Die Rotachenschlucht bei Thun
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Die Rotachenschlucht bei Thun

Hinweis: Dieser Artikel ist nur in einer Sprache verfügbar. In der Vergangenheit wurden die Jahresbücher nicht übersetzt.

VON RICHARD HOPF, THUN

Mit 1 Bild ( 69 ) und 1 Skizze Lieber Freund!

Gerne erfülle ich Dir den Wunsch, eine Begehung der Rotachenschlucht zu beschreiben. Mit Deiner Vermutung, dass ich sicher diese Schlucht kenne, triffst Du den Nagel auf den Kopf: Bei meiner Vorliebe für Schluchten kann es auch gar nicht anders sein. Manches Mal schon brachte ich einen halben oder einen ganzen Frei-Tag in dieser Gegend zu.

Die Rotachen, ein typisches Hochplateauflüsschen, entspringt an den waldigen Nordhängen der Honegg, durchfliesst dann ein Hochmoor nördlich der Schwarzenegg, wobei es verschiedene Bäche aufnimmt, die seinem Wasser eine eigene warm-bräunliche Färbung geben. Durch eine tiefe Nagelfluh- und Sandsteinschlucht frisst sich das Flüsschen zu Tale, um zwischen Uttigen und Kiesen in die Aare zu münden.

An dieser Einmündungsstelle ist die rötliche Farbe des Rotachenwassers gegenüber den blaugrünen Wellen der Aare besonders deutlich.

Und nun zur Begehung selbst:

Den Abschnitt oberhalb der Rotachenmühle wollen wir nicht beschreiten. Er ist wohl landschaftlich reizvoll, doch nicht besonders interessant. Auch wollen wir nicht die Bauern und ihre Hunde erzürnen, da wir durch ihre an der Rotachen liegenden Wiesen gehen müssten. Wir beginnen unsere Fahrt also bei der Rotachenmühle, wohin uns das Postauto auf seiner Fahrt von Thun nach Heimenschwand gebracht hat.

Von diesem Ausgangspunkt an beginnt das Flüsschen sich allmählich in das Gestein einzugraben. Allerdings sind die Ufer bis zur Hundschüpfenfluh ( Punkt 8 ) noch nicht hoch, oft sogar flach. Oberhalb Punkt 778, wo ein Fussweg von Fahrni über einen Steg nach Teuffenbach führt, finden sich viele wunderschöne Sandsteinbassins, welche zum Baden so recht einladend wären, wenn nicht Büsche und Wald sie zu stark beschatten würden.

Die Begehung bietet vorläufig nicht die geringsten Schwierigkeiten. Wenn das Wasser zum Darin-waten zu tief ist, benützt man die seitlichen Uferstreifen, um vorwärts zu kommen. Bei Punkt 9 zwingt uns ein etwa 20 m hoher Wasserfall zu einer Umgehung, entweder südlich davon in einem Seitentälchen oder nördlich über langsam dem Flussgrunde zu rutschendes Erdreich, mit vielen Rissen und dazwischen übriggebliebenen Grasinseln. Durch Erlengestrüpp arbeiten wir uns dann etwas mühsam weiter bis zu der schon erwähnten Hundschüpfenfluh, wo die eigentliche Schlucht beginnt.

Ein wilder Felsenzirkus, über welchen sich die Rotachen mit einem mächtigen Wasserfall hinunterstürzt, scheint unser Fortkommen zunächst aufzuhalten. Schon glauben wir, mit einer etwa 20 m hohen Abseilerei die Stelle überwinden zu müssen. Doch wie interessant! Auf der rechten Seite führt ein zuerst nicht beachteter, horizontaler Felsspalt über die senkrechten Abstürze hinaus. Er mündet in eine Geröllhalde, die, wie es so Geröllhalden zu tun pflegen, unseren Abstieg an- genehm beschleunigen. Bald sind wir wieder an der Seite unseres Flüsschens. Eine kleine Weile geht es bequem dem Wasser nach, doch schnell nähern sich die seitlichen, hohen Sandsteinwände. Wir sind gezwungen, im dort tiefen - die Stiefel sind kaum hoch genug - Wasser zu waten, bis ein kleiner Wasserfall die Reise unterbricht.

Über einen glitschigen, steilen Nagelfluh- und Erdwall hinauf und nachher horizontal einige Meter über dem Wasser arbeiten wir uns, mehr mühsam als schwierig, vorwärts ( auf der linken Seite ) bis zu einem etwa 7 m hohen Wändchen. Das um einen Baum herumgelegte Seil hilft uns, die leicht überhängende Stelle zu überwinden. Das nächste Mal ziehen wir hier einen Hut an, die vom Seilzug losgelösten Steine und Sandlawinchen von unseren Häuptern fernzuhalten!

Etwas oberhalb des Steges mit Fusswegen nach Aeschlisbühl und Ibach laden herrliche Sandsteinbänke zu einer wohlverdienten Rast ein. Wir entfachen ein Feuer. Für Holz brauchen wir nicht zu sorgen, es liegt hier in Mengen herum. Der Abtransport wäre zu umständlich. Wir achten darauf, das Feuer nicht auf nassem Sandstein anzuzünden, denn einmal hatte es aus dem Essen nichts gegeben, weil nach gehörigem Anheizen ein Stück der Sandsteinplatte samt Feuer und Kochtopf in die Luft flog.

Nachdem wir uns gestärkt haben, wollen wir weitergehen. Nach wenigen Metern sind wir beim oben erwähnten Steg. Der Blick flussabwärts lässt uns eine wilde Szenerie erfassen: Das Wasser schiesst unter gewaltigem Tosen, anscheinend in mehreren Wasserfällen, in unendliche Tiefe. Rechts schiesst dagegen eine senkrechte Sandsteinbastion 160 m in die Höhe. Links sind die Flühe weniger hoch, doch ist ihre Begehbarkeit von hier aus nicht beurteilbar. Um zu sehen, wo wir überhaupt durchkommen können, machen wir einen kleinen Abstecher in die Höhe. Wir folgen dem steilen, steinigen Fussweg nach Ibach. Dort, wo er aus dem Walde kommt, biegen wir nach links unten ab und gelangen an den oberen Rand der Sandsteinbastion. Gut verankert auf dem Bauche liegend, strecken wir den Kopf ins Leere hinaus und betrachten die nun tief und senkrecht unter uns liegende Rotachenschlucht.

Fürwahr ein tolles Bild! Unterhalb des Steges stürzt das Wasser in gewaltigen Wasserfällen in die Tiefe, verschwindet in einem steilen, serpentinenartigen, äusserst schmalen Canon, um unten abrupt in ein friedliches Wasserbecken zu münden. Es ist ganz ausgeschlossen, diesem tollen Wasserlauf einigermassen auf den Fersen zu bleiben, und wir suchen nach einem Ausweg und finden ihn: In der südlichen Begrenzung, meist senkrechte Flühe, scheint eine steile Rippe begehbar. Sie führt direkt in das eben erwähnte Wasserbassin.

Nach diesem kurzen Abstecher, den zu machen man nicht versäumen sollte, steigen wir zum Steg hinunter und folgen etwa 150 m dem Fussweg gegen Aeschlisbühl. Dann steuern wir die von oben gesichtete Rippe an und machen uns daran, über sie hinunterzusteigen. Bis etwa 30 m oberhalb der Flußsohle geht es steil durch Büsche, dann noch steiler, zuweilen senkrecht über Schrofen und Gras bis unten. Hier leistet uns das Seil gute Hilfe, denn die Grasbüschel und Schrofen sind keine guten Standplätze. Um den letzten Baum legen wir das Seil und gleiten bequem in die Tiefe. Ganz knapp langt das Seil bis auf einen Absatz, von dem aus wir den Grund ( s. Bild ) leicht erreichen können.

Die Reise kann weitergehen. Die Schlucht wird immer zahmer, an einer Stelle noch müssen wir auf den Zehenspitzen gehen, damit kein Wasser von oben in die Stiefel eindringt. Dann aber wird die weitere Begehung eintönig, rechts und links finden sich Pfade, die aus der Schlucht führen, und später wird die Sache zivilisiert: Auf einem Fahrweg legen wir die letzte Strecke nach der Station Brenzikofen zurück.

Lieber Freund, aus dieser Schilderung kannst Du entnehmen, dass die Begehung der Rotachenschlucht für einen etwas mit dem Abseilen vertrauten « Allround-Crack » keinerlei Schwierigkeiten bietet. Sie ist aber der hochromantischen Aspekte wegen überaus lohnend. Für gemütliches Begehen der Strecke Rotachenmühle bis Brenzikofen rechne etwa 4 Stunden. Noch empfehlenswerter ist es, der Rotachen bis zur Einmündung in die Aare zu folgen und dieser entlang bis zur Station Uttigen zu gehen, was etwa 1 Stunde mehr erfordert.

Falls Du weniger Zeit hast, besuche nur den interessantesten Teil: Von Punkt 849 bei Aeschlisbühl - mit dem Wagen leicht von Steffisburg aus erreichbar - steige zum Schluchtanfang ab und verlasse die Rotachen auf einer der Rippen oberhalb Punkt 628.

Die Route ist auf der Landeskarte 1:25 000, Blatt Münsingen, sehr gut ersichtlich.

Wenn Du Wasserstiefel hast, nimm sie mit. Es geht auch mit Bergschuhen, wenn das Wasser warm ist, am besten mit genagelten, da die Gummiprofile auf den oft schmierigen Steinen leicht ausgleiten. Mit den Schuhen hast Du allerdings ein Dauerfussbad, doch da das Rotachenwasser gegen Rheumatismen und andere Leiden heilsam sein soll, macht es nichts! Zum Abseilen genügen 60 m Seil.

Mit den besten Wünschen für eine genussreiche RotachenfahrtDein R. H.

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