Die Unterwaldneralpen
Von Dr. H. Christ.
1. Allgemeine Charakteristik.
Wir haben diesmal den Vortheil, dass unser Clubgebiet sich ungetheilt und ungebrochen auf einem Dufourblatt, und zwar im N. O. Quadranten des XIII. Blattes, jenes unübertroffenen Meisterwerkes der Kartographie, des zuletzt erschienenen und sehnlichst erwarteten ( 1864 ), dargestellt findet.
Die S. Langseite des Alpnacher und mittlern Vier-waldstätter-, die W. Langseite des Urner Sees, das Rinnsal der Obwaldner Aa bis Giswyl, die über den Giswylerstock, den Schöngiebel ( hohe Gramm nach Dufour ) und den Gummen zum Brünigsattel laufende Wasserscheide zwischen Obwaldner Aa, Emme und Aare; der Thalweg der Aar und der Gadmer Aar bis zur Sustenhöhe, die Sohle der Mayen-Reuss und endlich das Reussthal von Wasen bis Flüelen: das sin I die Grenzen des Schauplatzes unserer Thaten: ein im Vergleich zu den gewaltigen Clubgebieten in Tessin und Bünden, wie sie der Central-Vorstand uns für die frühern Jahre angewiesen hat, Meines, aber reiches Gebiet. Wenn die zwei soeben genannten Gebiete durch geschlossene Einheit, um nicht zu sagen Monotonie sich hervorthaten — sie umfassten ja Theile der Centralalpen von durchaus hochalpinem Character, fast ausschliesslich im Urgebirg — so ist uns diesmal ein durch Mannigfaltigkeit, durch lachende Anmuth und heitere Grösse besonders anziehender Abschnitt der Vor- und Kalkalpen geboten. Wenn in Tessin und Bünden das Oede, Strenge, die unbewohnte Wildniss, die ungebrochene, vorgeschichtliche Natur -vorherrschte, ja vielleicht abstiess ( nichts für ungut! aber bei den zwei traditionellen Clubisten, welche sich durch das treffliche Itinerar und Spezialkarten in das officielle Tessiner Clubgebiet im Clubjahr 1873 locken liessen, ist der Ausdruck erlaubt ), so bewegen wir uns diesmal in Mitten des klassischen Geländes der Schweizergeschichte: Melchthal, Rotzberg, Winkelriedkapelle und Drachenloch, Sarnen, ja das Rütli selbst, der Ranft, Engelberg, Stans und Gross-Aecherli, und eine Reihe modernster, glänzender Kurorte fallen in den Bereich unserer Traktanden.
Wir haben es daher mit einem der scheinbar bekanntesten Gebiete der Schweiz zu thun, und man möchte fragen: wesshalb diesmal ein Itinerar? Möchten die folgenden Blätter eine nicht ganz ungenügende Antwort auf diese Frage liefern!
2. Topographische Orientirung.
Es gewährt schon einen Hochgenuss, auf Blatt XIII, oder auf der hypsometrischen Karte Zieglers unser Gebiet zu betrachten. Drei namhafte Thäler rahmen es gegen Nord, Ost und West deutlich ein: das Thal des Vierwaldstättersees ( 437 m ), und von ihm aus die langsam ansteigenden Thäler der Sarner Aa und der Reuss. Innerhalb dieser Tieflinien ist Alles reichgefaltetes Gebirg. Auch im Süden ist die Aar von der Wyler-Brücke ( 579 m ) bis Innertkirchen ( 626 m ) tief genug eingeschnitten, und Gadmen- und Mayenthal verbinden letztern Punkt sehr natürlich mit dem Reussthal. Doch liegt hier, in dem diese 2 Thäler trennenden Susten-rücken, 2262 m, der Punkt, durch den unser Gebiet mit der gewaltigen Gletscherkette verbunden ist, die sich als Triftgebiet an den Galenstock und durch diesen an die Centralalpen: den Gotthardtstock anlegt.
Die Haupterhebung fällt in den äussersten südlichen Rand unserer Scene: es ist die Titliskette, die in wilden Gräten gegen den Sustenpass und das Mayenthal abfällt, und deren Hörner kaum irgendwo unter 2900 m messen. Von den westlichsten Gadmenflühen bis zu den Hörnern ob dem Erstfelderthal überzieht eine vielzungige Gletschermasse diese Kette, die als Schauplatz der spezifisch clubistischen Leistungen vor allen andern unseres Gebiets indicirt ist.
Durch die obern Stufen des Engelbergerthals, das Surenenthal, vom Titlisgebirg getrennt, durch den Sattel des Surenenpasses ( 2305 m ) mit ihm verbunden, erhebt sich zunächst nördlich das Urirothstock-Massiv, eben- falls in seiner Axe von N. O. nach S. W. streichend, aber beträchtlich schmaler, kürzer und niedriger, als jenes. Immerhin erheben sich einzelne Gipfel über 2900™, immerhin umgibt ein Gletschermantel die Gräte, und es zeichnet sich dieses Massiv durch ganz besonders kühnen Aufschwung aus den Thälern, durch besonders malerische Linien aus.
Mit diesen 2 Ketten ist die Firnregion unseres Gebietes erschöpft; alle übrigen sehr zahlreichen Ketten erreichen die Linie ewigen Schnees nicht. An die Titliskette lehnt sich durch den Jochpass 2208 m die steile, .scharfgrätige Kette, welche Engelberger- und Melchthal trennt und mit dem schönen isolirten Stanserhorn 1900™ endigt. Wir nennen sie die Melchthalkette. Sie birgt in ihrem höhern Theil das weite, merkwürdige Hochthal oder Hochplateau der Melchsee-Alpen, das durch eine der grossartigsten Karren- ( Schratten- ) Bildungen der Alpen gegen Norden, gegen die Tiefe des Melchthals abgegrenzt wird. Vom Jochpass zieht sich längs den Gadmenflühen das Genthal steil gegen den Hasligrund hinab.
Parallel mit der Melchthalkette streichend, scheidet der Sachselergrat das kleine Melchthal von dem Becken des Sarner Sees. Seine südlichen Höhen stossen an die Hörner, welche den aussichtreichen Hasliberg krönen und senken sich in rhythmischen Linien nach dem Brünigsattel, 1004™ ab. Vom Brünig steigt das Gebirg wieder gen Westen an, zum Gummen, erreicht im Schöngiebel ( 2208 m ) den Punkt, wo der Brienzergrat sich anlehnt, schwenkt dann über den Kamm des Giswylerstocks nach N. O. um, und fällt bei Giswyl steil zum Sarner See ab. Dieses « westbrünigliche » An- nexum unseres Gebiets nennen wir einfach den Gis-wyler-Stock.
Gegen die Reuss und den Urnersee fällt eine Reihe steiler, kurzer Thalschluchten ab: von der Titliskette das Erstfelder-, Leutschech- und Gornernthal, von dem Urirothstock-Massiv das Isen-, Schlieren- und Wald-nacht- ( Bocki- ) Thal, ersteres das beträchtlichste, und sich in 2 ungleiche Aeste theilend, von denen Zugänge zu den Gipfeln des Rothstockes führen.
Der Rothstock schiebt gegen das Engelbergerthal einen Vorposten, die Walenstöcke, westwärts vor; gegen Nord den Kaiserstock, auf den die Einsattelung der Schonegg ( 1925 m ) folgt, über welche, immer nordwärts, wieder eine dritte, aber stets niedrigere Kette, die des Brisen aufsteigt. Es ist die Kette, welche, ob Wolfenschiess beginnend, von der Steinalp zum Brisen, zum Schwalmis, zum Oberbauen, zum Seelisbergerkulm ausläuft und als deren letztes Ausklingen der Mythenstein, Schillers Felsendenkmal, aus dem See hervorragt.
Als letzte, zum Vierwaldstättersee abfallende N. S. Parallelkette endlich haben wir die ganz zahme der Musenalp und des Buochser Horns zu nennen, und als detachirten Vorposten den Bürgen, der, nördlich der tiefen Thalsenkung von Stans ( 458 m ) so völlig isolirt über Thäler und Seen schwebt, dass ihn einer unserer wälschen Clubgenossen ( Rambert, les Alpes Suisses IV: notre forteresse ) als uneinnehmbare und selbst mit den'neuesten Geschützen unerreichbare Haupt-festung der Schweiz vorgeschlagen hat.
Mithin haben wir im Osten unseres Gebietes das Phänomen der von S. W. nach N. O., also in der allgemeinen Richtung der Alpenaxe streichenden Parallelketten und nur im Westen zweigen sich 3 Ketten, die Giswyler, Sachseier und Melchthaler von dieser Hauptrichtung ab und laufen, wahre Querthäler bildend, von S. nach N. Die Scheidelinie bildet das Engelberger-Thal.
3. Geologie.
Werfen wir nun auf die geologischen Verhältnisse unseres Gebietes einen Blick, so wird uns klar, dass dasselbe nahezu ganz in den Bereich der Kalkalpen, also der dem Urgebirg nördlich vorgelagerten und von ihm gehobenen Flözgebirge gehört. Noch der Titlisgipfel und der Schlossberg gehören zu den dunkeln Kalkschiefern, die dem Jura zuzuzählen sind. Ob dem Brünig trifft vom Brienzergrat her die Kreideformation ein, und findet sich auch von Seelisberg bis gegen den Urirothstock in einem schmalen Streifen wieder, ohne jedoch sich äusserlich vom Jurakalk wesentlich zu unterscheiden. Nur der südlichste Rand, der Abfall gegen Aare und Susten, und das zwischen Mayenthal und Erstfeld liegende Dreieck bestehen aus Gneis, jenem entschieden krystallinischen, aber fein geblätterten bis geschichteten Gestein, das man früher zum Urgebirge rechnete, bis Gressly's Beobachtungen in Scandinavien und manche Wahrnehmungen in unseren Schweizeralpen auch diese Felsart als eine sehr stark meta-morphosirte Flözschicht erkennen oder doch vermuthen liessen.
Nur ganz einzeln streifen von dem grossen Flysch-stock der Schlierenberge, ini Westen des Sarnerbeckens, Fetzen dieser Gebirgsart durch den N. Theil unseres Gebiets. Dieser Flysch, den man der tertiären Epoche zuzählt, ist ein Gebilde 2. oder 3. Hand, das caput mortuum einer Gebirgsart, die in einer der alpinen Hebungskatastrophen fast zu Brei gerieben und nachträglich zu einem faulen, haltlosen Haufwerk von Schiefern zusammengebacken wurde.
Granit findet sich endlich nur als erratische Blöcke am Rande des Gebiets, wo die alten grossen Gletscher sie absetzen konnten; in seltener Mächtigkeit am Westrand längs der Kernser Allmend, wo solche Blöcke gleich mächtigen Ritterburgen mitten auf der sanften Böschung des Abhangs aufgepflanzt sind. Dann auch am Ostrand bei Seelisberg und Beroldingen. und im Reussthal selbst, wo die Gletscherwirkung sich weithin sichtbar am Abhang kundthut.
Dem vorherrschenden Charakter unseres Gebirgs als eines Kalkgebirgs gemäss, sind die Gräte, Flühe und Hörner zahllos; während im granitischen Bünden die ungeheuren Abhänge imponiren, aber die Plastik der Höhen eine einfache, fast stumpfe ist, so thürmt sich hier in allen erdenklichen Graden der Steilheit der nackte Fels phantastisch auf. Welch eine Linie stellt der Abfall des Gütschen, des vordersten Strebepfeilers des Urirothstocks bis zum Spiegel des Urnersees dar; welch stolze Kämme bietet der Brisen, der Sachselergrat!
4 Gewässer.
Wenden wir uns der Betrachtung des Wassers zu. Sämmtliche Wasserläufe sind in letzter Linie dem Ehein, also der Nordsee tributar; unmittelbar fallen weitaus die meisten ins Reussgebiet und nur wenige in das der Aar. Auch hier zeigt sich die Erscheinung, dass nicht der hohe Kamm der Gadmenflühe, sondern der viel niedrigere im Norden des Genthals die Wasser-, scheide bildet, welche vom Engelberger-Joch über Erzegg, Glockhaus, Lungern-Giebel zum Brünigsattel verläuft. Wie überhaupt in dieser Zone, ist der " Wasser-, reichthum ein überschwenglicher. Ausser dem mächtigen Spiegel des Vierwaldstättersees bietet das Thal von Obwalden ein ganzes System von Seen in regelmässiger Gradation bis zu den Gräten hinauf: der Alpnacher See, der fast als geschlossenes, vom Vierwaldstättersee gesondertes See-Individuum kann betrachtet werden, der Sarner See, mit ersterem durch ein fast ununterbrochenes Ried verbunden; dann, auf der 2. Thalstufe, der Lungernsee, im Kleinen Melchthal der Alpsee auf Seefeld, 1849 m, und im Grossen unter einer Anzahl kleiner Bergseen der stattliche Melchsee, 1880 m. Die Melchaa, aus dem letztgenannten seereichen Quellgebiet stammend, übertrifft an Wasserfülle und Ero-, sionswirkung weitaus die vom Brünig herabkommende Sarner Aa. Die Stelle zwischen Kerns und Sachselen, wo die Melchaa das Plateau durchbricht und zur Tiefe des Sarnersees eilt, ist eine Reihe von eingeschnittenen Erosionsschluchten, wie sie schroffer und frischer, tiefer und eindrücklicher selten auftreten, und auch land- schaftlich höchst sehenswerth. Der Zugang ist leicht von Sarnen her, dem Bache entlang aufwärts. Dicht unter der Klamm führt ein Steg über den Bach und zum Kernser Plateau,von wo der Blick in den Schlund hinein ein sehr belehrender ist: in scharfen Zickzacks wendet sich der an 100™ tiefe Riss dem Gebirge zu. Gemäss der schroffen Thalbildung und dem stärkern Gefäll entbehrt das Gebiet der Engelberger An der Seen, bis auf die schon über 1700 m am Hang der Melchthalkette liegenden kleinen Bergseen Trübsee und Lautersee. Dagegen hat das Genthal in 1850™ Höhe den nicht unbedeutenden Engsteinsee; in Erstfeld liegen in ungefähr gleichem Niveau 2 solcher Wassersammler; endlich ist in einem Kessel am Fuss der Brisenkette der Seelisbergersee bei 750 m eingesenkt.
5. Klima.
Unser Gebiet nimmt in Bezug auf die Frequenz der Niederschläge, also auf die Feuchtigkeit, an zwei Zonen Theil: das Centrum gehört der feuchten Alpenzone an, in welcher jährlich zwischen 150 und 200°m wässerige Niederschläge fallen. Der äussere Rand des Gebiets, so weit es sich gegen das Sarner Becken, das littoral des Vierwaldstätter Sees und das Reussthal abdacht, fällt in die Zone, in der weniger als 150°m Regen fallen, also in die trockenere der niedern Bergregion.
Zu dem bedeutendsten Winde der Alpenregion, dem Föhn, verhält sich das Gebiet so, dass nur das Reussthal und die Linie Gadmen, Engelberger Joch, Engel- berg, Stans und Bürgenstock dem Hauptstrom dieses eigenthümlichen Luftstroms ausgesetzt sind, während der übrige Theil, im lokalen Schutz seiner Gebirgsketten, vom direkten Anprall verschont bleibt. Engelberg aber ist mit Altorf, Glarus und Chur eines der Orte, wo der Föhn am häufigsten und gewaltigsten in der Schweiz weht.
Sonst zeichnet sich klimatisch unsere Kegion von den übrigen Voralpen der mittleren Schweiz nicht aus. Hier, wie in der weitern Umgebung, ist die Wiesen-und Baumvegetation äusserst üppig, und verbrannte Rasenflecke sind höchstens etwa am Aussenrande, um Seelisberg oder gegen die Reuss zu bemerken. Sonst strotzt alles von Grün, so lange die Vegetationsepoche überhaupt dauert.
6. Vegetation.
Die Vegetation bietet ebenfalls wenige Besonderheiten dar. Auf die angebaute Region, welche mit einer seltenen Fülle von Obstbäumen prangt ( der Birnmost ist ein allgemeines Getränk ) folgen Waldungen, welche überall, wo der Mensch nicht ungünstig eingriff, die Bewunderung unserer Clubisten erregen werden. Die Buche erreicht seltene, wahrhaft majestätische Dimensionen ( ob Lungern ), der Ahorn kommt in enormen Exemplaren vor ( Alp-Ohr ob Melchthal am Storegg-weg, ein Stamm 1866 von 30 Fuss Umfang bei 4 Fuss Höhe über der Erde ). Ueber dem Laubwald tritt der Rothtannenwald ebenso imposant auf, namentlich an den Hängen gegen den Brünig, wo der specifische Urwaldcharakter nicht selten zu sehen ist, der darin hesteht, dass auf gefallenen Stämmen reihenweise junge Tannen stehen, und dass auf vermoderten Stümpfen eine zweite Generation sich ansiedelte, deren Wurzeln, nach völligem Wegfaulen der Stümpfe, nun mannshoch frei in der Luft stehen.
Ueher dem Tannenwald zieht sich hie und da die Legföhre hin, um bald der offenen Alpenregion Platz zu.machen. Gegen das Reussthal, auf dem Gneis, tritt an ihre Stelle die Drosel ( Alnus viridis ) und hier, gegen Mayenthal und Gadmen, kommt auch die Lärche der Centralalpen und hie und da die Arve vor ( so eine Gruppe an der Engsteinalp, am Susten etc. ) In den Sachseier Alpen ist die Kandelaberform der Weisstanne, mit vielen frischaufschiessenden Bäumchen aus den alten Aesten heraus, häufig. Herrliche Exemplare, welche die Bewunderung des Zeichners und des Försters erregen werden, stehen am Wege, der im Kleinen Melchthal rechts vom Thalbach hinabführt.
Specielle nennenswerthe botanische Vorkommnisse sind folgende: Die äusserst« Hügelzone, bei Seelisberg, Bauen, Isenthal bietet einige Arten der wärmern Regionen. So Hypericum Coris L., bei Beroldingen, eine südliche, in den Föhnbezirken am Axenstein, am Mythen und bei Glarus sich wiederfindende Art, dann Sedum hispanicum und Evonymus latifolius. Cyclamen europaeum, Hex aquifolium in baumartigen Exemplaren. In allen Thälern, besonders charakteristisch für dies Gebiet, Asperula Taurina L. Bei Bauen Selaginella helvetica. Bei Samen Cyperus longus und Eragrostis pilosa. Ueberall am Seeufer und bis Sachseln Primula acaulis. Das schöne Gras Lasiagrostis Calama- grostis geht bis Lungern hinan. Am Rütli Daphne Laureola, bei Seelisberg Rhamnus alpina und Galium lucidum All. Bei Giswyl Inula Vaillaiitii, bei Stans-staad in Sümpfen Helosciadium repens. Im Reussthal Helleborus viridis, und — ein Anfang der bei Weggis schon weiter entfalteten Kastanienregion: einzelne Kastanien bei Buochs und am Bürgen.
Die alpine Region bietet das Besondere, dass die schöne kleine Primula integrifolia L. aus den Ostalpen hier, namentlich in den Melchseealpen ( Fuss des Weit-riess, Abgschütz, auch Spitzen des Sachselergrats ) noch vorkommt, während sie weiter gegen West bald zu fehlen scheint. Einseine Besonderheiten sind Apargia Taraxaci, Soyeria hyoseridifolia, Galium helveticum, Phaca australis, Alchemilla subsericea, Gentiana alpina am Schongiebel, wo auch Ranunculus rutaefolius angegeben wird, ohne dass ich ihn jedoch dort finden konnte. Dann Swertia perennis, auch Allium sibiricum am Fuss des Giswylerstocks Ferner Oxytropis Halleri, Hieracium glanduliferum, Trisetum subspicatum, am Abgschütz, Soyeria montana und sehr interessante üie-racien: H. Bernense Chr., am Sachselergrat, H. Gothi-cum fr. am Stanserhorn, Viola lutea Sm. in auffallender Masse um den Melchsee, Potamogeton alpinus. Balbis in Gräben am Melchsee, Rumex nivalis Heg. in Menge am Erzegg und an der Surenen. Aspidium rigidum und Poa Halleridis R. S. am Brändlistalden unterhalb Melchsee, Senecio erucifolio-cordatus bei Wolfenschiessen, Lunaria rediviva und Circaea intermedia am Rosshimmel, Delphinium elatum im Surenenthal, Campanula cenisia und Papaver alpinum, der zarte,.
weisse Alpenmohn, am Urirothstock gegen Hangbaumalp, und — wohl die grösste Seltenheit des Gebiets, der nordische kleine Farn Botrychium simplex Hitchk ., von dessen Vorkommen bei Engelberg mir unlängst ein deutscher Botaniker brieflich Mittheilung gemacht hat.
Rhiner, ein zuverlässiger Schwyzer Botaniker, giebt noch folgende Besonderheiten für unser Gebiet an: Carex bicolor, Alp-Tannen bei Melchsee; Malaxis mo-nophylla, eine feine Orchidee im Gütschenthal, in Erstfelden, im Bockitobel, am Brünig. Saussurea discolor in der Waldnacht, Gentiana tenella und Artemisia spicata am Hochstollen. Erigeron Villarsii Leutschech-alpe. Eryngium alpinum, die prachtvolle amethystblaue Disteldolde, am « Distelband » beim Engelberger Joch, Viola cenisia am Urirothstock, Saxifraga stenopetala und Potentilla minima an der Surenenecke. Petrocallis pyrenaica am Brisen. Draba tomentosa am Juchli und Widderfeld. Aquilegia alpina, die herrliche blaue Aglaie, auf Lautersee und gegen den Grassen. Potentilla frigida am Grassen.
Dieser nicht durch Reichthum an seltenen Arten sich auszeichnende Alpenflor ist dagegen ausnehmend üppig, blumenreich und frisch, und selten wird man schönere Gruppen von hochalpinen Blüthen finden, als auf der weiten Flur der Melchseealpen oder an den Hängen des Engelberger Reviers.
7. Thierwelt.
Ueber die Insektenwelt, namentlich die Schmetterlinge kann Herr Pfarrer Rätzer in Gadmen trefflich Auskunft geben, der dort unter Anderm die grosse Euprepia Flavia, die sonst nur in Engadin, O. Wallis und Sibirien bekannt ist, entdeckt hat. Der seltene, echt hochalpine Bräunung Hipparchia Alecto ist am Hochstollen zu fangen; im Surenenthal Argynnis Thore, Daphne und weiter oben in Jahrgängen mit gerader Zahl und Anf. Juli auch Hipparchia Aëllo. Dass die Gemse noch reichlich einheimisch, dessen wird sich der Wanderer im ohern Isenthal und anderwärts selbst überzeugen, habe ich doch selbst am vordem Giswyler Stock ihre Anwesenheit bemerkt. Vom Bären geben die Tatzen Zeugniss, die ich noch 1854 an Infangers Haus in Isenthal aufgehängt sah, und wer recht glücklich ist, kann vielleicht den räthselhaften Insassen des Seelis-bergersees, den Elbsch, erblicken, von dem schon der alte Cysat Erwähnung thut.
8. Spezielles Itinerar.
Wir gehen nun an unsere eigentliche Aufgabe: in den Thälern und Bergen des Gebiets uns näher zu orientiren.
Wir fassen dabei unser Gebiet von Westen an, und betrachten zuerst die 3 parallelen von S. nach N. laufenden Ketten: Giswylerstock, Sachselergrat und Melchthalkette und damit das Thal von Lungern, das Kleine Melchthal, das Melchthal und das Engelberger Thal.
1. Giswyler Stock.
In den Jahren 1866 und 1868 hat dieses kleine, aber herrliche Gebirg mich auf zahlreichen, immer wieder mit gleichem Genuss wiederholten Gängen in seine innersten Geheimnisse blicken lassen. Wen es interessirt findet in meiner Schrift: « Ob dem Kernwald, Schilderungen aus Obwaldens Natur und Volk », Basel, Georg, 1869 auf Seite 135 bis 165, eine in alle Details eintretende Charakteristik. Hier zur Wegleitung nur Folgendes:
Von Giswyl-Rudenz führt ein sehr directer, also steiler Weg hinan zur Waldregion, die am Fuss des gewaltigen, kühn vorspringenden Felshorns ihren dunkeln Mantel breitet. Es ist der in Obwalden berühmte Sa-cramentswald, berühmt durch eine mitten im Forst verborgene, höchst originelle Kapelle mit wohl- und wunderthätiger Quelle und seltsamer, gemalter Legende, berühmt aber auch durch die imponirende Grösse der Urwaldstannen, die hier theils stehen, theils todt darniederliegen. ( Eine Tanne 1868 in Brusthöhe 19 Fuss Umfang. ) Von da durch eine offene Alpweide immer bergan über die Alpen Prosmatt und Ankenhubel, das « Horn » rechts lassend, gegen die O. Kante des Bergs. Hier schöner Blick auf das Sarner Seebecken im N., und in den See von Lungern fast senkrecht hinab im O. Es erscheinen die Wetterhörner jenseits des Brünig in mächtiger Nähe und Höhe. Nun immer der O. Kante des Berges folgend bis zum ersten ( Hohmatt nach Dufour 2113 m ) und dann dem Kamm ent-lang'/2 Stunde weiter nach Süden bis zum Eckpfeiler, dem « Breitenfelder Biet » der Giswyler, dem « Schöngiebel » der Lungerer, der « Hohen Gummi ) nach Dufour, 2208 m. Hier ist der Punkt, wo der Brienzergrat messerscharf nach W. abläuft. Wir haben einen der allerersten Aussichtspunkte der Schweiz erreicht.
2 Adlergleich thronen wir scheinbar senkrecht über den Seen von Brienz und Thun, die, mit dem Bödeli, uns unverdeckt zu Fussen glänzen. Nach W. dominiren wir das weite, einsame Entlibuch. Und von W. über S. nach O. überschauen wir die ganze Berner Centralkette in der allerglücklichsten Nähe und Gruppirung; Blümlisalp und Breithorn, die Jungfrau-Mönch-Eiger-Gruppe, ganz im Vordergrund die Wetterhörner, die Grimselberge, das Triftgebiet, und unübertrefflich schön liegt uns das ganze Hasli mit der glitzernden Aar bis weit über Guttannen und die Handeck zu Fussen. Und gegen N. das sanftere, fernere Gewimmel der Voralpen mit ihren Seen und der verschwimmenden Ebene. Wir kennen keinen zweiten Punkt der Art, die Gipfel ob dem Hasliberg nicht ausgenommen. Einen, freilich sehr deprimirten Auszug dieser Aussicht gibt das Wylerhorn, etwas ob dem Brünig. Distanz Giswyl Schöngiebel reichlich 4 Stunden. Wollen wir nicht denselben Rückweg nehmen, so können wir steil abwärts, aber auf betretenem Alpweg, über die sehr bedeutende Alp Breitenfeld und den Vorsäss Dündel in reichlich 3 Stunden durch schönen Wald nach Lungern gehen.
Wir können aber auch, über den Grat und eine hohe Graswand hinab nach der Entlibucher Seite, in die Alp Fontana, wo die Emme entspringt, und über welche, nun im O., die Felsen des Giswyl er Stocks wild und kolossal emporstarren. Ohne tief gegen die Emme hinabzusteigen, contourniren wir diese Felsen, streichen durch einen Zwergwald von Krummholz hindurch, und steigen über die Alpen M Öhrli und Alp- ogeln durch Wald, dann durch Wiesen nach Giswyl-Rudenz hinab. ( Von Schöngiebel 3 Stunden. ) Noch sei erwähnt, dass ein etwas « lauterer » Steig aus der grossen Mulde, welche die Kämme des Giswyler-Stocks bilden, über die westliche Kante sehr steil nach der Alp Fontana hinüberführt.
Wenn wir nun zum Brünigsattel und ins Thal von Lungern niedersteigen, so betreten wir eine eigenthümlich schöne Gegend. Zwar hat der See durch die Tieferlegung seines Spiegels an Schönheit verloren, indem zwischen dem Wald und Gebüsch des Ufers und dem Wasser nun ein blasser Streif alten Seegrundes sich hinzieht. Selten aber wird man abwechselndere, malerischer gruppirte, mächtigere Baumvegetation sehen, als die, welche der Anstieg vom Lungernbecken bietet, in reichstem Wechsel mit Alpenmatten und ernstem, geschlossenem Wald, selten auch eine so reiche und bedeutsame Terraingestaltung, und noch seltener auf so niedrigem Standpunkt ( blos 1004 m ) eine so erhabene Aussicht in die Berner Alpen und Thäler. Darum sei der Brünig uns noch lebhaft empfohlen, ehe ihn die Eisenbahn landschaftlich ruinirt hat, um so mehr, als ein sehr solides Gasthaus dicht an der Höhe einen Anhaltspunkt für Spaziergänge bietet.
2. Sachselergrat, oder Kette des Hochstollen, wenn wir sie nach ihrem bekanntesten Gipfel nennen wollen. Es ist jene Kette, die sich durch den anmuthigen Schwung ihrer Umrisse und die treffliche Faltung ihrer tiefgrünen Abhänge bemerkbar macht, wenn wir sie vom Landenberg ob Sarnen betrachten. In einer Flucht fällt sie zum Sarnersee ab: die Wellen baden ihren Fuss; im Osten beherrscht sie in senkrechten Felswänden das tief eingeschnittene, schattige Melchthal; weiter südlich, nahe beim Hochstollen, zweigt sich eine westliche Parallelkette ab, die bei Rudenz zum Sarnersee abfällt, und die westliche Wand des Kleinen Melchthals bildet. Die Hauptkette aber trennt weiterhin noch die Melchseealpen vom Haslithal, um vom Lauberhornan ( 2520 m ) sich östlich zu wenden.
a ) Vorderer Theil, Sachselergrat im engern Sinne.Vor Sachselen steigen wir durch Matten, Wald und Weiden an der nördlichen Kante des Gebirgszugs aufwärts und treffen in 1830™ Höhe auf den aus der Wand vorspringenden kanzelartigenPfeiler des Stuckli. Weiterhin, einige 100 Fuss unter der Grathöhe treffen wir in einen Alpweg, der die zahlreichen « Wildenen » oder Hochalpen verbindet, die in ungefähr gleicher Höhe, ( ca. 1700 m ) in den obersten Mulden liegen, welche sich nach unten, gegen den See hin, in jene malerischen Falten und Schluchten verlängern. So gelangen wir vom Astel zum Mettenthal nach Wangen, Brand-eck, Klyster, und können leicht auch den Grat selbst, die Brandeck2 ) ( 2109 m ) besteigen, um desselben Tages durch den grossen Alpweg, der über « Ob Stocken » nach Ettisried hinabfährt, unsere Station in Sachselen wieder zu gewinnen. Dieser Gang ist sehr lohnend, namentlich « Ob Stocken », eine zauberisch abgeschlosseneRothhorn der Excursionskarte.Anm. d. R.
- ) Wandelen der Excursionskarte.Anm. d. R. Waldwiese mit herrlichem Blick auf das Sarner Gelände zu empfehlen.
Die Ostseite der Sachseier Berge fällt unzugänglich in wildem Geschröffe zum Melchthal ab; nur ganz hinten, im Grund des kleinen Melchthals führt von der Alp Matt ein von uns nicht begangener Steg zum « Bruder Klausen Klyster » hoch über dem obern Melchthal, wo noch Spuren einer Einsiedelei und eine in den Felsen gehauene Wendeltreppe erhalten sein sollen, aus der Zeit, da N. von der Flühe hier sich der Askese widmete. Wir empfehlen unsern Freunden die Untersuchung und Schilderung dieser seltsamen Anlage für nächstes Jahr-buchnamentlich wären wir einem gewandten Zeichner für die Wiedergabe der jedenfalls höchst originellen Scene verpflichtet.
b ) Es beginnt nun gegen Süden die Kette höher, mächtiger sich zu entfalten, und vom Hochstollen an scheidet sie das Melchseeplateau vom hintern Kessel des Kleinen Melchthals.
Kleines Melchthal. Dieser Thalhintergrund ist wild und einsam. Die Alpen Aelggi: ein grosser ebener Plan, aus der Wand erkerförmig hervortretend, Seefeld mit 2 Bergseen, Krummelbach und mehrere andere nehmen den Circus ein, in den sich das Thal ausweitet, um dann aber sofort als tief eingerissene Schlucht bis zum Sarner See hinabzufahren. Am rechten Thalhang führt vom Aelggi ein sehr malerischer, Anfangs rauher Alpweg abwärts, der bald in den grossen Weg über Ob-stocken mündet; ganz eigenthümlich aber ist der Steig, der am linken Thalgehäng von der grossen Alp Hütt-stätl nach Rudenz hinabführt. Er ist einer der steilsten Abhänge, unten in furchtbare « Krachen » zerklüftet, die man aber oben auf dem Fusssteig, der sich in bedeutender Höhe hält, vermeidet. Der Blick in die finstere, waldige Tiefe des Thales ist ergreifend, und es gibt kaum kühnere und ärmlichere Ansiedelungen als die kleinen Heimwesen, die neben mächtigen Ahornen an dem Absturz kleben. Tiefer umfängt uns grossartiger Nadelwald bis dicht ans Dorf.
Dieser Weg auf der linken Seite des Thals wird am besten verbunden mit einem Besuch des Seitenastes, den der Sachselergrat gegen das Lungernthal hin entsendet, und dessen dominirender, südlicher Punkt der berühmte Giebel ( Lungern-Giebel ) 2037™ ist. Von Lungern ist die Alp Hüttstätt leicht in zwei Stunden, von da der Gipfel in einer starken Stunde bis 11/-2 Stunden zu erreichen. Dieser Punkt beherrscht direkt den Hasliberg und das Haslithal; die Aussicht ist nahe verwandt mit der des Schöngiebels drüben im Westen des Brünig, doch tritt die Wetterhorngruppe und der Rosenlaui-Gletscher besonders hervor.
Diese Alpen sind so recht das Centrum des zwischen Obwalden und Hasli noch frisch blühenden « Schwinget », jener grossen Hirtenfeste, wo in einem scheinbar naturwüchsigen, aber eigentlich sehr künstlichen Hingen die Kämpfer sich messen. Die Feste werden meist im August auf den grossen Alp™ am Berner Abhang dieser Kette: Balisalp, Mägisalp, KaiserstaU abgehalten, und der « Stadtherr » ist freundlich aufgenommen, doch wohl auch ein wenig gehänselt.
3. Melchthal.
Von Sarnen, von Sachselen, und besser noch von Kerns führen mehrere Wege in das Melchthal hinein. Der bequemste, eine für Bergwägelchen fahrbare Strasse mündet in Kerns, und tritt dann in die waldige Schlucht des Thales ein. Lohnender aber ist es, über das aussichtreiche Flühli die Kapelle im Ranft zu besuchen, die dicht bei der schäumenden Melchaa liegt ( 1 St. von Sachselen, etwas weiter von Sarnen ). Kein guter Schweizer wird ohne Pietät und Rührung die Stätte betreten, welche dem edeln Klausner am Ranft zur stillen, andachtgeweihten Wohnung gedient hat. Und die prächtige Schlucht mit ihrem unvergleichlichen Baumschmuck ist an sich schon ein Tempel, andächtiger Einkehr werth. Möge noch lange dieser liebliche Ort behütet sein -vor der etwas scharfen Zugluft, die jetzt in unsern Gauen weht, vor Hotels, auch vor gut gemeinten « Anlagen und Verschönerungen, » und vor Allem davor, dass ihn irgend eine Partei, sei sie politisch oder kirchlich, zu ihren Zwecken « heranziehe ». Es gibt geschichtliche Stellen und Personen, die nicht betastet werden sollen, und lieber sähen wir den ganzen Ranft vernichtet, als dass das Mindeste daran verändert würde.
Beim Ranft geht ein Fusssteig über die Melchaa an einer äusserst originellen Einsiedler-Kapelle, dem Möösli, vorbei, steil hinan zur Kerns-Melchthalstrasse, über welcher in einiger Höhe die uralte Kirche St. Niklaus mit einem Thurm steht, der wohl noch der Römer Zeit, jedenfalls dem Burgunderreich angehört, und der eine der ältesten Glocken der Schweiz, ein seltsam cylin- drisches Ding mit bisher unentzifferter Inschrift ( siehe deren Facsimile in meinem « Ob dem Kernwald » Seite 52 ) enthält. Das Dörflein Melchtltal liegt sehr einsam und malerisch auf ansteigender Wiese zwischen gewaltigen düstern Bergen, und es setzt sich das Thal, fast immer am rauschenden Bach hin, mit dem Character eines Hochalpenthals an 4 Stunden von Kerns fort, bis endlich die grosse Steigung, der Brändlistalden, ein Querriegel von 600 Meter, beginnt. Auf der Höhe überrascht der freie Ueberblick eines Plateau, wie die Alpen kaum ein zweites in gleicher Ausdehnung bieten: es sind die Melchsee-Alpen. Ueber 3 Stunden lang, 1ji Stunde breit, zieht sich die wellenförmige Fläche hin, in der Höhe von 1900 m, besäet mit Hüttengruppen: Aa, Frutt ( hier eine einfache Pension für Sommergäste ) Tannen. Im Westen glänzen einige Seen: sehr stattlich namentlich der Melchsee. Man versäume nicht, seinen Abfluss, das Stäubiloch, zu besuchen, wo die sehr bedeutende Wassermasse sich in eine Kluft des Schrattengebiets in donnerndem Fall verliert, um erst am Fuss des Brändlistalden, 770 Meter tiefer, als Melchaa wieder hervorzutreten. Das Schrattengebiet, eines der entwickeltsten der Alpen, bildet die ganze nöi'dliche Begrenzung des Melchseeplateau bis zur Kette, die nach Engelberg abfällt. Es ist ein durch und durch von den Atmosphärilien zerfressenes Kalkmassiv, wo von Ritzen von Linienbreite bis zu Klüften von hundert Fuss in Tiefe und Breite alle erdenklichen Grade der senkrechten und muschelförmigeu Auswaschungen zu sehen sind. Das Ganze ist ein Labyrinth von allei-sonderbarstem Charakter, an manchen Stellen ganz so unzugänglich, wie jene Bildungen, welche die alte Lava gewisser Basaltgebirge ( im Trachon Syriens etc. ) hervorbringt. Die Auswitterung geht sehr schnell vor * sich. Seit Menschendenken sollen Einschnitte von 60 Fuss sich gebildet haben. Das merkwürdigste ist, dass der Kalkstein sehr hart, dicht, und nicht wesentlich von solchem verschieden scheint, der der Witterung fast absolut widersteht. Fügen wir bei, dass zur Schratten- ( Karren- ) Bildung stets eine horizontale Lage der Gesteinsoberfläche nötig ist: es ist das stehende, nicht das fliessende Wasser, das diese zellenförmige Aus-klüftung bewirkt, und grossen Antheil daran nimmt nach Rütimeyers Beobachtung die Kohlensäure, welche von den an der Oberfläche wachsenden Pflanzen erzeugt wird. Von den Melchseealpen ist nun der Hochstollen ( 2484™ ) zu ersteigen, mit seiner unvergleichlichen Aussicht, welche durch Nähe des Hochgebirgs und tiefe Einblicke in dessen Gletscher die ähnliche von Schön-und Lungerngiebel übertrifft. Entweder geht man am obersten See, dem Blausee vorbei durch eine steile Kehle, das Weitriess, direkt bergan oder man besteigt das nördlich gelegene Joch des Abgscinitz. einen Pass, der hinüber führt ins Kleine Melchthal nach der Alp Seefeld. Durch die erhabene Felsenscenerie sowie die Aussichten, die er bietet, ist dieser Pass einer der lohnendsten dieses Gebiets. Die Westseite bildet eine fast senkrechte Wand von fast 700 Meter über die eine zwar schwindlige, aber gut gangbare Felsentreppe hinabführt. ( Ohne Führer nicht zu unternehmen.Das Edelweiss und eine Menge schöner Hochalpenpflanzen wachsen massenhaft an diesen Felsen.
Näher und bequemer zu erreichen ( Partie von 3 Stunden hin und her von der Frutt aus ) ist das Erzegg, ein Gipfel des Südrandes des Melchseeplateau. Hier schweben wir ( 2176 m ) in mächtiger Höhe über dem Genütitl, so dass der Thalgrund ganz unsichtbar ist. Die Aussicht, ist. weil wir schon weiter nach S. O. vorgeschoben sind, namentlich über den Triftgletscher bedeutend, den wir von unten an mit allen seinen Hörnern und Gipfeln vollkommen überblicken.
Vom Melchsee führt ein Bergpfad über den Lauber-(jrut zwischen dem Glockhaus und Lauberstock hinüber nach der Mägisalp und Meiringen; dann von der Alp Tannen hinüber ins Genthal nach der Engstlen-(tlp. Diese Alp, jetzt mit besuchter Pension versehen, liegt an dem ( 1852 m ) Eitgsllciisca, über den sich die prächtige, reichbegletscherte Kette der Gadmenflühe und des Titlis majestätisch erhebt. Der Weg von Engstlen hinab nach Innertkirchen, der entweder in der Tiefe, oder oben in grosser Höhe über der Thalsohle gewählt werden kann, ist einer der landschaftlich schönsten im Oberland, der alle Elemente vereinigt, die ein Alpenthal zieren können. Schöne Arvengruppen mit einem Unterholz herrlichster Alpenrosen fallen unterhalb der Alpe auf« Ein direkter Weg von Tannen nach Engelberg, ohne den Jochpass zu berühren, soll über das « Fiekenlocli » führen, muss aber, der gewaltigen Abstürze wegen, nicht gerade zu den leichten gehören. Das Fiekenloch selbst ist nach Businger's Schilderung ( Unterwaiden S. 34 ) ein besonders kolossaler Schrund der hier so verbreiteten Karren-formation, dessen Untersuchung wir den Clubisten, die vor einer unterirdischen Kletterpartie sich nicht scheuen, anheim geben.
Ein sehr empfehlbarer obwohl selten begangener Weg führt von Mühlestalden über den vordem Grat der Gadmenflühe, das Eiinxtelfnsiittf'li, steil nach der Eugstlenalp.
Der viel begangene, grossartige Jochpass von Engstlen nach Engelberg berührt die Basis des Titlis, steigt zu der Terasse des öden Trub sees ( 1765 m ) und dann über eine sehr steile, aber blumenreiche Halde von 500 m Höhe, die « Pfaffenwand », nach dem Vorsäss Gerschni und zum Kloster hinab. Von Meyringen bis Engelberg ist es ein sehr starker Tagmarsch.
Von der Trübseealp, noch besser aber von Engstlen wird der Titlis bestiegen: eine für einen so lohnenden Gipfel von 3239 m relativ leichte Tour, die letzte Stunde über sanft ansteigenden Hochfirn.
4. Melchthalkette.
So nennen wir die zerrissene, in wilden Hörnern emporstarrende Bergreihe, welche Melchthal von Engelberg trennt.
Sie beginnt im N. mit der weithinschauenden, allbekannten Pyramide des Stanaerhorns ( 1900 m ), das sowohl von Stans aus über Blummatt, als von Kerns und Dallenwyl über das Grosx-Aecherli ( heroischen Angedenkens: 1798 ) und die Holzwang-Alpe leicht und angenehm zu besteigen ist; doch mahnt nach dem Heuet der überaus glatte, steile Rasen selbst den Clubisten, sofern er nicht firngerecht benagelt ist, zu einiger Achtsamkeit. Aussicht vom Gipfel, der sich des poetischen Namens aSdniars ) ) erfreut, herrlich: lothrecht hinab in den Flecken Stans, in 's Sarner Becken, dann auf Pilatus und Titliskette: aber am schönsten bietet sich die Oberländer Gruppe, die sich staffelförinig um ihren Kern, das Finsteraarhorn, her-umlegt. Aehnlich, aber des Blicks auf Stans entbehrend, sind die Blicke von den im S. des Schnars sich erhebenden Rücken Arvi und Gräfimattstand.
Weiter nach S. vom Melchthal aus, geht der Sto-reggpass in ca. 5 Stunden hinüber nach Engelberg oder Grafenort. Ohne besondere Verdienste, bietet er Gelegenheit, den gewaltigen, schon erwähnten Ahorn der Alp Ohr, den mau selbst von Landenbeig ob Sarnen erblickt, zu betrachten.
In der Breite des Dörfleins Melchthal werden die Gipfel, die bisher zahmer waren, ausnehmend felsig und rauh: auch an Höhe gewinnen sie und zeigen einzelne Firnmulden. Widderfeld ( 2354 m ) kann von Engelberg her bestiegen werden; Nünalphorn ( 2887 m ) von dem J'ticläi-i'üts aus, der direkt ob Melchthal steil und rauh ansteigt, durch eine felsige Kehle und Lücke zur Scheide ( 2170111 ) geht, wo die hochalpine Vegetation der Aretien reichlich sich zeigt, und dann über Alpenterrassen nach Engelberg abführt, ein nicht aussichtreicher, aber charaktervoller Felsen-Col, der in 5 bis 6 Stunden zurückzulegen ist. Was zwischen Juchli und Engelberger Joch sich erhebt, sind drohende, finstere Felsenmassen, die nicht sobald einen Besucher anlocken dürften. Allein der Hn-tstock ( 2679 m ), der südliche Pfeiler des Juchli, wird von Engelberg aus besucht.
Mit'Vergnügen senken wir uns daher ins schöne Engelberger Thal. Es ist auffallend schmal, waldig, einsam, doch weitet es sich bei Grafenort zu einem reizenden, kleinen Boden zwischen himmelanstrebenden Bergen aus. Die wahrhaft phäakische Küche des Kloster-wirthshauses daselbst wird Liebhabern alpiner Ichthyologie anmit demmcirt.
Es gibt kaum im Alpengebirg eine grössere Ueberraschung, als wenn man aus der Waldschlucht des « Rosshimmels » ( richtiger Rosspurgatoriums ) auf die offene seegleiche Thalebene des Klosters Engelberg tritt. Ein weithin gebreiteter, smaragdener Wiesenteppich, von einer Ueberfülle klarster Wasser durchzogen; rechts die Wand und die Firnhaube des Titlisgebirgs, grad hinter dem Kloster ein zackiger, phantastischer Fels, der Hahnen, und im Grunde das dämmernde Surenenthal: ein Ganzes von lieblicher Grösse, der echte Typus eines Schweizer-Thaies. Man lese in Felix Mendelssohns Reisebriefen, was ein fein empfindender Aesthetiker über dieses Thal sagt: es sind hohe, aber nicht zu hohe Worte, in die wir gern einstimmen. Siehe seine Reisebriefe aus den Jahren 1830 bis 1832 ( I. Band ) S. 266. Damals ( 1831 ) war es noch gemüthlich hier oben:
« Nun ist hier das netteste Wirthshaus, was man « sich denken kann, reinlich, ordentlich, sehr klein und « bäuerisch: ein alter weisshaariger Wirth; das hölzerne « Haus steht abwärts vom Wege auf einer Wiese allein. « Meine Stube ist von allen Seiten voll Fenster, die die « Aussicht aufs Thal haben: von oben bis unten mit « zierlichem Holzgetäfel; einige bunte Sittensprüche und « ein Crucifix hängen an der Wand, ein dicker grüner « Ofen mit einer Bank, die ihn umgibt; zwei hohe « Betten. » Heute — quantum mutatus ab ilio — ist grosse und excellirende Gasthofindustrie in Engelberg. Aber seien wir nicht unbillig: ein solcher Punkt konnte.dem auf die Lange unmöglich entgehen.
5. Titlis.ket.to.
Das erste Ausflugsziel ist natürlich der Titlis, der überGerschni, Trübsee-Alp und Laubergral unschwierig unter Leitung der guten Engelberger Führer erreicht wird. Leider hat Eugen Infanger, der uns 1853 so munter und mehrere Tage führte, der Sohn des berüm-ten Moritz ( Karre-Muri ) schon längst auf seinen heimatlichen Gletschern den Tod gefunden. Eines der frühern genauen Gebirgsprofile, stelltH.Zeller's Panorama 1833 die Titlisansicht trefflich dara ): eine unermessliche Gipfelschau, die aber nur durch den Blick auf das Kloster Engelberg- unterbrochen wird, und daher malerische Kontraste etwas vermissen lägst. Nähere, prächtige Gänge führen in den waldigen Thalcircus des Harbin mit seinem Wasserfall, nach Gerschni-Alp, nach Lan ter-see, auf den Bitzistock etc.
Dem Thalweg aufwärts folgend, nähern wir uns den Sureneit-Alpen, auf die drohend und wild vom Süden her die Firnzungen der Titlis-Spannörterkette herablugen, und jeweilen ihre Lawinen bis in den Grund niedersenden.
Auch G. Strider hat 1864 ein vorzügliches Panorama îles Titlis gezeichnet.Anm. d. K. Von hier gehen die Pässe, zum Theil eigentliche Gletscherpässe, nach verschiedenen Richtungen:
aj Nach Osten geht der begangene Pfad des Surenenpasses über eine scharfe Schneide, Sureneneck ( 2305 m ) und ein steiles Schneefeld hinab zur Urner Alp Waldnacht, und durch ein majestätisches Chaos von Wald, Felsenschluchten und Sturzbächen mühsam hinab durch den Bockitobel gen Altorf. So eintönig der Aufstieg von Engelberg, so unvergleichlich kühn und prächtig ist dieser Niederstieg, er übertrifft an grandiosen Scenen weit höhere, weit berühmtere Pässe. Wie mögen 1799 die Franzosen gestaunt haben, als sie Lecourbes kategorisches: « en avant! » mit 2 Kanonen durch diese Schlünde zwangVergessen wir nicht, dass seither auch unsere Bergartillerie, freilich unter günstigeren Verhältnissen, diesen Pass « gebodiget » hat.
b ) Grassenpass. Nach Süden ist über die hohe Titlis-Kette selbst mehrmals ein Uebergang nach Wasen bewerkstelligt worden. Steil, mühsam und nicht ohne Schwierigkeiten geht der Gang ( Weg wollen wir ihn nicht nennen ) ob Herrenrüti im Eingang des Surenenthals, wo man beim Goldboden die Aa überschreitet, hinan zum Grat des Schafschiltes und der Scheidegg ( Grenze zwischen Uri und Engelberg ) in 21St. bis zum Grassen-Gletscher, auf dem man die Passhöhe, « Bärengrube » bei Punkt 2718 n. Dufour erreicht. Dann hinunter über die Firnterrassen des Küh-fadfirns in l/i St. zum aberen Fels, über die Klein-Alpen ins Mayenthal, ein Tagmarsch, nur mit sicherem Führer auszuführen. Ball, in seinen trefflichen Central Alps, hat 1864 diesen Weg von ferne gewittert: there is no doubt as to the possibility of reaching Engelberg from Wasen by the Grassen Glacier, but no information as to the route has reached the editor. Aber gleichen Jahres hat sein Rivale Mr. Tuckett den Pass wirklich gemacht. Seither ist er einer der mindern unter den High-level-Pässen geworden.
c ) Schlossberglücke von Engelberg nach Erstfeld, Gletscherpass, von der Alp Niedersurenen ( der Hinter-stä/fel/-Hütte ) über steile Schuttgehänge und durch eine Schneekehle in 3 Stunden hinan zur Schlossberglücke, zwischen Gross-Spannort und Schlossberg, bei Punkt 2631 nach üufour, wo die Aussicht bis zu dem hehr aufragenden Tödi frei ist Dann über den zerschrundeten Schlossbergfirn hinab zur Moräne, und durch Alpenrosenhaldeu zu den Hütten der Kühplankenulpe im hintern Erstfelder Thal.
dSpaimörterioch, ebenfalls von Engelberg nach Erstfeld. Dieselbe Honte wie die vorhergehende, nur dass man von Nieder Surenen über steile Halden und eine sehr geneigte Firnböschung das hohe Joch zwischen Gross- und Kleinspannort erstrebt, von da sich über die weiten Firnfelder des Erstfelderthales zu Punkt 2631 nach Dufour wendet, und am Obern See vorbei den Abstieg in die Erstfelder Alpen bewerkstelligt. Mit dieser Tour lässt sich die Ersteigung des Gross-spannorts, 3205 m, verbinden, welches von Hrn. A. Cammenzind als ein Punkt bezeichnet wird, an dem die Auflagerung des Kalks auf den Gneiss trefflich beobachtet werden kann.
Auch der Schlossberg, 3133 m, ist von den Surenen-alpen aus mehrfach, zuerst von E. Cattani bestiegen worden, aber für ihn wie für das Spannort gilt, dass der Titlis und der Uri-Rothstock bequemere Zugänge und einen weit freiem, dominirenden Standpunkt bieten.
e ) Wendenjoch, von Engelberg nach dem Gadmen- thal, Gletscherpass zwischen Titlis und Thierberg, von Hrn. Zähringer im August 1871 begangen und benannt. Von Herrenrüti wird steil hinan das Firnalpeli, und dann der Gletscher betreten, der vermöge seiner Steilheit nur durch eingehauene Stufen gangbar ist. Von Herrenrütti in 5 Stunden wurde die Passhöhe ( 2650 m ) erreicht, ein Firnjoch zwischen dem Thierberg, dem nördlichsten Gipfel der nach dem Sustenpass abfallenden Kette der Wendenhörner, und der mächtigen Felswand des Titlisnollen, die sich an 600 m über diesen Standpunkt erhebt. Nach O. und W. reicher Blick nach den Surenen- und Gadmenalpen, über denen die Riesen des Urner- und Oberlandes aufragen. Der Abstieg nach Gadmen geht über den Wendengletscher, der anfangs sanft, dann aber, am Fuss der nicht umsonst sogenannten Urathstöcke, voll herabgestürzter Séracs und dem Lawinenzug von jenen Stöcken her ausgesetzt ist. Nach dieser misslichen Passage geht es über holperige Moränen nach der Gschlötler-alp, und von da steil über Weiden und Gebüsch nach der längst in beträchtlicher Tiefe sichtbaren Sustenstrasse, und zu der gastlichen Steinalp, 1866 m.
Alle diese Pässe, selbst die Surenen nicht ausgenommen, erheischen tüchtige Führer, denn bei Nebel ist auch der Sureneneck nicht zu trauen, so unschuldig sie bei Sonnenschein aussieht. Schreiber dieses hat da- selbst im Jahr 1851 diverse Spolia opima im Schnee zurücklassen müssen.
6. Das Erstfelder Thal ist die bedeutendste von den vielen Schluchten, die sieh vom O. Hang der Titliskette gegen die Reuss absenken. Nur ungefähr 3 Stunden lang, jedoch sehr steil ansteigend, bietet es so recht das typische Bild eines Hochalpenthales dar, mit allen Abstufungen und Phänomenen eines solchen, und verdient dalier einen Besuch selbst dann, wenn wir es nicht als blossen Zugang zu dem Spannörter-Joch oder der Schlossberglücke benutzen, sondern auf demselben Thalweg wieder nach Altorf zurückkehren müssen: der auf diese Tour verwendete Tag wird uns nicht gereuen. Ueber dem waldigen Gehäng ( Sulzwald ) liegen reizende, ansteigende Alpenterrassen mit mehreren Gruppen von Sennhütten; der Schlossberggletscher blickt uns entgegen, überragt von den Zacken des Kröntlet, der Spannörter, des Schlossbergs, und es fehlt nicht an Wasserfällen und Bergseen, von deren Ufern sich die Felsen mächtig zur Schneeregion erheben, und in deren einen, den Obersee, der Schnee des Kröntlet ( Lusser schreibt: « des Gekrönten » Uri pag. 89 ) sich bis zur Fluth hinabzieht. In J. Ulrich's schönem Werk: « die Schweiz in Bildern » ist dieser Hintergrund des Thales treu und charakteristisch dargestellt. Die Wischfluhhütte bietet ein zwar alpines, aber ganz annehmbares Unterkommen dar. Geologisch ist das Thal sehr bemerkenswerth: die nördliche Kette, Schlossberg etc. ist Kalk, die südliche Gneis, und an der steilen Kalkwand des Geiss- bergs zieht sich am dunkeln Fels ein weisses Band von Dolomit und Lias in grader Linie hin.
Die andern, zwischen Amsteg und Wasen einmündenden Schluchten: Leutschechalp, Z'Graggentobcl und Gorneren bieten nicht die Mannigfaltigkeit der Erstfelder Alpen; der Naturfreund wird aber in jedem irgend etwas Eigenthümliches, wo nicht Bedeutendes finden. Lusser ( Uri 96 ) empfiehlt namentlich den Besuch von Leutschech, in dessen düsterm Hintergrunde 2 Alpenseen am Fuss grotesker, himmelhoher Felswände liegen. « Aus dieser Alp führt ( ich citire Lusser ) ein Fusspfad über eine steile Bergwand hinan, weit über der Firnregion zwischen wilden Gebirgen, dem Ruchen, Jakobsee, Runden, Gwasmet und Bockzingel am düstern, tiefen, in Felsenbecken liegenden Leidensee vorbei nach der Alp Planken im Erstfelder Thal hinüber. » Doch möchte ich dem Autor ohne verlässlichen Führer diesen, nach den gegebenen Bergnamen schwierig zu erkennenden Gang nicht nachahmen, denn bekanntlich war Dr. Lusser einer der verwegensten Kletterer und Felsenmänner. Um so dankbarer sind wir Hrn. C. Nager in Luzern, dass er diese apokryphe Tour in letzter Zeit unternommen und uns darüber referirt hat. Wir nennen sie den Leidenseepass: Hr. Nager erstieg von der Wisch-fluhhütte aus die erste Terrasse der südlichen Thalwand, neben dem kleinen schwarzen Faulensee ( 1774 in ) vorbei, und kam dann über grosse Schuttmassen und Gneistrümmer der 2. Terrasse zum Obersee, umgieng, immer ansteigend, den Pauken und den Hiindszingel, überschritt mit grosser Anstrengung ausgedehnte Trum- merfelder von gewaltigen Gneisblöcken und erreichte die Spitze des Gwasmet ,(2282 m ) ( nicht zu verwechseln mit dem grossen Gwasmet 3079 m zwischen Kröntlet und Spannort ), wo er auf den Urnersee, Altorf, das Schächen- und Maderanerthal niederblickte. Alsdann wandte er sich der Lücke zu, welche der Gebirgskamm zwischen Jakober und Ruchen bildet. Wenig unter der Kammhöhe kam er zum Leidensee, der in einer krater-förmigen Vertiefung des Gneisgebirgs — eine seltene Erscheinung — seine hellgrünen und sehr tiefen Wasser eingebettet hat, ohne dass ein Abfluss sichtbar ist. Den kleinen See auf der Westseite umgehend, erreichte Hr. Nager endlich bei 2346 m die Kammhöhe, von wo der Blick gen Süd nach dem Bristenstock und dem Fellithal ihn überraschte, dessen Bach von seinem Sturz in die Reuss bis auf die Höhe der Fellinenlücke in die Oberalp zu verfolgen war. Nun musste die hohe steile Gebirgswand hinab zur Leutschechalp gestiegen werden ( Hütte 1748 m ), von wo der Alpweg in sanftem Abfall nach Intschi an der Gotthardstrasse führt.
Also jedenfalls eine der lohnendsten, den Schreiber des Itinerars am meisten lockenden Gänge ( circa 8 Marschstunden ) im Clubgebiet, durch unberührte, wild-felsige Alpenreviere, wie sie nur Uri, das Felsenland par excellence, das herrliche, einzige Uri uns noch bietet.
Als Führer diente Hrn. Nager ein einfacher Hirt von Wischfluh, ein ungraduirter und unbrevetirter, wie sie Schreiber dieses ebenfalls ganz besonders liebt.
Mit dem Engelberger Thal endigen die von N. nach S. gerichteten Thäler und Bergzüge unseres Ge- bietes; schon das Surenenthal und die Titliskette schlagen eine W. O. Richtung ein, und was östlich von jener Linie bis zum Reussthal sich erstreckt, folgt dieser Richtung im Allgemeinen, wenn auch mehr oder minder von S. W. nach N. O. declinirt.
Wir beginnen bei Betrachtung dieses Gebiets mit der südlichsten Erhebung, dem prachtvollen Massiv des 7. Urirothstocks.
Ein kühnes Vorgebirg, wirft sich der Gütschen eines Schwungs hinab in den See; von seinem schon 2521 m hohen vordersten Haupt ziehen sich die Gipfel, gleich den Zinnen eines riesigen Bollwerks, zum Blackenstock * ), dem dominirenden Gipfel des ganzen Massivs: 2952 m, dann herum zum Schlossstock und weiter nach N. W. zum Engelbergerrothslock ( 2820 m ), um von da in streng W. Richtung in die Wallenstöcke, dicht ob dem mittlern Engelbergerthal auszulaufen. Der eigentliche Urirothstock ( 2932 m ) bildet mit seinem Nachbarn, dem Schlieren, den Höhepunkt des Sassi-grats, der, dem Gütschen W. gegenüber, auf das Hauptmassiv zuläuft. Der so entstehende Kessel zwischen den Hörnern ist erfüllt mit weiten Firnfeldern, von denen eine Zunge, der Schwarzfirn, ins oberste grosse Isenthal abfällt. Von hier ist denn auch der Uriroth-stockgipfel am leichtesten zu erreichen.
Wir übernachteten 1854 auf der Hangbaumalp, im Hintergrund des Isenthals, betraten nach einerDem Brunnistock der Excursionskarte; Blackenstock ( 2922 m ), zwischen Brunnistock und Schlossstock.
Anm. d. R. steilen Gand- und Guferhalde und einein zerklüfteten Karrenfeld den Gletscher, wandten uns gegen den Grat hin, der zwischen dem Blümlisalpfirn und Grossfirn. sich hinzieht, und erreichten über eine geneigte Firnhalde die Kante des hier als Pyramide sich darstellenden Rothstocks.
Die Aussicht ist die ergreifendste aller Schweizer-Aussichten, die ich je genossen; denn über 8000 Fuss hoch, scheinbar senkrecht schwebt man über dem tiefgrünen Vierwaldstättersee, ein Anblick, der dem ganzen Bilde einen unnennbaren Zauber, ein Leben giebt, wie es nicht entfernt auch die noch so mächtigste Gipfelschau allein gewährt. Wenn auch der Einblick in die Firnmeere der Centralalpen hier schon etwas beschränkter ist, als auf dem Titlis, so ist die malerische, die landschaftliche Wirkung eine unvergleichlich grössere, sie übersteigt alle Erwartung, ja fast die Grenze der Phantasie. Der fein gewimperte Umriss der Tannenwälder, welche den Schwarzwald schmücken, war an dem klaren Septembertage deutlich durch das Glas wahrzunehmen.
Den Abstieg nahm ich direkt, ohne wieder Firn zu betreten, über endlose Felsentreppen und Wände zum Karrenfeld ob der llangbaumalp, eine nicht empfehlenswerthe Partie. Ein Panorama vom Rothstock, wurde 1859 von Studer's Meistershand entworfen. Vom Sentis, Scesa Piana und Sardona entrollen sich alle Gipfel der Ostschweiz; die Oberländer Gruppe ragt aber nur mit ihren Gipfeln über die nähern Berge auf.
Ein 2. Weg führt aus dem kleinen Isenthal hinauf zum Firnplateau und zum Gipfel, steiler, aber etwas kürzer, als durchs Grossthal. Es wird von dem kun- digen Hrn. Schürmann dieser letztere Weg als interessant, aber wegen der fallenden Steine und Eisstücke vom überhängenden, den Anstieg dominirenden Gletscher her als etwas fatal geschildert; auch sollen die Führer ihn nicht gern machen. Wer den Rothstock von der Hangbaum besteigen, aber doch den schönen Felsencircus des Kleinthals mitnehmen will, kann von Isenthal nach der Neyenalp im Kleinthal gehen, von da den prächtig ausgezackten Sassigrat übersteigen, die Alp Wilderblitzen im Grossthal gewinnen und nach Hangbaum ausmünden, ein sehr starker halber lag.
Hr. Â. Cammenzind empfiehlt einen Weg, der von der Bannalp ob Alzellen zum Urirothstock führt. Man übernachtet auf Faulemvasen, der obersten Bannalp-hütte, geht am Sättelistock und Hasenstock nördlich vorbei zum Rothgrätli ( 31/2 St ), besteigt in x\i St. den Gipfel des Engelbergerrothstocks, der ein imposantes Echo gegen die umliegenden Felswände bietet, und gelangt nach Cammenzind erst in fernem 4'/2 St. über das Burgthor hinunter zur Moräne und dann hinan zum Gipfel des Urirothstocks.
In gleicher Zeit wie der Rothstock und ohne besondre Schwierigkeit mag wohl auch von Hangbaum aus der Blackenstock erstiegen werden, allein, wenn auch einige Meter höher, wird er jedenfalls des Haupt- schmucks der Aussicht, des Sees, fast ganz entbehren.
Der einzige, das Urirothstock-Massiv durchschneidende Pass, eine lange, aber gefahrlose Gletscherfahrt ist das Roth-Grätli von Engelberg ins Isenthal. Von Horbis ob Engelberg gewinnt man die Plankenalp, und steigt steil auf zum Firn, W. vom Engelberger Rothstock. In einer Höhe von circa 2800 m wird er erreicht und in N. Richtung und fast ebener Fläche überschritten, bis die oberen Gehänge des obersten Isenthals beginnen, und man in der Oberalp ( 1775 m ) wieder menschliche Niederlassungen und ein Nachtlager nach dem wohl lOstündigen Gang findet. Dieser Pass kann auch mit der Besteigung des Urirothstocks selbst verbunden werden.
Als Führer für alle diese Touren sind im Isenthal in der Sage stets diverse Infanger, Söhne des von G.. Hoffmann geschilderten, biederen Karli-Sepp za haben.
Isenthal selbst ist ein herrliches, grünes, stilles Thal, ein Idyll zwischen gewaltigen Bergstöcken, und noch unberührt — wie langevon Kulturkampf und Hotelindustrie. Glücklicherweise führen nur schmale Steige hinein: von Seedorf einer, und von der dynamit-schwangern Islete ein anderer, und dieser letztere ist einzig schön. Denn er windet sich eine schroffe Wand empor, und die Rückblicke in den Urnersee, in das finstere Reussthal im Rahmen verwitterter Kiefern sind ebenso erhaben als prachtvoll. Und wer das Schönste geniessen will, der wandere auf dem Fussweg von Isenthal hoch über dem See, über 's « Berki » nach Bauen wo er eine Baumvegetation trifft, wie sie schon an die privilegirten Stellen der italienischen Seen mahnt. Das ist einer jener Wege, wie sie uns in glücklichen Träume » der Jugendjahre vorschwebten, und wie wir sie — wenn einmal in Wirklichkeit gefunden — nur unsern nächsten Freunden sub rosa verrathen; denn für den grossen Haufen sind sie zu schön.
Ueber den Sattel, der das Rothstock-Massiv, nämlich den ihm N. vorgelagerten Kaiserstockmit der Brisenkette verbindet, geht ein bequemer Weg, die Schonegg, von Isenthal hinüber nach Alp Sinsgau, Ober-Rickenbach und Wolfenschiessen. Aber auch über die Bannalp und die sogenannte Urner-Schonegg ( Punkt 2150 nach Dufour ) kann das Isenthal gewonnen werden; der Abstieg führt nach der Oberalp, der Grossalp und auf dem rauhen und holperigen Thalweg zum Dorf hinab.
Beide Pässe, Schonegg und Urner Schonegg, gehören ihrer Lage nach nicht zu den aussichtreichen Wegen, aber Einsicht in eine stille, grosse, feierliche Welt bieten sie Dir reichlich.
Der Kaiserstock selbst, dessen Besteigung G. Hoffmann schildert, bietet eine von den umliegenden höhern Bergen sehr beschränkte Lokalaussicht dar, jedoch ist seine Bildung bemerkenswerth: gleich dem Tafelberg der Capstadt krönt den auf allen Seiten steil abfallenden Kegel ein ebenes Plateau, auf dem sich eine alpine Feste anlegen liesse so gut als auf dem Königstein oder Ehrenbreitstein. Inzwischen grasen da oben zwischen den Brandii friedlich die Schafe.
8. Die Brisenkette, die nördliche Parallelkette des Rothstocks, bietet schroffe kantige Gipfel, von denen Brisen und Schwalmis? obschon hie und da bestiegen, mir unbekannt sind. Nach Schürmann ist sowohl der Schwalmis als derKaiserstuhl 2401 m der Excursionskarte. Anm. &. R. Brisen von Beggenriert oder Niederrickenbach aus leicht erreichbar, letzterer über « .Bärfalle- », dem Pass hinter dem Buochser Horn, dann über Alp Mostfeld und eine Schutthalde, an dem « Waldbruder », einem früher viel bewunderten, jetzt grösstentheils zusammengestürzten isolirten Pfeiler vorbei zu einer Quelle von 2° E. ( ob Punkt 2006 nach Dufour ) und auf den Kamm.
Zwischen Schwalmis und dem Mittagsstock ( Fortsetzung des Brisen ) wohl bei Punkt 2111 nach Dufour führt ein Weg von Beckenried nach Isenthal, und zwar durch dessen N. W. Seitenthälchen an einem kleinen See vorbei über Alp Böigen und Laudi zur St. Jakobs-kapelle und dann zum Dorf. Mehr in Kurs sind die östlichen, vordem Gipfel: Oberbauen und Seelisberger Kulm ( 2120 und 1925 m ). Ersterer ist von Isenthal, letzterer von Seelisberg aus gangbar. Dieser bietet eine Miniatur der Rothstocksicht; auch hier beherrscht man den See herrlich, freilich fehlt der Eindruck des Ungeheuern, den dort die senkrechte Distanz von 2500 m und die Umrahmung der riesigen Felsenwände macht; aber lieblicher stuft .sich das Gelände ab zum See, das letzte Ausklingen der mächtigen Ketten, deren Abstufung vom Titlis bis nach Seelisberg wir verfolgen. Da liegt der Sonnenberg mit seinen Hotels über steiler Wand, da die Schwendifluli mit ihrem Blick hinab über senkrechte Abstürze von 500 m in den See, und hinüber auf die grade Thalsohle des Urnersees und der Eeuss bis zum Bristenstock; da das ehrwürdige, aber auch schon betastete und benagte Rütti; dann Emmetten, Beckenried am Ausgang steiler Tobel.
Die letzten Vorposten gegen Norden sind das Buoch- serhorn, jenes niedrigere Pendant des Stanzerhorns ( 1809 m ) und die Musenalp ( 1789 m ) ob dem eine bescheidene Sommerfrische bietenden Niederrickenbach, beide schöne, leicht ausführbare Spaziergänge. In diesem äussern Randgebiet sind natürlich, gemäss den zahmem Gebirgsbildungen, die Wege und Steige gar mannigfach. Von Bauen führt ein reizender Weg nach Sonnenberg, vom Rütli ein steiler Pfad durch Wald hinauf ebendahin. Von Niederrickenbach über die ca. 1500 m hohen Sättel am Fuss der Musenalp nach Emmetten, nach Beckenried über die Alp Bärfalle, nach Buochs über die Alp Giebel, und viele andere Steige magst Du Dir nach Belieben weisen lassen.
Bei Emmetten sind die Windlöcher in den Felsen bemerkenswerth, die wie in den Südalpen überall, mit Milchkellern und andern luftbedürftigen Behältnissen überbaut sind.
9. Burgen etc.
Was endlich ein Gang über den Bürgen, sei es von Stansstad, sei es von Buochs nach Hamtnetschwand Schönes bietet, ist nun bereits bis in die Wartsäle der Bahnhöfe hinabgedrungen, und braucht also hier nicht ausgeführt zu werden. Weniger bekannt ist, dass die Alpenrosen am Bürgen bis an den Seespiegel hinabsteigen. Von dem Bürgen durch die Alluvialebene von Stansstad getrennt, zieht sich ein felsig nach W. abfallender Hügel längs dem Alpnachersee bis zum Sarner See hin. Es ist der Berg von Matter- ( in Obwalden Mieter- ) schwand. Seinen O. Rücken nimmt die weite Terrasse ein, die vom Rotzberg über das Drachenried, den Allweg, Siebeneich und Weisserlen in die prachtvolle Gemarkung von Kerns sich ausbreitet. In der Mitte, da wo zwischen den Abstürzen des Stanserhorns und dem Rande des Mutterschwand die Terrasse schmäler wird, ist der berühmte Kernwald, einer der wenigen nicht am Thalgehäng, sondern auf einer Fläche liegenden Forste des Alpenlandes. Aus alternden Tannen bestehend, durchbrochen und dünn, bietet er mehr historisches als forstliches Interesse dar. Wo der Mutterschwand zum See abstürzt, hat der vom Stanserhorn herabkommende Mehlbach eine tiefe Schlucht eingeschnitten, in welche das originelle Anwesen des « Rotz-lochs- » eingeklemmt ist. Prächtiger Tannenwald, Wasserfälle, der Spiegel des Sees mit seinen Seerosen, aber auch eine durch die Versumpfung des See-Endes gedrückte Atmosphäre.
Zur Geologie des Clubgebietes.