Eine visionäre Linie
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«Eine visionäre Linie», sagt einer, der es wissen muss: der Schweizer Roger Schäli (Jg. 1978), Extremalpinist und Begeher fast aller alten und neuen Routen in der Eigernordwand. Die Linie heisst The Young Spider, und mit ihr erlebte Schäli 2001 seine Nordwandtaufe, als er Ueli Steck beim Einrichten half. «Der Beginn einer lebensumspannenden Passion, die bis heute anhält», schreibt Schäli im Schlusskapitel «Merci Eiger – merci la vie» seines neuen Buches «Passion Eiger. Legendäre Routen damals und heute» (AS Verlag 2020), das er zusammen mit den Eigerkennern Rainer Rettner und Jochen Hemmleb verfasst hat. Am 15. Oktober 2001 vollendeten Ueli Steck und Stephan Siegrist ihre 1100 Meter hohe Linie und erreichten in der Nacht den Gipfel. The Young Spider zieht von der Station Eigerwand direkt über Todesbiwak, linkes Spinnenbein und Gipfelwand zum Eiger (3967 m). Die Route bis zur Spinne hat vor allem Steck, oft auch im Alleingang, an mehreren Tagen ab Juni vorangetrieben; er schlug als Erster sein Eisgerät ins Spinnenbein. «Noch nie gab es eine so kühne, luftige und schlecht abgesicherte Eiskletterei wie in der Seillänge am linken Spinnenbein», schreibt Roger Schäli.