© Elio Stettler
«Eindrücklich ist die Dankbarkeit» Claudia Buchli, First Responder
In vielen Regionen gibt es ein Netz von First Respondern. Sie leisten Erste Hilfe, wo die Rettungskräfte nicht schnell genug vor Ort sein können. Claudia Buchli aus dem Bündner Averstal ist eine von ihnen.
Claudia Buchli bringt viel unter einen Hut. Am Vormittag war sie in Splügen und hat einen Samariterkurs gegeben. Jetzt sitzt sie im Garten ihres Einfamilienhauses, wo sie in der Freizeit gerne werkelt, und beantwortet Fragen. Sie ist Mutter von drei Kindern, der älteste Sohn ist 25 Jahre alt und weilt gerade für zwei Jahre in Kanada. Ihre beiden schulpflichtigen Kinder kommen soeben nach Hause - Claudia Buchli hat vorgesorgt und wärmt im Backofen das Mittagessen. Am Nachmittag wird die umtriebige 48-Jährige noch einmal nach Splügen fahren, um Samariter zu unterrichten.
Kaum ein Tag gleicht dem anderen, zudem richten sich die Arbeiten nach den Jahreszeiten. Von Anfang Juni bis Mitte September ist Heusaison im Averstal, Claudia Buchli hilft dann ihrem Bruder, der den elterlichen Hof betreibt. «Das bedeutet viel Handarbeit.» Im Winter leitet sie die Skischule in Avers und unterrichtet dort auch. «In der Hauptsaison ist das ein Hundertprozentjob», sagt sie. Die gelernte Betriebssekretärin hat auch noch einen Bürojob: Sie führt das Schulsekretariat des Schulverbands Schams.
Die Ungewissheit vor Ort
Claudia Buchli ist nicht nur gut organisiert, sie übernimmt auch Verantwortung. Seit ihr Mann unter der Woche wegen seiner Arbeit auswärts ist, managt sie die Familie alleine. Und wenn auf ihrem Handy ein Notruf eingeht, rückt sie als First Responder aus. In vielen Gegenden der Schweiz gibt es ein Netz aus Ersthelfenden, die von der Notrufzentrale 144 aufgeboten werden. Wenn aus dem abgelegenen Averstal ein Notruf eingeht, rücken zwei bis vier First Responder aus. Kann die Rega fliegen, sind die First Responder nicht viel schneller vor Ort. Kann sie aber aus wettertechnischen Gründen nicht fliegen, übernehmen die First Responder die Erstversorgung, denn bis der Krankenwagen vor Ort ist, dauert es 50 Minuten. Mindestens. «Am schwierigsten ist es, wenn ich für einen Einsatz mit dem Auto ausrücken muss. Es nützt nichts, wenn ich dann mit 100 Kilometern pro Stunde fahre», sagt Claudia Buchli. Dazu kommt die Ungewissheit, was sie vor Ort erwartet.
Mit 14 in den Samariterverein
Die Notfälle sind sehr unterschiedlich: starke Blutungen, Herz-Kreislauf-Probleme oder allergische Reaktionen. Die sogenannten First Responder Plus, zu denen auch Claudia Buchli gehört, sind mit Sauerstoff ausgerüstet. Die Anzahl Einsätze schwankt stark, von zwei bis 14 Fällen pro Jahr. Im Averstal gibt es die First Responder seit 2017, im Jahr 2020 wurden sie in die Alpine Rettung Schweiz (ARS) überführt. Graubünden hat mit der ARS die Vereinbarung getroffen, im Kanton ein Netz von Ersthelfenden aufzubauen.
Im Avers gibt es aber inoffiziell schon viel länger First Responder. «Viele Leute haben gewusst, wer in Nothilfe ausgebildet ist, und haben sie im Notfall direkt gerufen. Jetzt ist es professionell organisiert», sagt sie. Über einzelne Notfälle redet sie nicht, nur im Team werden die zum Teil belastenden Einsätze besprochen. «Eindrücklich ist die Dankbarkeit der Angehörigen dafür, dass jemand da ist», sagt sie. Nicht selten übernimmt sie auch gleich noch die Erstbetreuung von Angehörigen, wenn die Rettungskräfte den Patienten übernommen haben. Nebst einer Entschädigung für die Dauer des Einsatzes ist die Dankbarkeit der Lohn für ihre freiwillige Bereitschaft als Nothelferin. Seit sie 14 Jahre alt ist, gehört sie dem Samariterverein an, schon ihr Vater ist ein Samariter gewesen. Mitzumachen sei damals viel selbstverständlicher gewesen als heute.
Die Erste Hilfe ist Teil von Claudia Buchlis abwechslungsreichem Alltag. Auf den ersten Blick wirkt alles wie ein kompliziertes Puzzle, aber zusammengesetzt ist es das stimmige Bild eines vielseitigen Engagements in einem Bergtal.