Die Gletscherbewegung in den Schweizer Alpen im Jahre 1957 und die Einschneiung im Winter 1956/1957
In seinen Berichten über « Les variations des glaciers suisses 1957 » und « L' enneigement alpin 1956157 » gibt André Renaud die Angaben über die Beobachtungen betreffend den Winterverlauf und den Stand der Gletscher in unseren Schweizer Alpen. Auf der Nordseite brach der Winter im Verlauf des Oktobers 1956 recht frühzeitig ein und wich über 2500 m ü. M. nicht mehr zurück, während auf der Alpensüdseite die Einschneiung erst im Januar 1957 einsetzte. Allgemein war die Einschneiung defizitär; die maximalen Schneehöhen erreichten am 25.Februar 1957 auf dem Gotthard 245 cm und auf Weissfluhjoch 221 cm; auf dem Säntis war sie mit 365 cm erst am B. Mai verbucht. Über 3000 m Höhe wurden die Maxima meistens erst gegen Ende Juni erreicht. Im hydrologischen Jahr 1956/57 stand die Gesamteinschneiung durchschnittlich über dem Mittel und wirkte sich für die Gletscherspeisung wohl günstig aus. Auf Jungfraufirn ergab sich bei Pegel 3 ein Einschneiungsplus von 2,3 m, jedoch eine Zunahme der Firnhöhe von nur 0,7 m.
Die Kontrolle der Gletscherzungen ergab, dass von 88 beobachteten Gletschern 75 im Rückzug standen, d.h. 85 %, 3 oder 3 % stationär und 10 = 12 % im Vorstoss waren. Der mittlere Rückzug erreichte — 10,2 m, gegenüber — 12,1 m im Vorjahr. Die im Vorstoss stehenden Gletscher sind meistens kleine Gletscher in Felskesseln, die sich nicht leicht in Parallele zu den Talgletschern setzen lassen, d.h. zu solchen, die sich aus geschlossenen Firngebieten durch die eingeschnittenen Täler zur Tiefe bewegen. Die Gletscher Rosenlaui ( BE ), Schlossberg ( UR ) und Petit Plan Névé ( VD ) wurden aus der Liste der regelmässig kontrollierten Gletscher gestrichen, da deren Ende mit dem eigentlichen Gletscher zu losen Zusammenhang besitzt ( wie beim Schlossberg, wo sich von der eigentlichen Gletscherzunge laufend Eisblöcke lösen, die über das steile, felsige Vorfeld abstürzen und am Fuss der Felswand sich zu einem aus Eistrümmern - und Lawinenschnee - neu zusammengeballten « Gletscher » sammeln ) oder deren Abschmelzen mehr von andern Einflüssen erfasst wird als vom Firn- und Eishaushalt selbst. Einzelne Gletscher, wie der Grosse Aletschgletscher oder diejenigen im Tödi-Claridengebiet, Oberaar- und Unteraar, Hüfi usw., werden besondern Detailbeobachtungen unterzogen. ( Beim Hüfigletscher öffnet sich ein See, der im Spätherbst 1957 gegen 200 m Länge und 65 m Breite aufwies und in diesem Sommer weiteres Wachsen infolge des Rückzuges des Gletschers zeigt ). Einen kräftigen Vorstoss verzeichnet der Allalingletscher, der etwas aus dem Rahmen der Gletscherbewegung der Saastäler fällt. Solche Selbständigkeit wurde aber beim Allalingletscher schon früher beobachtet, z.B. in den Jahren 1915 bis 1923, 1941-1942 und 1954-1955, während die übrigen Jahre auch wieder recht starke Rückzüge seiner Zunge verzeichneten. Oft sperrte er durch seine brüsken Vorstösse das Tal bei Mattmark und legte seine Stirnmoräne als Riegel in den Talboden. Es scheint, dass bei diesem Gletscher noch Momente bei dessen Vorstössen und Rückzügen mitspielen, die wir noch nicht kennen und welche ausserhalb denjenigen liegen, deren Ursache wir der Einschneiung und Firnbildung zuschieben.
Gegenwärtig spielen unsere Gletscherbeobachtungen von 1956-1958 im Rahmen des Geophysikalischen Jahres eine wichtige Rolle, wie deren Weiterführung für die Kenntnisse über den Wasserhaushalt unserer Flüsse ( Kraftwerkbauten ) von grosser Bedeutung bleiben. Deren Leitung betreut unsere Schweizerische Gletscherkommission des G. Max Oechslin