Die Senioren der Sektion Bern im Himalaya.
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Die Senioren der Sektion Bern im Himalaya.

Hinweis: Dieser Artikel ist nur in einer Sprache verfügbar. In der Vergangenheit wurden die Jahresbücher nicht übersetzt.

7.28. April igy3

Charles Schaer, Bern

Nach der Hitze Indiens, am Tage unserer Ankunft im klimatisch angenehmen Kathmandu, gleich nach Quartierbezug im « Crystal », hoch oben auf dem Dachgarten des Hotels, schmeckte das kühle Bier im Kreise der SAC-Kameraden besonders gut. Von dieser hohen Warte aus genossen wir - 4 Frauen und 28 Männer ( Leitung Heinz Zumstein ), Senioren der Sektion Bern des SAC -einen ersten umfassenden Ausblick auf die märchenhafte « Stadt der goldenen Dächer » und darüber hinaus auf das braune Hügelland des Kath-mandutales. Unser lebhaftes Interesse galt auch dem pulsierenden fremden bunten Leben und Treiben der zu unseren Füssen liegenden nepalischen Hauptstadt. Nun wohl, bei diesem Trunk geschah es, dass ich zum Berichterstatter über unsere Himalaya-Fahrt bestimmt wurde. Damals war mir nicht bewusst, welch schwierige Aufgabe ich durch meine Zusage übernahm, waren doch die Eindrücke auf unserer Reise bis zum Fuss des Everest derart vielfältig und überwältigend, dass ich diese vorerst irgendwie verkraften musste und während längerer Zeit keine Worte fand, unser grosses Erlebnis niederzuschreiben.

Meine vorliegende Berichterstattung wurde mir erleichtert durch wertvolle Beiträge in Form von Aufzeichnungen, Tagebüchern und Skizzen von Expeditionskameraden.

ORGANISATIONDer Sherpa-Service Kaldhen stellte uns ab Jiri zur Verfügung: Zelt-, Camping- und Küchenmaterial sowie die Verpflegung, letztere mitgeführt ab Kathmandu oder unterwegs beschafft.

— Unseren aus der Schweiz mitgeführten Proviant beliessen wir zum Teil in Kathmandu ( Bilder 16 bis 27 ) und spedierten einen Notvorrat auf dem Luftweg nach Lukla.

- Das aus der Schweiz mitgenommene gemeinsame Hochgebirgsausrüstungsmaterial, u.a. die Sauerstoff-Flaschen, wurden ab Kathmandu mitgeführt und ein Teil ebenfalls nach Lukla verfrachtet.

- Der Sherpa-Service Kaldhen stellte ferner ab Jiri ungefähr 15 Sherpa und 45 Träger zu unserer Verfügung. Die Sherpa befassten sich im wesentlichen mit dem Aufstellen und Abprotzen der Zelte und stellten eine Küchenmannschaft, bestehend aus einem Koch mit zwei Gehilfen. Aufgabe der Träger war ausschliesslich die Beförderung der Lasten von einem Lagerplatz zum anderen; diese setzten sich aus dem bereits erwähnten Korpsmaterial und der Verpflegung sowie unseren persönlichen Effekten, verstaut in grossen, blauen Seesäcken, zusammen. Die Sherpa und Träger unterstanden der Leitung des Sherpa-Chefs, dem « Sirdar ».

- Die Teilnehmer hatten somit ausschliesslich ihre persönliche Ausrüstung mitzutragen.

- Die administrative und technische Leitung lag in den Händen von Heinz Zumstein, der das jeweilige Tagesprogramm, insbesondere was die Route betraf, mit dem Sirdar festlegte.

VERPFLEGUNG Die von den Sherpa zubereitete Verpflegung bestand in der Regel am Morgen aus Tee, Porridge und Cornflakes mit Kondensmilch. Mittags gab es Tee, Bouillon, Kartoffeln, Mais, weissen Reis, Käse, Fleisch ( Wurst ) und Fischkonserven. Immer wieder wurden Tschapati serviert, eine Art Omeletten aus geröstetem Gerstenmehl, die als Brotersatz zu dienen hatten. Das Abendessen unterschied sich kaum von der Mittagsverpflegung. Ab und zu gab es auch verdünnten Orangensaft. Der nach Lukla geflogene Notproviant wurde von diesem Ort in das nicht unweit davon aufgeschlagene Lager VIII bei Benkar ( auf dem Hinmarsch ) gebracht, worüber wir sehr glücklich waren.

TAGESABLAUF Der normale Tagesablauf war in der Regel folgender: Gleich nach der Tagwache schlürften wir eine Tasse heissen Tee, meistens noch im Zelt; darauf ging 's ans Ankleiden und ans Bereitstellen der persönlichen Marschausrüstung und des Ex-peditionssackes. Es folgte ein ausgiebiges Frühstück. Nach dem Abprotzen der Zelte und dem Zusammenstellen der Lasten setzte sich die lange Kolonne in Bewegung. Als letzte verliess jeweils die Küchenmannschaft den Lagerplatz, was nicht hinderte, dass sie als erste am neuen Biwak- bzw. Lagerplatz eintraf. Während des Tagesmarsches wurde eine Mittagsverpflegung mit einer Rast von etwa zwei Stunden eingeschaltet, worauf sich die Kolonne wieder bis zur Erreichung des neuen Lagerplatzes in Bewegung setzte. Es wurde darauf geachtet, möglichst in der Morgenfrühe zu mar- schieren, um relativ früh am neuen Standort einzutreffen. Bei Ankunft im neuen Lager wurde gleich ein heisser Tee serviert. Die Küche war bereits in Betrieb, und die Sherpa schlugen die Zelte auf. Es blieb Zeit zur Körperpflege, gefolgt vom Nachtessen. Nach gemütlichem Zusammensein zogen sich die Teilnehmer in ihre Zelte zurück und verkrochen sich in die Daunenschlafsäcke.

MARSCHROUTE In bezug auf die Marschroute hatte sich unsere Expeditionsleitung bei der Besprechung mit Sher-pa-Chef Kaldhen in Kathmandu am g. April 1973 in einem Dilemma befunden: Von den zwei möglichen Varianten mit Anflug nach Lukla oder Jiri hatte sie sich für die letztere Lösung entschliessen müssen.l Ich verweise hierbei auf das Kroki ( S.228 ), das über den Marsch zum Everest-Basislager Auskunft gibt, sowie auf die graphische Darstellung auf Seiten 242/243, aus welcher die Tagesmarsch-routen, Lagerplätze, Höhendifferenzen u.a.m. hervorgehen.

Dienstag, ro. April:

Flug Kathmandu-Jiri ( 1860 m ), Marsch über Punkt 2445 nach Mali ( etwa 2270 mj zum Lager I. Marschzeit 2V2 Stunden.

An diesem Dienstagmorgen kommt grösste Betriebsamkeit in unsere Gesellschaft. Alle persönlichen Effekten, die wir nur bis hierher benötigten, bleiben im Hotel deponiert. Unsere Bergsteigerausrüstung hingegen, auf die wir von nun an angewiesen sind, wird sorgfältig kontrolliert. Den zurückbleibenden Proviant geben wir Dr.Bommeli, einem in Kathmandu tätigen Schweizer Tierarzt, in Verwahrung. Taxis fahren uns, die Seesäcke und weiteres « Zubehör » zum Flughafen, wo wir lange auf den Pilatus-Porter der Nepal Airlines, der uns nach Jiri fliegen soll, warten müssen. In letzter Minute stellen wir zu unserem grossen Schrecken fest, dass so ungefähr das Wichtigste in unserem Expeditionsmaterial fehlt: die Sauerstoff-Flaschen! Othmar, verantwortlich für das Material, gerät in helle Verzweiflung, hat er doch die Sauerstoff-Flaschen einem Taxifahrer ausgehändigt, und zwar mit der genauen Instruktion, dieselben zum Flughafen zu bringen. In ganz Kathmandu werden nun diese vermissten Flaschen fieberhaft gesucht, denn ohne sie würden die Ambitionen unserer besten Gipfelstürmer im vornherein in Frage gestellt! Schliesslich kommen die Flaschen aber bei Dr. Bommeli, wo sie irrtümlicherweise mit dem zurückgelassenen Proviant deponiert wurden, zum Vorschein.

In vier Flügen transportiert der Pilatus-Porter unsere Mannschaft mit Gepäck nach Jiri. Ich sitze ganz vorne in der Maschine beim Cockpit und beobachte aufmerksam alle Manipulationen des Nepali-Piloten: Jetzt zieht er den Steuerknüppel - wir starten! Unter uns ziehen endlose braune oder auch grüne, im Terrassenbau bepflanzte Hügelzüge und Täler vorbei, und schon nach etwa 30 Minuten landet das Kleinflugzeug, Staub aufwirbelnd, auf der Rasenpiste von Jiri. Noch bevor wir aussteigen können, ist die Maschine von neugierigen Einheimischen umringt, die sichtlich interessiert unsere Ankunft verfolgen. Unweit des Flugplatzes versammeln wir uns alle auf offenem Feld, wo wir nunmehr Bekanntschaft mit den uns erwartenden Sherpa und Trägern machen; für 15 Tage sollen sie unsere ständigen Begleiter sein. Erste Verpflegung aus der Sherpa-Küche: Milchkaffee, Käse, Kartoffeln, Wurst. Jiri ist in unserer Heimat bekannt wegen der Musterfarm, die dort durch das Entwicklungshilfswerk Helvetas errichtet wurde und die wir auch besichtigen.

Die drei Gruppen, die zuerst in Jiri angekommen sind, brechen nun auf, steigen durch Laubwald etwa 600 Meter über den ersten Hügelzug östlich Jiri ( 2390 m ) und entdecken alsbald die ersten, wenn auch noch vereinzelten Rhododendronbüsche. Nach 2 Vi Stunden Marsch ist unser erster Lagerplatz Mali auf 2270 Meter erreicht. Bei unserer Ankunft geniessen wir eine willkommene Tasse heissen Tee. Etwa 3 Stunden später trifft auch die letzte Gruppe mit dem restlichen Material ein. Flugs haben die Sherpa die i 2 Zelte aufgeschlagen. Immer noch sehe ich diesen ersten Lagerplatz vor meinen Augen: ein kleines Plateau am Rande eines Reisfeldes, mit Sicht auf den ganz in der Ferne liegenden Pass, den wir bereits am nächsten Tag überqueren werden. Nach dem Nachtessen - die Nacht bricht hier um 18.30 Uhr ein — gesellen wir uns zu den Sherpa. Gruppenweise sitzen sie um ihre Lagerfeuer und bereiten dort jeden Abend ihren Gerstenbrei zu. Später legen sie sich dann zur Ruhe, angekleidet, wie sie sind, unter freiem Himmel, ineinander verschlungen, lediglich eine kleine Wolldecke, die jeder Sherpa bei sich trägt, über sich legend. Erstmals an diesem Abend bekräftigen Sherpa und Sahibs ( die Herren ) durch fröhliches Singen die sich an- bahnende Freundschaft. Zum erstenmal hören wir die melodiösen Sherpa-Gesänge, und unsererseits geben wir heimatliche Volkslieder zum besten. Zum erstenmal auch verkriechen wir uns in den Zelten. Ausgestreckt im Daunenschlafsack, empfinde ich die Wohltat des direkten Kontaktes mit der guten Erde und denke an die Dinge, die da- kommen sollen...

Mittwoch, r 1. April:

Abstieg zum Fluss Khimt Khola ( 1800 m ), Überquerung desselben beim Dorf Those; Aufstieg zum Pass Chhyangma ( 2yoj mLager unterhalb der Ortschaft Bhandar ( 2042 m ). Marschzeit 6V2 Stunden.

Wie das nun jeden Tag der Fall sein wird, werden wir durch den fröhlichen Ruf eines unserer Sherpa-Boys mit « Tea, Tea, Tea » geweckt. Der kleine intelligente Junge bringt uns den traditionellen « early morning tea ». Das weckt die Lebensgeister und gibt Mut, aus dem Schlafsack zu kriechen und sich anzuziehen. Erst etwa % Stunden später wird das ausgiebige Frühstück serviert.

Heute gibt es Tee mit Haferbrei. Die Zelte werden abgebrochen. Schlafsäcke, Daunenanzüge und alle Effekten, die nicht auf den Mann kommen ( jeder trägt nur seine persönliche Ausrüstung ), in den blauen Expeditionssack verstaut, die Lasten bereitgestellt und verteilt. Erstmals setzt sich die lange Trägerkolonne in Bewegung.

Zunächst steigen wir durch bebautes und terrassiertes Ackerland zum rauschenden Bach Yo-hung Khola hinunter, den wir überqueren. Weiter absteigend betreten wir das Tal des Khimt Khola, eines Flusses ungefähr wie unsere Aare, den wir oberhalb des Dorfes Those überschreiten. Diese Überschreitung ist nicht ganz problemlos: Eine gleichzeitig schwankende und federnde, ungefähr einen Meter breite geländerlose Holzbrücke verbindet die beiden Ufer. Etwa zwanzig Meter darunter der grüne, tosende, schäumende Bergfluss. Ich befinde mich am Schluss der Kolonne, und als ich zur Brücke gelange, haben sich meine Kameraden bereits am anderen Ufer zur Rast niedergelassen. Da sie um meine gelegentli- che Ängstlichkeit wissen, freuen sie sich auf den Plausch zuzusehen, wie ich mich wohl anschicken würde, dieses furchterregende Hindernis zu überwinden. Aber ich bin zum Glück nicht der einzige, dem dieser mehr als fragwürdige schaukelnde Steg zu schaffen macht. Beim Betreten stutzt nämlich der vor mir marschierende Kamerad Reinhold, was mir verständlicherweise - nachdem ich um die weltweite Expeditionserfahrung unseres Arztes weiss - noch mehr Schrecken in die Glieder jagt. Auf der anderen Seite lachen die Kameraden von Herzen über die zwei Hilflosen. Der stets hilfsbereite und besorgte Heinz kommt uns halbwegs auf der Brücke zu Hilfe, nimmt uns die Rucksäcke ab und ermuntert uns zum Überschreiten, indem er uns väterlich zuspricht. Breit-spu rig, vorsichtig ausbalancierend, gelangen wir beide ans andere Ufer, froh, dieses Hindernis hinter uns zu wissen, aber mit Bangen für die Zukunft, wohl wissend, dass noch etliche solche Brücken bis zum Everest-Basislager zu überqueren sein werdenZum Glück waren alle weiteren Brücken wenigstens mit Geländer versehenAuf der anderen Seite wird erstmals im Fluss gebadet! Das sollte in Zukunft fast jeden Tag der Fall sein und uns als tägliche, erfrischende Körperpflege dienen.

Bei Buludanda setzt der Aufstieg zum Pass Chhyangma ( 2705 m ) an, doch vorerst halten wir Mittagsrast auf etwa 2500 Meter. Es gibt Tee, Omeletten und Fleischsalat. Auf der Passhöhe machen wir zum erstenmal Bekanntschaft mit einer Rakhsi-Beiz ( Rakhsi ist ein Kornschnaps ), gleichzeitig aber auch mit den auf Übergängen nie fehlenden Gebetsfahnen und -mauern. Nordöstlich der Passhöhe liegt das Kloster Thodung. Wir steigen ab und schlagen unser Lager II auf einer leicht abfallenden Ebene zwischen zwei Bächen, etwas unterhalb der Ortschaft Bhandar ( 2042 m ), auf.

Donnerstag, 12. April:

Abstieg zum Fluss Likhu Khola ( 1500 mAufstieg über Kenja ( 1600 m ) nach Sete ( 2575 m ). Lager III. Marschzeit 71/a Stunden.

Als köstliche Variation gibt es zum Morgenessen Cornflakes, die wir in Kondensmilch aufweichen. Um 06.45 Uhr beginnt der Abstieg ins Tal des Likhu Khola, den wir bei Pekarnaza überqueren, nicht ohne vorher die sich bietende Bäde-und sogar Schwimmgelegenheit ausgiebig wahrgenommen zu haben. Gegen to Uhr rasten wir bei den Hütten von Kenja. Der nun folgende Aufstieg erweist sich als steil und heiss in der Morgen-sonne.Verschiedene Brunnen werden zu erfrischenden Douchen benützt. Kurz vor Sete treffen wir eine sympathische Rakhsi-Beiz mit dem Schild « Sete-Hotel » an. In der Regel wird paket-weise marschiert, und die Vorhut, der ich angehöre, feiert die bevorstehende Ankunft in dem in Sicht stehenden Sete ausgiebig bei einem Glas Rakhsi. Sete, ein buddhistisches Kloster, liegt auf 2575 Meter wunderschön auf einem Bergvorsprung, von wo aus sich ein umfassender Blick, besonders in das Likhu-Khola-Tal, aus dem wir aufgestiegen sind, bietet. Da zum Aufstellen der Zelte nur wenig Platz um das Kloster herum verfügbar ist, beziehen einige Kameraden Quartier im Gebetsraum des Klosters, rund um eine mächtige, ganz mit farbigen Texten ( Gebete ) bedeckte Gebetstrommel. Trinkwasser ist hier nur etwa 400 Meter unterhalb des Klosters zu finden. Aus diesem Grunde überlegten wir uns, ob unser Lager III nicht besser bei dieser Quelle aufzuschlagen wäre, gaben aber dann dem aussichtsreich gelegenen mystischen Kloster den Vorzug. Auf dessen Umgebungsmäuerchen sitzend, verzehren wir unser heutiges Nachtessen: Spaghetti, Crevet-ten und GrapefruitsaftWährend der Nacht setzt ein Gewitter mit leichtem Regen ein.

Am Morgen vermittelt mir mein welscher Freund Jean seine Impressionen über die am Fuss der Gebetsmühle im Heiligtum des Klosters zugebrachte Nacht ungefähr wie folgt:

Nous sommes, mes copains et moi, allongés de tout notre long sur la terre battue, enfouis dans nos sacs de couchage à duvet, l' un à côté de l' autre, bien disposés en éventail autour du pied de ce moulin à prière géant qui domine le sanctuaire. C' est qu' il est immense, ce moulin, tel un tonneau de vin de 5000 litres de forme cylindrique. Sa surface est totalement couverte d' inscriptions en couleurs vives, le rouge et le bleu dominant, des prières, des pensées pieuses. Une odeur d' encens règne dans la pièce, une odeur de Sherpa. Somnolant encore, je suis réveillé subitement par un bruit sourd et persistant. J' aperçois dans la première lueur du jour naissant un vieux Lama, barbu dans sa robe brune safran, qui de sa main fait tourner l' énorme moulin à prière sur son axe, tout en murmurant ses prières. Et le moulin tourne, tourne et le Lama récite sans discontinuer à mi-voix ses prières. C' est qu' il entend les diffuser dans le monde entier et visiblement il tient, à l' aube de cette nouvelle journée, à imbiber de ses prières ses hôtes étrangers d' une nuit, venus de loin, de très loin. Et à Jean de conclure: Nous espérons, mes copains et moi, que la bénédiction reçue à profusion, de première source et de façon si directe dans ce sanctuaire du Couvent de Sete nous reste acquise jusqu' à la fin de nos jours!

Emil und Pablo, die sich für die Nacht auf einem luftigen Balkon des Klosters installierten, haben weniger Glück und sind alles andere als gesegnet! Sie bezahlen für dieses Vorzugsquartier und die Aussicht einen teuren Preis. Sie wurden nämlich von Ungeziefer stark mitgenommen, und besonders Emil hat daran noch tagelang zu leiden.

Freitag, 13.April:

Aufstieg zum Lamjura-Pass ( 3530 mAbstieg nach Junbesi ( 2675 m ). Lager IV. Marschzeit 7 Stunden.

Heute gibt es wieder Porridge und Tee. Um 06.50 Uhr wird der Anstieg zu dem Sete überragenden Grat in Angriff genommen. Bisher haben wir gelegentlich Rhododendren zu sehen bekommen; doch jetzt führt unser Weg durch eigentliche Wälder solcher Rhododendronbäume. Sie präsentieren sich wie Laubwälder bei uns, nur bieten sie eine unbeschreibliche Farbenpracht, die von Rot über Rosa bis ins Weiss übergeht, wobei Karminrot dominiert. Unterwegs wird zweimal gerastet, wobei der Mittagshalt auf etwa 3200 Meter zugebracht wird. Zu unserer freudigen Überraschung - es ist sehr heiss - wird als Aperitif Orangenjus serviert. Etwa um 12.30 Uhr erreichen wir die Passhöhe Lamjura ( 3530 m ), wo nochmals ausgiebig gerastet wird. Wie immer flattern auch auf diesem Übergang, vom Winde etwas mitgenommen und von der Sonne gebleicht, die Gebetsfahnen unter blauem Himmel.

Der Aufstieg zum Pass ist besonders für die Träger äusserst mühsam. Ein ganz junger Träger, ein Knabe von ungefähr 15 Jahren, bricht auf der Passhöhe unter seiner Last buchstäblich zusammen und deutet auf die Magengegend, was vermuten lässt, dass er unter heftigen Magenkrämp-fen leidet! Fräulein Dr. Lips, die gerade zur Stelle ist, steht ihm hilfreich bei und verabreicht ihm Medikamente. Der Junge erholt sich einigermassen. Für den Weitermarsch wollen wir ihm seine Last abnehmen, um sie zum Teil auf andere Träger zu verteilen. Doch der Kleine weigert sich. Er will seine Last bis zum nächsten Lager Junbesi tragen, ansonsten er seines schmalen Taglohnes von etwa 15 Rupien verlustig ginge. A propos Taglohn: Ein Träger erhält 15 Rupien, ein Koch 18 und ein Sherpa 20, wobei eine Rupie ungefähr 30 Rappen entspricht. Obwohl diese Löhne in bezug auf Kaufkraft nicht untersetzt sind, fühlen wir Schweizer uns doch beschämt darüber.

Die Sherpa tragen übrigens ausser ihrer persönlichen Ausrüstung keine Lasten. Die eigentlichen Träger sind mehrheitlich Tibeter und befördern Tag für Tag grosse Lasten von 30 bis 50 Kilogramm auf ihren Rücken. Sie tragen sie mittels eines Stirnbandes und gehen meistens barfuss. Unter ihnen figurieren auch Frauen, « Sherpani » genannt, die den Männern, was ihre « Bürde » anbetrifft, durchaus nicht nachstehen.

Vom Lamjura-Pass steigen wir durch ein überaus grünes, fruchtbares und nie endenwollendes Tal mit dem Dorf Tragdobuk(286o m ) nach Junbesi hinunter, wo wir etwa um 16. 30 Uhr eintreffen. Auf dem staubigen Schulhausplatz dieser eher grösseren Ortschaft wird Lager IV aufge- schlagen. Ein erquickendes Bad im Beni-Khola-Fluss, in der Nähe einer Getreidemühle, lässt uns die Mühsal dieser langen Tagesetappe vergessen. Am Eingang des Dorfes, in der Nähe unseres Lagerplatzes, steht eine mächtige Stupa ( indischer Kultbau ). Von hier aus überschaut Buddha mit seinen alles wahrnehmenden Augen das weite Land in allen vier Himmelsrichtungen. Auch auf uns Fremdlingen scheint sein durchdringender, doch - wie mir scheinen will - gütiger Blick zu ruhen.

Samstag, 14. April:

Aufstieg auf Solung ( 2goo mAbstieg zum Fluss Solu Khola ( 2J00 mÜbergang Taksindhu-Pass ( 3200 m ) nach Manidingba ( 2316 m ). Lager V. Marschzeit y Stunden.

Wir verlassen Junbesi um 06.30 Uhr und steigen durch lichten Föhrenwald in östlicher Richtung zu Punkt Solung ( 2900 m ). Beim Abbiegen nach Norden überrascht uns erstmals der Blick auf die mächtig in den Himmel aufragende Hi-malaya-Kette. Dort also ist unser Ziel; aber noch ein weiter Weg steht uns bevor. Kein Aufstieg in diesem Lande ohne ein darauffolgender Abstieg! Das wird während unserer ganzen Anmarschroute bis Namche Bazar Tag für Tag der Fall sein.

Jetzt steigen wir ab ins Tal des Solu Khola ( 2700 m ), nicht ohne Badehalt bei einem Wasser- fall. Nach dem Mittagessen, etwa um io.30 Uhr, nehmen wir den Taksindhu-Pass ( 3200 m ) bei heissem Wetter in Angriff. Passhöhe und der folgende Abstieg sind gekennzeichnet durch ausgedehnte, prächtig blühende Rhododendronwälder — ein einziges Flammenmeer! Halbwegs beim Abstieg vom Pass besuchen wir das auf einem kleinen, sonnigen Plateau auf 2950 Meter liegende farbenfrohe Kloster Taksindhu. Das Oberhaupt, der Lama, bereitet uns einen freundlichen Empfang. Ich erwerbe mir dort ein « Kukri », ein kunstvoll bearbeitetes gebogenes Schlagmesser, das dem Nepali als Universalwerkzeug und allenfalls auch als gefürchtete Waffe dient.

Unser Lager V heisst « Manidingba » ( 2316 m ).

Hier führt die Schwester des Sherpa Kaldhen ein « Restaurant ». ( Reinhold soll dort bei reichlich Rakhsi und Chang seinen 60. Geburtstag gefeiert haben !) Der Lagerplatz ist ausgesprochen schön gelegen, in einem Gehölz in geschützter Lage, am Fusse eines Hügels! Eine milde Abendsonne erwärmt uns; doch bald setzen heftige Windböen ein, gefolgt von einem Gewitter.

Sonntag, 15. April:

Abstieg zum Dudh-Kosi-Fluss ( 1585 mAufstieg über Kharikhola ( 2073 m ) auf Pass Punkt 2130 Meter und weiter nach Kharte ( 2835 m ). Lager VI. Marschzeit g Stunden..

Heute steigen wir zum Dudh-Kosi-Fluss ab und erreichen damit das eigentliche Khumbu-Tal, dem entlang wir nun praktisch bis zum Everest-Basislager aufsteigen werden. Eine moderne Brücke überspannt, an mächtigen Drahtseilen aufgehängt, den reissenden Fluss Dudh Kosi. Sie befindet sich etwas oberhalb Jubing und konnte dank der Unterstützung Sir Hillarys und seiner Gönner erbaut werden. Hier wird uns auch ein Erlebnis zuteil, das wir so schnell nicht wieder vergessen werden: Ernst, Peter und ich bilden die Schlusspatrouille und rasten gemütlich, nachdem wir soeben die Brücke traversiert haben. Plötzlich erblicken wir einen mächtigen Affen, einem Orang-Utan nicht unähnlich, der an der Felswand auf der anderen Seite der Brücke mit erstaunlicher Behendigkeit herabklettert, sich anschickt, die Brücke zu überqueren und direkt auf uns anzustürmen. In diesem Augenblick ergreift Ernst, für alle Eventualitäten gerüstet, seinen Pickel und hält ihn drohend dem auf uns zukommenden Ungetüm entgegen. Auf diese Weise offenbar eines Besseren belehrt, macht der Affe einen riesigen Sprung von der Brücke in das Geäst eines Baumes, der auf unserer Seite über den Fluss hängt, und verschwindet ebenso rasch darin, wie er auf uns anstürmte. Freund « Agi » aber, offenbar im Glauben, er habe es mit dem leibhaften « Yeti » zu tun, hat uns durch seine mutige Reaktion gerettet!

Wiederum steigen wir an durch subtropischen Wald, Bananenkulturen, Bambusstauden und Reisfelder über Kharikhola ( 2073 m ) zum Pass Punkt 2130. Etwas unterhalb des Passes halten wir Mittagsrast an einem Bach ( 2050 m ), wo sich eine herrliche Gelegenheit zum Schwimmen in einem natürlichen Becken bietet - allerdings in sehr kaltem Wasser -, eine Gelegenheit, die ich besonders ausgiebig benütze. Und wie es so geht beim Baden, beachte ich die während der Mittagszeit besonders intensive Sonnenbestrahlung nicht. Wir wissen, dass uns nunmehr ein sehr steiler Aufstieg an einem kahlen südexponierten Hang nach Kharte ( 2835 m ) bevorsteht. Unser umsichtiger Expeditionsleiter Heinz ordnet an, dass, um die Hitze möglichst zu vermeiden, nicht vor 15 Uhr aufgebrochen wird. Nach etwa % Stunden Aufstieg in der immer noch intensiven Sonnenbestrahlung, in Begleitung Ferdis, sehe ich plötzlich, wie Ferdi sich abwendet. Er muss sich übergeben! Einige Minuten später bin ich an der Reihe. Schwindelgefühle beeinträchtigen mein Gleichgewicht; instinktiv suche ich den Schatten auf und muss mich meinerseits heftig erbrechen. Kameraden eilen herbei, und glücklicherweise befindet sich auch Dr. Wepf in der Nähe, sogar versehen mit seinem Sanitätskoffer. Er legt mich im Schatten flach auf den Boden, kontrolliert den Puls und stellt einen Hitzschlag fest. Sogleich spritzt er mir eine kräftige Dosis Cortison in den Oberschenkel. Nach etwa 30 Minuten Rast fühle ich mich besser und bin selber erstaunt, dank der erhaltenen Spritze am gleichen Tag noch in der Lage zu sein, 800 Meter Höhendifferenz bis zum Lager Kharte ( 2835 m ) überwinden zu können. Emil — ich werde das nie vergessen - trägt zusätzlich zu seinem Sack noch den meinigen, und Reinhold betreut und überwacht mich bis zum Lager, indem er mich systematisch jede Stunde etwa io Minuten flach aufdem Boden ruhen lässt. Ich bin Reinhold für seine konsequente Intervention, für seine ruhige und väterliche Ermunterung zu grossem Dank verpflichtet.

Kurz vor Kharte besuchen wir noch eine Rakh- si-Beiz. Der kleine Sherpa-Boy, der uns bedient und der von meinem Unfall erfahren hat, reicht mir ein Glas Rakhsi, in den er ein Ei « frisch ab Huhn » eingerührt hat. Und was könnte ich mir Besseres wünschen als einen Rakhsi-Eierkognak!

Auf Kharte lagern wir rund um eine Gebetsmauer. Aus Platzmangel wird nur ein einziges Zelt aufgeschlagen, in dem die Kranken des Tages, Ferdi und ich, untergebracht werden. Als Abendessen erhalten wir beide ausschliesslich eine Reissuppe, die uns ausgezeichnet mundet. Unsere Kameraden verbringen diese Nacht im Schlafsack unter freiem Himmel, verstreut im umliegenden Gebüsch, und die besonders romantisch Veranlagten schlagen ihr Biwak unter einem blü-henden,duftendenRhododendronbaumauf. Auch indieserNachthatmein Freundjean etwas Ausserordentliches erlebt. Ich lasse ihn gleich erzählen:

A la nuit tombante, je me mets à la recherche d' un emplacement favorable pour y coucher. Je le trouve non loin de l' endroit où s' installe mon ami Eugène, avec qui je partage d' habitude la tente. L' emplacement que je choisis est formé par une espèce de cuvette dans le terrain que je rembourre de feuillage sec. Il est bordé de deux rochers qui m' abritent des vents, et par bonheur, surplombé d' un immense arbre de rhododendrons aux fleurs parfumées. Enfilé dans mon sac de couchage duveté, étendu sur ce matelas de feuillage sec, je contemple au-dessus de moi, à travers les fleurs de rhododendrons, les étoiles étincelantes au firmament himalayen et m' endors paisiblement. Je rêve... Subitement, je sens une caresse infiniment douce voire voluptueuse sur mon visage et aspire un parfum de mille et une nuit. Serait-ce de ces jeunes et ravissantes femmes hindoues au sahri enveloppant et coloré, qui se penche vers moi? ...Au lever du jour, il se trouve sur ma poitrine une grosse fleur de rhododendron d' un rouge écarlate!

Montag, 16. April:

Über Pass Punkt 3140 nach Puiyan ( 2835 m ), über einen weiteren Pass Punkt 3000 nach Surkya ( 2347 m ) und Weitermarsch über Punkt 2goo nach Chaunrikharka ( 2500 m ). Lager VII. Marschzeit 8Stunden.

Über einen ersten Pass Punkt 3140 gelangen wir nach Puiyan ( 2835 m ), wo die Mittagsrast eingeschaltet wird; ein weiterer Pass, Punkt 3000, führt nach Surkya ( 2347 m ). Es folgen ein Aufstieg zu Punkt 2900 und ein Abstieg zu einem « Badebach » ( in der Nähe einer Häusergruppe ), und nach einem letzten Aufstieg, nach Chaunrikharka ( 2500 m ), installieren wir unser Lager unterhalb Lukla ( 2804 m ). Schon hier opfert sich Andreas, um nach Lukla aufzusteigen und mit Trägern das dorthin geflogene Material und den Proviant zu unserem Lager VII herunterzubringen. Der so aus Lukla herbeigebrachte Proviant ist uns sehr willkommen.

Wohl hat sich unsere Sherpa-Küchenmann-schaft grösste Mühe gegeben, uns nach ihrem Dafürhalten gut zu verpflegen. Die Mahlzeiten bestanden aber vielfach aus denaturierten Konserven und waren oft merkwürdig zusammengestellt. So servierte man uns beispielsweise Crevet-ten, Heringe, Büchsenwürstli und oft weissen, polierten Reis. Die Sherpa glaubten, uns mit solchen Delikatessen zu erfreuen, doch war die Verpflegung, nach neuzeitlichen wissenschaftlichen Erkenntnissen beurteilt, oft ungenügend, besonders für die Leistungen, die wir zu erbringen hatten. Die Sherpa selber machten es besser: Ihre Hauptnahrung bestand aus « Gurr » ( rohe, geraffelte Kartoffeln mit Butter und Gewürzen, zu einem Fladen geformt, der auf einem heissen Stein geröstet wird ). Zwei weitere Hauptgerichte für sie waren: « Tschapati », ein Fladen, ebenfalls gebacken aus geröstetem Gerstenmehl, und « Tsampa », ein Brei, auch aus Gerstenmehl und Milch, beide Gerichte mit allerlei Gewürzen. Man sieht: eine ideale Vollnahrung! Auch habe ich beobachtet, dass die Träger unterwegs öfters geröstete Maiskörner zu sich nahmen.

Unter diesen Umständen waren wir über den Nachschub unseres eigenen Proviantes sehr froh, erhielten wir doch Knäckebrot, Ovomaltine, Dörrobst, Kondensmilch, Orangenpulver usw. Was uns bei der Sherpa-Verpflegung sehr zustatten kam, war das in der Regel aus Porridge oder Cornflakes mit Kondensmilch und Tee bestehende reichliche Frühstück.

Dienstag, 17. April:

Entlang dem Dudh Kosi über Phakding ( 2500 m ) bis Benkar ( 2600 m ). Lager VIII. Marschzeit 6Stunden.

Wir wandern den ganzen Tag bei angenehm frischer Temperatur ( des Flusses wegen ) mehr oder weniger ständig den wilden, rauschenden, direkt vom Everest-Gebiet herkommenden Wassern des Dudh Kosi entlang. Der Abmarsch erfolgt um 7 Uhr. Unser Weg führt meistens durch Föhrenwald, mit ständigem Auf und Ab. Hier zu wandern ist ein Genuss! Nach 3 Stunden Marsch überqueren wir den Dudh Kosi auf einer neu erstellten Brücke und installieren uns auf einer weiten, von lichtem Föhrenwald umgebenen Wiese unweit des Flussufers, in der Nähe von Phakding ( 2500 m ), zu einer ausgiebigen Mittagsrast. Es ist schwierig zu sagen, welches wohl unser schönster Rastplatz gewesen sein mag; aber hier sind wir überglücklich.

Nach 3 weiteren Stunden Marsch, immer dem tosenden Dudh Kosi entlang, beziehen wir unser Lager VIII direkt am Flussufer im engen Tal, auf 2600 Meter Höhe. Da wir heute von Passüberque-rungen verschont geblieben sind, erscheint uns dieser Tag besonders reizvoll. Unser Lager befindet sich unweit der Brücke über dem Bothe Kosi, einem linken Zufluss des Dudh Kosi.

Mittwoch, 18. April:

Nach Namche Bazar ( 3440 m ) über Phunki ( 3250 m ), zum Kloster Thyangboche ( 3867 m ). Lager IX. Marschzeit 7 Stunden.

Auf einem steilen Saumweg und nachdem wir zwei Brücken ( von Hillary gestiftet ), eine über den Dudh Kosi und eine über den Bothe Kosi, traversiert haben, erreichen wir endlich das berühmte Namche Bazar ( 3440 m ). Dieses Sherpa-Dorf ist eng mit der Geschichte der Bezwingung des Everest verbunden, führten doch alle grossen Expeditionen, die den Everest von der südlichen Seite angingen, über diesen Ort, der als unterste Nachschubbasis diente. Deshalb ist Namche Bazar die Heimat berühmt gewordener Sherpa.

Neugierig und respektvoll besichtigen wir die am Hang klebende Siedlung, deren Häuser eng aneinander gebaut sind. Alle stürzen wir uns auf das einzige « Chrämerlädeli » des Dorfes, wo zu unserem Erstaunen Fruchtsaft, Biskuits und andere so sehr vermisste Verpflegungsartikel erhältlich sind. Dabei mag es sich oft um « Überreste » zurückgekehrter Expeditionen handeln.

Namche Bazar bedeutet auch letzte Verbindung mit der Welt. Um dies den Angehörigen und Freunden in der Heimat so recht zum Bewusstsein zu bringen, anvertraut mancher Expeditionsteilnehmer dem einzigen Briefkasten, der uns hier mit der übrigen Welt verbindet, Karten-grüsse, die in der Regel - wahrscheinlich ihrer Rarität wegen - ihre Empfänger nie erreichen sollten. Einer der Geprellten beklagte sich deswegen später bitterlich, hatte er doch in Namche Bazar etwa zwanzig daheim voradressierte Briefe eingeworfen.

In Namche Bazar findet auch die Kontrolle unserer « Trekking Permits » statt. Ein Spezialvisum, das uns eben die Begehung des Everest-Gebietes gestattet, wird darin eingetragen. Aber o weh! Erst beim Kontrollposten bemerke ich zu meinem Entsetzen, dass ich, entgegen der strengen Weisung unseres Expeditionsleiters, den Permit aus Versehen nicht auf mir habe. Dieser liegt zuunterst in meinem blauen Expeditionssack, der längst auf dem Rücken eines Tibeter Trägers sich unterwegs nach Thyangboche befindet. Mit viel diplomatischem Geschick rettet Fred die Situation - und ich kann passieren. Bei dieser Passkontrolle kommt mir erst noch in den Sinn, dass ich heute ja meinen 62. Geburtstag habe! Doch auch solches vergisst man im Himalaya!

Wir verlassen Namche Bazar und erreichen über einen aussichtsreichen Höhenweg am Berghang östlich Khumjung mit nachfolgendem Abstieg das an einem Bach gelegene Phunki ( 3250 m ). Hier befindet sich eine Gruppe von sieben malerischen Gebetsmühlen, die vom Wasser angetrieben werden und von blühenden Rhodo-dendronsträuchern umgeben sind. Es folgt ein an- strengender Anstieg zum Kloster Thyangboche ( 3868 m ). Unterwegs begegnen wir einem Einheimischen mit zwei beladenen Jaks. Auf einer offenen Wiese neben der Klostersiedlung schlagen wir unser Lager IX auf.

Die Wiese vor dem Kloster, wo wir uns nach dem Nachtessen einfinden, ist der ideale Ort zur Abhaltung einer sogenannten « Chang-Party » mit Sherpa-Volkstänzen. Die Nacht ist pechschwarz, der Klosterplatz nur spärlich mit einer Benzinlampe beleuchtet. Lange vorher schon waren die Sherpani ( Frauen ) unter Leitung des Chef-Kochs Dingma nach allen Regeln der Kunst mit der Zubereitung des Chang beschäftigt. Chang ist eine Art Bier, hergestellt in einem Gäh-rungsverfahren aus Reis, Hirse, Gerste oder Mais. Aus einem grossen runden, niedrigen Holzbecken wird der Chang mit viel Zeremoniell abgeschöpft. Die Krüge werden herumgereicht. Anstandshal-ber trinken wir ( oder tun als ob ), denn wir haben wegen des nicht gerade hygienischen Herstel-lungsverfahrens und dessen Konsequenzen auf Magen und Darm allen Grund, den Chang zu meiden. Die Sherpa hingegen geniessen ihr nationales Getränk in vollen Zügen und werden immer lustiger. Nun stellen sich Sherpa und Sherpani in einem Halbkreis auf, so dass die eine Hälfte des Halbkreises von den Sherpa und die andere von den Sherpani gebildet wird. Gesang und Tanz setzen ein: Der Gesang erklingt monoton und wehmütig; der Tanz besteht aus einem rhythmischen Vor- und Rückwärtstreten mit gleichzeitigem Vor- und Rückwärtsbeugen des Oberkörpers. Der Rhythmus wird durch markantes Fuss-stampfen unterstützt. Singen und Tanzen erfolgen gegenseitig abwechslungsweise zwischen Sherpa und Sherpani: Singen die Männer, so tanzen die Frauen; singen die Frauen, so tanzen die Männer. Je mehr Chang getrunken wird, desto lauter und wehmütiger erklingt der Gesang und desto intensiver ergehen sich die Tanzenden rhythmisch in wiegenden Bewegungen, die sich bis zu einer Art Ekstase steigern.

Gespenstisch beleuchtet scheint die Klosterwie- se von Thyangboche, als wir in der rabenschwarzen Nacht den Weg zum Zelt suchen. Lange noch hören wir, in den Schlafsack gekuschelt, das wehmütige, klagende Singen und rhythmische Fuss-stampfen des dem Chang und Tanz huldigenden fröhlichen Sherpa-Völkchens.

Wenn schon von Mann und Frau, Gesang und Tanz die Rede ist, soll hier noch etwas über Liebe und Ehe der Sherpa angefügt werden: Auch auf diesem Gebiet kommt Individualismus und Toleranz der Sherpa zum Ausdruck. Die Verlobungs-zeit, deren Beginn durch die Entgegennahme eines Kruges Chang durch die Eltern des Mädchens gekennzeichnet wird, soll der gründlichen gegenseitigen Prüfung der Partner dienen, wobei « Seitensprünge » nicht unerlaubt sind. Nach der Heirat gründet das Paar sogleich einen eigenen Hausstand, lebt also nicht in einer Sippengemein-schaft. Wegen oft sehr langer Abwesenheit der Männer findet man bei den Sherpa die Polyan-drie. Bei dieser Vielmännerei entsteht keine Eifersucht zwischen den Ehegatten. Die Eltern wissen oft nicht, von welchem der zwei Männer die Kinder stammen, und diese werden gemeinsam erzogen. Ein betrogener Ehegatte erledigt die Angelegenheit mit dem Verführer seiner Frau in der Regel gütlich, etwa bei einem Krug Chang! Obschon Ehebruch den moralischen Gesetzen der Sherpa zuwiderläuft, wird davon kein Aufhebens gemacht. Scheidung ist auf Wunsch beider oder auch nur des einen Ehepartners ohne Formalitäten jederzeit möglich.

Donnerstag, ig. April:

Abstieg zum Imja Khola ( 3700 m ); diesem entlang über Pangpoche ( 4000 mShomare ( 4000 mOrsho ( 4000 mPheriche ( 4243 m ) nach Phalong Karpo ( 4343 m ). Lager X. Marschzeit 6Stunden.

Gegen 7 Uhr besammelt uns Heinz und teilt mit, dass zwei Teilnehmer krankheitshalber hier in Thyangboche zurückbleiben müssen. Er fragt, welcher Kamerad sich freiwillig melde, um die beiden Kranken zu betreuen. Zögernd meldet sich Robi, der sich jetzt schon wegen Zirkulations- beschwerden nicht mehr ganz in Form fühlt. Da ich um seinen heissen Wunsch weiss, den Kala Batar zu besteigen, und ich mir auch bewusst bin, dass ich selber vor einigen Tagen einen Hitzschlag erlitten habe, dränge ich darauf, dass Robi weitergeht, und melde mich zum Verbleiben. Daraufhin marschiert der Hauptharst ab und als Nachzügler, wie mir scheinen will, etwas zögernd, Fred. Rodi, vor dem Dilemma, ob er seinen sich offenbar bereits nicht wohlfühlenden Vater begleiten oder ob er bei seiner kranken Frau zurückbleiben soll, entscheidet sich im letzten Moment zum Verharren auf Thyangboche. Somit verbleiben in diesem Kloster Marianne ( Magenkrämp-fe ), Peter ( starke Migräne ), Rodi und der Berichterstatter. Da ich mich in bester physischer und psychischer Verfassung befinde und Rodi auch zurückbleibt, sehe ich schweren Herzens meine Kameraden wegmarschieren, dem nun doch nahen Ziel entgegen. Obschon mein Verzicht nicht mehr als notwendig erscheint, ist es für mich nun zu spät, eine positive Entscheidung zu treffen; alle sind bereits unterwegs.

Genügend Musse ist mir damit gegeben, die berühmte Klostersiedlung auszukundschaften. Thyangboche ist ein buddhistisches Kloster, malerisch auf einem Wiesenplateau gelegen. Von hier aus sieht man zum erstenmal aus nächster Nähe den höchsten Gipfel der Erde, den Mount Everest, links vorgelagert den Nuptse und rechts den Lhotse. Ein anderer, näher gelegener Hima-laya-Riese wirkt von hier aus besonders eindrucksvoll; es ist der eisgepanzerte, hoch in den blauen Himmel ragende Ama Dablam. Ähnlich unserem Matterhorn, aber noch viel wuchtiger, steht er trotzig und abwehrend da. Gewaltig, allseitig von Gletschern behangen, bietet sich auch die Gruppe Kangtaiga-Tramserku dar.

Auch Thyangboche ist aus der Geschichte der Everest-Besteigungen bekannt. Als Schweizer erinnern wir uns, dass hier die so erfolgreiche Berner Expedition unter Albert Eggler im Jahre 1956 dramatische Tage erlebte. Damals bangte man wegen eines Blinddarmdurchbruches um das Le- ben Fritz Luchsingers. Einige Wochen später jedoch bestieg er zusammen mit Ernst Reiss, als erste Seilschaft, den Lhotse ( 8571 m )!

Angeschlossen an die Klostersiedlung ist eine Art Wirtschaft, die auch als notdürftige Unterkunftsstätte dient. Hier mache ich Bekanntschaft mit Globetrottern und Hippies, die auf Thyangboche allerdings nicht nach Rauschgift suchen. Im Gegenteil, es sind sympathische junge Leute, Burschen und Mädchen aus verschiedenen Kontinenten, die offensichtlich aus Opposition zur modernen, vertechnisierten Zivilisation hier die Abgeschlossenheit der urwüchsigen, wilden Natur suchen. Ich plaudere gerade im Klosterareal mit einem dieser Jungen, einem athletenhaft gewachsenen, rothaarigen, bärtigen Kanadier, als einHelikopterderitalienischen Expedition, diege-genwärtigim Everest-Gebiet operiert, geradewegs über unsere Köpfe fliegt. Wütend erhebt der seit Monaten in der Himalaya-Abgeschiedenheit lebende Hippie drohend die Faust gegen den Himmel und klagt an: « Too many helicopters here! » Ja, mein Kanadier-Globetrotter lässt mich an jenen « Song » eines jungen Hippie-Gitarristen denken, betitelt « Hoch über den Wolken muss die Freiheit wohl unbegrenzt sein! ». Und JeanJacques Rousseau hat es schon vor 230 Jahren ausgesprochen: « L' homme est né libre, mais partout il est dans les chaînes. » Wie sehr verstehen wir doch diese jungen Leute, die, verzweifelt über unsere vertechnisierte, oft bis zur Sinnlosigkeit zivilisierte Welt, das Weite suchen und mit dem Durst nach echter Freiheit bis in den Himalaya fliehen! Auch wir im reiferen Alter stehenden Senioren fühlen die unsägliche Wohltat dieser unbegrenzten Freiheit und der ständigen Verbundenheit mit dieser urwüchsigen, gewaltigen Natur. Unser Leben lang, so will es mir scheinen, waren wir, trotz Strapazen und Entbehrungen, noch nie so glücklich wie nun im Himalaya. Doch auch hier droht Gefahr: Bis in die Hochtäler Nepals werden Relais-Stationen eingerichtet, Helikopter-Flug-plätze gebaut, so dass der Massentourismus eines Tages auch hier Einzug halten wird.

Mein Philosophieren hier auf Thyangboche hindert mich aber nicht, in Gedanken auch bei meinen jetzt dem Everest zustrebenden Kameraden zu sein. Es ist mir, als höre ich das fröhliche « Hello Pablo » der Sherpani, das sie ihrem Lieb-lings-Sahib Pablo zurufen, wenn er vorbeimar-schiert. Das stets wiederholte « Hello Pablo » ist sogar zum allgemeinen täglichen Gruss der Sherpa-Frauen an uns Berner SACler geworden.

An diesem Tage steigen unsere Kameraden, wie ich später erfahre, zum Imja-Khola-Fluss ( 3700 m ) ab, überqueren denselben, durchwandern auf der anderen Talseite das höchstbewohn-te und letzte Dorf im Everest-Gebiet, Pangboche ( 4000 m ), ziehen weiter über Shomare ( 4000 m ) und machen bei den Hütten von Orsho ( 4000 m ) eine ausgiebige Mittagsrast. Ihr Weg führt weiter über eine Kuppe von 4250 Metern. Bei Tsuro traversiert die Expedition den Lobuche Khola, nahe bei seiner Einmündung in den Imja Khola, gelangt über Periche ( 4243 m ) nach Phalong Karpo ( 4343 m ), wo sie ihr Lager X auf einer etwa 3 Kilometer langen und 500 Meter breiten Ebene zwischen Steinmauern einrichtet. Unweit des Lagers weiden Jaks, die sich durch die Fremdlinge nicht stören lassen.

Freitag, 20. April ( Karfreitag ): Über Duglha ( 4620 m ) nach Lobuche ( 4930 m ). Lager XI. Marschzeit 3V2 Stunden.

Den Kranken in Thyangboche geht es besser. Mich übernimmt an diesem Tag eine fast unerträgliche Sehnsucht, meinen weitergezogenen Kameraden nachzufolgen - was natürlich nicht mehr möglich ist. Immerhin gehe ich mit meinem eher kleingewachsenen, aber stämmigen Sherpa mongolischen Einschlags bis Pangboche. Der Sherpa führt mich zur mächtigen Gebetsmühle des Dorfes, das, auf Terrassen aufgebaut, am Berghang klebt. Andächtig und während geraumer Zeit setzt der Sherpa die Trommel in Bewegung. Im Verlaufe des Nachmittags sind wir wieder in Thyangboche. Nicht wenig erstaunt sind wir, als plötzlich Robi, von einem Sherpa beglei- tet, zu uns stösst. Er hat vom Wasser stark aufge-schwollene Beine und musste schnellstens vom Lager Phalong Karpo zu uns absteigen. Wir legen ihn in sein Zelt zur Ruhe und können vorläufig leider nicht viel für ihn tun.

Der Tag sollte nicht ohne Sensation enden: Mit grossem Geknatter und eine mächtige Staubwolke aufwirbelnd, landet ganz unversehens auf der Klosterwiese ein Helikopter, wie sich bald feststellen lässt, der italienischen Everest-Expedition zugehörend. Der Maschine, die sofort wieder wegfliegt, entsteigt ein einziger Mann. Interessiert nähere ich mich. Der Fremdling ist von wuchtigem Körperbau, an die zwei Meter gross, mit gebräuntem Gesicht und langen Haaren. Wir kommen ins Gespräch, und zu meinem grossen Erstaunen stellt er sich als Edmund Hillary vor. Ich hätte mir nie träumen lassen, dass ich je die Ehre haben würde, mit dem Erstbezwinger des Everest, dem Neuseeländer Sir Edmund Hillary, angesichts des höchsten Berges der Welt zusammenzutreffen. Hillary macht auf mich einen starken Eindruck: er ist bescheiden und konziliant. Er erklärt mir, dass er hier eine Gruppe Amerikaner erwarte, die seine Entwicklungshilfe im Khumbu-Gebiet finanzierten. Es sei ihm ein Anliegen, diesen Geldgebern während einiger Tage nicht nur die Schönheiten dieser Bergwelt vor Augen zu führen, sondern ihnen auch zu zeigen, was aus ihren Spenden geworden sei.

Der grosse Harst unserer Gruppe verlässt heute Phalong Karpo, gelangt im Talboden über eine Moräne und von der Hütte Duglha über Geröllfelder zum höchsten Lagerplatz der Expedition, Lobuche ( 4930 m, Lager XI ). Eine Fünfergruppe gelangt in weiteren 3 Stunden zum Gorak Shep ( 5220 m ) und kehrt wieder ins Lager Lobuche zurück. Auf dieser Höhe ist es nachts sehr kalt; auf den Zelten bildet sich Reif.

Samstag, 21. April ( Karsamstag ): Besteigung des Kala Batar ( 5545 m ) über Gorak Shep ( 5220 m ) und des Pokalde ( 5806 mAbstieg nach Phalong Karpo ( 4343 m ). Lager XII. Marschzeit Kala Batar io Stunden. Marschzeit Pokalde g Stunden.

Auch an diesem Tage erhalten wir im Verlauf des Morgens unangemeldeten Besuch des italienischen Helikopters. Dem Hubschrauber entsteigt diesmal ein beleibter, um Atem ringender, eher kleiner Mann mit umgehängter Sauerstoff-Fla-sche, Photoapparaten und mit Notizblock in den Händen. Er stellt sich mir als Dott. Corradi, Spe-zialkorrespondent des « Corriere della Sera » bei der italienischen Everest-Expedition vor. Der Journalist kommt nach Thyangboche, um das berühmte Kloster zu besichtigen. In 2 Stunden wird ihn der Helikopter wieder abholen. Dott. Corradi befragt mich über den Grund meiner Anwesenheit hier. Ich erzähle ihm etwas von unserer Expedition und von den drei Kranken, die hier stationiert sind. Wir vereinbaren, dass wir, falls sich der Zustand der kranken Kameraden verschlimmern und ein Abtransport notwendig werden sollte, dies durch Auslegen eines grossen roten Kreuzes auf der Klosterwiese mittels unserer Daunenanzüge kundtun würden. Dott. Corradi stellt in Aussicht, dass in einem solchen Fall der italienische Helikopter landen und die nicht mehr marschfä-higen Kameraden nach Lukla überfliegen würde.

Aus Thyangboche ist an diesem Tage noch zu melden, dass wir um unseren Robi besorgt sind. Unsere Beunruhigung wächst noch, als im Verlaufe des Nachmittags Fred B., Werner, Fritz, Fred M. und Pablo überraschend zu uns stossen. Fred B. vertrug die Höhe nicht; Fritz, der ohnehin schon während des langen Anmarsches unter Darmverstimmung und Husten zu leiden hatte, musste wegen verstärkten Hustenreizes ebenfalls umkehren. Am schlechtesten dran ist allerdings Fred M., der bereits grosse Mühe hatte abzusteigen. Die immer um das Wohl ihrer Kameraden besorgten Freunde Werner und Pablo, beide selber in bester Verfassung, hatten es - unter Ver- zieht auf den Kala Batar - übernommen, ihre drei kranken Kameraden nach Thyangboche zu bringen.

Oben im Hochlager Lobuche jedoch bricht der grosse Tag an! Heute sollen die so lang ersehnten Gipfel des Himalaya erklommen werden! Zwei Gipfelstürmergruppen werden gebildet. Die eine, bestehend aus 16 Kameraden, besteigt den Kala Batar ( 5545 m ) und die andere, mit 6 Teilnehmern, erreicht den Pokalde ( 5806 m ). Anschliessend steigen beide Gruppen nach Phalong Karpo ab ( Lager XII ), das sie ein zweites Mal beziehen.

Über diese denkwürdigen Besteigungen aber möchte ich je einen Teilnehmer mit seinen Tage-buch-Notizen selber sprechen lassen:

Willy Althaus ( Kurz-Tagebuch ) zum Kala Batar: « Ein Glanztag! Der Aufstieg zum Kala Batar ist sehr lang, fast 5 Stunden. Um 11.30 Uhr erreichen Othmar und ich den Gipfel. Das Steigen macht schon ziemlich Mühe. Allmählich kommen alle 16, 3 Damen und 13 Männer, auf dem Gipfel an und geniessen eine Stunde lang bei herrlichem windstillem Wetter die grandiose, berühmte Aussicht. In i o Kilometer Distanz ragt der Mount Everest hinter dem Nuptse hervor, Pumori, Ama Dablam... Unvergessliches Picknick auf der Alp ( 5300 m ) über dem Khumbu-Glet-scher. In 3 Stunden sind wir wieder in Lobuche, trinken noch Sherpa-Tee und steigen in weiteren 2 Stunden nach Karpo ab, wo die erfolgreiche Gruppe, Pokalde ( 6 Mann ) schon eingetroffen ist. » Emil Uhlmann zum Pokalde ( 5806 m ): « Von zwei Sherpa begleitet, traversiere ich in Begleitung von 5 Kameraden frühmorgens den Khum-bu-Gletscher. Unsere beiden Sherpa tragen ,für alle Fälle'Sauerstoff-Flaschen mit. Über Steilhänge, vorerst ohne Schnee, streben wir einem Sattel zwischen Nupse und Pokalde entgegen. Trotz der Lasten steigen unsere Träger leichtfüssig dem Sattel zu, während uns das Atmen Mühe bereitet. Reinhold, unser Arzt, bleibt öfters stehen. Das Atmen macht ihm Mühe. Auf 5500 Meter warte ich auf ihn. Auch ich habe nun einige.

Mühe. Die letzten 50 Höhenmeter bis in den Sattel überzeugen mich, dass ich mit meinen 60 Jahren an der oberen Leistungsgrenze angelangt bin. Wohl zieht mich der Gipfel des Pokalde in seinen Bann. Die Vernunft siegt aber über den sportlichen Ehrzeiz, glücklicherweise! Während unsere vier Kameraden die letzten 260 Höhenmeter überwinden, um den Gipfel zu besteigen, bleibe ich mit dem Arzt und den beiden Sherpa im Sattel zurück. Von unserem Rastplatz aus öffnet sich nun die Sicht nach Osten. Grandios türmt sich die Lhotse-Flanke auf, der Imja-Gletscher liegt uns zu Füssen. In der Ferne grüsst der Makalu, der fünfthöchste Berg der Welt, links und rechts flankiert von namenlosen Gipfeln. Um unseren physischen Zustand zu verbessern, nehmen wir nun eine Sauerstoff-,Douche '. Es ist ein herrliches Gefühl, sich diesen Sauerstoffdurch die Lungen strömen zu lassen. Nach der Kälte der Nacht werden die Berge vom kristallklaren Licht umhüllt. Ihre Gipfel recken sich in einen blauen, wolkenlosen Himmel. Doch später bilden sich kleine Nebelchen, kleine Wölkchen und schliesslich ist alles in Nebel und Wolken gehüllt. Unsere Kameraden steigen vom Pokalde ab, physisch leicht angeschlagen, doch ihre Augen strahlen. Auch sie geniessen die Sauerstoff-,Douche '.

Wir steigen in unserer Aufstiegsspur ab. Von ferne erkennen wir, dass unsere orangefarbenen Zelte am alten Standplatz abgebrochen sind; das besagt, Abschied zu nehmen von dieser überwältigenden Bergwelt! Wir kennen keine Eile mehr. Wie wir Lager X erreichen, stimmt es uns traurig, unser reduziertes Zeltdorf zu sehen. Von ursprünglich 32 Teilnehmern sind heute schon r o Kameraden aus gesundheitlichen Gründen im Basislager beim Kloster Thyangboche vereint. Auch nachdem die Kameraden von Kala Batar eingetroffen sind, will keine echte Fröhlichkeit aufkommen. Jeder muss seine Eindrücke verarbeiten; vielleicht zieht er Vergleiche zu schweren Fahrten in den Westalpen. Jeder einzelne weiss, dass er diesen schönen Flecken Erde nie mehr sehen wird. Jeder einzelne ist aber auch dankbar, dass es ihm vergönnt war, an diesem einmaligen Erlebnis teilhaben zu können. Ist es verwunderlich, dass sich mancher wegdreht, sich aber seiner in den struppigen Bart rollenden Tränen der Freude und Ergriffenheit nicht schämt? » Ich habe diesen letzten Worten Emil Uhl-manns nichts beizufügen; sie zeugen von der Sensibilität eines unserer allerbesten Kameraden, bringen auf schönste Weise das zum Ausdruck, was wir alle, jeder nach seiner Art, im Himalaya empfunden haben.

Sonntag, 22. April ( Ostern ):

Abstieg nach Thyangboche ( 3867 m ). Lager XIII.

Marschzeit 3 Stunden.

Da das Wetter sich zu verschlechtern scheint, wird das Lager in Phalong Karpo rasch abgebrochen. Die ruhmbedeckten Gipfelbezwinger marschieren in kleinen Gruppen das Hochtal hinunter über Pheriche und dann auf der Westseite des Imja Khola wieder über Pangboche zum Kloster Thyangboche zurück. Hier sind nun alle Teilnehmer vollzählig vereint, darunter allerdings zwei Kranke, Robi und Fred M. ( Marianne und Peter haben sich inzwischen erholt ). Zu unserer grossen Überraschung servieren uns die Sherpa - es ist Ostern — einen grossen Osterfladen mit geschwellten Kartoffeln. Hans macht es noch besser: Er hat es sich nicht nehmen lassen, von der Schweiz aus über den Kala Batar bis zum Kloster Thyangboche zuunterst in seinem Rucksack farbige kleine Schokolade-Ostereier mitzutragen, mit denen er uns jetzt eine grosse Überraschung bereitet.

Wegen des Gesundheitszustands unserer beiden Kranken und des Ungewissen Wetters wird beschlossen, die Nacht vom 22. auf den 23. April auf Thyangboche zu bleiben. Dr. Wepf behandelt Robi und entzieht ihm eine beträchtliche Menge Wasser aus dem Gewebe. Er ist auch sehr um Fred M. besorgt. Es erweist sich, dass sich der Gesundheitszustand der beiden verschlechtert und dass sie nicht mehr fähig sind weiterzumarschie-ren. Als einzige Rettung bleibt deshalb der Ab- transport per Helikopter nach Lukla und wenn möglich gleich bis Kathmandu. Wie ich mit Dott. Corradi vereinbart habe, legen wir das Rote Kreuz auf der Klosterwiese aus. Wohl überfliegt der italienische Helikopter Thyangboche zweimal, jedoch ohne zu landen. Hat er unseren Hilferuf nicht bemerkt; ist er wegen atmosphärisch ungünstiger Verhältnisse nicht in der Lage zu landen, oder haben die Italiener selber Schwierigkeiten? In dieser Situation entschliesst sich die Expeditionsleitung, unverzüglich einen Helikopter bei den Nepal Airlines in Kathmandu anzufordern. Res begibt sich im Eilmarsch nach Namche Bazar hinunter, um von dort aus nach Kathmandu zu telegraphieren.

Montag, 23. April igyj ( Ostermontag ): Über Khumjung ( 3790 m ) und Namche Bazar ( 3440 m ) nach Benkar ( 2600 m ). Lager XIV. Marschzeit 6 Stunden.

An diesem Morgen bleiben die nicht mehr marschfähigen Kameraden Robi und Fred M. sowie ihre beiden Betreuer, Dr. Wepf und Heinz Zumstein, in Thyangboche zurück. Alle anderen Teilnehmer verlassen das Kloster um 07.00 Uhr und steigen zu den sieben Gebetsmühlen von Phunki ab. Dort beginnt der Anstieg nach Khumjung ( 3790 m ), einem typischen grossen Sherpa-Dorf. Fünf unserer Kameraden erreichen Khumjung auf dem Umweg über das auf 4000 Meter gelegene, von den Japanern erbaute Everest-View-Luxushotel. Im Dorf wohnen die Eltern unseres Sherpa S. Kaldhen, in deren Haus wir gastfreundlich bewirtet werden. Wir besuchen auch das von Hillary finanzierte Schulhaus. Beim Abstieg von Khumjung nach Namche Bazar ergibt sich grosse Aufregung: Die Dorfältesten rennen der sich entfernenden Expeditionstruppe nach. Sie glauben bemerkt zu haben, dass einer unserer Kameraden einen Gebetsstein aus einer Manimauer herausgebrochen und in seinem Rucksack verstaut habe. Wir können aber die Leute beschwichtigen, und die Angelegenheit verläuft glücklicherweise friedlich. Auf dem Ab- stieg nach Namche Bazar entdecken wir noch einen im Bau befindlichen Flugplatz auf 3800 Meter, der ohne jede Baumaschine — « von Hand » und mit Körben als Beförderungsmittel - erstellt wird. Ab Namche Bazar setzt erstmals auf unserer Reise ein starker Regen ein, der anhält, bis wir unseren alten Lagerplatz VIII, Benkar am Dudh Kosi, erreicht haben.

Arzt und Expeditionsleiter bleiben bei den zwei Kranken in Thyangboche, und ersterer versorgt sie medizinisch, bis der Abtransport durch den Helikopter aus Kathmandu sichergestellt ist. Spät am Abend treffen die beiden im Lager Benkar ein. Gegen Ende des Nachmittags können wir von unserem Lager aus den Hubschrauber der Nepal Airlines beobachten, der Robi und Fred von Thyangboche nach Lukla fliegt. Eine grosse Sorge ist uns damit abgenommen; den beiden Kranken kann nichts mehr passieren, bald wird ihnen in Kathmandu sorgfältige Pflege zuteil werden. Der Regen hat auch aufgehört, und so sind wir wieder guten Mutes. Später vernehmen wir, dass die Zeit für einen Weiterflug ab Lukla bis Kathmandu nicht mehr ausreichte. Deshalb steigen Res und Werner am gleichen Abend noch von unserem Lager Benkar nach Lukla auf, wo sie um 20 Uhr eintreffen. Dort installieren sie sich mit den beiden Kranken in einem Sherpa-Haus. Wider Erwarten verschlechtert sich im Laufe der Nacht der Zustand von Fred aussergewöhnlich. Es gelingt Res, Hilfe beim Kommandanten und beim Arzt ( Sauerstoff ) des italienischen Basislagers der Everest-Expedition, das in Lukla aufgeschlagen ist, zu erhalten.

Dienstag, 24. April:

Aufstieg nach Lukla ( 2800 m ). Lager XV. Marschzeit 6 Stunden.

Abmarsch um 06.45 Uhr. Wieder geht es dem ewig rauschenden Dudh Kosi entlang, diesmal talauswärts. Ein letztes Mal wird um io Uhr am Ufer des uns vertraut gewordenen Flusses die Mittagsverpflegung eingenommen. Jetzt nehmen wir auch den letzten Anstieg unseres bereits 15 Tage dauernden Trekkings in Angriff und treffen in etwa 2 Vi Stunden auf dem primitiven Flugplatz Lukla ein. Hier wird uns wiederum die Gastfreundschaft der Sherpa in einem typischen Sher-pa-Haus zuteil. Wir vernehmen hier auch von Werner und Res, dass die beiden Kranken nach einer schweren Nacht erst heute morgen um 6 Uhr nach Kathmandu weiterfliegen konnten. Dort wurden sie ins Shanta-Bhawan-Hospital eingeliefert und durch den Spezialisten für Höhenkrankheiten, Dr. Dickinson, betreut. Auch Sherpa-Chef Kaldhen begab sich ins Spital. Wir beziehen — mitten in einem Kartoffelacker — unser Lager XV und damit - o wehdas letzte!

Es herrscht Aufbruchstimmung! Unseren Lieb-lings-Sherpa und Trägern verteilen wir verschiedene Ausrüstungsgegenstände, so z.B. Kleider, die wir nicht unbedingt nach Hause nehmen wollen. Dass wir damit den Beschenkten helle Freude bereiten, ist in ihren Augen zu lesen. Zwei Sher-pa-Buben, die die ganze Expedition mitgemacht haben und die sich durch ihre Aufgewecktheit, Dienstfertigkeit und durch ihr fröhliches Wesen die Sympathie aller Teilnehmer erworben haben, vermache ich je eine Zipfelmütze aus Wiler im Lötschental. Im gestrigen Benkar-Lager hatte einer dieser Sherpa-Boys, der etwa 14 jährige Junge, den ganzen Tag meine Photoausrüstung nachgetragen. Als er mir diese am Abend vor meinem Zelt prompt zurückgab, händigte ich ihm einen 10-Rupien-Schein aus. Er zögerte zuerst hartnäckig, nahm dann aber auf mein Drängen das Geld entgegen. Etwa eine Stunde später meldete er sich wieder bei mir, gab mir mit unmissverständlicher Geste den 10-Rupien-Schein zurück mit der lakonischen Bemerkung: « You know Sir, I cannot lie! » Der Sherpa-Sirdar hatte offenbar Weisung erteilt, dass keine Trinkgelder angenommen werden dürften. Obwohl niemand davon gewusst hätte, brachte es der kleine Junge nicht übers Herz, wenn auch nur stillschweigend zu lügen. Dies ein Beispiel für die sprichwörtliche Ehrlichkeit der Sherpa. Hingegen ist er sichtlich stolz auf die hübsche blauweisse Lötschentaler Zipfelmüt- ze, die er ohne Unterlass auf seinem braungebrannten Köpfchen trägt.

An diesem Abend feiern auch Sherpa und Träger Abschied. Sie sprechen Chang und Rakhsi reichlich zu und tanzen bis spät in die Nacht hinein.

Hans Schär hat mein « Reisejournal » durch die vorstehende graphische Darstellung ergänzt, in der er mit grösster Genauigkeit und mit interessanten Details den von uns begangenen Weg zum Everest und zurück graphisch festhält. Beim augenfälligen « Auf und Ab », das dieses Diagramm zum Ausdruck bringt, trauen wir unseren Augen kaum! Wir entnehmen ihm im übrigen einige Fakten, die Wesentliches über unsere Marschleistung aussagen:

- Dauer: 15 TageAnzahl Lager: 15Totale Marschzeit: 97 Stunden ( reine Marschzeit, eher knapp bemessenDurchschnittliche Tagesmarschleistung: 6,5 StundenWährend der ganzen Dauer bewältigte Höhendifferenz: Aufstieg etwa i 3000 Meter, Abstieg ungefähr 12 000 MeterHöhendifferenz im Durchschnitt pro Tag ( Auf-und Abstieg ) 1670 Meter ( mehrmals Tage mit 2000 Meter « Auf und Ab » ) Mittwoch, 25. April: Flug Lukla-Kathmandu Etwa um 1 o Uhr verlassen die ersten vier unserer Gruppe mit einem von S. Kaldhen angefor-derten Pilatus-Porter Lukla, um raschestens bei Fred Müller in Kathmandu einzutreffen. Wir anderen warten und warten auf unseren Abtransport; das Wetter ist nämlich ungewiss, so dass Flüge nicht ohne weiteres möglich sind. Der Transfer erfolgt schliesslich in drei Gruppen; ich bin der zweiten zugeteilt und geniesse noch einen schönen Flug mit guter Sicht auf das unter uns liegende, teils braune und teils grüne Bergland. Die letzte Gruppe, bestehend aus fünf Mann, ist in einer nicht beneidenswerten Lage. Da sich das Wetter zusehends verschlechtert und der Nebel tiefer sinkt, ist der Flug nach Kathmandu noch an diesem Tage sehr in Frage gestellt. Die zurückgebliebenen Kameraden riskieren sogar, den Anschluss an den Heimflug ab Kathmandu zu verpassen! Freund Jean, der dieser Gruppe angehört, hat über die bangen Stunden in Lukla eine letzte Anekdote zu erzählen. Er tut es wie gewohnt mit seinem « pétillant esprit neuchâtelois »:

Nous sommes cinq, dont l' ami Eugène, à nous passer le temps à boire des cafés-rakhsi et à jouer aux cartes. Tantôt nous sommes les hôtes de la pinte Sherpa, tantôt aimablement reçus au camp des Italiens. Au fur et à mesure que le temps se détériore, notre chance de pouvoir nous envoler s' amenuise. La faim aussi s' annonce. Ne sommes-nous pas déjà suffisamment amaigris? le me rends donc vers l' emplacement où notre cuisine Sherpa devait être installée, dans l' espoir de recevoir de quoi casser la croûte. Hélas,plus trace de potager, de marmites, tout est bouclé, Sherpas et porteurs licenciés, plus rien à manger! C' est à ce moment précis que je vois passer notre Sherpa cuisinier chef, le gros Dingma, un immense sac au dos, le dernier à quitter l' expédition. Interpellé s' il y a moyen de recevoir la moindre des choses à croquer, il me répond laconiquement, avec un gros sourire malicieux: « I am no longer your cook, I am going home! » Die letzte Gruppe kann endlich um 16.00 Uhr von Lukla abfliegen. Am Abend sind alle im Hotel Crystal in Kathmandu vereint. Hier erreicht uns bald die schmerzliche Nachricht vom tragischen Hinschied unseres lieben Kameraden Fred Müller in den ersten Morgenstunden des Tages. Seine als erste von Lukla abgeflogenen Angehörigen und Freunde sollten ihn nicht mehr am Leben finden. Nach Erledigung der vielen umständlichen Formalitäten, die sich in einer solchen Situation ergeben, nach Rückfrage bei den zuständigen schweizerischen Konsularinstanzen und im Einvernehmen mit den Angehörigen wird die sterbliche Hülle Fred Müllers nach Hindu-Art in Teku Dova am Fluss ausserhalb Kathmandus kremiert. Die Abdankung hält Reverend Paul Wagner von der Protestant Congregation Rabi Bhawan. Un- ter diesen dramatischen Umständen ist auch der Beistand Peter Rüeschs, des Administrators der Swiss Association for technical assistance in Kathmandu, wertvoll. Lähmend legt sich die Kunde vom Hinschied unseres Kameraden auf die Mitglieder der Expedition; wir trauern um einen be-geisterungsfähigen und treuen SAC-Freund. Hat unser unvergesslicher Kamerad, Spiritus rector unserer Himalaya-Fahrt, seinen Tod geahnt, als er in seinem Tagebuch vor dem Abmarsch aus dem zweitobersten Lager Phalong Karpo seine letzte Eintragung niederschrieb: « Ende! »? Es war auch sein letzter Wunsch, dass, was immer ihm zustossen möge, wir unsere Reise programmgemäss fortsetzen sollten.

Donnerstag, 26. April, bis Samstag, 28. April:

Nach längerem Geduldspiel im Flughafen von Kathmandu können wir doch noch « einsteigen » zu einem wenig aussichtsreichen Flug ( infolge Nebels ) nach Delhi, wo wir tags darauf Gelegenheit haben, per Taxi ( 4 Stundenzum weltberühmten Taj Mahal zu fahren - und zurück.

Am Samstag geht 's heim in die Aarestadt über Beirut—Rom—Genf, und schon um i 13 Uhr werden wir zum Teil struppig-bärtigen SAC-Himalaya-Fahrer von Angehörigen und Freunden herzlichst in Empfang genommen.

RÜCKBLICK Technisches Wir glauben, anderen Gruppen, z.B. SAC-Sek-tionen, die beabsichtigen, eine Fahrt nach dem Himalaya zu unternehmen, mit der Vermittlung der von uns gemachten Erfahrungen, insbesondere in technischer Beziehung, einen Dienst zu erweisen:

- Die Organisation unserer Expedition hat sich grundsätzlich bewährt. Sie basierte auf einer Aufgabenteilung und enger Zusammenarbeit zwischen Expeditionsleitung, Reisebüro und Sherpa-Service-Organisation. Zu erwähnen ist lediglich, dass bei normalen Verhältnissen für den Marsch bis Basislager Everest und die Besteigung des Kala Batar sich keine bergsteigerischen Schwierigkeiten bieten und dass somit eine eigentliche Hochgebirgsausrüstung ( Seil, Pickel, Steigeisen, Sauerstoff-Flaschen usw. ) sich nicht als notwendig erweist. Hingegen ist dieselbe bei der Besteigung anderer Gipfel in der Region, wie des Pokalde, selbstverständlich unerlässlich.

Wir haben bereits darauf hingewiesen, dass in bezug auf die Marschroute zwei Lösungen möglich sind: Einerseits Flug Kathmandu bis Lukla, Marsch bis Kala Batar und zurück nach Lukla und Rückflug nach Kathmandu. Andererseits Flug Kathmandu Jiri, Marsch bis Kala Batar und zurück nach Lukla und Rückflug nach Kathmandu. In unserem Fall vermochte weder die eine noch die andere Variante gänzlich zu befriedigen. Die Ideallösung besteht in Variante 2, indem man, statt nur drei, vier Wochen zur Verfügung hat. Dieser längere Anmarsch ist nicht nur wegen der besseren Akklimatisierung, sondern besonders auch im Hinblick auf die landschaftlichen Schönheiten, wie z.B. die Pässe Lamjura und Taksindhu, die Rhododendronwälder, die in der höheren Region ab Lukla nicht mehr anzutreffen sind ( nur noch als vereinzelte Sträucher ), und Dörfer wie Junbesi, zu empfehlen. Mit einer vierten Woche wird auch eine Zeitreserve für den Fall von schlechter Witterung oder Unvorhergesehenem eingebaut.

Was die Ernährung anbetrifft, scheint es ratsam, nicht ausschliesslich auf die von den Sherpa gebotene Verpflegung abzustellen. Man tut gut daran, eigenen Tourenproviant, wie Knäckebrot, Kondensmilch, Ovomaltine, Honig, Käse, Trockenfleisch, Suppen, Dörrfrüchte, Nüsse, Fruchtsäfte ( auch in Pulverform ) usw., mitzuführen. Jedenfalls muss man sich vergewissern, ob die Sherpa-Organisation eine ausreichende, bekömmliche und ernährungstech-nisch richtig zusammengestellte Verpflegung garantieren kann.

Wie aus dem Beispiel der Verpflegung hervorgeht, ist für das gute Gelingen der Expedition u.a. die Leistungsfähigkeit der Sherpa-Organi-sation massgebend. Nebst einer zweckmässigen Verpflegung ist dem Zelt- und Campingmaterial Beachtung zu schenken. Es müssen auch genügend Träger zur Verfügung stehen. In Kathmandu bieten mehrere spezialisierte Organisationen ihre Dienste zur Durchführung von Expeditionen bzw. Wanderungen ( Trekking ) an. Man muss sich eine aussuchen, die ihre Leistungsfähigkeit bereits unter Beweis gestellt hat und entsprechende Referenzen vorweisen kann.

- Was das Medizinische anbetrifft, sollte sich jeder Teilnehmer vor Antreten der Tour gründlich untersuchen lassen. Dass er gut trainiert und an Höhenlagen bereits soweit möglich akklimatisiert sein muss, ist selbstverständlich. Unerlässlich sind die üblichen Impfungen für tropische Gebiete. Medikamente gegen Ma-gen-Darm-Störungen, Erkältungskrankheiten, ferner Schlaf- und Beruhigungsmittel sollen nicht fehlen. Die am meisten vorgekommenen Leiden waren Darmstörungen und Migräne. Um die ersteren zu vermeiden, muss auf das Wassertrinken in den Hotels und unterwegs ( es sei denn, es handle sich um eine offensichtlich reine Quelle ) und auf ungewaschene Früchte, Salate usw. verzichtet werden. Interessant ist noch festzuhalten, dass nach der Erfahrung in unserer Gruppe das Alter nicht unbedingt ein Hindernis zum Mitmachen an diesem Trekking darstellt, hatten wir doch zwölf Kameraden von mehr als sechzig Jahren, worunter sieben von mehr als fünfundsechzig Jahren unter uns; gerade die letzteren bewährten sich glänzend.

Jedes ernsthafte bergsteigerische Unternehmen schliesst gewisse Risiken in sich. Während in unserer Heimat bei Krankheit, Unfall usw. rasch, d.h. innert weniger Stunden, Hilfe gebracht werden kann, namentlich von der Schweizerischen Rettungsflugwacht, liegen im Himalaya die Verhältnisse ganz anders. Man ist von jeder Verbindung mit der Aussenwelt abgeschnitten und auf sich selbst angewiesen. Um überhaupt Hilfe anzufordern, sind unter Umständen mehrere Tagesmärsche erforderlich. Dieses Risiko der vollständigen Isolation ist das Besondere bei Fahrten im Himalaya-Ge-biet, und dessen muss man sich unbedingt bewusst sein.

Schlusswort Es ist mir eine Freude, sagen zu dürfen, dass während der ganzen Dauer unserer Reise ein ausgezeichneter Geist der Kameradschaft und Freundschaft zwischen allen Teilnehmern herrschte, was zum Erfolg unserer Tour wesentlich beigetragen hat. Und nun bleibt uns allen die Erinnerung...

In einer stillen, beschaulichen Stunde lassen wir unsere Himalaya-Fahrt vor unserem geistigen Auge wieder aufleben.

Durch seine landschaftlichen Schönheiten und die Liebenswürdigkeit seiner Bewohner zog uns Nepal in seinen zauberhaften Bann. Unsere Fahrt in dieses faszinierende Land, bis zum Fuss des Everest, bleibt für jeden Teilnehmer ein unvergessliches Erlebnis.

Heute weilt auch Rud. Christen nicht mehr unter uns; er ist am 14.Dezember 1973 in Bern gestorben. Als Zweitältester Teilnehmer gelangte er noch mit 67 Jahren - und einem künstlichen Hüftgelenk - auf den Gipfel des Kala Batar; eine glänzende Leistung. Er war stets an der Spitze der Gruppe und in bester Form. Wir werden unsern liebenswürdigen Kameraden in bester Erinnerung behalten.

LITERATUR Aus der umfangreichen Literatur über Nepal und den Himalaya sind ausser dem « Trekking Guide », da aus schweizerischer Sicht geschrieben, in erster Linie folgende Werke empfehlenswert:

- « Nepal », M. und L. Wolgensinger und A. Durst, Silva-Ver-lag Zürich, 1966.

- « Nepal », Königreich am Himalaya, Toni Hagen, Küm-merly+Frey, Geographischer Verlag, Bern, 2. Auflage 1971.

- « Everest 1952 », Expedition du Dr Ed. Wyss-Dunant, André Roch, Editions Jeheber, Genève et Paris«Gipfel über den Wolken » Lhotse und Everest, Albert Eggler, Leiter der Schweiz. Everest-Expedition 1956, Verlag Hallwag AG, Bern.

- « A Guide to Trekking in Nepal », Stephen Bezruchka, Sa-hayogi Prakashan, Tripureskwar, Kathmandu/Nepal.

Weitere detaillierte Literaturangaben sind allenfalls bei der Schweizerischen Stiftung für alpine Forschung, Zürich, erhältlich. Ferner ist es möglich, vom Ministry of Industry and Commerce, Departement of Tourism, Kathmandu/Nepal, Prospektmaterial über Nepal zu bestellen.

GEOGRAPHISCHE KARTEN Für das von uns begangene Gebiet konnten wir zum Teil folgende zwei Karten benützen:

- « Tamba Kosi Likhu Khola » Nepal. Massstab 1:50000. Herausgeber: Forschungsunternehmen Nepal/Himalaya. Ausgearbeitet in der Alpenvereinskartographie Innsbruck.

- « Mahalangur Himal, Chomolongma-Mount Everest ». Massstab 1:25000. Herausgegeben vom Deutschen Alpen-. verein, vom Österreichischen Alpenverein und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft 1957.

Herstellung und Druck für beide Karten: Kartographische Anstalt Freytag-Berndt und Artaria, Wien.

Für das Gebiet der Route Junbesi-Namche Bazar besteht indessen unseres Wissens keine Karte, wenigstens nicht im Massstab 1:50000 oder grosser.

TELECCIO-PASS UND ONDE Z AN AS P I TZ E 3304 und 3492 Meter, C.I. Blatt 8: Torre del Gran San Pietro * « Die Alpen » 1970 ( S.47-55 ), 1972 ( S.41-48 ), 1973 ( S.48-53 ) und' 975 ( S.53-59)- 1 Halbzylindrische Metallkonstruktion, neun Schlafstellen mit Matratzen und Decken.

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