«Die Volksläufer machen das Rennen lebendig»: Anne Bochatay und die Skitourenrennen
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«Die Volksläufer machen das Rennen lebendig»: Anne Bochatay und die Skitourenrennen

Anne Bochatay und die Skitourenrennen

Die vielen Fotos der Patrouille des Glaciers in ihrem Haus in Martigny zeugen von ihrer grossen Leidenschaft für den Skialpinismus. Von 2001 bis 2004 war Anne Bochatay Mitglied der Nationalmannschaft. Die neue Präsidentin der Technischen Kommission Skitourenrennen des SAC möchte die Disziplin im Club besser integrieren.

« Die Alpen »: Was möchten Sie im SAC bewegen? Anne Bochatay: Ich möchte, dass die Leute verstehen, dass die Dachorganisation des Skialpinismus in der Schweiz der SAC ist. Ich möchte erreichen, dass sich die Sektionen einbringen und mit den Rennorganisatoren zusammenarbeiten. Ich begegne im SAC zu oft negativen Reaktionen gegenüber dem Wettkampfsport. Ich glaube, man muss offen bleiben und Wettbewerb, Sicherheit sowie Respekt gegenüber den Bergen unter einen Hut bringen. Ich bin sehr zufrieden, dass der SAC die Oberaufsicht über die Skitourenrennen hat. Dieser Sport hat seinen Ursprung in den Bergen. Der Leistungssport im SAC ist umstritten. Was sagen Sie dazu? Der Wettkampfgedanke ist mit der Geschichte des Alpinismus untrennbar verbunden. Es gab immer schon Leute, die unverhältnismässige Risiken eingegangen sind, um eine Erstbegehung zu machen oder einen Rekord zu schlagen. Wenn man Rennen bestreitet, tut man dies immerhin mit Absicherung. Mir ist bewusst, dass einige Wettkämpfer den Unterschied zwischen Training in nicht abgesichertem Gelände und Rennen in komplett abgesicherter Umgebung nicht machen. Aber ich mag Verallgemeinerungen nicht. Es muss jeder selber wissen, worauf er sich einlässt; es ist eine Frage des gesunden Menschenverstands.2003 standen Sie mit Catherine Mabillard auf dem Podest der Pierra Menta. Ihre Tochter war damals neun Jahre alt. War es schwierig, alles unter einen Hut zu bringen? Das war kompliziert, ich arbeitete Vollzeit mit unregel- mässigen Arbeitszeiten, und ich war alleinerziehend. Am Wochenende abzufahren und irgendwo in Europa Rennen zu bestreiten, das war schwierig. Man musste Prioritäten setzen. Mittlerweile ist das Niveau noch höher geworden, und das Durchschnittsalter der Athleten ist gesunken. Sie sind J+S-Coach in der Sektion Monte Rosa Martigny. Wie populär sind Skitourenrennen beim Nachwuchs? Die Tourenrennen stehen bei den unter 15-Jährigen nicht hoch im Kurs, im Gegensatz zum Klettern, das spielerischer ist. Die Jungen tun sich schwer mit dem Sport, mit Fellen aufsteigen ist supereintönig. Dazu kommen die Gefahren der Berge. Wenn die Eltern keine Rennen bestreiten, ist es schwierig, die Kinder zu motivieren. Anlässlich des letzten Alpiniski, wo ich Chefin Technik bin, führte ich ein Testrennen für die Jungen ein, aber der Zuspruch war sehr bescheiden. Soll der SAC eine Wettkampfserie für Junge einführen? Der SAC hat auf nationaler Ebene schon eine Rahmenstruktur für die Jungen in Form eines Regionalzentrums in der Romandie umgesetzt. Es zählt gegenwärtig 13 Buben und nur 3 Mädchen. Ein weiteres Zentrum wird in der Ostschweiz aufgebaut. Zwar gibt der Wettkampf den Jungen die Möglichkeit, sich die Technik anzueignen, aber ich bin der Meinung, dass man den Kindern erst die Berge näherbringen soll, bevor man sie darin Wettkämpfe bestreiten lässt. Wie sehen Sie die Zukunft der Skitourenrennen? Meine Idee ist es, zu versuchen, alle Typen von Rennen zu erhalten, einschliesslich der Klassiker für Teams, bei denen man noch echte Bergbedingungen antrifft. Ich finde es sehr gut, dass es Staffelrennen, Vertikalrennen und Sprints gibt, aber ich bedaure, dass der internationale Trend in Richtung Aufgabe der klassischen Rennen geht. Sind die klassischen Rennen wie etwa der Alpiniski von Les Marécottes in Gefahr? Nicht, wenn es gelingt, sie lebendig zu erhalten. Sie sind von einem technischen wie finanziellen Standpunkt aus am schwierigsten zu organisieren, denn sie finden wirklich in den Bergen statt. Aber ich bin überzeugt davon, dass man unter Voraussetzung einer guten Infrastruktur die Rennen mit dem Publikum am Leben erhalten kann. Es gibt Bergbahnen, die Trainierende auf den Pisten nicht gerne sehen... Mit Verboten löst man keine Probleme. Ich ermutige die Skiorte, präparierte und markierte Strecken bereitzustellen, so wie das in Les Marécottes/VS mit La Chaulée gemacht wird. Die Investition ist nicht allzu hoch, und es ist eine Möglichkeit für die Orte, das Angebot zu verbreitern. Wie gut kennen Sie die Arbeit der technischen Kommission? Als ehemalige Athletin, Organisatorin und Bergsteigerin ist dies ein Bereich, den ich ziemlich gut kenne und in dem ich mich wohl fühle. Zudem interessiert es mich, in diese Welt des Alpen-Clubs einzutreten, dem noch stark das Klischee « Knickerbocker und rote Socken » anhängt. Welche Aufgaben erwarten Sie dort? Die Kommission hat die Oberaufsicht über die Skitourenrennen in der Schweiz und gewährleistet die Koordination mit dem internationalen Verband ( ISMF ). Wir haben den Auftrag, einen nationalen Rennkalender und ein Reglement zu erarbeiten, das mit demjenigen der ISMF kompatibel ist. Das Klassement des Schweizer Cups liegt in unserer Verantwortung, und wir bilden Schiedsrichter aus, die fähig sind, national und international zum Einsatz zu kommen. Welches sind Ihre Hoffnungen vor Beginn der neuen Saison? Ich erhoffe mir gute Resultate des Swiss Team. Yannick Ecoeur und Martin Anthamatten sind bei den Männern in Topform. Trotz dem Nachwuchsmangel bei den Damen glaube ich, dass Gabrielle Gachet-Magnenat, Marie Troillet, Emilie Gex-Fabry und Mireille Richard auf internationaler Ebene von sich reden machen. Die Europameisterschaften im Februar in Pelvoux ( F ) werden unseren Athleten Gelegenheit bieten, sich auszuzeichnen. Was die PDG ( Patrouille des Glaciers ) betrifft, bedaure ich, dass sie von der ISMF nicht als Weltcuprennen anerkannt wird. Sie wird der Höhepunkt der Saison. In meinen Augen ist es wesentlich, dass hier auch Volksläufer auf ihre Rechnung kommen, denn sie machen diese Rennen lebendig machen. Schön in der Schweiz ist, dass es viele Rennen gibt, wo Volksläufer die Spitzenathleten herausfordern.

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