Die Unsicherheit tourt mit Tourenbindungen einstellen? Gar nicht so einfach
Bei Pistenskibindungen ist das maschinelle Einstellen Anfang Saison normal. Anders sieht es bei Tourenbindungen aus, die selten getestet werden. Ob dies nötig ist oder nicht – da gehen die Meinungen der Fachleute auseinander.
Ein Tourenskifahrer schwingt einen tief verschneiten Pulverhang hinab. Auf einen Schlag ändert der Schnee, Bruchharst, der Ski stockt, und der Fahrer wird nach vorne geschleudert. Die Bindung löst sich nicht, und schon ist das Kreuzband entzwei. Genau um solche Situationen zu vermeiden, empfiehlt die Beratungsstelle für Unfallverhütung (bfu) die Bindung Anfang Saison vom Händler einstellen und auf einem Prüfgerät testen zu lassen (siehe Kasten). Bei Pistenskibindungen hat sich dies eingebürgert. Rund 70 Prozent der Skifahrerinnen und Skifahrer in der Schweiz lassen ihre Bindung zu Saisonbeginn prüfen, so die Zahlen der bfu. Anders sieht es bei Tourenskibindungen aus. Da hat sich das maschinelle Testen (noch) nicht durchgesetzt. Die Gründe dafür sind vielfältig, ebenso die Meinungen der Fachleute über Sinn und Unsinn der Tests für Tourenskibindungen. Klar für die maschinellen Tests ist die Beratungsstelle bfu. «Wir empfehlen grundsätzlich eine Einstellprüfung auf einem Gerät », sagt Monique Walter. Sie ist zuständig für den Bereich Sicherheit im Bergsport. Gerade bei Tourenskibindungen sieht die bfu noch Bedarf. Der Grund: Tourenfahrer laufen viel. Dadurch wetzt sich die Sohle der Schuhe unterschiedlich ab. «Wer das Material Anfang Saison richtig einstellt und maschinell testet, tourt sicherer», erklärt Monique Walter.
Ähnlich tönt es beim Sportartikelhändler Eiselin-Sport. «Keine Tabelle der Welt kann die korrodierte Feder einer Bindung erkennen, die vielleicht klemmt. Die Maschine schon», sagt Geschäftsführer Andreas Eiselin. Er schränkt zwar ein, dass bei Tourenskibindungen das Einstellen ungenauer sei als bei Pistenskibindungen. So erschweren variierende Gewichte wegen eines schweren oder leichten Rucksackes, unterschiedliche Schneebedingungen und Temperaturen oder eben abgelaufene Sohlen das exakte Einstellen. Anders als bei Skibindungen lassen sich auch nicht alle Tourenbindungen maschinell testen. Für Eiselin ist trotzdem klar: «Die maschinelle Einstellung ist zwar nicht genau, aber viel genauer als eine Einstellung gemäss Tabelle.» Aus diesem Grund hat das Familienunternehmen jede seiner Filialen mit Prüfmaschinen ausgestattet.
«Die Tests sind für den Pistenbereich in Ordnung. Für Skitouren sind sie meiner Meinung nach nicht immer nötig», sagt Bruno Hasler, Bergführer und Fachleiter Ausbildung beim SAC. Er trifft damit die Meinung vieler Bergführer, die eine maschinell kontrollierte Bindung bei Skitouren nicht als oberstes Gebot sehen. Ein Grund ist: Oft führen Skitouren in steiles Gelände, wo ein Sturz tödliche Folgen haben könnte. «Wenn sich hier die Bindung zu früh öffnet, ist dies fatal», sagt Hasler. In solchen Situationen ist ein härteres Einstellen der Bindung angesagt.
Bei Bächli Bergsport zweifelt man am Nutzen der maschinellen Tests. Beim grössten Bergsportfachhändler der Schweiz stehen keine Testmaschinen in den sieben Filialen. «Das maschinelle Prüfen bei Skitourenbindungen ist zu ungenau», sagt Mediensprecher Michael Roth. Skitourenschuhe seien zu wenig genormt, und bei einigen Tourenskibindungen seien Tests gar nicht oder nur schlecht möglich. Die Sicherheit sieht Roth trotzdem gewährleistet: «Wir schulen unsere Mitarbeiter jährlich und analysieren mit jedem Kunden in Gesprächen seine Einstellbedürfnisse». Gleicher Meinung ist das bfu: «Nicht alle Tourenskibindungen können auf einem Prüfgerät kontrolliert werden, und die Einstellung verlangt Erfahrung. Deshalb empfiehlt die bfu, die Tourenskibindung bei einem erfahrenen Bergsportgeschäft einstellen zu lassen, notfalls auch ohne Prüfgerät», sagt Monique Walter.
Eines ist für den Tourengänger sicher: Egal, ob er sich für einen Test oder dagegen entscheidet, finanzielle Folgen bei einem Unfall hat er kaum zu befürchten. « Da es sich nur um eine Empfehlung handelt, zahlen die Unfallversicherungen in der Regel – egal, ob jemand eine bfu-Skivignette hat oder nicht », so Monique Walter. Dies dürfte auch noch eine Weile so bleiben. Denn einen kausalen Zusammenhang zwischen falsch eingestellter Bindung und einem Unfall herzustellen, ist schwierig. Monique Walter: «Wir rechnen nicht damit, dass die maschinellen Tests in absehbarer Zeit obligatorisch werden.»