege am Nesthorn durch Mitglieder des A. C. zu berichten weiß, enthalten unsere Jahrbücher bis zu ihrem 18. Jahrgange, 1882/83, keine Beschreibung des Groß-Nesthornes. I ) Es war das Verdienst des Herrn Prof. Schieß ( S.A.C., Basel ), der im Jahre 1882 mit seinem Sectionscollegen, Herrn Lüscher, den Berg bestieg, diese Lücke endlich ausgefüllt zu haben.2 ) Als erste Schweizer Touristen waren wohl Herr M. Rosenmund ( S.A.C., Zürich ) und Herr Prof. C. Morf ( S.A.C., Lausanne ) 1875 auf dem Groß-Nesthorn.3 ) Ich folgte ihnen 1876 nach. Sie, wie die Herren Schieß und Lttscher, stiegen vom Beichfirn, also von der Nordseite über den Breithorngletscher auf und ab. Es ist dies auch der allgemein übliche Weg. Der Berg ist allerdings auch schon von Südosten, vom namenlosen Gletscher zwischen Groß-Nesthorn und Unterbächhorn, bestiegen worden. Ebenso wurde ein Abtieg nach dem Gredetschthale ausgeführt und dabei das Gredetschjoch zum ersten Male überschritten. Es geschah dies am 1. Juli 1872 durch die Herren Moore und Walker vom A. C. mit Melchior und Jakob Anderegg.4 ) Als ich am 29. August 1876 diesen Weg ebenfalls machte, war mir die Tour von Moore und Walker, von der ich allerdings hätte wissen können und sollen, noch unbekannt.

Dieser Weg bietet schon an und für sich einen ganz interessanten Gletscherpaß über den Kamm zwischen GroNesthorn und Lötschthaler Breithorn ( 3795 m ) und bildet so einen Hochweg vom Beichfim nach dem Gredetschjoch ( 3525 m ) ist nicht zu verwechseln mit der mehr als 500 m niedrigeren Gredetsch löcke3003 m ), einer Scharte nördlich vom Grubhorn ( It. 3180 m, Exck. 3206 m ), die einen Uebergang von Baltschieder nach Gredetsch ermöglicht. 2 ) Den 27. August Abends war ich, in Begleitung von Peter Egger und Chr. Jossi von Grindelwald, aus dem Lötschthale, wo ich fünf Tage lang vergeblich bei schlechtem Wetter vor dem Bietschhorn gelegen, nach Belalp gekommen, in der Absicht, das Groß-Nesthorn zu besteigen, das, als minderer „ Tosselu nach Egger's Ausdruck, auch bei ungünstigen Schneeverhältnissen und unsicherer Witterung zugänglich sein mußte.

Am 28. August früh schneite es wie im Winter. Als am Nachmittage das Wetter sich aufhellte, ging ich mit Egger bis zum Beichfirn, recognoscirte unseren Berg und gewann die Ueberzeugung, daß der massenhafte Neuschnee zwar sehr beschwerlich, aber bei der herrschenden Kälte gefahrlos sein werde.

Am folgenden Morgen, 29. August 1876, verzögerte schlechtes Wetter unseren auf 2 Uhr früh festgesetzten Abmarsch um mehr als 3 Stunden. Erst um 5 Uhr 10 M. früh konnten wir nach eingetretener Aufhellung aufbrechen. Der Schnee lag bis in die Nähe des Hotels; Moräne und Gletscher waren knietief verschneit. 1 Uhr 15 Nehm, standen wir nach — weniger für mich, als für meine beiden Leute — höchst anstrengender Arbeit auf dem Gipfel des Groß-Nest-hornes ( 38-20 m).Zum Aufstieg hatten wir, und zwar mit Recht, das östlichste von den vier Couloirs gewählt, welche vom flachen Beichfirne den Breithorn-Gletscherbruch empor zum Hochfirn führen, von dem es links ( östlich ) auf 's Groß-Nesthorn und rechts ( westlich ) auf 's Breithorn geht. Ein eisiger Nordwind ließ es uns auf dem Gipfel zwar nur eine Viertelstunde aushalten, verschaffte uns aber dafür den Genuß einer fast wolkenlosen Aussicht, eine der schönsten, die ich kenne.2 ) Ich muß den ersten Nesthornbesteigern aus Erfahrung beistimmen, wenn sie dieselbe als noch schöner als die vom Aletschhorn und vom Dom nennen, was viel heißen will.

Viel zu früh, 1V2 Uhr, mußten wir den Gipfel verlassen, entschlossen, wenn irgend möglich, anstatt wieder nach dem Beichfirn, nach dem Gredetschthale zurückzukehren. Auf dem Grate zwischen Groß-Nesthorn und Breithorn suchten und fanden wir einen ganz directen Abstieg nach dem oberen Gredetschgletscher: eine zum Theil mit Schnee gefüllte Kehle, die uns unschwierig und rasch in nur 20 Minuten von der Grathöhe aus auf den Gletscher führte.

Die Excursionskarte 1884 scheint mir diesen Uebergang ( Gredetschjoch, 3525 m ) zu viel nach Westen, gegen das „ Gredetschhörnli " ( 3663 m ) zu, zu verlegen; meines Erachtens liegt er mehr östlich, näher beim kleineren Nesthorngipfel ( 3720 m ), also höher als der auf der Karte mit 3525 m eingezeichnete Paß, und zwar etwa 3600 m hoch.

Es war 3 Uhr, als wir den Gredetschgletscher gewonnen hatten. Seine oberen Partien waren steil und der massenhafte, frische Schnee hielt uns bedeutend auf. Erst um 4 Uhr 20 war das untere Ende des Gletschers erreicht, und zwar in dessen östlichem Theile.Von hier sollte man möglichst direct der Thalsohle zuhalten. Anstatt dessen gingen wir zu viel links, in die östliche Thalwand, deren steile Felsköpfe und schmale Rasenbänder uns noch eine mühsame und durchaus unnütze Kletterei von fast zji Stunden bereiteten. 5 Uhr wurde der Thalboden betreten, den bis weit hinaus noch mächtige Felder von Lawinenschnee deckten.

Der Gang das Gredetschthal hinaus ist lang, aber keineswegs, wie man wohl meinen sollte, einförmig und ohne Interesse. Der einsame, wilde Charakter des durch Lawinen, Felsstürze und Hochwasser trostlos verwüsteten Thales ist einzig in seiner Art; er stimmt ernst, läßt aber nicht gleichgültig.

Prof. Schieß, der vom Breithornhochfirne nach Gredetsch herunterblickte, sagt: „ Wir sahen unter uns, gerade südlich streichend, die ungemein eintönigen Wände des Gredetschthales. Wie eine halb-cylindrische Furche, von einem Ungeheuern Hohl- meißel ausgehobelt, liegt es in gräulicher Monotonie vor uns, und wir können Fellenberg in seinem Itinerar nur beistimmen, wenn er es als das längste, mono-. tonste, traurigste und wildeste unter allen südlichen Seitenthälern des Bietschhornmassives bezeichnet.Hätte unser College das Thal selbst begangen, so würde es trotz alledem seine Aufmerksamkeit erweckt haben, zumal an einem Tage, wie an dem unsrigen, wo von jenseits der Rhone, über grüne Waldberge,, das Fletschhorn mit seinem leuchtenden Gletschermantel in den warmen Strahlen der Abendsonne herüberglänzte, die ganze Thalöffnung des Gredetsch von einer Bergwand zur anderen, wie ein duftiges Zaubergebilde, abschließend.

Ueber die ärmlichen, arg verwüsteten Alpen int innern und im äußern „ Gredetschläger " geht esr immer auf der rechten Seite des Gredetschwassers-(auch „ Mund " oder „ Munt " bach ), dem Thalausgange zu. Kurz vor demselben überschritten wir die Mund, um, links uns wendend, der Hochterrasse von Bürgisch entlang, die rechte Thalwand des Rhone-thales zu gewinnen. Die Nacht war eingebrochen, als. wir über Naters Abends 8 Uhr 15 Min. Brieg erreichten. Sofort nach unserem Eintreffen meldete ich, um etwaigen Befürchtungen vorzubeugen, telegraphisch den Grund unseres Ausbleibens nach Belalp.2 ) Das Groß-Nesthorn, mit Aufstieg von Belalp und Abstieg nach Gredetsch und Brieg, verdient, viel öfters gemacht zu werden, als dies thatsächlich geschieht. Anstatt des Nesthornes kann ganz wohl das Lötschthaler Breithorn mit diesem Uebergange verbunden werden. Aber auch ohne den einen oder den anderen dieser Berge mitzunehmen, ist die Ueberschreitung des Gredetschjoches von Belalp nach Brieg oder Visp ein überaus lohnender Hochpaß.

Der Abstieg vom Nesthorne bezw. vom Gredetschjoch in 's Rhonethal zieht sich allerdings etwas weit hin, denn Entfernung und Höhendifferenz sind bedeutend. Die letztere beträgt vom Nesthorn nach der Rhone ( bei Brieg oder Visp ) 3145 m, resp. 3163 m. So starke Abstiege von der Bergspitze bis in 's Nachtquartier finden sich in unseren Schweizer Alpen im Berner Oberlande nur vereinzelt und im Engadin mit seiner hohen Thalsohle und seinen verhältnißmäßig niedrigen Spitzen gar nicht. Wer das Wallis bewandert, trifft sie oft und gewöhnt sich bald daran.

Dessen ungeachtet ist das Groß-Nesthorn und das Gredetschjoch von Belalp nach dem Rhonethal keine besonders lange und hauptsächlich keine schwierige Partie, so daß diese Bergfahrt auch für den mittelmäßigen Gänger sehr wohl ausführbar ist. Wer um S Uhr früh aufbricht und guten Schnee hat, wird bei reichlichem Rasten bequem Abends 6-7 Uhr in Brieg oder in Visp sein.

Meine Zeiten waren:

Ab Belalp ( 2137 m ) 5. 10 früh. Fuß des Breithorngletschers ( Kehle ) B. 30 — 9.. Höhe der Kehle ( Hochflrn ) 11.20. Gr.Nesthorn ( 3820 m ) 1.15 — 1.30 Nehm. Gredetschjoch ( 3525, 3600? m ) 2. 10 — 2. 40. Ober-Gredetschgletscher 3.. Gletscherende 4. 20. Gredetschtal 5.. Gredetsch-läger 6. 20 — 6. 35. Brieg ( 675 m ) B. 15.

Total: 15 Std. 5 M., wovon 13 Std. 35 M. Marsch und 1 Std. 30 M. East.

IY. Notiz über die erste Besteigung des Trugberg ( 3933 m .) und über einen Versuch auf das Finsteraarhorn vom Finsteraarjoche ans. 1871.

Inmitten des größten Eisgebietes der europäischen Alpen, zwischen Jungfraufirn und Ewigschneefeld, schwingt sich über eisbepanzerten Wänden der Trugberg zur schmalen Gratzinne auf. Erst in neuerer Zeit wurde diese Spitze vom menschlichen Fuße be- treten .Noch 1869 konnte Studer schreiben: „ Der Trugberg ist einer jener wenigen Hochgipfel der Berner Alpen, die noch nicht bestiegen worden sind. " 1 ) Es war am 13. Juli 1871, als mir die erste Besteigung des Berges mit Peter Egger und Schlegel von Grindelwald gelang, nachdem das Jahr zuvor zwei Versuche von Dr. Häberlin aus Frankfurt ( S.A.C., Basel ) gescheitert waren. Schlechtes Wetter und ungünstige Schneeverhältnisse bei schon vorgerückter Jahreszeit hatten die mit schneidiger Energie ausgeführten Angriffe dieses bewährten Bergsteigers abgeschlagen. 2 ) Eine zweite Besteigung des Gipfels fand erst 1877 statt durch Herrn v. Fellenberg; mit Recht sagt derselbe: dieser schöne, die Quellfirne des Aletsch und die Südseite der Berner Alpen dominirende BergStuder, Ueber Eis und Schnee-'I, 223. 2 ) Jahrb. S.A.C. VII, 1871/72, 214 ff.

3 SiEmü Burckhardt.

sei noch viel zu wenig bekannt und gewürdigt. Und Häberlin, der zuerst dem Trugberg nähere Aufmerksamkeit schenkte, urtheilt treffend über ihn: „ Bei „ seiner selbstständigen Stellung mitten im Quellgebiete „ des Groß-Aletschgletschers ist er zugleich einer der „ centralsten Eisberge unserer Alpen.Unsere Jahrbücher enthalten zwei treffliche Schilderungen des Trugberg, die eine von Häberlin, in-Band VII, 1871/72, die andere von Fellenbergr Band XIV, 1878/79. 2 ) Beide bieten erschöpfendes-topographisches und touristisches Material; das historische findet sich summarisch bei Studer I, 223. Die nachfolgenden Mittheilungen, ein gedrängter Auszug-aus einem Vortrage, den ich im Winter 1871/72 der Section Basel hielt, sollen das Thatsächliche der ersten Besteigung feststellen. Da diese letztere im Anschlüsse an einen Versuch auf das Finsteraarhon von der Berner Seite ( vom Finsteraarjpche aus ) stattfand, so-mögen einige Bemerkungen auch über diese Bergfahrt hier ihren Platz finden.

Im Sommer 1871 hatte ich, nachdem mir 1870 die Berge, wie manchem Andern, gänzlich verschlossen gewesen waren, überhaupt nur 8 Tage für dieselben verfügbar, und diese 8 Tage fielen noch dazu in die sehr schlechte erste Hälfte Juli, in der bis auf die Alpweiden herab Schnee lag, so daß alle Hochtouren unmöglich schienen. Dennoch versuchte ich die Ausführung meines Planes: Finsteraarhorn vom Finster- aarjoch aus, Hinter-Viescherhorn und Trugberg, drei überhaupt noch nicht gemachte Touren, allerdings ohne viel Hoffnung auf Erfolg.

Den 7. Juli langte ich in Grindelwald an, wo mich Peter Egger erwartete, ging mit ihm allein am folgenden Tage nach dem Finsteraarjoch und recognoscirte die Nordostwand des Finsteraarhornes, besonders die große Kehle gegen den Hugisattel, durch die uns ein Aufstieg möglich schien.Das Resultat unserer Prüfung war kein günstiges und wir kehrten, im Zweifel über das, was zu thun sei, nach Grindelwald zurück. Als aber am 9. Juli das Wetter sehr schön wurde, entschloß ich mich doch zu einem Versuche und übernachtete mit Egger und mit Peter Schlegel im Kastenstein, der noch tief im Schnee steckte. Am 10. Juli überschritten wir, bei wieder zweifelhafter Witterung, in den ersten Tagesstunden das Finsteraarjoch und waren schon früh am Fuße der Hugikehle, die wir aber wegen fortwährender Schnee- und Steinstürze nicht zu betreten wagten. So wandten wir uns denn zurück zum Agassizjoch, um über dasselbe und direct über den Nordwestgrat das Finsteraarhorn zu besteigen, ein Weg, der 1868 zweimal, einmal abwärts und einmal aufwärts, gemacht worden war.2 ) Der Schnee im großen Agassizcouloir war in so schlechter Verfassung, daß wir in die nicht viel besseren und tief verschneiten Felsen gedrängt wurden.] ) Hier entgingen wir, ungefähr in der Mitte der Wand, mit knapper Noth einer Lawine.2 ) Auf der Höhe des Agassizjoches ( 3850 m ), um die Mittagsstunde, überraschte uns ein sehr starkes Gewitter, welchem Nebel und Schneegestöber folgten. 3 ) Das Finsteraarhorn war für uns verloren, und nicht einmal das noch unbestiegene Agassizhorn ( 3956 m ), das in einer kleinen halben Stunde vom Joche aus leicht zu erreichen ge- 1868, A.J. IV, 1868/70, 155, abwärts aber schon eine Woche früher, am 20. Juli 1868, durch F. Bischoff und E. Nötzlin, S.A.C., mit Christen Michel und Peter Egger. Es war dies die erste Traversirung des Finsteraarhornes vom Viescherfirn nach dem Finsteraarfirn überhaupt. Da leider nichts darüber veröffentlicht wurde, blieb sie weiteren Kreisen unbekannt.

wesen wäre, konnte mitgenommen werden.Erst mit einbrechender Nacht erreichten wir den Faulberg, nachdem wir im Nebel auf dem Walliser Viescherfirne vier Stunden lang in der Irre herumgegangen waren und das Unwohlsein eines meiner Führer bedeutenden Aufenthalt verursacht hatte. Schlechtes Wetter trieb uns am 11. Juli nach dem Eggischhorn, wo der Schnee bis zum Hotel lag. Mein Plan war gewesen, diesen Tag im Faulberg zu bleiben und, während ein Führer auf Eggischhorn Proviant und Holz holte, mit dem andern Hinter-Viescherhorn und Trugberg zu recognosciren, am 12. und 13. diese Berge zu versuchen und dann an letzterem Tage noch nach Grindelwald zurückzukehren.

Regen und Schnee hielten mich 11k Tage, bis am 12. Abends, auf Eggischhorn fest 2 ), somit war einer der beiden Berge für mich verloren, da ich am 14. in Basel sein mußte.Vom 12. zum 13. Juli übernachtete ich wieder im Faulberg, entschlossen, wenigstens den Trugberg, den ich für den „ besseren " von den beiden Gipfeln hielt, zu machen.

Am 13. Juli, 3 Uhr früh, gingen wir gegen den Berg vor. Unser Weg war im Allgemeinen derselbe, den sechs Jahre später Herr v. Fellenberg genommen hat. Um 6 Uhr 30 begannen wir den eigentlichen Aufstieg, der des vielen Schnee's wegen sehr müsam und langwierig war, aber bei Weitem nicht die Schwierigkeiten bot, wie sie das Jahr zuvor den beiden Versuchen von Dr. Häberlin sich entgegengestellt hatten. Von 7 Uhr an wurde das Wetter sehr schlecht und stürmisch. In starkem Schneefall traversirten wir an der Firnwand über dem Ewigschneefeld aufwärts und gewannen nach ziemlich langem Stufenschlagen an steilem Gehänge ( Messung von Fellenberg: 52° ) gute Felsen. Von da kamen wir unschwierig auf den Grat, wo uns der tobende Sturm sehr zusetzte. Um 9 Va Uhr hatten wir eine Felszacke erreicht, die möglicherweise der Gipfel sein konnte, doch griffen wir, als aus dem Nebel die Umrisse einer zweiten, scheinbar höheren Spitze hervortraten, auch noch diese an, wobei wir eine tiefe Kluft umgingen, und waren 9 Uhr 50 oben. Diese letzte Strecke war nicht leicht. In der Annahme, auf dem höchsten Gipfel zu das für zwei Tage alle noch so kühnen Bergfahrer in der Schweiz, wie in Savoyen, von den Zielen ihrer Wünsche zurückwies. "

sein, erbauten wir einen Steinmann. Die Aussicht] ) war eine sehr beschränkte: Dichter Nebel, viel Schneeflocken und einige Meter Felsgrat. Sofort nach Beendigung des Steinmannes, 10 Uhr 10, begannen wir den Abstieg, und zwar nicht auf unserem alten Wege, sondern nordöstlich, nach dem oberen Ewigschneefeld zu. Er war steil und erforderte bei dem damaligen Schneestande große Vorsicht, bot aber keinerlei Schwierigkeit. 11314 Uhr waren wir auf dem flachen Firne, wo eine normale Temperatur und völlige Windstille wieder Leben und Wärme in unsere halb erstarrten Glieder brachte.

Als wir uns dem Mönchjoche näherten, hellte sich das Wetter zusehends auf und die ersten Sonnenblicke, die um den Gipfelgrat des Trugberg spielten, ließen uns erkennen, daß wir unseren Steinmann da gebaut, wo er von Rechtswegen hingehörte: auf die Spitze eines der letzten jungfräulichen Zwölftausender der Berner Alpen.

Die Berglihütte war tief verschneit und der Zugang zur Thüre mußte mühsam ausgeschaufelt werden.2 ) Unser Rückweg nach Grindelwald sollte einen höchst gelungenen Abschluß finden. Als wir die unteren Schneefelder des Vieseherfirnes gegen das Kalli hinabgingen, sahen wir links über uns drei Männer die Felsen gegen die Eigerhöhle aufsteigen. Es war ein Herr mit zwei Führern. Nun gegenseitiger Zuruf und Frage über „ woher " und „ wohinTrugberg heut'früh ) Vgl. über dieselbe v. Fellenberg, 1. c, 274, und das diesem Jahrbuch beigegebene Panorama von S. Simon.Vgl. auch Häberlin, 1. c, 152.

10 Uhr ", schallte es hinauf. Der Herr grüßte und stieg'still mit seinen Leuten weiter. Es war Niemand anders als Dr. Häberlin, der zwei Tage zuvor bei seinem dritten Versuche gegen den Trugberg durch schlechte » Wetter schon am Mönchjoch zurückgeschlagen worden war J ) und nun zum vierten Male zum Angriff vorging. Mein College änderte jetzt, wie ich später erfuhr, seinen Plan, ließ den Trugberg bei Seite und machte dafür am folgenden Tage unter sehr ungünstigen Verhältnissen die erste Besteigung des Hinter-Viescher-hornes ( 4020 m ), 2 ) das hinwiederum mir entgangen war. So wurden binnen zwei Tagen zwei von den letzten noch jungfräulichen Hochgipfeln des Oberlandes für den S.A.C. gewonnen.

Meine Zeiten waren:

Ab Faulberg ( 2847 m ) 3 Uhr früh. Trugbergfuß 6. 6. 30. Trugberg ( 3933 m ) 9. 55—10. 10. Mönchjoch 12. 40 Nehm. Berglihütte ( alte ) 1. 20 — 2. 40. Bäregg 5. 40 — 6. Grindelwald ( 9897 Uhr Abds. Total: 16 Std. Zeit, wovon 13 Std. 30 M. Marsch und 2 Std. 30 M. Rast.

Y. Kotizen über den fflettenberg-SchrecËhornkamm.

Gwächtejoch ( Mettenbergjoch ), 3159™, 1872.

Der mächtige Kamm, der nach Nordwesten vom Groß-Schreckhorn gegen das Grindelwaldthal sich absenkt, läßt sich in zwei Theile zerlegen, in den oberen, mit den beträchtlichen Erhebungen des Nässihorn ( 3749 m ) und Klein-Schreckhorn ( 3497 « " ), und Erinnerungen aus dem Clubgebiet.4t in den unteren, mit den weniger hohen, aber auf wuchtigem Massive fußenden Gipfelbildungen der Gwächten ( 3169 m ) und des Mettenberg ( 3107 m ). Die Hauptdepression und zugleich die natürliche Theilstelle des Gesammtkammes findet sich da, wo sein oberer Theil nach Ausstoßung des Klein-Schrekhornes zur selbständig entwickelten Spitze, in einer Flucht von mehr als 300 m jäh auf den unteren Grattheil absetzt. Diese Stelle scheint zu einem Hochpasse von dem Grindelwald - Eismeer nach dem Ober - Grindelwaldgletscher wie geschaffen, doch wird sie sehr selten dazu benutzt. Das Interesse der Bergsteiger richtet sich mehr auf die Spitzen des Mettenberges und! des Klein-Schreckhornes. Diese beiden Berge haben den Vortheil, daß sie sehr wohl in einem Tage vom Thal aus gemacht werden können, der erstere leicht und kurz, der letztere etwas schwieriger und länger.

Die erste Kammüberschreitung fand 1857 statt, indem der Engländer Anderson i ) das noch jungfräuliche Klein-Schreckhorn vom Lauteraarsattel au » erstieg und durch das Grindelwald - Eismeer seinen Abweg nahm. Bis Anfangs der siebziger Jahre scheint kein Uebergang über den Grat mehr erfolgt zu sein, bis 1872 eine englische Partie denselben zwischen Mettenberg und Klein - Schreckhorn vom Gleckstein aus nach dem Grindelwald - Eismeer überschritten haben soll.

Unseren Jahrbüchern ist dieser Uebergang noch fremd und es mögen darum einige Mittheilungen über eine Passirung des Grates vom Grindelwald-Eismeer nach dem Ober - Grindelwaldgletscher, die ich 1872 ausführte, hier ihren Platz finden.

Mit Peter und Rudolf Kaufmann verließ ich Grindelwald den 2. September 1872, 3. 15 früh, war gegen Tagesanbruch auf dem Eismeer und stieg oberhalb der Stieregg ( 1795 in ) über steile Schafweide, Guferhalden und durch ein in seinen oberen Theilen mit Schnee ausgelegtes Geröllcouloir in nordöstlicher Richtung gegen den Grat hinan, welcher den Mettenberg mit dem Klein-Schreckhorn verbindet. Gegen 10 Uhr wurde zwischen 3094 und 3169 die Kammhöhe und auf derselben, etwas links, die „ Gwächten"(Schneegipfel ) 3169 erreicht. Von dieser Spitze versuchten wir einen directen Abstieg über den oberen Wechselgletscher. Der Versuch misslang, weil am unrichtigen Orte gemacht. Wir hätten uns mehr links, nordwestlich, halten sollen. iWir kehrten darum auf den Grat zurück und gingen theils derselben entlang, theils unter derselben, auf der Eismeerseite, nach rechts, östlich, gegen das Klein-Schreckhorn zu. Schließlich wurden wir ein gutes Stück abwärts gedrängt und verloren auf diese Weise bedeutend an der gewonnenen Höhe.

Es war schon 1. 10 Nachmittags, als wir auf der richtigen Paßhöhe, unmittelbar am Westfuße des Klein-Schreckhornes, bei 3159 der Exck. 1885/1886, standen.

Den unbenannten Gletscher auf der Nordwestseite des Klein- Schreckhornes absteigend, umgingen wir den Nordgrat des letzteren bei 2815 und gewannen so den Hochfirn des Ober-Grindelwaldgletschers. Die Zerrissenheit desselben zwang uns zu einem weiten Bogen gegen den Lauteraarsattel hin. Mehr als drei Stunden von der Paßhöhe an waren wir auf dem Gletscher, bis endlich um 1k5 Abends derselbe hinter uns lag. 5 Uhr war die ( alte ) Wetterhornhütte und nach einer allzulangen Rast in derselben auf dem alten Wetterhornwege über die „ Enge " B. 35 Grindelwald erreicht.

Meine Führer nannten den Paß „ Mettenbergjoch "; mir scheint, da er mit dem eigentlichen Mettenberge nichts zu thun hat, der Name n Gwächtejochu richtiger.Dieser Uebergang über den Mettenberg-Sehreck-hornkamm wird Jedem, der neben dem Großen such das Kleinere zu würdigen weiß, volle Befriedigung bieten. Für die Einzelkenntniß des Grindelwald-gebirges ist er von entschiedenem Werthe. Wenn die von uns erst nach anfänglichem Fehlgehen gefundene richtige Paßhöhe direct erreicht wird, so werden 2 lh bis 3 Stunden erspart. Die Tour kann ganz wohl, auch für mittlere Gänger, von Grindelwald hin und zurück gemacht werden, ohne ein Uebernachten auf der Bäregg mit zwei kleinen Stunden Zeitgewinn zu erfordern.

Meine Zeiten waren:

Ab Grindelwald ( 989 m ), 3.15 früh. Halt in der Gwächten-kehle, 7. 30-8. 10. „ Gwächten " ( 3169 m ), 10-10. 20. Gwäch-tenjoch ( 3159- ), 1. 10 — 1.40. Glecksteinhütte, 5 — 5. 40- Grindelwald, B. 35. Total: 17 Std. 20 M. Zeit, wovon 15 Std. 10 M. Marsch und 2 Std. 10 M. Halt.

Das Nässihorn ( 3719 in. ).

Erste Besteigung, 1885.

Während das Klein - Schreckhorn in neuerer Zeit öfters bestiegen wurde, fand sein höherer Nachbargipfel, das Nässihorn ( 3749 in ), die bedeutendste Erhebung des Mettenberg-Schreckhornkammes, keine Beachtung. Es mag die allzu unmittelbare Nähe des GroSchreckhornes, welche das Nässihorn nicht recht zur Geltung kommen lässt, daran Schuld sein.

Ich hatte schon vor mehrern Jahren eine Ersteigung des Nässihornes vom Lauteraarsattel aus beabsichtigt, mit Abstieg nach dem. Grindelwald-Eismeer, also eine Traversirung des Berges; schlechtes Wetter hatte mich zwei Mal, zuerst 1876 und dann 1881, von der Wetterhornhütte zurückgetrieben, ohne mich nur zum Angriffe kommen zu lassen. Erst 1885 gelang es mir, diesen Gipfel nachzuholen, leider nicht von seiner schönen Seite, dem Lauteraarsattel, und auch nicht als Traversirung, sondern als einfache Besteigung von der Eismeerseite aus.

Es war Anfangs August 1885; auf die prachtvollen Juliwochen folgten im Oberlande acht Tage schlechten Wetters, das manche Bergfahrt scheitern ließ. Am Vormittage des 1. August befand ich mich mit meinen Führern Chr. Jossi und P. Schlegel auf dem Rückzuge von einem Unternehmen im Finsteraar-gebiete, zu dessen Durchführung gute Witterung und tadelloser Schnee in allererster Linie nöthig sind Beides hatte gefehlt und um eine Niederlage reicher traf ich um die Mittagsstunde in der Clubhütte an -der Schwarzenegg ein. Wir waren nicht die einzigen Geschlagenen. Die Herren Dr. Guido Lammer und Dr. August Lorria, die berühmten führerlosen Wiener Bergsteiger, mit denen ich schon eine Woche früher anlässlich einer Groß-Viescherhorn-Besteigung in der Mönchhütte am „ Bergli'L zusammengetroffen, gingen soeben nach Grindelwald hinab; ihr erster Angriff auf den Nordwestgrat des Schreckhornes war Tags zuvor an der Ungunst der Witterung gescheitert. Dann kam ein junger Engländer mit zwei Führern gehörig abgewettert von einem Versuche auf das Schreckhorn ( gewöhnliche Seite ) zurück.

Nachmittags hellte sich das Wetter etwas auf, und während der englische Bergsteiger zu Thal zog, um bessere Witterung abzuwarten, nachdem er uns in liebenswürdigster Weise den Rest seines Proviantes zur Verfügung gestellt hatte, blieb ich mit meinen Leuten in der Hütte, mit dem Entschlüsse, das Nässihorn wenn möglich zu traversiren, jedenfalls aber zu besteigen. Die Nacht durch regnete es, gegen Tagesanbruch aber trat eine Besserung ein und wir konnten 4. Uhr 5 früh gegen das Nässihorn aufbrechen, das Lammer und Lorria — wie sie scherzweise sagten — mir als älterem Collegen großmüthig „ gelassen " hatten, trotzdem sie es bei ihrem Schreckhornversuche leicht hätten mitnehmen können.

Unser Weg war Anfangs, fast zwei Stunden lang, derselbe, wie auf das Schreckhorn, das große Couloir hinauf. Dasselbe war unten in leidlichem Zustande, erforderte aber weiter oben Stufenschlagen. Doch fielen trotz der frühen Morgenstunde mehrfach Steine, während ich 13 Jahre zuvor bei einer Schreckhorntour um dieselbe Tageszeit das Couloir ohne einen einzigen Steinfall passirt hatte. Dort, wo der Übliche Schreckhornweg rechts in die Felsen ablenkt, blieben wir noch eine gute Strecke gradaus in der Kehle, bis uns Steingefahr zwang, nach links, in die Felsen der Nordwestseite, zu gehen. Bis zu denselben war eine gute Anzahl Stufen quer über das hier sehr steile Couloir erforderlich. Während wir die losen, aber unschwierigen, Felsen hinaufkletterten, begann es dermassen zu schneien und zu stürmen, daß wir um 12 7 Uhr an einer etwas gedeckten Stelle Schutz suchten. Ein sehr kräftiges Frühstück war die natürliche Folge dieses gezwungenen und verfrühten Haltes. Als nach 20 Minuten das Schneegestöber nachließ und einem sanften Schneefall ohne merkliche Kälte Platz machte, stiegen wir in einer Stimmung, die des schönsten Sonnenscheines würdig gewesen wäre, weiter, unseren Weg hie und da durch auf-einandergelegte Steine markirend. Wie wir auf der Höhe der Wand ( Exck. 3316 ), zuletzt über einen Schneekamm, den obern Kastensteinfirn erreichten, lichtete sich der Nebel und erlaubte uns eine genaue Erinnerungen aus dem Clubgebiet.4T Orientirung. Rechts hatten wir die riesenhafte Westwand des Schreckhornes, links, tief unter uns, den zerrissenen ( unteren ) Kastensteinfirn und vor uns ragte aus grauen Schneewolken der Kamm des Näs&ihornes. Wir überschritten nun den Firn direct gegen das Nässihorn. Der Bergschrund war schlecht und verursachte Aufenthalt an dem Steinfall ausgesetzter Stelle. Auch weiter oben fielen Steine; um ihnen auszuweichen, gingen wir links und stiegen anhaltend an einer Felsrippe empor, die uns weit hinauf in die Wand des Nässigrates führte. Es war wieder Nebel eingefallen, so daß nicht immer die besten Stellen aufgefunden wurden. Zuletzt kam eine zwar kurze, aber recht steile Eispartie, welche sorgfältige Arbeit verlangte. Genau drei Stunden nach unserem Halt oben am Schreckhorncouloir — 9 Uhr 50 — steckte mein Vordermann seinen Pickel in die Gwächte der Kammhöhe und sandte seinen Jodler durch das winterliche Schneetreiben nach dem Lauteraar hinab. An einen Abstieg nach demselben war bei diesem Wetter allerdings nicht zu denken. Doch hatten wir unverhofftes Glück. Der Wind trieb auf Augenblicke den Nebel auseinander und zeigte unsere Spitze links vor uns in nächster Nähe. Dem Kamme entlang erreichten wir sie, theils über Schnee, theils über Fels, mäßig ansteigend, leicht in 20 Minuten — um 10 Uhr 10. Es ist ein Felsgipfel mit verschiedenen Absätzen. Spuren früherer Besteigungen fanden sich nicht vor. Wir erbauten zwei Steinmannli, eines gegen die Lauteraar-, das andere gegen die Eismeer-Seite. Aussicht hatten wir keine, dafür aber durch momentane Nebelrisse ein- -48Emil Burckhardt.

zelne Ausblicke von um so größerem Eindrucke. 10 Uhr 40 traten wir den Rückweg an, auf dem wir noch eine kleine Schneespitze, die sich mehr östlich, gegen den Lauteraarsattel zu, etwas höher als die Felsspitze erhebt, betraten ( 10 Uhr 50 ).

.'/al Uhr waren die Felsen am Schreckhorn-«ouloir wieder erreicht. In starkem Kegen stiegen wir das Couloir ab, das jetzt in denkbar schlechter Verfassung war, und langten V23 Uhr in der Hütte an, wo wir einen längeren Aufenthalt machten. Der Rückweg nach Grindelwald verschaffte uns auf dem Ober-Eismeere die Freude einer nochmaligen Begegnung mit Dr. Lammer und Dr. Lorria, die, für mehrere Tage mit Proviant versehen, trotz ungünstigen Wetters wieder nach der Schwarzenegg gingen, um ihre erbitterte führerlose Fehde mit dem Schreckhorn zu Ende zu fechten. J ) 7 Uhr 15 Abends waren wir in strömendem Regen in Grindelwald.

Wenn, wie es allen Anschein hat, das Nässihorn früher nicht bestiegen worden ist, so kann auf seine erste Ersteigung Dent's Ausspruch angewandt werden. „ We could not but feel, that if we were to achieve* ._ the honour of a first ascent, such honour would be „ principally due to the fact, that we had subdivided „ the secondary peaks of the chain more minutely, „ than other voyagers. "

Als neue und lohnende Tour bleibt nun noch mein ursprünglicher Plan: die Traversirung ( neugermanisch: „ Querung " ) des Nässihornes vom Lauteraarsattel zum Ober-Eismeer. Nachdem 1857 das Klein-Schreckhorn und 1872 das Groß-Schreckhorn in dieser Richtung traversirt worden sind, wird eine Ueberschreitung des Kammes zwischen diesen beiden Spitzen wohl nicht mehr lange auf sich warten lassen.

Meine Zeiten waren:

Ab Schwarzenegg ( 2500 m ), 4. 05 früh. Felsen nordwestlich vom Couloir, 6. 30-6.50. Nässikamm, 9. 50. Nässihorn ( Felsspitze 3749 m ), 10.10-10.40. Schneespitze ( 37603784 m ?), 10.50. Felsen nordwestlich vom Couloir* 12.30. Schwarzenegg 2.30-3. 30. Grindelwald ( 989 m ), 7.15. ( Unterwegs 15 M. Halt. ) Total: 15 Std. 10 M. Zeit, wovon 13 Std. Marsch und 2 Std. 10 M. Halt.

NB. Im letzten Drittel unseres Aufstieges verursachte der Nebel und Schneefall bedeutenden Zeitverlust. Auch, glaube ich, würde man sich besser mehr rechts, näher an das Groß-Schreckhorn, halten, wie dies Stafford Anderson am 7. August 1883 bei seiner Bezwingung des Schreckhornes über den Nordwestgrat gethan hat * ), und dann links dem Kamm entlang gehen. Der letzte Theil unseres Anstieges gegen den Kamm war nicht gut gewählt. Steinfall wird zwar bei gutem Wetter kaum drohen, aber es sind sonst einige schlechte Stellen vorhanden. Im Schreckhorncouloir dagegen ist stets bis zu einem gewissen Grade Gefahr von Steinen; dieselbe kann nun einmal dort nicht ganz vermieden werden ' ). Lammer und Lorria sind am 11. August 1885 nach ihrer Traversirung des Schreckhornes bis weit unten in den Nordwestfelsen des Couloirs geblieben und liaben so dessen größten Theil vermieden. 2 ) YI. Notiz über das ( Jross-Lauteraarhorn ( 4043 m. ). 1885.

Seit 1869, der zweiten Besteigung des 1842 zum ersten Male erstiegenen Groß-Lauteraarhornes durch einen Schweizer, Hrn. Ed. Burckhardt-Zahn ( S.A.C. ), ist dieser Berg mehrmals gemacht worden, aber, so viel ich habe erfahren und auf der Spitze selbst ersehen können, ausschließlich durch ausländische Berg-steiger« Es mag zugegeben werden, daß das Groß-Lauter-aarhorn ungünstig liegt, etwas zu sehr abseits von den jetzt beliebten Ausgangspunkten für die Oberländer Hochtouren. Doch sollte dies kein Grund sein, einen Gipfel ersten Eanges dergestalt zu vernachlässigen. Einige Notizen über eine von mir 1885 ausgeführte Besteigung des Berges mögen denjenigen meiner Clubgenossen zur Aufmunterung und Wegleitung dienen, bei denen vielleicht das Jahrbuch Nr. VII3 ) in Vergessenheit gerathen ist.

Ich verließ den Pavillon Dollfus den 9. August 1885, 2. 30 früh, mit Chr. Jossi und Peter Schlegel, bei zweifelhaftem Wetter, das aber nach Tagesanbruch, bis auf einen eisigen Nordwind, sehr schön wurde. Um 6 Uhr waren wir am Fuße des Lauteraarhornes, oben im Strahleckfirn, ungefähr bei Curve 3090 der Exck. 6. 30 begannen wir den Anstieg über Lawinenschnee. Leichte Felsen und guter Schnee erlaubten ein rasches Vorankommen, bis weiter oben eine vollständig, vereiste Firnpartie anderthalbstttn-diges Stufenschlagen erforderte. Der Südkante des Berges entlang, deren Felsen zwar lose, aber unschwierig sind, gewannen wir die Kammhöhe, bei 3955, 11 Uhr 05, und dem Kamm entlang, theils auf dessen Schneide, theils auf der Lauteraarseite, die höchste Spitze ( 4043 m ) 12 Uhr 05. Dieser letzte Theil der Besteigung, der im JB. S.A.C. VII als sehr schwierig geschildert wird, bot, da hier der Fels ganz fest ist, keine ernstlichen Schwierigkeiten, wie denn der Berg überhaupt trotz der vorangegangenen Schneefälle in recht gutem Zustande war.

Von 4043 kletterten wir in 10 Minuten über eine sehr lautere Kammscharte auf eine etwas niedrigere, mehr nördlich gelegene Spitze, 12 Uhr 15 ( zwischen 4043 und 4030 ). Es ist dies der Glanzpunkt der ganzen Besteigung, ein wahres „ Lauteraarhorn. Wie die Führer behaupteten, soll diese kleinere Spitze vor uns erst ein Mal, am B. Juli 1885, von Mr. William - Williams ( A. C. ), aus Nordamerika, bestiegen worden sein.Ich fand dieses Herrn Karte undDiese Spitze ist bei der Besteigung des Lauteraarhornes von Westen durch Oakley Maund, wahrscheinlich schon 1881 betreten worden. ( A.J. XI, 1882/1884, 31. ) fügte die meinige bei. I2V2 Uhr waren wir auf der Hauptspitze zurück, auf deren windstiller sonniger Südseite 3k Stunden bei prachtvollster Aussicht genußvoll gerastet wurde.Verschiedene englische Karten waren da; leider aber konnte ich die Wahrzeichen der ersten und zweiten Besteigung nicht mehr auf-finden. 114 Uhr stiegen wir ab und waren schon nach 212 Stunden, obwohl uns die unteren Firnhalden keine einzige Rutschpartie gestatteten, wieder auf dem Strahleckgletscher ( 3. 45 ). Nach einem halbstündigen Halte traten wir 4. 15 den Rückweg über die Strahleck an und trafen Nachts 10 Uhr 50 in Grindelwald ein.

Ich kann das Lauteraarhorn jedem ordentlichen Bergsteiger warm empfehlen. Sehr mit Unrecht steht es, angeblich wegen Steinfällen und fauler Felsen, bei gewissen Führern in Verruf. Dem Bietschhorn gegenüber z.B. ist es ein Muster von Festigkeit, und doch läßt sich durch die schlechten Felsen Niemand abhalten, auf dieses an und für sich schon ungleich schwierigere Bietschhorn, nach Oakley Maund „ the rottenest of mountains ", zu gehen. Wer also in der Wahl seiner Berge eigenen Willen und Selbständigkeit besitzt, mag das GroLauteraarhorn machen, obschon es nicht Mode ist und nicht als fashionabler Berg gilt. Er wird reichlichen Genuß davon haben.

Meine Zeiten waren:

Ab Pavillon Dollfuß ( 2380 m ), 2. 30 früh. Fuß des Lauteraarhornes, 6-6.30. Felsen der Südkante, 9.15-9. 25. Kammhöhe, 11.05. Spitze I ( 4043 m ), 12.05. Spitze II(4035™ ?), 12.15-12.20 Mittags. Spitze I, 12. 30-1 15. Fuß dos Lauteraarhornes, 3.45-4.15. Grindelwald ( 989 m ), 10.50 Abds. ( Unterwegs 1 Std. Halt. ) Total 20 Std. 10 M. Zeit, wovon 17 Std. 10 M. Marsch und 3 Std. Rast.

NB. Anstatt vom Pavillon Dollfus aus kann das Lauteraarhorn auch von der Schwarzenegghütte bestiegen werden, wobei dann über die Strahleck entweder unser Anstiegspunkt erreicht, oder direct vom Strahleckpasse der Südwestgrat versucht werden kann. Eine Besteigung direct von Schwarzenegg aus, über den Schreckfirn und die Westseite, wie sie Oakley Maund 1881 gemacht hat, mag Bergsteigern gewöhnlichen Schlages kaum anzurathen sein.

VII. Der Berglistock ( 3657 in. ). 1867.

Ueber den selten bestiegenen Berglistock enthalten unsere Jahrbücher bis jetzt nichts; die einzige Beschreibung in deutscher Sprache ist meines Wissens die lebensvolle Schilderung der ersten Besteigung des Berges, vom 26. September 1864, durch Prof. Aeby, in dem trefflichen Werke „ das Hochgebirge von Grindel-wald.1867 führten Herr Ed. Nötzlin ( S.A.C. ) und ich die zweite Besteigung aus, 1868 Mr. Pollock vom A. C. die dritte.2 ) Ob seither der Berg wieder bestiegen wurde, ist mir unbekannt; jedenfalls, wenn es der Fall gewesen ist, nicht oft. Studer sagt von dem vom Thale aus scheinbar unbedeutenden, weil weit zurückliegenden und seine breite Front bietenden Gipfel treffend: „ Wer aber die Hochfirne des oberen „ Grindelwaldgletschers überschreitet, der blickt, wenn „ er sich dem Fuße des Berglistocks nähert, mit Staunen „ zu den nackten Gneißwänden empor, welche der „ blendend weißen Hochfirnebenehimmelhoch entwachsen „ und die breite Gipfelfront desselben zieren.Ueber unsere Besteigung ist nichts veröffentlicht worden; die nachfolgenden Mittheilungen sind zum größten Theile einem Berichte an die Section Basel, S.A.C., vom Jahre 1867, entnommen.

Die Anregung zu unserer Tour verdanke ich Herrn Prof. Aeby persönlich, der mich aufforderte, wenn ich einmal über den Lauteraarsattel gehe, doch unfehlbar den Berglistock mitzunehmen. Freilich, meinte er, sei dies ein sehr langer Tag, und weiter, als vom Gleckstein bis zum Pavillon Dollfuß, würden wir nicht kommen. Am 31. Juli 1867 waren mein Freund Nötzlin und ich, durch schlechtes Wetter vom Groß-Viescher-horn zurückgetrieben, in Nebel und Schneefall über das Mönchjoch, wo damals noch keine Clubhütte das Abwarten gestattete, nach Grindelwald gekommen, in der Absicht, den Berglistock und den Lauteraarsattel zu machen.

Unsere älteren Freunde riethen uns von dem ersteren, der damals als sehr schwierig galt 2 ), ab. Be- sonders Herr Bohren zum Adler und der berühmte Führer Peter Michel, die 1864 den ersten mißlungenen Versuch von Prof. Aeby mitgemacht und die Partie dann als hoffnungslos aufgegeben hatten, wollten uns den Berg ausreden.Sie erreichten aber nur so viel, daß wir zu unseren Führern Peter Rubi und Peter Kaufmann ( „ Grabenpeter " ) noch Peter Inäbnit ( „ Spiß-peter " ) nahmen, der mit Aeby die erste Ersteigung gemacht hatte.

Nach l^atägigem Regen klärte sich am Nachmittage des 2. August das Wetter soweit auf, daß wir nach dem Gleckstein gehen konnten. In dem .zwar engen, aber für damalige Ansprüche recht ordentlichen Höhlenlager, das meinem Freunde und mir von unserer Wetterhorntour von 1866 her schon bekannt war, verbrachten wir eine ganz behagliche Nacht. Bei prachtvollem Wetter, dem ersten schönen Tage seit IV2 Wochen, d.h. seit Beginn unserer Bergreise, brachen wir am 3. August 1867, Morgens 3V2 Uhr, gegen den Berglistock auf. Der früher übliche Lauter-aarsattelweg, links über den Obergrindelwaldfirn, wurde eingeschlagen. Der Gletscher, den wir in drei Viertelstunden erreichten, war in seinen unteren Partien glashart gefroren und verursachte fast einstündiges Stufenhauen. Weiter oben dagegen war er in ausgezeichnetem Zustande und der Gang auf dem hartgefrorenen Firne, in den Strahlen der Morgensonne, kam uns trotz des weitens Bogen gegen die Rosenegg hin, zu dem Schrunde uns zwangen, wie ein wahres Lustwandeln vor. Wie das Wetter und der Schnee, so waren auch wir, Herren und Führer, in trefflicher Verfassung und zu Allem aufgelegt. Das Gelingen unseres Planes: Berglistock und Lauteraarsattel in einem Tage bis zur Grimsel, wurde schon jetzt als unfehlbar angesehen. Nur der bedächtige Spißpeter warnte vor zu großer Zuversicht. Er hatte mit sehr guten Gängern, Pfarrer Gerwer und Professor Aeby, einige Jahre zuvor für den Lauteraarsattel allein vom Gleckstein zum Pavillon Dollfus einen Tag gebraucht.1 ) Ebenso viel hatte die erste Ersteigung des Berglistockes, 1864, vom Gleckstein aus und zurück erfordert.

In hvi2 Std., 9 Uhr früh, waren wir an unserem Angriffspunkte, dicht an der Westfront des Berges, am Fuße eines mächtigen Lawinenkegels. Spißpeter zeigte uns Aeby's Weg: Ein steiles Couloir, das fast bis auf die Grathöhe führte, dann einige Felssätze und auf dem Grate links, nördlich, zur Spitze.2 ) Die Steigung betrug von hier noch ungefähr 300 m. Dieser Weg sieht, wie mancher andere, von unten häßlich aus; bei näherem Zusehen gewinnt er bedeutend und ist durchaus nicht schlimm.

Gleich zum Beginn begingen wir eine große Thorheit. Obschon wir sahen, daß der Lawinenschnee und der Firn weiter unten mit Steinen besät war, die nirgends anders als das Couloir herunter gekommen sein konnten, lagerten wir uns gerade da zum Fruh- Erinnerungen aus dem Clubgebiet.5T Stückshalte, in der Voraussicht, daß so früh Morgens überhaupt kein Steinfall eintreten werde. Unserem beschaulichen Stillleben bereiteten aber einige Blöcke,, die mit Donnergepolter das Couloir hinabjagten, ein jähes Ende. Die frohe Tafelrunde stob rechts und links auseinander und das so rücksichtslos gestörte Mal fand hinter gehöriger Deckung seinen Abschluß. Diese-Warnung war sehr am Platze, denn sie ließ uns dem Couloir nicht zu sehr trauen.

9 Uhr 35 begannen wir den Aufstieg. Wir hielten uns so lange wie möglich in den Felsen, und erst als dieselben anfingen, mit einer unangenehmen Eiskruste bedeckt zu sein — eine Folge der Regengüsse und Schneefälle der vorangegangenen Tage — gingen wir nothgedrungen in das Couloir selbst. Dasselbe war steil und mit jenem dunkeln und glasigen Eise ausgelegt, von dem man, wie ein englischer Bergsteiger ganz richtig bemerkt, so oft liest, da& man aber so selten trifft. Anderthalb Stunden wurden von Rubi, der sich die Ehre der Führung erbeten,. Stufen geschlagen. Während dieser ganzen Zeit fiel kein einziger Stein. Als weiter oben das Couloir sich verflachte und das Eis zu dünn wurde, stiegen wir wieder über die Felsen empor, die hier zwar loser aber trotzdem nicht schwierig waren. Es war fast 12 Uhr, als wir von der Grathöhe in das leuchtende Firnmeer des Gauli hinunterblicken konnten. Links ( nördlich ) über den Grat und einen kleinen schneeigen Vorgipfel erreichten wir in 10 Minuten, 12 Uhr 5r die höchste Spitze ( 3657 m ).

Es war eine apere Felsspitze mit einer mächtigen Gwächte gegen Süden. Aeby's Flagge fand sich in « iner Eisschicht am Fuße des Steinmannes, von Steinen halb bedeckt, vor und wurde neu aufgezogen. Klein, wie unser verwettertes, zerfetztes Banner war, wurde es doch von Wetterhornbesteigern bemerkt und trug so die Kunde von unserem Erfolge noch an demselben Tage nach Grindelwald.

Die Luft war mild und klar, die Aussicht über alle Maßen schön und unsere Freude groß. Es waren glückliche Augenblicke, die wir auf dieser Spitze verlebten, nur zu kurz, wie alles Glück. Nach einer halben Stunde schon mußten wir die Rückkehr antreten; bis zur Griinsel lag noch ein weiter Weg vor uns. 12 Uhr 35 wurde der Abstieg begonnen, und einige Minuten vor 3 Uhr waren wir unten bei unserem Gepäck.

Die nassen Felsen und das thauende Eis in der Kehle hatten diesen im Vergleiehe zum Aufstiege unverhältnißmäßigen Zeitaufwand verursacht. Diesmal fielen im Couloir einige, aber unschädliche, Steine.

Noch blieb uns der Lauteraarsattel zu überschreiten. Damals ging man anders, als jetzt, nicht an der tiefsten Einsenkung, in der Mitte des Sattels, bei 3156, durch die Schneelücke, sondern höher, mehr nördlich, nahe am Berglistock. Aeby und Gerwer hatten vor einigen Jahren den Fehler begangen, zu weit südlich den Uebergang zu versuchen, und waren drei Stunden in der Wand des Sattels gewesen.1 ) Rubi, obschon ihm Hochgeb. v. Grindelwald. 36/37.

der Paß neu war, fand dicht am Berglistock einen prächtigen Abstieg über die Felswand, der unschwierig zum Lauteraarfirne herunterfuhrt, und am Fuße derselben eine gute Brücke über den weitklaffenden Bergschrund.

13 Jahre später sollte der Mann, der uns so sicher und ruhig führte, unfern von dieser Stelle mit zwei Gefährten sein Ende finden, und wiederum in den ersten Augusttagen — 1880 — war es, als ich den Lauteraarsattel überschritt, um nach den Verunglückten zu suchen. Dent hat Recht: „ The glaciers are melting away, the rock peaks crumble; the hand of change and death is everywhere ." x ) Gegen 4 Uhr waren wir auf dem Lauteraarfirne und in lebhaftem Gange Abends 8 Uhr 40 auf der Grimsel. Wir hatten den einzigen schönen Tag gut angewandt. Schon in der Nacht trat wieder schlechtes Wetter ein, das uns einen Tag, 4. August, auf der Grimsel festhielt und am 5. über das Finsteraarjoch ( 3340 m ) nach Grindelwald zurücktrieb. Dieser damals sehr selten begangene Paß 2 ) war den Füh- rem so unbekannt wie uns, und wir hatten im Nebel und Regen Mühe, uns richtig durehzufinden. Es muß eine der ersten Ueberschreitungen durch Schweizer Bergsteiger gewesen sein. Den Berglistock und den « alten* Lauteraarsattel, wie ich ihn zum Unterschiede vom jetzigen, dem « neuen n, nennen möchte, behalte ich in guter und schöner Erinnerung. Unsere Zeiten waren:

Ab Gleckstein ( 2300° ) 3. 30 früh. Berglistock - Fuß 9-9.35. Berglistock ( 3657 m ) 12.05-12. 35 Mittags. Bergli-stock-Fuß 2. 55 — 3. 05. Lauteraarfirn 3. 55. Unteraargl. 5. 50-6. 10. Grimsel ( 1875111 ) B. 40 Abds. Total: 17 Std. 10 M. Zeit, wovon 15 Std. 35 M. Marsch und 1 Stde. 35 M. Rast.

Meine Notizen, denn etwas anders sollen sie nicht sein, sind für meine Collegen vom S.A.C. bestimmt, als ein schweizerischer Originalbeitrag aus dem Clubgebiete. Anforderungen, wie sie der englische Climber, oder der Hochalpinist der neudeutschen Schule stellt, wollen und können sie nicht gerecht werden. Unreifer, verflachender Dilettantismus und bis zur handwerks-mäßigen Vervollkommnung getriebener Klettersport sind in unseren Tagen der Bergsteigerei, wie sie uns die Gründer unseres Vereines gelehrt haben, gleich gefährlich geworden. Möge es uns Schweizer Clubisten gelingen, im Sinne der Veteranen des S.A.C., das Richtige zu finden und uns so möglichst unabhängig zu stellen von ausländischen, für uns keineswegs passenden Einflüssen der Tagesmode, die auch im Bergsteigen ihre allgewaltige Herrschaft übt. Mögen wir bedenken, daß technische Kunstfertigkeit, so sehr wir dieselbe auch bewundern und vielleicht beneiden, an und für sich noch nicht den Bergsteiger macht. Die Liebe zu den Bergen, die tiefinnere Befriedigung, welche sie uns mit ihren unerschöpflichen, immer neuen Reizen, gewähren, ist das Entscheidende. Nur wenn dieses ethische Moment, wie Zsigmondy so schön sagt, uns beseelt, werden wir Bergsteiger im Geiste Derer sein, welche vor bald einem Vierteljahrhundert unsere alpine Körperschaft in 's Leben riefen.

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